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Ermittelte Behandlungen der untersuchten Gemälde

und Recherche regenerierter Gemälde

1.4 Recherche über regenerierte Gemälde

1.4.4 Ermittelte Behandlungen der untersuchten Gemälde

Bedingt durch die Aktenlage ist für die Gemälde außerhalb der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen nur ein ganz schmaler, aber fundierter Einblick in die Regenerierungen gegeben. Im Sinne eines Überblicks werden nur die wichtigsten erhobenen Daten gruppenweise dargelegt. Das jeweilige Gemälde wird anhand Maler, Titel und Inventar-Nummer identifiziert. Angegeben werden einerseits – soweit vorhanden – die Bearbeiter, Jahr und Regenerierungssubstanz, andererseits der Abgleich von aktenkundiger Verwendung von Copaivabalsam und das Ergebnis des

304 Eine Aufsichtaufnahme des verdunkelten Sprungbildes bietet die Diplomarbeit SCHMITT 1988, S. 82. Die Probenentnahme für den Copaivanachweis erfolgte mit Tamponierung (mit Wattestäbchen) von der Rückseite her.

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analytischen Nachweises (sofern durchgeführt). Charakteristika, welche die Gruppe kennzeichnen, werden jeweils im Anschluss erläutert.

1.4.4.1 Bearbeitungen durch Pettenkofer und Frey

Anlässlich der Ausstellung im Februar 1865 notierte Pettenkofer den Zustand und Erfolg an 30 Gemälden305. Bisher war undeutlich, ob er die Behandlungen alle eigenhändig durchgeführt hat und womit. Seine handschriftlichen Notizen306, die Gutachten, Inventarbände (s. BSGB) und weitere Schriften307, Datierungen, Zuschreibungen und Materialangaben wurden erneut geprüft. In München hat die Verfasserin sieben Gemälde, die sie 1988 untersucht hatte, im Rahmen der Dissertation erneut mikroskopiert. Begleitend wurden an sechs Gemälden Schabproben der obersten Firnislagen entnommen, um Copaivabalsam nachzuweisen.

Aus der Gruppe der dreißig ausgestellten Bilder hat Pettenkofer an zwölf Gemälden erfolgreiche Regenerierungen eigenhändig durchgeführt, Frey ist als Bearbeiter von 14 Gemälden belegt, davon hat er mindestes zwei nach der Regenerierung durch Pettenkofer restauriert – im Falle von Retuschen nutzte er als Bindemittel Copaivabalsam.308

29 Bilder waren bereits im Dezember 1863 behandelt, die Kommission sollte fünf Tage darauf „weitere 25 auswählen, […] der vormalige Zustand der Gemälde ist genau zu Protokoll zu bringen“309. Diese Auswahl erfolgte am Neujahrstag. Dieser Hinweis auf eine äußerst effektive Durchführung ist angesichts des großen Kastens und der kleinen Bildformate plausibel.

Davon sind im Katalog sieben Gemälde erfasst:

ADAM (19.Jh.), Radetzky,*310 Inv.-Nr. WAF11 BORCH, Brief,* Inv.-Nr. 206

TENIERS (KOPIE), Landschaft, Inv.-Nr. 1211 NECKER, Blumen,* Inv.-Nr. 1557 SCHLICHTEN, Lautespielerin, Inv.-Nr. 2160 WOUWERMAN, Schimmel,* Inv.-Nr. 1034 WOUWERMAN, Pferdestall,* Inv.-Nr. 1035

305 Vgl. S. 3, Anm. 9.

306 S. BSB, Pettenkoferiana I.5.2 und I.5.11 sowie ein Abgleich mit seinem Promemoria vom 30.6.1863, bekannt auch am Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin.

307 s. PECHT 1861 (a-c), 1864 (a-b), 1868 (a-c); FÖRSTER 1869; KUHN 1864.

308 Auswertung nach SCHMITT 1988, Anhang.

309 Nachricht am 3.12.1863 von Direktor Zimmermann an den König, MK 14259 und 14260.

310 Ein * hinter dem Titel signalisiert einen positiven Nachweis von Copaivabalsam in der Gemäldesubstanz.

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Das zeitgenössische Gemälde von ADAM hing damals bereits in der Pinakothek, ebenso wie die drei als wertvoll herausgehobenen Gemälde von Wouwermann und Borch. Aus Schleißheim kamen drei kleine Tafeln, sie gehören zu den ersten Stücken, die ausdrücklich als minderwertig zu Versuchen freigegeben worden sind.

ADAM (19.Jh.), Radetzky*, Inv.-Nr. WAF11 war weder im Gutachten noch in den Ausstellungen vertreten. Ohne Angabe der ersten Bearbeitung musste es „fast jedes Jahr regeneriert werden [und erhielt] vor- und rückwärts Copaivabalsam.“311 An diesem Gemälde wurde der aktenkundige Einsatz von Copaivabalsam analytisch bestätigt. Im Jahr 1930 „regeneriert und gereinigt Müller“312 weist auf den Restaurator313, der 1928 auch das Gemälde von REMBRANDT, Zeuxis, Inv.-Nr.

2526, heute in Köln, damals zeitweise in München, regenerierte. Die Lautenspielerin, damals noch Dorner zugeschrieben, wurde von beiden Gutachtern 1863 untersucht, Pettenkofer hat es damals bis auf eine Referenzstelle regeneriert und zog es als seine früheste Regenerierung heran,314 SCHLICHTEN, Lautenspielerin, Inv.-Nr.2160 Eisen – 1863: „bis auf ein kleines Quadrat regeneriert“315 und 1864: “Frey regeneriert”316 „nur teilweise“317. Weder historisch noch analytisch gibt es einen Hinweis auf Copaivabalsam.

Zu den Bildern, die 1863 auf der ersten Ausstellung regeneriert zu sehen waren, gehören zwei Eichentafeln, an beiden Bildern kritisierte Pecht318 Risse, die nach der Bedampfung deutlicher zu sehen waren. BORCH, Brief*, Inv.-Nr. 206 hatte Pettenkofer schon im Gutachten wegen hinderlicher Öllagen besprochen, 1863 blieb es nach [einmaliger319] Bedampfung unbefriedigend matt, was auch Mastixfirnis nicht behob. Erst einige ‚mechanische Mittel’ partiell angewandt, ließen es wieder klar erscheinen, bis auf resistente Trübungen im Bettvorhang320.

Ohne Angabe der ersten Bearbeitung „hat […] Frey […] später durch sehr oft wiederholtes Behandeln mit Copaivabalsam [und Bedampfen das Bild] wieder so klar

311 PETTENKOFER 1870, S. 47; demnach Inventarbucheintrag unvollständig!

312 Inventarband BGBS.

313 Bisher nicht identifiziert. Nach Schölzel (vgl. Abschnitt 1.5.1) war Carl Ferdinand Müller, gelernter Tischler, 1855-1858 Gehilfe, ab 1883 „Conservator“ an der Gemäldegalerie in Dresden, übernahm Kurierbegeleitungen und wurde 1884 nach München gesandt, um bei Hauser Pettenkofers Verfahren zu erlernen – 1930 liegt jedoch 75 Jahr nach C. F. Müllers Dienstbeginn in Dresden.

314 PETTENKOFER 1870, S. 98.

315 Pettenkofer im Gutachten, s. SCHMITT 1990(a); vgl. PETTENKOFER 1870, S. 100.

316 Inventarbucheintrag.

317 Pettenkoferiana I.5.11, datiert Februar 1865; vgl. PETTENKOFER 1870, S. 100.

318 PECHT 1864 (b).

319 PETTENKOFER 1870, S. 56.

320 Pettenkofer im Gutachten, s. SCHMITT 1990(a).

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gebracht.“321 An diesem Gemälde wurde der aktenkundige Einsatz von Copaivabalsam analytisch bestätigt. Von der Kupfertafel WOUWERMAN, Schimmel*, Inv.-Nr.1034 behauptete Pecht, sie wäre durch Copaiva „auf den Firnis hinauf“322 geschädigt; Pettenkofer bestätigt den Einsatz vom Balsam: „schon 1863 von Frey auf diese Art behandelt“323, ausgeführt habe Frey dies jedoch erst nach Erlaubnis im November und es war „in wenigen Tagen geschehen“324. Dies deutet daraufhin, dass es selbst mit Copaivabalsam nicht direkt gelang, Copaivabalsam wurde analytisch bestätigt.

1865, bei der größeren Ausstellung der 30 vollständig regenerierten und restaurierten Bilder waren drei Genreszenen zu sehen. Die holländische Holztafel, die damals noch Teniers zugeschrieben war und heute als Kopie nach Teniers gilt, erforderte laut Pettenkofers eigenen Notizen noch Copaivabalsam. Der analytische Nachweis war negativ, der Balsam kann aber partiell an nicht beprobter Stelle angewandt worden sein. Die anderen beiden Tafeln wurden 1864 oder 1865 von Frey regeneriert (Bedampfungen?), die zweite Regenerierung der Tafel auf Eisenblech vervollständigte offenbar nur die unbehandelte Stelle.

TENIERS (Kopie), Landschaft, Inv.-Nr.1211, Eiche – 1864:

„Pettenkofer regeneriert“325; „noch mit Copaivabalsam zu behandeln, zu firnissen“326;

NECKER, Blumen*, Inv.-Nr.1557 – 1864: „Frey regeneriert”327

WOUWERMAN, Pferdestall*, Inv.-Nr.1035, Kupfer – 1865: „Frey regeneriert”328. Obwohl zu den Behandlungen am Pferdestall und an Blumen kein Copaivabalsam aktenkundig ist, ließ er sich an beiden Gemälden analytisch nachweisen.

In dieser Gruppe wurde Copaivabalsam an fünf von sieben (70%) Gemälden nachgewiesen, was vier historische Nennungen bestätigt.

An den übrigen Gemälden muss bei der Verwendung von Copaivabalsam differenziert werden, zu welchem Zweck er bereits für die Ausstellung 1865

321 PETTENKOFER 1870, S. 56, wahrscheinlich auf Winter 1865 zu datieren (demnach ist der Inventarbucheintrag „1863 von P. regeneriert“ unvollständig; vgl. PETTENKOFER 1864(b):

Erlaubnis weiter zu behandeln „später durch andere Mittel [wäre] erst nach Erfahrung an minder wertvollen Gemälden“ möglich.

322 PECHT 1864(b).

323 PETTENKOFER 1870, S. 61, meint Copaivabalsam. Inventarbucheintrag „1863 von P.

regeneriert“ unvollständig!

324 PETTENKOFER 1864(b); indirekte Bestätigung, wörtlich Copaivabalsam nur als Versuchsmaterial am Uhrglas.

325 Inventarbucheintrag.

326 Pettenkoferiana I.5.2, datiert 28.12.1863, am 8.4.1864 regeneriert. „noch mit Copaivabalsam zu behandeln, zu firnissen“.

327 Pettenkoferiana I.5.39.4, datiert Februar 1865; vgl. Inventarbucheintrag.

328 Inventarbucheintrag, vgl. Pettenkoferiana I.5.39.4, datiert Februar 1865.

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eingesetzt worden ist. Frey hat – ausdrücklich als Bestandteil des Verfahrens – den Copaivabalsam für Bindemittel bei Retusche und zum Niederlegen von Abhebungen verwendet. Da solche Konservierungen stets nach der Regenerierung erfolgten, schließ das ggf. ein, dass verwölbte Schollen und Faltungen, die bei Bedampfung auftreten konnten, mit behandelt worden sind. Diese Art der Kontamination wurde in den Inventarbüchern nicht erfasst, demzufolge muss sein Name als Indiz für eine Kontamination mit dem Balsam gelten.

Vier Gemälde, BORCH, Brief, Inv.-Nr. 206, TENIERS (Kopie), Landschaft, Inv.-Nr.

1211 und WOUWERMAN, Schimmel, Inv.-Nr. 1034, erhielten 1863 bis 1865, ADAM, Radetzky, Inv.-Nr. WAF 11 wiederholt „Copaiva“ als Regeneriersubstanz.

Mit Bedampfen der Eisentafel von SCHLICHTEN, Lautenspielerin, Inv.-Nr. 2160 kommen vier eigenhändige Regenerierungen Pettenkofers zusammen.

Frey behandelte 1864 das Letztere erneut, die Kupfertafel WOUWERMAN, Pferdestall, Inv.-Nr. 1035 und die Holztafel TENIERS (KOPIE), Landschaft, Inv.-Nr.

1211, sowie – nach der Nennung in Radlkofers Gutachten und Versuchen – 1864 das kleine Leinwandbild329 von NECKER, Blumen, Inv.-Nr. 1557, in dieser Gruppe vier von sieben Werken.

Unter den 30 ausgestellten Gemälden waren nur eines, deren Regenerierung Copaivabalsam erforderte, GOSSAERT, Danaë, Inv.-Nr. 38. Dies bestätigt Pettenkofers Aussage, die anfänglich regenerierten Bilder aus Schleißheim wären unproblematisch zu behandeln, da sie firnisreich waren. Da sie zugleich die eigenhändigen Behandlungen waren, hatte er den argumentativen Vorteil, persönlich nur die Bedampfungen ausgeführt zu haben. Mindestens vier weitere Gemälde waren durch „Niederlegen“, ggf. zusätzlich durch Retuschen, ebenfalls Ausführung durch Frey, mit Copaivabalsam kontaminiert (MIERIS Inv.-Nr. 2104, POELEMBURG Inv.-Nr. 2094, WETT Inv.-Nr. 2138 und WOUWERMAN Inv.-Nr. 2067.330 Aus diesen Informationen entsteht der Eindruck, alle Arten der Applikationen von Copaivabalsam leistete Frey und damit den Einsatz der umstrittenen Substanz.

Keines der Gemälde, die 1863 ausgestellt waren, wurde 1865 erneut ausgestellt, vermutlich blieben sie konstant in der Sammlung präsent.

329 Ausschnitt (?) auf Holztafel kaschiert; Nennung von Frey im Inventarband. Vgl.

Pettenkoferiana I.5.11, I.5.28 und I.5.39.4

330 Pettenkoferiana I.5.2.34 Staatsbibliothek München und Inventarbände der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, ausgewertet im Zuge der Diplomarbeit der Verfasserin, SCHMITT 1988, Anhang.

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1.4.4.2 Bearbeitungen an anderen Sammlungen

Einige Bezüge zwischen historischer Regenerierung und Sammlung in München und Kassel wurden bereits publiziert.331 Brammer hat seine detaillierten Untersuchungen und seine ersten Auswertungen der lokalen Restauriergeschichte mit der Verfasserin geteilt. Krämer hat beide Aspekte intensiv überarbeitet und ergänzt. Bei der Auswertung der neuen, umfänglichen persönlichen Recherchen am Zentralarchiv in Berlin fließen Recherchen von Dr. Ute Stehr mit ein.

Innerhalb der für diese Dissertation ausgewählten 29 Werke (s. Katalog) liegen für 14 Gemälde, also 48%, historische Belege konkret für eine Regenerierung vor, davon stammt das eine Gemälde von Adam aus dem 19. Jh. Für neun weitere Gemälde deuten historische Notizen auf Regenerierungen, im Kontext insgesamt 86%. Von sechs weiteren Gemälden, 20%, haben wir bisher keine solchen Informationen.332

In der Gruppe der Vergleichsbilder aus weiteren Städten sind nur die Werke Rembrandts ausführlich dokumentiert. Die Bearbeiter können im Rahmen dieser Dissertation nicht näher vorgestellt werden.

Staatliche Gemäldesammlungen Alte Galerie in Kassel – heute MLH

Von den sechs untersuchten Gemälden aus Kassel (Schloss Wilhelmshöhe) waren drei Gemälde von Rembrandt und drei aus seinem Umkreis.

REMBRANDT, Saskia (WH), Inv.-Nr. 236 (Eiche), REMBRANDT, Unbekannter, Inv.-Nr. 239 (Lwd),

REMBRANDT, Federschneidender*, Inv.-Nr. 234 (Lwd, nicht im Bildatlas),

BOL, Dame*, Inv.-Nr. 238 (Eiche),

ROGHMAN, Ziegen, Inv.-Nr. 228 (Lwd333), PIJNACKER, Angelnder Hirte*, Inv.-Nr. 340 (Eiche);

Gemälde von Rembrandt sind zu zwei Epochen jeweils gruppenweise regeneriert worden, 1882-83 sowie 1924-29, die wichtigsten Daten werden nachfolgend ausgeführt. Ebenfalls aus Kassel stammt das Gemälde, aus dem das Versuchsmaterial für die Experimente stammt: Jacob JORDAENS (1593-1678), Der Triumph des Bacchus, Inv.-Nr. 109 (in Paris mit der No. 272 geführt). Seine Herkunft wird im Anschluss dargelegt, weil sie einen wichtigen Abschnitt in der Provenienz und damit auch Restauriergeschichte zahlreicher regenerierter Gemälde repräsentiert334.

331 SCHMITT 1990 (a), S. 50-52.

332 Eine Übersicht getrennt nach diesen drei Kategorien A, B, C erfolgt im Kap. 5.5.

333 Mit Kleister doubliert.

334 Restitutionen der napoleonischen Raubzüge nach Kassel, Braunschweig, Schwerin und teilweise auch in die deutschsprachige Alpenregion, vgl. SAVOY 2003.

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Krämer335 arbeitete erneut die historischen Bearbeitungen von hier relevanten Gemälden heraus und dokumentierte deren Schäden mit raffinierter Fototechnik336. Für die Behandlungen der oben genannten Gemälde gibt es nur für REMBRANDT Saskia, Inv.-Nr. 236, (künftig Saskia (WH) bezeichnet) den konkreten Beleg der Regenerierungen. Der folgende Kontext deutet darauf hin, dass dies mindestens für die drei Werke Rembrandts gilt und in ähnlicher Weise für alle sechs gelten kann.

Aus den im Museum vorhandenen Archivalien geht hervor, dass in den Jahren 1866 bis 1880 in Abständen von acht, drei und zwei Jahren Begutachtungen der Restaurierungen durch externe Fachleute aus Berlin erfolgten, da die Provinz Hessen der Verwaltung in der preußischen Hauptstadt unterlag. Wilhelm von Bode und Louis Barthold J. Schmidt aus Berlin bewerteten u. a. Saskia im Jahr 1874 zum ersten Mal. Zwei Restaurierungs-Kampagnen folgten, im Jahr 1879 Reinigungen durch Vater und Sohn Schmidt sowie im Jahr 1880 dreißig Restaurierungen durch Wolfgang Böhm aus Berlin. 1882 und 1883 hatte der Restaurator am Museum, CHECK Vornahme Luthmer, die anstehenden Maßnahmen mit Wilhelm von Bode und Vater und Sohn Alois Hauser abzusprechen.

Jetzt waren die Firnisse „abgestorben“337, sollten nach „gründlicher Reinigung“

regeneriert und „behutsam partiell“ abgenommen werden. Bei der Einteilung in drei Kategorien Zustand wurde eine Gruppe zusammengestellt, deren Firnisse alt, dick und undurchsichtig waren. 114 Gemälde wurden von Vater und Sohn Hauser

„gereinigt u. s. w.“. Bei 92 Gemälden stand die Bearbeitung der Firnisse im Vordergrund. Bode stellte 1882 und 1883 Firnislagen „meist vier bis fünffach“ fest und zählte „mehrere Dutzend“ Regenerierungen, unter anderem an Saskia (WH).

Brammer recherchierte, dass diese Regenerierungen überwiegend die Gemälde von Rembrandt betrafen. Da das Gemälde von Ferdinand Bol damals Rembrandt zugeschrieben wurde, betrifft die Regenerierung 1882 bis 1883 sehr wahrscheinlich auch dieses Gemälde (Mittel und Vorgehen blieben undokumentiert). In größeren Zeitabständen folgten weitere Arbeiten und Beratungen durch externes Personal, 1890 bearbeitete Hauser junior in einem Monat an 17 Gemälden Verschmutzung und Firnisse „mit größtem Geschick und Gelingen“; 1912 erwog man konkret eine

„Behandlung mit dem Pettenkofer’schen Verfahren“, 1924 besuchte Max Friedländer die Sammlung und diagnostizierte wiederum „Trübung der Firnisse“, die mit Regenerieren „relativ leicht zu beheben“ seien. Er berichtete von Neufirnis und

335 KRÄMER 2012, S. 36-54; s. a. KRÄMER 2009, S. 24-40 und KRÄMER 2013, S. 32-43.

336 Von Brammer und Schmitt studierte Phänomene hat er mit einer neu entwickelten Aufnahmetechnik der Fa. Leica abgebildet. Einige dieser Aufnahmen finden sich im Schadenskatalog mit entsprechendem Verweis.

337 KRÄMER 2012, S. 36-54 und KRÄMER 2013, S. 32-43, gilt für den gesamten Absatz.

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„lasierender Übermalung im gegilbten Firniston“. Inzwischen waren manche Firnisse

„teilweise zersetzt“ und sollten mit Pausen von „3 oder 5 Jahren“ wiederholt restauriert werden.

Brammers Exzerpt der Kasseler Dokumente zufolge berieten noch 1929 Max Doerner (1870-1939) und sein Schüler Kurt Wehlte (1897-1973) an bereits stark geschädigten Gemälden weiter in Pettenkofers Sinne:

„An dem Bild des Kahlkopfes von Rembrandt wurde eindeutig demonstriert, dass einem früheren Restaurator des 19. Jahrhunderts ganz handgroße Farbenkomplexe auf einer derart aufgelösten schwimmenden Unterschicht fortgerutscht sind. Als einzig gegebene Mittel, namentlich bei den wertvolleren Bildern, bezeichneten die Herren die Ueberpinselung mit eben streichbarem Kopaiva-Balsam (Pararbalsam mit rect. Terpentinöl und Kopaivabalsamöl).“ 338 Dabei muss bedacht werden, dass in den 1920er-Jahren kein frischer Copaivabalsam zu beziehen war und man wahrscheinlich auf die pharmazeutischen Bestände gealterten, viskos gewordenen Balsams zurückgreifen musste.

Krämer führte weiter aus, dass im Handel auch im 20. Jh. noch „auf warmen Wege“

gelöste Produkte zum Firnissen üblich gewesen seien339. Er ergänzte, dass ein Gemälde mit „echtem englischen Kutschenlack“ gefirnisst worden sei, obwohl Doerner derartig „fetten, lösemittelhaltigen Kopallack“ als Gemäldefirnis für

„ungeeignet“ hielt, weil schwer lösliche Überzüge „wie eine Haut“ aufreißen, wenn darunter weichere Lagen erweichen. Die Empfehlung Doerners beinhaltete hohe Anteile von Copaiva-Öl und Wiederholungen über mehrere Monate340. Korrekt fand Doerner die ölhaltigen Firnisse stabiler als

„die Weichharze und Balsame in der Rembrandtschen Farbe“ und erwog eine mechanische Firnisdünnung. Konkret die „Hl. Familie“ von Rembrandt sollte dazu mit „Parabalsam mit rect. Terpentinöl und Kopaivabalsamöl“ regeneriert werden.

Krämer bestätigte die Beobachtungen von Brammer, der Verfasserin, Claudia Kluger341 und Susanne Stelzig342. Seine Beobachtungen fügen sich in die entwickelte Terminologie und Klassifikation (Kap. 4).

Krämer343 führte weiter aus, dass an zwei Gemälden, BOL, Dame*, Inv.-Nr. 238 und REMBRANDT, Unbekannter, Inv.-Nr. 239, bereits vor und nach dem zweiten Weltkrieg die erste Hypothesen über Regenerierschäden festgestellt worden sind.

1936 konnte Wiegel zusehen, wie ein Schaden zunahm: „im Hintergrund [...] bildeten sich [...] borkige Stellen [...] die Granulation schreitet unmerklich fort und hat bereits

338 BRAMMER 1987, S. 94; BRAMMER 1999, S. 174-182.

339 KRÄMER 2012, S. 44, Anmerkung 81, gilt für den gesamten Absatz.

340 KRÄMER 2012, S. 45.

341 Privatrestauratorin in Kassel, die das Gemälde 1995-98 untersuchte.

342 STELZIG 1997, S. 39.

343 KRÄMER 2012, S. 46, gilt für den gesamten Absatz.

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das Geschmeide erfasst.“Vom gleichen Schaden wäre auch „Bildnis einer jungen Frau mit Nelke“ von F. Bol und Rembrandts „Stehender Herr in ganzer Figur“

betroffen.An einem weiteren Gemälde habe sich zunächst starker Glanz und daraus die Granulation entwickelt und sei zuletzt in einer „milchig verzehrenden Schicht“

ganzflächig aufgetreten. Die Restaurierungen der Nachkriegszeit hätten mehrfach Regenerierungen umfasst, an sieben Gemälden seien Firnisdünnungen dokumentiert. An einem anderen Gemälde (REMBRANDT, Flusslandschaft mit Windmühle) soll Copaivabalsam in der Lösemittelmischung enthalten gewesen sein.

Krämer zufolge hat Restaurator Leiß im Mai 1848 „im Firniß eingebettete Ockerpartikel“ erkannt und diese, mit Verweis auf Doerner und Ruhemann, Hauser zugeschrieben, der auf diese Weise „Firnisse getönt“ haben soll. Leiß habe auch

„erstmals an einem Kasseler Gemälde das Hervorquellen von Farbmaterial aus dem Craquelé der Malschicht“ registriert. Nach vergeblicher Regenerierung hätte er eine Firnisdünnung mit Terpentinöl, Copaivabalsam und Aceton „in verschiedenen Mischungen“ angewandt. Seine Schlussfirnisse seien zweilagig gewesen, Dammar auf Mastix, jeweils in Terpentinöl gelöst.

Aus der Restaurierungswerkstatt in Kassel kommt auch das Versuchsmaterial für die Experimente. Es handelt sich um einen Randstreifen von JORDAENS, Bacchus, Inv.-Nr. 109. Dieses Gemälde gehört zu der großen Gemäldegruppe, die im Zuge der Napoleonischen Kunstraubzüge von 1807 bis 1815 in Paris gewesen ist. Bénedicte Savoy hat ermittelt, dass etwa ein Viertel des gesamten Kunstraubes in Paris ausgestellt worden ist. Etwa ein Drittel der Tausenden von Gemälden sind zumindest in einer ersten provisorischen Beuteschau präsentiert worden.344 Ungeachtet gegenteiliger Anweisung kamen „fast alle“ Werke geschädigt in Paris an345 – entsprechende Eingriffe erfolgten vielfach. Émile-Mâle hat die teilweise vorbildlich dokumentierten Restauriernotizen ausgewertet.346 Die Eingriffe reichten von der einfachen Reinigung bis hin zu den damals modernen Übertragungen. An dem Gemälde von Jordaens konstatierte man in Kassel um 1960 eine Formatveränderung, entfernte den Randstreifen und schrieb ihn dem Künstler selber zu.347 Da in Paris ausdrücklich auch große Randanstückungen erfolgten und im Nahtumschlag stellenweise französische Zeitung eingearbeitet war, interpretierte

344 SAVOY 2003, Bd. 1, Teil 3, S. 370.

345 Ebd., Bd.1, Teil 3, S. 317-343; Übersetzung der Autorin: „unter den Tausenden sind etwa ein Drittel direkt nach der Ankunft in F. provisorisch ausgestellt worden, etwa 160 Bilder zurückgehalten, um sie definitiv in Napoleons Sälen auszustellen, Katalog der Ausstellung in der Gemäldegalerie (Ausgabe 1814) umfasst ca. 600 Gemälde („deutsche“,

„holländische“ und „flämische“) neben 500 Werken aus Deutschland 1806, ein ¼ des Ganzen.“ S. 371 „von den 30 Rembrandts, oder sogen.“ (siehe Bd. II, S. 527-529, 531-537, 541-543).

346 Émile-Mâle1994, S. 114-116. Die Autorin erfasste hier die Eingriffe an belgischen Werken.

347 Ebd., S. 41-44: „une grande ralonge“, also eine große Randanstückung.

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Brammer die Randanstückung am Gemälde in Kassel als sekundär, als Maßnahme, die plausibel in Paris erfolgt sein kann.348 In Paris führte man Übermalungen am Rande häufig aus: „mis au ton les bords“349. Genau so eine Übermalung am Randstreifen wurde bei der mikroskopischen Untersuchung bestätigt. Das Fragment ist demnach fast 200 Jahre natürlich gealterte Gemäldestruktur mit viellagiger Firnisschicht. Zudem erfuhr es als Sammlungsbestand all jene Restaurierungseingriffe, welche die sieben aus Kassel stammenden, untersuchten regenerierten Gemälde auszeichnet. Für die Versuche herausgeschnittene Teile werden künftig „Fragmente“ bezeichnet. Der Aufbau wird in den Experimenten besprochen.

Für die Werke aus Kassel kann davon ausgegangen werden, dass Copaivabalsam bei den historischen Regenerierungen verwendet worden ist, an zwei Gemälden ist er analytisch nachgewiesen worden: BOL, Dame*, Inv.-Nr. 238 und PIJNACKER, Angelnder Hirte*, Inv.-Nr. 340.

Gemäldegalerie in Berlin – SMPK (GG)

In Berlin waren die Gemälde mit historisch belegten Behandlungen nicht vollständig kongruent mit den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Gemälden. Zum einen wiesen konkrete historische Angaben mehrfach auf Behandlung an Gemälden, die nicht mehr im Bestand sind (Kriegsverluste), zum anderen waren den Restauratoren in der Gemäldegalerie speziell Gemälde Rembrandts mit besonders starken Deformationen aufgefallen, die möglicherweise auf Regenerierungen beruhten. Vor der Recherche der Verfasserin fand Stehr bereits Hinweise auf Regenerierungen und stellte ihre Unterlagen zur Verfügung.

In Berlin waren die Gemälde mit historisch belegten Behandlungen nicht vollständig kongruent mit den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Gemälden. Zum einen wiesen konkrete historische Angaben mehrfach auf Behandlung an Gemälden, die nicht mehr im Bestand sind (Kriegsverluste), zum anderen waren den Restauratoren in der Gemäldegalerie speziell Gemälde Rembrandts mit besonders starken Deformationen aufgefallen, die möglicherweise auf Regenerierungen beruhten. Vor der Recherche der Verfasserin fand Stehr bereits Hinweise auf Regenerierungen und stellte ihre Unterlagen zur Verfügung.