• Keine Ergebnisse gefunden

Charakterisierung der verwendeten Gemäldestruktur: Fragment Die verwendete Gemäldestruktur wird künftig als Fragment bezeichnet und muss als Die verwendete Gemäldestruktur wird künftig als Fragment bezeichnet und muss als

und Recherche regenerierter Gemälde

3 Experimentelle Prüfung von Pettenkofers Verfahren

3.1 Charakterisierung der verwendeten Gemäldestruktur: Fragment Die verwendete Gemäldestruktur wird künftig als Fragment bezeichnet und muss als Die verwendete Gemäldestruktur wird künftig als Fragment bezeichnet und muss als

Probenkörper definiert werden. In drei vorbereitenden Schritten werden die Eigenarten und das Verhalten vorgestellt.

3.1.1 Herkunft des Fragmentes

Das Versuchsmaterial Fragment stammt von einem Randstreifen an einem Gemälde in Kassel (heute MHL), Jacob Jordaens (1593-1678), Der Triumph des Bacchus, Inv.-Nr. 109. Solche Randstreifen waren im 19. Jh. zugunsten einer höfisch anmutenden Präsentation in Kassel in Gestalt von Rokoko-Silhouetten angefügt worden. Mit der Erweiterung war dieses Bild mit dem Konvolut der napoleonischen Raubzüge in Paris, dort mit der No. 272 geführt. In den 1970er Jahren hat man die Erweiterung entfernt, um das Gemälde in sein ursprüngliches Format zurückzuführen und das Fragment aufbewahrt. Es erfuhr damit all jene Restaurierungseingriffe, welche die sieben aus Kassel stammenden untersuchten regenerierten Gemälde innerhalb der Feldstudie auszeichnet. Mikroskopische Untersuchungen am Fragment belegen, dass einige Stellen übermalt worden sind und diese Lage zwischen Firnissen vorliegt. Diese wesentliche pigmentierte Lage wird in den Querschliffen als P3 bezeichnet und datiert höchstwahrscheinlich in die Bearbeitungsphase in Paris.656 Damit ist nicht nur das Versuchsmaterial etwa 300 Jahre alt, auch diese Lage ist 200 Jahre natürlich gealtert und konserviert.

3.1.2 Aufbau des Fragmentes

Aufbewahrte Stücke des Gewebes mit Mal- und Firnisschicht addieren sich zu 2,6 m Länge und variieren in der Breite von 15 bis 20 cm.

Als Malschichtung wird in dieser Dissertation die Einheit von Grundierung, Farbe und Firnisschichten inklusive deren ggf. gestörter Lagerung verstanden.657 Dabei werden die einzelnen Lagen, soweit erkennbar, der Grundierschicht, der Farbschicht und der Firnisschicht zugeordnet.

Auf Leinwand-bindigem dicht gewebtem Gewebe lag eine ockerfarbene Grundierung, darüber einer monochrome grüne Farblage und eine dicke glänzende Firnisschicht,

656 ÈMILE-MÂLE 1994, S.48, 53, 98; in Paris führte man häufig Übermalungen am Rande aus:

„mis au ton les bords“.

657 Diese Einheit wird auch als Bildschicht bezeichnet, dieser Terminus hat sich noch nicht vollständig durchgesetzt.

151

die im Auflicht hellgrün fluoresziert. Deren Aufbau wird im nächsten Abschnitt differenziert.

Als auffälliges Merkmal zeigte die Oberfläche kleinteilige Erhebungen, künftig als Papeln658 bezeichnet, wie Sand- oder Grießkörner. Im Querschliff zeigten sich die Papeln als in der ockerfarbenen Grundierung liegend. Einzelne prominente Exemplare waren so dick wie der Querschnitt eines Leinwandfadens, ca. 200 μm, die Mehrzahl deutlich kleiner (vgl. Skizze Abb.3_5). Alle Lagen darüber haben sie in dünner Lage überwölbt und so die Papeln abgebildet.

Für die verschiedenen anstehenden Behandlungen wurden aus dem Fragment vier Abschnitte A - D geschnitten und diese zur Gewinnung der Testfelder weiter zerteilt.

(Einzelheiten s. Anhang 7.2.1)

Die folgenden Abbildungen (Abb.3_1 und 3_2) zeigen das Fragment normal belassen in Aufsicht von vorne, links mit schwachem Streiflicht, rechts zusätzlich mit Lichtreflexen. Die Lichtreflexe zeigen die Papeln und beispielhaft Übermalung, hier liegt sie durch Reflexlicht gut erkennbar, in Fehlstellen (↓).

Abb. 3_1 und 3_2 Fragment in Aufsicht vor Behandlung, Fehlstelle übermalt (↓) In Abb. 3_1, 3_2 und 3_4 fotografierte Skalen geben Millimeter an.

658 Der Begriff ist aus der Anatomie geläufig und betrifft kleine knötchenartige Verdickungen, die vollständig unter der Oberfläche liegen.

152

Abb. 3_3 wie vor, Vergrößerung (Aufsicht) Abb.3_4 Rückseite mit Nahtumschlag Der Balken entspricht 1 mm, Glanz und Farbton variiert stark je nach Beleuchtung.

Abbildungen (3_3 und 3_4) zeigen Nahaufnahmen, links die von Papeln durchsetzte Oberfläche, rechts die Rückseite mit Nahtumschlag und aufgetrennten Enden des Nähfadens. Die orangebräunlichen Flecken sind Färbungen von durchgedrungener Grundierung.

3.1.2.1 Zuordnung der Lagen

Der Aufbau des Fragmentes wird in Skizzen, Tabellen und Querschliffen vorgestellt.

Abb. 3_5 Skizze des Aufbaus

Die Skizze (Abb. 3_5) gibt einen ersten Eindruck von den Größenordnungen:

Die Schichtung aus Grundierung, Farb- und Firnislagen umfasst 250 μm Stärke. Erst bei eingehenden mikroskopischen Untersuchungen mehrerer Querschliffe von verschiedenen Testfeldern ließ sich die Abfolge von Farb- und Firnislagen in ihrer lokalen Unterschiedlichkeit erschließen.

Gewebe im Querschnitt und Längsschnitt

Firnislagen

pigmentierte Lagen

153

Tabelle 3.1.2.1a Aufbau des Fragmentes Stärke der Lagen Zuordnung

800

μm 250 μm

60 μm

Schmutz

fünfter (Kunstharz?-)Firnis , sehr dünn vierter Firnis

dritter und sehr dicker Firnis

60 μm zweiter dicker Firnis / tlws. grün pigmentiert Schmutzlage, partiell

ca. 75- 130 μm

erste dicke Firnislage (transparente Partikel?) P erste grüne Farblage (originale Farbe)

G Grundierung, ockerfarben

ca. 550 μm T textiler Bildträger

Tabelle (3.1.2.1a) verdeutlicht die Größenordnung der Schichten und differenziert die Abfolge der Lagen. Eine partiell vorhandene untere Schmutzlage verdeutlichte, dass eine Schicht aus ockerfarbener Grundierung, grüner Farbe und Firnis aus dem Rokoko stammt und für das Fragment als „original“ gewertet werden kann. Das Vorhandensein der Papeln variierte die Stärke erheblich, wobei die Papeln stets innerhalb der Grundierung lagen und die nachfolgenden originalen Lagen darüber ausgedünnt, aber immer geschlossen, also ohne Unterbrechung vorlagen.

Eine der oberen Firnislagen war durchgängig dick und diente mit diesem Merkmal zur Orientierung, nachfolgende Firnislagen können als jüngere Zutaten bewertet werden.

Die Zwischenzone ließ sich erst bei fortgesetzter Untersuchung differenzieren.

Abb. 3_6 und Tabelle 3.1.2.1b auf der folgenden Seite zeigen die maximal angetroffene Anzahl und Stärke der Lagen.

154

Abb. 3_6 Aus Feld A9 ein Querschliff A9.3, UV-Fluoreszenz-Aufnahme

Tabelle 3.1.1.1b Firnisschicht am Fragment (vgl. Abb. 3_6) Code Stärke der Lage Zuordnung

F5 nicht messbar fünfter (Kunstharz?-)Firnis (sehr dünn) F4 6,5 μm vierter Firnis

F3 27,8 μm dritter und sehr dicker Firnis

P3 6,6 μm dritte grün-braune Lage (partiell ≈ Übermalung) F2 3,3 μm zweiter Firnis (nicht vollflächig)

P2 7,6 μm zweite grüne Lage (nur an wenigen Stellen) F1 18,7 μm erste dicke Firnislage (transparente Partikel?)

P1 erste grüne Lage (originale Farbe)

Die Zwischenzone besteht aus alternierenden Lagen mit und ohne grünes Pigment.

P1 und P2 enthalten blaugrüne unscharf konturierte Körper, offenbar akkumulierte Pigmentpartikel. In Abb. 3_6 sind sie vage zu erkennen und mit (O) gekennzeichnet.

P2 und F2 keilen am rechten Rand der Probe aus (werden verschwindend dünn).

Eine dritte grüne Lage (P3) ist gleich stark wie P2, enthält aber ausschließlich feinkörniges Grün in grün-braunem Farbton. Der folgende Firnis (F3) ist ausgesprochen dick (ca. 30 μm), darüber folgen F4 und F5 sowie eine abschließende Schmutzlage.

Die Lagen P2 und F2 fehlen in den meisten Testfeldern, weshalb die Zugehörigkeit von P2 und F2 unsicher bleibt. Es kann sich um eine originale Lasur auf Zwischenfirnis handeln oder eine spätere teilflächige Überarbeitung.

P1 = grüne Farbe F1 P2 F2 P3 F3

F 4 +5

60 μm Firnis- schicht

F 3

155

P3 liegt in einigen Versuchsfeldern als kompakte Lage vor. Da das Gemälde, von dem die Randbereiche stammen, in Paris war und dort als Pflegemaßnahme Überarbeitungen am Rand dokumentiert sind, kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit P3/ F3 als lokale Konservierung werten. P3 wird künftig als Übermalung bezeichnet.

3.1.2.2 Spektroskopisch erfasste Bestandteile

Die Ergebnisse nach FTIR-Kartierung659 waren: Die ockerfarbene Grundierung enthält Calcium, wahrscheinlich Kreide in Öl gebunden. Die Grundierung ist leimgebunden, reich an Silicium (Feldspat oder anhaftendes Schleifmittel?), nicht jedoch die großen weißen Körner in der Grundierung. Diese wertete man als wahrscheinliche Metallseifenagglomerate. Die Übermalung enthält Silicium- und Carbonatverbindungen; die oberen Firnisse enthalten Harz (F3, F4), der oberste wahrscheinlich Kunstharz (F5)660, in der Firnisschichtung wurden keine Metallseifen nachgewiesen. An den Proben wurde Kupfer bestätigt, Bleigehalt blieb fraglich.

Demnach sind die blau-grünen Partikel in der originalen grünen Farbe Kupferverbindung, die weißen Körner in der Grundierung Metallseifenagglomerate nicht identifizierter Metallart. Die Papeln lagen vor den Experimenten vor.