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Die Entscheidung über die Eigenschaft als Spätaussiedler beruht auf zwei voneinander unab-hängigen Verfahren. Gemäß §§ 26 ff BVFG findet für Personen, die die Aussiedlungsgebiete als Spätaussiedler verlassen wollen, um in der Bundesrepublik Deutschland ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen, zunächst das Aufnahmeverfahren statt, das gegebenenfalls mit einem Aufnahmebescheid endet. Dieses Verfahren hat nach Systematik und Zweck des BVFG allein die Aufgabe, sicherzustellen, daß nur solche Personen mit dem Ziel, als Spätaussiedler Auf-nahme zu finden, in das Bundesgebiet einreisen können, die aufgrund einer vorläufigen Prü-fung voraussichtlich auch zu dem berechtigten Personenkreis gehören945. Außerdem ermög-licht es die Quotierung des Zuzugs für bestimmte Zeiträume946. Hat die mit einem Aufnahme-bescheid eingereiste Person ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen, erhält sie zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung, wobei die Entscheidung über die Ausstellung dieser Bescheinigung für alle Behörden und Stellen verbindlich ist, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler zuständig sind (vgl.

§ 15 Abs. 1 BVFG). Die Bescheinigung darf nur erteilt werden, wenn die Prüfung ergibt, daß der Antragsteller die in § 4 BVFG genannten Anforderungen erfüllt947. Der Besitz der Spät-aussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 oder 2 BVFG ist Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 7 StAG.

Die Aufspaltung in das Aufnahme- und das Bescheinigungsverfahren ist in Wissenschaft und Politik mehrfach auf Kritik gestoßen, da das Nebeneinander zweier Verfahren mit ähnlichem Gegenstand überflüssig erscheint948. Des weiteren kann das Verfahren der Mehrfachprüfung zu überharten Ergebnissen für die Betroffenen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn im abschließenden Bescheinigungsverfahren eine von den Feststellungen im Aufnahmebescheid abweichende Entscheidung getroffen wird, die die Betroffenen zur Rückkehr in ihre Her-kunftsländer verpflichtet, in denen sie zuvor alles aufgegeben hatten949. Hinzu kommt, daß die besonderen finanziellen Leistungen, die ihnen im Interesse einer raschen Integration zunächst aufgrund des Aufnahmebescheides erbracht wurden, zurückzuzahlen sind950.

Während nach der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des § 15 BVFG die Spätaussiedler-bescheinigung durch die zuständigen Behörden der Länder erteilt wurde, wird seit Inkrafttre-ten des ZuwG nicht nur der Aufnahmebescheid, sondern auch die Spätaussiedlerbescheini-gung vom Bundesverwaltungsamt ausgestellt. Der Gesetzgeber hat sich für eine Konzentra-tion der Entscheidungsbefugnisse beim Bundesverwaltungsamt entschieden, weil der bisheri-ge Zustand sowohl für die Betroffenen als auch für die Verwaltung als unbefriedibisheri-gend anbisheri-ge-

945 BVerwG vom 19.6.2001, BVerwGE 114, 332 m.w.N.

946 BVerwG vom 19.6.2001 a.a.O.

947 Ebenda.

948 Renner, ZAR 2002, 265, 267; vgl. auch Silagi, ZAR 2001, 259, 262.

949 Unabhängige Kommission „Zuwanderung“, Bericht vom 4.7.2001 a.a.O., S. 185.

950 Begründung des Gesetzentwurfs vom 7.2.2003, BT-Drs. 15/420, S. 118.

sehen wurde951. Kam nämlich die zuständige Behörde eines Landes zu einem von den Fest-stellungen im Aufnahmeverfahren abweichenden Ergebnis, so wurde dies im allgemeinen von den Betroffenen darauf zurückgeführt, daß das geltende Recht von der zuständigen Behörde nicht richtig angewandt worden sei. Dies hatte zur Folge, daß die Bundesregierung mit einer Vielzahl von Petitionen befaßt wurde, in denen die vermeintlich unrichtige Anwendung des geltenden Rechts im Bescheinigungsverfahren bestandet und um Abhilfe gebeten wurde, was aufgrund der Kompetenzlage jedoch nicht möglich und auch in der Sache selbst regelmäßig nicht veranlaßt war952. Die im ZuwG vorgesehene Zuständigkeitskonzentration beim Bundes-verwaltungsamt soll nach Möglichkeit verhindern, daß es zu abweichenden Entscheidungen im Aufnahme- und im Bescheinigungsverfahren kommt. Darüber hinaus trägt die Abschaf-fung der Zuständigkeit der örtlichen Vertriebenenbehörde der besonderen Sachkunde des zen-tral zuständigen Bundesverwaltungsamtes Rechnung953. Eine weitere Neuerung besteht darin, daß seit dem 1.1.2005 die Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 BVFG n.F. von Amts we-gen erteilt und das Verfahren unmittelbar mit der Registrierung in den Erstaufnahmeeinrich-tungen des Bundes von Amts wegen eingeleitet wird, um möglichst rasch abschließend über den Status entscheiden zu können und Rückforderungen von Integrationsleistungen nach Möglichkeit zu vermeiden954.

5. Folgerungen

Mit der Überleitung der Statusdeutschen in die deutsche Staatsangehörigkeit zum 1.8.1999 und dem gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb mit Ausstellung der Spätaussiedlerbeschei-nigung hat das Staatsangehörigkeitsreformgesetz von 1999 einen wichtigen Beitrag zum Ab-schluß der Statusdeutschenfrage geleistet. Dennoch sollte sich der Gesetzgeber das Ziel set-zen, bei der noch ausstehenden Gesamtreform des Staatsangehörigkeitsrechts eine endgültige Regelung zu finden, zumal die zunehmende Unübersichtlichkeit der geltenden Bestimmungen zu einer abschließenden Lösung drängt. Unter der derzeitigen Rechtslage zeichnet sich hinge-gen die Tendenz ab, durch komplizierte Verfahren und gesteigerte Anforderunhinge-gen an die Spätaussiedlereigenschaft den Kreis der Begünstigten entsprechend einzuschränken955.

Die Zielsetzung des Spätaussiedlerstatusgesetzes, das Vorliegen aktueller Sprachkenntnisse bei Spätaussiedlerbewerbern gesetzlich abzusichern, ist zu begrüßen. Die dort festgelegten Anforderungen tragen außerdem der Entwicklung Rechnung, daß rußlanddeutsche Spätaus-siedlerbewerber zunehmend in binationalen Ehen leben mit der Folge, daß im innerfamiliären Sprachgebrauch Deutsch als Umgangssprache immer mehr an Bedeutung verliert956. Dies

951 Begründung des Gesetzentwurfs vom 7.2.2003, BT-Drs. 15/420, S. 118.

952 Begründung des Gesetzentwurfs vom 7.2.2003 a.a.O.

953 Renner, ZAR 2004, 176, 182.

954 Begründung des Gesetzentwurfs vom 7.2.2003 a.a.O.

955 Renner, ZAR 2002, 265, 267.

956 Vgl. Kind/Niemeier, ZAR 2002, 188, 189; Peters, ZAR 2003, 193, 195.

führt dazu, daß inzwischen mehr als 50 % der Spätaussiedlerbewerber den Sprachtest nicht bestehen957. Vor dem Hintergrund, daß den ausreichenden Sprachkenntnissen eine wesentliche Funktion für die erfolgreiche Integration gerade auch von Spätaussiedlern zukommt, ist der Entscheidung des Gesetzgebers, die frühere Rechtsprechung des BVerwG gesetzlich festzu-schreiben, zuzustimmen. Für diese Lösung spricht weiterhin, daß der Stand der Sprachkennt-nisse nur im Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland zuverlässig nachgeprüft werden kann958. Seit Inkrafttreten des ZuwG am 1.1.2005 werden außerdem der im Aussiedlungsgebiet leben-de nichtleben-deutsche Ehegatte oleben-der nichtleben-deutsche Abkömmling leben-des Spätaussiedlers nur dann in den Aufnahmebescheid einbezogen, wenn sie Grundkenntnisse der deutschen Sprache nach-weisen können (vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 BVFG n.F.). Dieses Erfordernis ist im Hinblick auf die Zusammensetzung der Spätaussiedlerfamilien, die regelmäßig zum größten Teil aus nicht-deutschen Familienangehörigen des Spätaussiedlers bestehen, gerechtfertigt. Zur besseren In-tegration der Spätaussiedler und ihrer Familienangehörigen wird künftig auch ihr Anspruch auf kostenlose Teilnahme an einem Integrationskurs beitragen, der einen Basis- und einen Aufbausprachkurs zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einen Orientierungs-kurs zur Rechtsordnung, Kultur und Geschichte in Deutschland umfassen wird (vgl. § 9 Abs. 1 BVFG n.F.).

Die Aufspaltung in das Aufnahme- und das Bescheinigungsverfahren kann jedoch nach wie vor zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Zwar ist das Bundesverwaltungsamt seit dem 1.1.2005 für beide Verfahren zuständig. Sinnvoller erscheint es jedoch, sie darüber hinaus durch ein einstufiges Verfahren abzulösen, das die Anerkennung der Spätaussiedlereigen-schaft abschließend feststellt, solange sich die Antragsteller noch im Herkunftsland befin-den959. Dadurch könnte der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen mit ihren negativen Folgen für die Betroffenen effektiver begegnet werden, als dies durch die Zuständigkeitskon-zentration beim Bundesverwaltungsamt der Fall ist.

Infolge der Osterweiterung der Europäischen Union am 1.5.2004 hat sich ferner die Notwen-digkeit einer Neudefinition des Spätaussiedlerbegriffs ergeben. So sollten die Republiken Est-land, Lettland und Litauen aus der Vermutungsregelung des § 4 Abs. 1 BVFG herausgenom-men werden. Denn es erscheint zweifelhaft, ob in den baltischen Staaten noch generell von einer Benachteiligung aufgrund der deutschen Volkszugehörigkeit ausgegangen werden kann, zumal diese Staaten zwischenzeitlich jede Minderheitendiskriminierung beseitigt haben960.

957 Die Bestehensquote ist von 69,3 % im Jahr 1996 kontinuierlich auf 46,5 % im Jahr 2000 gesunken, so die Integrationsbeauftragte in ihrem 3. Migrationsbericht vom Januar 2004, S. 31.

958 Peters, NVwZ 2003, 179, 180.

959 So auch die Unabhängige Kommission „Zuwanderung“ a.a.O., S. 185. Kritisch zur Zweistufigkeit des Ver-fahrens auch Renner, ZAR 2004, 176, 182 f.

960 Vgl. Peters, ZAR 2003, 193, 197.