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VIII. Rechtspolitische Fragen und Praktikabilität künftiger Regelungen zur Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit

1. Die Erklärungspflicht des § 29 StAG („Optionsmodell“)

a) Vorbereitung und Einleitung des Optionsverfahrens

Gemäß § 29 StAG ist ein Mehrstaater, der die deutsche Staatsangehörigkeit durch ius soli oder aufgrund der Übergangsregelung des § 40 b StAG erworben hat, nach Erreichen der Volljährigkeit verpflichtet, zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu wählen. In den Fällen des Staatsangehörigkeitserwerbs durch Geburt im Inland (§ 4 Abs. 3 StAG) wird die zum 1.1.2000 in Kraft getretene Regelung frühestens ab 2018 zur Anwendung kommen. Erste Optionsverfahren werden allerdings bereits ab 2.1.2008 stattfinden, wenn die ersten nach § 40 b StAG eingebürgerten Kinder, die eine ausländische Staatsangehörigkeit be-sitzen, volljährig und damit nach § 29 StAG erklärungspflichtig werden. Die Einzelheiten des Verfahrens sind zu gegebener Zeit noch in einer gesonderten Rechtsverordnung zu regeln421. Um die Einhaltung der Erklärungspflicht sicherzustellen, werden die relevanten Daten der Be-troffenen mit Rücksicht auf das künftige Optionsverfahren bereits seit Inkrafttreten der Neure-gelung ausnahmslos erfaßt. Hat die Prüfung durch den für die Beurkundung der Geburt zu-ständigen Standesbeamten ergeben, daß ein Kind ausländischer Eltern mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, so hält der Standesbeamte dies in einem Akten-vermerk fest und weist am unteren Rand des Geburtseintrags auf den Erwerb hin (vgl. §§ 26 Abs. 3, 34 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes - PersStdGAV)422. Des weiteren hat der Standesbeamte die Geburt des optionspflichtigen Kindes der zuständigen Meldebehörde unter Angabe der Staatsangehörigkeiten des Kindes und der Eltern mitzu-teilen (vgl. § 26 Abs. 4 PersStdGAV). Diese Benachrichtigung stellt der Sache nach eine Wie-dervorlageverfügung für die Prüfung der Optionsverpflichtung in 18 Jahren dar423. Die Fälle der Einbürgerung nach § 40 b StAG sind der Behörde dagegen bereits unmittelbar bekannt, so

421 Meireis, StAZ 2000, 65, 68. Vgl. § 29 Abs. 6 S. 2 StAG für eine Rechtsverordnung zum Feststellungsver-fahren.

422 §§ 26, 34 eingefügt durch die 16. Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Personen-standsgesetzes vom 12.11.1999 (BGBl. I, S. 2203 - 16. PStÄndV). Ausführlich zu den neuen Aufgabenbereichen der Standesbeamten unten C.II.3.

423 Meireis a.a.O.

daß eine besondere Mitteilung nicht erforderlich ist424. Die Tatsache, daß nach § 29 StAG ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eintreten kann, gehört zu den Daten, die die Melde-behörden für staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren im Melderegister speichern (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 4 Melderechtsrahmengesetz - MRRG)425. Wechselt ein nach § 29 StAG Erklä-rungspflichtiger seinen Wohnsitz, so hat die bisher zuständige Meldebehörde die für den neuen Wohnsitz zuständige Meldebehörde gemäß § 17 MRRG von der Tatsache, daß die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 29 StAG verlorengehen kann, zu unterrichten. Durch eine Neufassung des § 10 MRRG426 wurde darüber hinaus sichergestellt, daß im Melderegister gespeicherte Daten, die für die Durchführung des Optionsverfahrens erforderlich sind, nicht unverzüglich nach dem Wegzug eines Einwohners gelöscht, sondern zunächst noch eine ge-wisse Zeit im aktuellen Melderegisterbestand gespeichert bleiben und anschließend nach Maßgabe von Landesrecht gesondert aufbewahrt werden. Dies ist insbesondere bei dauerhaf-tem Wegzug ins Ausland von Bedeutung427. Die bei den Meldebehörden gesammelten Daten dienen als Grundlage dafür, zu gegebener Zeit die Einhaltung der künftigen Optionspflicht zu überwachen428. Zugleich stellen die Daten das Basismaterial für eine entsprechende Aufforde-rung an die ErkläAufforde-rungspflichtigen durch die landesrechtlich zu bestimmenden Optionsbehör-den dar429.

Das eigentliche Optionsverfahren wird durch die zuständige Behörde von Amts wegen einge-leitet430 und beginnt damit, daß die Behörde den Erklärungspflichtigen unverzüglich nach Vollendung des 18. Lebensjahres auf seine Verpflichtung nach § 29 StAG und die möglichen Rechtsfolgen in einem Schreiben hinweist, das nach den Vorschriften des VwZG zuzustellen ist (vgl. § 29 Abs. 5 StAG)431. Durch diese umfassende Aufklärung soll insbesondere sicher-gestellt werden, daß die deutsche Staatsangehörigkeit nicht aus Unkenntnis der Rechtslage verlorengeht. Sofern der Aufenthaltsort des Betroffenen unbekannt ist, etwa weil er seiner Meldepflicht nicht nachkommt oder er sich dauerhaft im Ausland aufhält, kann auch eine öffentliche Zustellung nach § 15 VwZG erfolgen432.

Der weitere Verlauf des Verfahrens hängt von der Erklärung ab, die der Betroffene gegenüber der zuständigen Behörde abgibt. Erforderlichenfalls schließt sich ein Verfahren über die Ertei-lung einer Beibehaltungsgenehmigung nach § 29 Abs. 3 StAG an. Das Optionsverfahren

424 Vgl. Renner, in: Hailbronner/Renner, § 29 StAG Rn. 46.

425 Melderechtsrahmengesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 19.4.2002 (BGBl. I, S. 1342), zuletzt geändert durch das 4. Gesetz zur Änderung des MRRG vom 25.8.2004 (BGBl. I, S. 2210).

426 2. Gesetz zur Änderung des MRRG vom 28.8.2000 (BGBl. I, S. 1302); hierzu Mallmann, NVwZ 2001, 294.

427 Einzelbegründung zu Art. 1 Nr. 5 (§ 10) des 2. Gesetzes zur Änderung des MRRG, BT-Drs. 14/2577 vom 26.1.2000, S. 7.

428 Vgl. Bornhofen, StAZ 1999, 257, 262.

429 Vgl. Krömer, StAZ 2000, 363, 365.

430 Renner a.a.O.

431 Einzelheiten zur Belehrung bei Renner, in: Hailbronner/Renner, § 29 StAG Rn. 16 ff.

432 Einzelbegründung zu § 29 StAG, BT-Drs. 14/533, S. 16.

det mit der Feststellung des Fortbestands oder des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit.

Aus Gründen der Rechtssicherheit erfolgt diese Feststellung in jedem Fall von Amts wegen433. b) Rechtslage bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit

aa) Erklärt der Optionspflichtige gegenüber der zuständigen Behörde, daß er die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will, geht die deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes ver-loren. Gleiches gilt, wenn er bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres keine wirksame Erklä-rung abgibt (vgl. § 29 Abs. 2 StAG). Der Verlust der Staatsangehörigkeit tritt nur für die Zu-kunft ein und entfaltet keine Rückwirkung. Daraus folgt, daß Rechtspositionen, die den Fort-bestand der deutschen Staatsangehörigkeit voraussetzen, ebenfalls ex nunc erlöschen, wohin-gegen der Staatsangehörigkeitsverlust auf die zwischenzeitlich bereits verwirklichten gesetz-lichen Tatbestände und deren endgültige Rechtsfolgen grundsätzlich keinen Einfluß hat434. Dies wirft zahlreiche Fragen in den Bereichen des öffentlichen Rechts, des Aufenthalts- und des Familienrechts auf435.

bb) Für das Familienrecht bedeutet dies zunächst, daß die bis zum Verlust der Staatsangehö-rigkeit eingetretenen Rechtsfolgen in vollem Umfang bestehen bleiben. So behalten etwa die in der Zwischenzeit geborenen oder adoptierten Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit436. Auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts kann der Verlust der nach §§ 4 Abs. 3, 40 b StAG erworbenen Staatsangehörigkeit jedoch zu Schwierigkeiten führen. Denn aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB verankerten Vorrangs der deutschen Staatsangehörigkeit ist deren Verlust notwendigerweise mit einem Statutenwechsel verbunden437. Dies hat zur Folge, daß auf die Rechtsverhältnisse im Personen-, Familien- und Erbrecht nunmehr statt des deut-schen Sachrechts das jeweilige ausländische Recht Anwendung findet.

cc) Im öffentlichen Recht führt der Staatsangehörigkeitsverlust dazu, daß bestimmte Rechte, die den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit erfordern, nicht mehr wahrgenommen wer-den können438. Sofern der Betroffene nicht Unionsbürger ist, ist die Berufung in ein Beamten-verhältnis nicht mehr möglich, da dies die Eigenschaft als Deutscher i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG oder den Besitz der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union voraussetzt (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 BBG; § 4 Abs. 1 Nr. 1 BRRG). Darüber hinaus be-stimmen die Beamtengesetze, daß der Beamte entlassen ist, wenn er die Eigenschaft als

433 Ebenda; vgl. § 29 Abs. 6 StAG.

434 Vgl. Renner a.a.O., § 29 StAG Rn. 28.

435 Vgl. hierzu auch Hailbronner, NVwZ 1999, 1273, 1279; ders., NVwZ 2001, 1329, 1331; Renner, in: Reform des Staatsangehörigkeitsrechts - Die parlamentarische Beratung, S. 254; Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, ebenda, S. 332, und des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, S. 199 f.

436 Renner a.a.O., Rn. 29; Hailbronner, NVwZ 2001, 1329, 1331. Zur Weitergabe der Staatsangehörigkeit an folgende Generationen trotz eigenen Verlusts der Staatsangehörigkeit unten B.VIII.2.b), D.VIII.4.b) und 6.

437 Ausführlich zur Zunahme von Statutenwechseln infolge des Verlusts der Staatsangehörigkeit unten D.V.5.

Siehe hierzu auch Fuchs, NJW 2000, 489; Gruber, IPRax 1999, 426; Hailbronner, NVwZ 2001, 1329, 1331.

438 Vgl. dazu Renner, in: Hailbronner/Renner, § 29 StAG Rn. 30.

scher i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union verliert (vgl. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BBG; § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BRRG). Für die Beamten der Länder können jedoch Ausnahmen zugelassen werden, wenn für die Gewinnung des Beamten ein dringendes dienstliches Bedürfnis besteht (vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 BRRG). In den Landesbeamtengesetzen sind vergleichbare Vorschriften enthalten439, während der Bundesminister des Innern für die Bundesbeamten von der entsprechenden Er-mächtigung in § 7 Abs. 3 BBG keinen Gebrauch gemacht hat. Eine Weiterbeschäftigung als Beamter wird jedoch nur dann möglich sein, wenn das jeweilige Beamtengesetz eine Ausnah-mevorschrift enthält440. Des weiteren können in ein Richterverhältnis nur Deutsche i.S.d.

Art. 116 Abs. 1 GG berufen werden (vgl. §§ 9 Nr. 1 DRiG), so daß der Verlust der Deut-scheneigenschaft zur Entlassung des Richters führt (vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 DRiG).

Mit Wirkung für die Zukunft geht weiterhin die Berechtigung zur Teilnahme an Wahlen ver-loren, da diese vom Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit abhängt. Dies gilt sowohl für das aktive wie für das passive Wahlrecht (vgl. §§ 12 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG441). Ge-mäß § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BWahlG tritt darüber hinaus der Verlust eines bereits erworbenen Mandats als Abgeordneter im Deutschen Bundestag ein, weil mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eine Voraussetzung der jederzeitigen Wählbarkeit weggefallen ist.

Möglich ist hingegen auch, daß der Erklärungspflichtige vor dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht nur Rechte ausgeübt, sondern auch aus der Staatsangehörigkeit re-sultierende Pflichten wahrgenommen hat, beispielsweise die Ableistung des Wehrdienstes in der Bundeswehr. Dies ist allerdings unproblematisch, wenn internationale Übereinkommen oder andere wehrrechtliche Regelungen eine Anrechnung bereits geleisteter Dienste im ande-ren Heimatstaat vorsehen442.

dd) Im Hinblick auf das Aufenthaltsrecht ist darauf hingewiesen worden, daß der ausländer-rechtliche Status des zum Ausländer gewordenen Deutschen ungeklärt ist443, auch im Hinblick auf das Arbeitsgenehmigungsrecht444. Für den Fall des Verlusts der deutschen Staatsangehö-rigkeit nach § 29 StAG war eine neue aufenthaltsrechtliche Regelung erforderlich. Denn die ausländerrechtlichen Vorschriften über die Erteilung eines Aufenthaltstitels konnten nicht un-mittelbar angewandt werden, da die gesicherten Aufenthaltsrechte des AuslG - nunmehr des AufenthG - auf dem Voraufenthalt eines Ausländers, nicht aber eines Deutschen, basieren445.

439 Vgl. etwa § 6 Abs. 3 LBG Baden-Württemberg, wonach Ausnahmen vom Erfordernis der Deutschen- bzw.

Unionsbürgereigenschaft zugelassen werden können.

440 Hailbronner, NVwZ 2001, 1329, 1331.

441 Vgl. auch die entsprechenden Vorschriften in den Landeswahlgesetzen für die Wahlen zu den Landtagen (z.B. §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1 Landtagswahlgesetz Baden-Württemberg) sowie in den Kommunalwahlgesetzen.

442 Vgl. Göbel-Zimmermann/Masuch, DÖV 2000, 95, 102. Siehe zur Wehrpflicht von Mehrstaatern unten D.I.

443 Huber/Butzke, NJW 1999, 2769, 2770, Fn. 6; Badura, in: Reform des Staatsangehörigkeitsrechts - Die parla-mentarische Beratung, S. 163.

444 Göbel-Zimmermann/Masuch, DÖV 2000, 95, 102.

445 Hailbronner, in: Reform des Staatsangehörigkeitsrechts - Die parlamentarische Beratung, S. 208.

Durch das ZuwG vom 30.7.2004446 wurde daher mit Wirkung zum 1.1.2005 ein Aufenthalts-titel für ehemalige Deutsche in § 38 AufenthG eingeführt. Nach dessen Abs. 1 Nr. 1 ist künf-tig einem ehemaligen Deutschen eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er bei Ver-lust der deutschen Staatsangehörigkeit seit fünf Jahren als Deutscher seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, wobei dieser Aufenthaltstitel auch zur Ausübung einer Er-werbstätigkeit berechtigt (vgl. Abs. 4). Im Grundsatz setzt § 38 AufenthG damit die Aufent-haltszeiten als Deutscher im Inland den Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts als Ausländer gleich447.

ee) In aufenthaltsrechtlicher Hinsicht wird künftig überdies die Richtlinie 2003/109/EG be-treffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen vom 25.11.2003448 von Bedeutung sein. Sie verfolgt den doppelten Zweck der Harmonisierung des Rechts, unter dem ein Drittstaatsangehöriger ein langfristiges Aufenthaltsrecht erlangen kann, sowie der Festlegung eines damit verbundenen gemeinschaftsrechtlichen Status, der zur Wei-terwanderung in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union berechtigt449. Die Zuerken-nung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten hat neben einem besonderen Ausweisungsschutz zur Folge, daß der Drittstaatsangehörige in vielen wirtschaftlichen und sozialen Bereichen wie ein Bürger des Mitgliedstaates behandelt wird450. Der Status eines langfristig Aufenthaltsberechtigten wird Drittstaatsangehörigen erteilt, die sich unmittelbar vor der Stellung des entsprechenden Antrags fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufgehalten haben451. Voraussetzung ist weiterhin, daß der Drittstaatsangehörige für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen für den Lebensunterhalt ausreichen, und über eine Krankenversicherung verfügt452. Außerdem kann verlangt werden, daß die Drittstaatsangehörigen die Integrationsanforderungen nach nationa-lem Recht erfüllen453. Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten versagt werden454.

446 BGBl. I, S. 1950.

447 Vgl. die Einzelbegründung des Gesetzentwurfs zu § 38 AufenthG vom 7.2.2003, BT-Drs. 15/420, S. 84 f. - Ohne die neue Regelung des § 38 AufenthG hätte dem ehemaligen Deutschen in der Regel eine Aufenthaltsbe-rechtigung in entsprechender Anwendung des § 27 AuslG erteilt werden müssen, vgl. Renner, in: Hailbronner/

Renner, § 29 StAG Rn. 31; siehe auch Saathoff/Taneja, in: Barwig u.a. (Hrsg.), S. 123, 131. - § 38 AufenthG er-faßt auch Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 25 StAG verloren haben (Nr. 38.1.3 AH-BMI).

448 ABl. EG Nr. L 16 vom 23.1.2004, S. 44. - Umsetzungsfrist bis 23.1.2006.

449 Ausführlich zu Entstehungsgeschichte und Inhalt der Richtlinie Hailbronner, ZAR 2004, 163 ff; zum Richt-linienentwurf und zum neuen Migrationskonzept der EU ders., ZAR 2002, 83, 87 ff.

450 Siehe zur Gleichbehandlung Art. 11 der Richtlinie betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsbe-rechtigten Drittstaatsangehörigen vom 25.11.2003 a.a.O.; siehe zum Ausweisungsschutz Art. 12 der Richtlinie.

451 Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie vom 25.11.2003 a.a.O.

452 Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie vom 25.11.2003 a.a.O.

453 Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie vom 25.11.2003 a.a.O.

454 Art. 6 der Richtlinie vom 25.11.2003 a.a.O.

Fraglich ist, ob die Aufenthaltszeiten, die ein optionspflichtiger Mehrstaater im Bundesgebiet verbracht hat, bevor seine deutsche Staatsangehörigkeit nach § 29 StAG verlorengegangen ist, als ununterbrochener rechtmäßiger Aufenthalt i.S.d. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie angesehen werden können. Für eine Gleichsetzung der Aufenthaltszeiten spricht die Zielsetzung der Richtlinie, die Integration von Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind, zu verbessern455. Wie der Europäische Rat auf seiner Sondertagung in Tampere am 15./16.10.1999 erklärt hat, soll die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen an diejenige der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten angenähert werden und einer Person, die sich wäh-rend eines bestimmten Zeitraums in einem Mitgliedstaat rechtmäßig aufgehalten hat und einen langfristigen Aufenthaltstitel besitzt, in diesem Mitgliedstaat eine Reihe einheitlicher Rechte gewährt werden, die denjenigen der Unionsbürger so nah wie möglich sind456. Die Verwurzelung der betreffenden Person im Land, die durch den Voraufenthalt belegt wird457, ist mindestens in gleichem Maße bei einem Drittstaatsangehörigen gegeben, der zur Zeit seines Voraufenthalts im Besitz der Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaates war und diese erst nach Eintritt der Volljährigkeit wieder verloren hat. Dies rechtfertigt es, der besonderen Situa-tion eines ehemaligen Mehrstaaters, der durch den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 29 StAG zu einem Drittstaatsangehörigen geworden ist und bereits über ein ge-sichertes Aufenthaltsrecht verfügt, Rechnung zu tragen, indem seine Voraufenthaltszeiten im Bundesgebiet dem Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen i.S.d. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie gleichgestellt werden.

c) Situation bei Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung

Sofern dem Optionspflichtigen die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehö-rigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist bzw. bei einer Einbürgerung nach Maßgabe von

§ 12 StAG Mehrstaatigkeit hinzunehmen wäre oder hingenommen werden könnte, besteht ein Rechtsanspruch auf eine Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit (vgl. § 29 Abs. 4 StAG). Die Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung hat zur Folge, daß der Betroffene nunmehr dauerhaft eine doppelte Staatsangehörigkeit besitzt, wohingegen nach dem Willen des Gesetzgebers die nach §§ 4 Abs. 3, 40 b StAG entstandene Mehrstaatigkeit nur vorübergehend hingenommen werden soll. Sofern sich in der Praxis tatsächlich heraus-stellen sollte, daß die Beibehaltung der anderen Staatsangehörigkeit eher die Regel als die Ausnahme sein wird458, liefe diese Entwicklung der gesetzlichen Zielsetzung grundlegend ent-gegen. Gleichwohl darf in diesem Zusammenhang nicht außer acht gelassen werden, daß aus verfassungsrechtlichen Gründen zahlreiche Ausnahmetatbestände zu § 29 Abs. 2 StAG

455 Vgl. zum Ziel der Integration z.B. Nr. 4 und Nr. 12 der Erwägungsgründe zur Richtlinie vom 25.11.2003 a.a.O.

456 Nr. 2 der Erwägungsgründe zur Richtlinie vom 25.11.2003 a.a.O.

457 Vgl. Nr. 6 der Erwägungsgründe zur Richtlinie vom 25.11.2003 a.a.O.

458 Näher dazu unten B.VIII.1.e).

sehen werden mußten459. Andererseits kann jedoch auch davon ausgegangen werden, daß die Frage, ob die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit möglich oder zumutbar ist oder ein Tatbestand des § 12 StAG vorliegt, die mit den Optionsverfahren befaß-ten Behörden wie auch die Verwaltungsgerichte nachhaltig beschäftigen wird. Da diese Rege-lungen weite Auslegungsspielräume zulassen, dürfte ihre Anwendung in der Praxis zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten führen und entsprechend langwierige Verfahren zur Folge haben460.

Die Möglichkeit, die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung zu beantragen, kann weiter-hin dann von Bedeutung sein, wenn der Erklärungspflichtige für die deutsche Staatsangehö-rigkeit optiert und er sich ernsthaft, aber vergeblich darum bemüht, die ausländische Staatsan-gehörigkeit fristgerecht aufzugeben. Ist der Betroffene nicht in der Lage, die Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres nachzuweisen, tritt der gesetzliche Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auch dann ein, wenn den Optionspflichtigen kein Verschulden trifft, etwa weil das Entlassungsverfahren im Heimatstaat aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht rechtzeitig abgeschlossen wur-de461. Nach der Systematik des § 29 StAG kann der Betroffene dieses Risiko nur abwenden, indem er vorsorglich bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres einen Antrag auf Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung stellt, selbst wenn er bis auf weiteres annehmen durfte, den Nachweis der Aufgabe der anderen Staatsangehörigkeit fristgemäß führen zu können462. Ob-wohl sein Wille eigentlich nicht auf die Beibehaltung der deutschen, sondern vielmehr auf die Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit gerichtet ist, erscheint die Beantragung einer Beibehaltungsgenehmigung nicht systemfremd463. Darüber hinaus entspricht dieses Ergebnis auch den Vorstellungen des Gesetzgebers464. Allerdings ist damit zu rechnen, daß zahlreiche Erklärungspflichtige rein vorsorglich vor Vollendung des 21. Lebensjahres die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung beantragen werden, was wiederum eine Vielzahl von Verwal-tungsverfahren erfordern wird465.

d) Rechtslage nach Vollendung des 23. Lebensjahres

Hat der Erklärungspflichtige bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres einen Antrag auf Ertei-lung einer Beibehaltungsgenehmigung gestellt, tritt der Verlust der deutschen Staatsangehö-rigkeit erst bei bestandskräftiger Ablehnung des Antrags ein (vgl. § 29 Abs. 3 S. 4 StAG).

Dies gilt auch dann, wenn das behördliche oder gerichtliche Verfahren erst nach der Vollen-dung des 23. Lebensjahres abgeschlossen wird. Diese Ausnahme von der automatischen

459 Siehe dazu oben B.V.2.b).

460 Hailbronner, NVwZ 2001, 1329, 1331 f.

461 Vgl. Badura, in: Reform des Staatsangehörigkeitsrechts - Die parlamentarische Beratung, S. 161 f.

462 Vgl. Hailbronner, NVwZ 2001, 1329, 1332.

463 Renner, in: Hailbronner/Renner, § 29 StAG Rn. 34.

464 Vgl. die Begründung des Änderungsantrags zu § 29 Abs. 3 StAG, BT-Drs. 14/867, S. 21.

465 Vgl. Hailbronner, NVwZ 2001, 1329, 1332; näher dazu unten B.VIII.1.e).

lustregelung des Abs. 3 S. 2 war im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG zur Gewährleistung des Rechtsschutzes erforderlich466. Des weiteren hätten diejenigen Fälle zu erheblichen recht-lichen und praktischen Problemen geführt, in denen sich die Versagung der Beibehaltungsge-nehmigung nach Vollendung des 23. Lebensjahres als rechtswidrig herausgestellt hätte, da der zunächst eingetretene Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur unter enormen Schwie-rigkeiten wieder hätte rückgängig gemacht werden können467.

Wird die beantragte Beibehaltungsgenehmigung nach Vollendung des 23. Lebensjahres ver-sagt, geht die deutsche Staatsangehörigkeit erst mit Bestandskraft der ablehnenden Entschei-dung von Gesetzes wegen verloren. Dabei ist unerheblich, auf welchen Gründen der spätere Eintritt der Bestandskraft beruht468. Wird die Genehmigung hingegen erst nach Vollendung des 23. Lebensjahres erteilt oder an den Betroffenen übermittelt, kann dieser gemäß § 32 VwVfG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, da es sich um eine gesetzliche Frist handelt. Dies setzt allerdings voraus, daß ihn an der Fristversäumung kein Verschulden trifft, sondern die eingetretene Verzögerung allein der Behörde anzulasten ist469.

Daß das Verfahren um die Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung ohne weiteres über die Vollendung des 23. Lebensjahres hinaus andauern kann, ergibt sich bereits daraus, daß nicht nur eine Behördenentscheidung zu treffen, sondern gegebenenfalls auch ein Gerichtsverfahren über drei Instanzen mit einer entsprechend langen Verfahrensdauer abzuwickeln ist470. Darü-ber hinaus kann die Dauer des Verfahrens auch deshalb beträchtlich werden, weil sich die Frage des Verlusts der ausländischen Staatsangehörigkeit nach der jeweiligen fremden Rechtsordnung beurteilt471, was zu einer Abhängigkeit von der Handlungsweise des ausländi-schen Staates führt472. Zwar dient die Ausschlußfrist für die Beantragung der

Daß das Verfahren um die Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung ohne weiteres über die Vollendung des 23. Lebensjahres hinaus andauern kann, ergibt sich bereits daraus, daß nicht nur eine Behördenentscheidung zu treffen, sondern gegebenenfalls auch ein Gerichtsverfahren über drei Instanzen mit einer entsprechend langen Verfahrensdauer abzuwickeln ist470. Darü-ber hinaus kann die Dauer des Verfahrens auch deshalb beträchtlich werden, weil sich die Frage des Verlusts der ausländischen Staatsangehörigkeit nach der jeweiligen fremden Rechtsordnung beurteilt471, was zu einer Abhängigkeit von der Handlungsweise des ausländi-schen Staates führt472. Zwar dient die Ausschlußfrist für die Beantragung der