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2.2. Der Border Collie

2.2.1. Entstehung der Rasse

2.2.1.1. Entstehung des Haushundes und der Rassenvielfalt

Der Haushund (Canis lupus f. familiaris) zählt zusammen mit dem Schaf und der Ziege zu den ältesten Haustieren des Menschen. Anhand archäologischer Funde läßt sich seine Entwicklung etwa 10.000 bis 15.000 Jahre zurückdatieren (HERRE 1994), wobei alle Angaben über 10.000 Jahre problematisch sind (HERRE & RÖHRS 1990).

Molekularbiologische Untersuchungen gehen dagegen von einem wesentlich früheren Zeitpunkt der Domestikation aus (VILÀ et al. 1997).

Nachdem Goldschakal und Kojote aufgrund morphologischer, molekularbiologischer und ethologischer Untersuchungen (u.a. HERRE & RÖHRS 1990; VILÀ et al. 1997;

FEDDERSEN 1978) als Vorfahren des Hundes bedeutungslos wurden, gilt der Wolf (Canis lupus L.) als alleiniger Vorfahre aller Hunderassen (siehe auch SCOTT 1967;

CLUTTON-BROCK 1995). Die verschiedenen Rassen sind durch Züchtung entstanden.

Offensichtlich erkannte der Mensch schon frühzeitig das besondere Sozialverhalten und die Lernfähigkeit dieses Rudeltieres. So ist auch sein Einsatz als Schutz-, Jagd- und Hütehund sehr alt, wobei durch Zucht die Eigenschaften verstärkt herausgebildet wurden und die jeweiligen Rassen entstanden.

Die erste Rassebildung fand laut bisheriger Forschung vor ca. 5000 - 6000 Jahren in den alten Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens statt (BRENTJES 1971; ZIMEN 1992). Ca. 400 vor Christus wurden in Rom gezielt verschiedene Rassen gezüchtet:

Wachhunde, große massive Kampfhunde, kleinwüchsige Schoßhunde und verschiedene Jagdhunde (TOYNBEE 1983). Viele von den ursprünglichen Rassen verschwanden wieder und andere entstanden. Dies hing mit dem Wandel der Gesellschaft zusammen und dem jeweiligen Zweck, den der Hund in dieser zu erfüllen hatte.

Schon im 9. Jahrhundert unterschied man 9 verschiedene Jagdhunderassen (ZIMEN 1992). Die besonders großen Hunde waren hoch angesehen und wurden in der Hetzjagd auf Wölfe eingesetzt. Im Mittelalter hatten die Damen der oberen Gesellschaft Schoßhunde und die Herren gingen mit ihren Jagdhunden zur Jagd. Im 16. Jahrhundert gab es in England Hundewettkämpfe (die erst 1835 vom Parlament verboten wurden)

und die ersten Windhunderennen wurden erwähnt. Aber auch für die Hütearbeit erschien eine Vielzahl von Rassen.

Die moderne Hundezucht begann in England. 1859 fand in Newcastle-on-Tyne die erste Hundeausstellung der Welt statt, allerdings nur für Jagdhunde. Bereits einige Monate später kam es in Birmingham zu einer Ausstellung, bei der alle Rassen zugelassen waren. Zu diesem Zeitpunkt war es schwierig zu richten, da die Richtlinien und Rassestandards erst mit der Gründung des British Kennel Club 1873 festgelegt wurden.

In Deutschland galten die britischen Hunde als Vorbild für die Züchter, so daß 1839 der

„Verein zur Einführung englischer Hunde und Kreuzungen mit den hiesigen Rassen“

gegründet wurde. 1878 fand die erste größere Hundeausstellung in Frankfurt statt, auf der beschlossen wurde, im folgendem Jahr die Rassekennzeichen aller deutschen Hunde festzulegen. Dies sollte im Rahmen der in Hannover stattfindenden Ausstellung des Vereins zur Veredelung der Hunderassen geschehen. In der nun folgenden Zeit wurde eine Vielzahl von Rassevereinen gegründet (ZIMEN 1992).

2.2.1.2. Hirten- und Hütehunde

„Here we find those dogs whose inherited behavior patterns makes them want to herd“ (WHITNEY 1964).

Im Laufe der Jahrhunderte veränderten sich die Umstände und Anforderungen an den Hirten- und Hütehund.

Je nach dem Einsatzzweck werden sie in drei Gruppen eingeteilt (MÜLLER 1995;

FINGER 1996):

1. Herdenschutzhunde oder Hirtenhunde

Diese sind große Hunde, die zum Schutz der Herden vor Raubtieren und Dieben mit den Herden zusammenleben. Die Tibetdogge und die Molosser gehören zu den ältesten Herdenschutzhunderassen (ca. 3000 Jahre alt). In Europa sind Herdenschutzhunde seit dem 14. Jahrhundert erwähnt. Heutige Rassen, die zu dieser Gruppe gehören, sind zum Beispiel Kuvasz, Pyrenäenberghund (Chien de Pyrenées), Slovensky Cuvac usw.. In der Schweiz diskutiert man wieder den Einsatz dieser Hunde für unbeaufsichtigte Herden in Gebieten, in denen einzelne Wölfe aus Italien einwandern.

2. Treibhunde

Sie wurden jahrhundertelang von Viehhändlern zum Treiben von Viehherden von entlegenen Weideplätzen oder zu Märkten benutzt. Durch das moderne Straßennetz und die heutigen Verkehrsmitteln haben sie erst in diesem Jahrhundert weitgehend an Bedeutung verloren. Zu den Treibhunden gehören zum Beispiel der Rottweiler und die Sennenhunde.

3. Herdengebrauchshunde, Hütehunde oder auch Schafhunde genannt

Mit dem Verschwinden der Raubtiere benötigte man in der engen parzellierten Kulturlandschaft an Stelle der kräftigen Hirtenhunde sensible, führige Hunde zum Hüten auf begrenzter Fläche und Treiben über Wege und Plätze. Wanderschäfer benutzen heute noch diesen Hundetyp. Zu ihnen gehören neben vielen anderen der Altdeutsche Schäferhund, der Collie und der Border Collie.

Letzterer war in England so erfolgreich, daß er die anderen Rassen verdrängte und daß überall, wohin angelsächsische Siedler Schafe mitbrachten, der Border Collie ihr wichtigster Helfer wurde. Auf Neuseeland widmete man ihm sogar ein Denkmal, um den hohen Anteil zu würdigen, den dieser Schafhund an der Erschließung der unwirtlichen Region hatte.

2.2.1.3. Entstehung der Rasse Border Collie

In dem im 16. Jahrhundert erschienenen Buch „De Canibus Britanicus“ werden mittelgroße Hütehunde beschrieben, deren Arbeitsweise an den Schafen an die der heutigen Border Collies denken läßt (MÜLLER 1995).

Woher der Name „Border Collie“ stammt, den die Rasse 1915 von einem gewissen Mr.

Reid bekam (RÄBER 1993), ist nicht gesichert. „Border“ bezeichnet die Grenze zwischen England und Schottland. Aus diesem Grenzgebiet stammt der Border Collie. Weniger sicher ist die Bedeutung des Wortes „Collie“. Laut FINGER (1996) stammt das Wort von den Black-faced Sheep, die auch Coalleys genannt werden, und an denen die Coalley-dogs oder Coally-Coalley-dogs als Herdengebrauchshunde bzw. Hütehunde eingesetzt werden.

Nach RÄBER (1993) bedeutet das Wort Collie einfach „nützlicher Gegenstand“.

1873 fand das erste Sheepdogtrial in England statt.

1893 wurde „Old Hemp“ geboren. Dieser Rüde gilt als Stammvater der modernen Border Collies und war als Zuchtrüde sehr beliebt. Er hatte die überragende Eigenschaft, Schafverhalten richtig einzuschätzen (MÜLLER 1995).

Seit 1906 wurden die Border Collies von der International Sheep Dog Society (ISDS)

betreut, die als wesentliches Kriterium die Hüteleistung in den Vordergrund stellte und nicht das rassegerechte äußere Erscheinungsbild. 1955 wurde ein Zuchtbuch erstellt.

Inzwischen werden aber auch Papiere für Border Collies mit ISDS-Abstammung ausgestellt, ohne im einzelnen deren Hüteleistung nachzuprüfen.

Der Zuchtstandard und die formale internationale Anerkennung als Zuchtrasse vom British Kennel Club erfuhr der Border Collie erst 1976, nachdem er auch außerhalb der Schafzüchter zunehmend beliebt wurde. Ein Zuchtstandard wurde festgelegt, der das äußere Erscheinungsbild aber auch den Charakter festlegte.

In Deutschland fanden sich die Border Collie Züchter in den Jahren 1988-90 in dem Club für Britische Hütehunde zusammen, der dem VDH (Verband für das deutsche Hundewesen) angeschlossen ist. Durch ihn werden die Rassen Collie, Bearded Collie, Bobtail (OES), Shelti, Welsh Corgi und Border Collie betreut und in regelmäßigen Rasseschauen nach dem FCI-Standard (Fédération Cynologique Internationale), also im wesentlichen nach dem Extérieur beurteilt. Man spricht infolge dessen inzwischen auch vom „Show Border Collie“ (COLLIS 1988).

2.2.2. Rassestandard

Der FCI legte für den Border Collie am 27.07.1976 im FCI-Standard Nr. 276 den Rassestandard fest. Der VDH, der dem FCI beigetreten ist, hat den ins Deutsche übertragenen Stand übernommen und unter der Nr. 297 am 08.09.1988 vom FCI registrieren lassen. Der Wortlaut befindet sich im Anhang (Seite I / II).

Dieser Standard ist weitgehend an den englischen Standard des Britischen Kennel Clubs, also dem des Ursprungslandes, angeglichen. Differenzen gibt es bezüglich der Beschreibung des Charakters, da im englischen Standard ausdrücklich auf die Arbeit hingewiesen wird („tenecious, hard-working sheep dog, of great tractability“), wohingegen der FCI nur „aufgeweckt, aufmerksam, führig und intelligent, weder nervös noch aggressiv“ fordert.

Einige Züchter sind mit der relativ weiten Definition des Extérieurs des Border Collie-Standards nicht zufrieden, die Besitzer von Arbeitshunden empfinden sie dagegen als zu eng und zu wenig auf den Hütecharakter ausgerichtet.

Seit 1994 existiert die Arbeitsgemeinschaft Border Collie Deutschland (ABCD), die sich zum Ziel gemacht hat die Hüteeigenschaften zu erhalten und zu fördern. Da die Leistung im Vordergrund steht, werden auch Tiere ohne VDH-Papiere zugelassen (MÜLLER 1995). Insofern besteht ein Interessenunterschied zwischen dem VDH und dem ABCD,

wobei sich letztere nicht mit der Zucht beschäftigt. Dieser Interessenkonflikt besteht nicht nur in Deutschland, sondern zum Beispiel auch in England. Aufgrund der Entwicklung in den letzten Jahren wird die Befürchtung geäußert, daß es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis der Border Collie, wie die meisten ehemaligen Gebrauchshunde, seine spezielle Arbeitsfähigkeit einbüßen und zum reinen „Show Border Collie“ wird (WILLIS 1995;

siehe auch CAMPBELL 1975).

WILLIS (1995) fordert - nicht nur für den Border Collie - Wesens- und Arbeitstests sowie für die Zukunft Zuchtwertschätzung für Wesensmerkmale. Hierfür ist jedoch noch weitere Forschung nötig. Bisher haben sich die beiden Zuchtlinien des Border Collies - als Arbeits- und als „Show“ Border Collie - kaum voneinander entfernt (COMBE 1996;

COLLIS 1994).

In fast allen Büchern über den Border Collie wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich bei dieser Rasse um einen Arbeitshund handelt und bei Nichtbeachtung dieser Tatsache unliebsame Verhaltensweisen sowie Verhaltensstörungen auftreten können (u.a. MCLEAVY 1996; SWANN 1995). Aufgezählt werden stundenlanges Bellen, Jagen, Objektzerstörung, agressives Verhalten anderen Hunden und/oder Menschen gegenüber usw.. Dagegen wird der Border Collie zum idealen Partner, wenn sein Arbeitswille in konstruktive Bahnen gelenkt wird und er motiviert und gefordert ist (MCLEAVY 1996). „Sein Führer sollte über ein Maximum an Zeit verfügen und seinem enormen Bedürfnis nach Aktivität entgegen kommen“ (RÄBER 1993). Dabei ist der Border Collie ein „höchst sensibler und empfänglicher Hund“ (RÄBER 1993), der ein starkes Bedürfnis hat, seinen Besitzer zufrieden zu stellen (MCLEAVY 1996).