PRICE-CAP-REGULIERUNG
Im Rahmen des PriceCapVerfahrens billigte die Bundesnetzagentur den Antrag der DP AG für die Briefpreise 2011. Grundlage der Entscheidung war die PriceCapFormel, die im Jahr 2007 fest
gelegt worden war und bis Ende 2011 gilt. Darin wird eine jährliche Produktivitätsfortschritts
rate von 1,8 Prozent vorgegeben. Dieser Rate wurde die vom Statistischen Bundesamt ermit
telte Inflationsrate des Vorjahres gegenüber
gestellt, dabei ergaben sich die beantragten und genehmigten Preisanpassungen.
Im Bereich „Brief National“ wurden nur gering
fügige Preisanpassungen vorgenommen. Die Zusatzleistung „Nachnahme“ wurde um 0,02 Euro auf 2,02 Euro erhöht. Dagegen entfällt das zusätzliche Entgelt für eine Werbe
antwort mit nicht maschinenlesbarer Anschrift und die Rücksendung von Infopost
sendungen wurde von 0,22 Euro auf 0,11 Euro
abgesenkt. Diese Entgeltmaßnahmen resultier
ten aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und damit verbundenen Kosteneinsparungen.
Das bis Ende 2010 gültige Preissystem im Bereich „Brief International“ differenzierte zwischen europäischen und außereuropä
ischen Zielländern, diese Trennung ist seit Januar 2011 aufgehoben. Die neue Entgeltstruk
tur ist kostenorientiert, spiegelt die tatsächli
chen Verhältnisse bei der Zustellung wider und erleichtert dem Verbraucher die Ermittlung des von ihm zu entrichtenden Entgelts. Die Preismaßnahmen führten insgesamt zu leich
ten Preiserhöhungen für Briefsendungen innerhalb Europas und zu deutlich abgesenk
ten Tarifen für Briefsendungen in alle weiteren länder der Welt.
Ferner entfielen das zusätzliche Entgelt für das Produkt „Werbeantwort International“ bei nicht maschinenfähigen Sendungen und das
153 PoST | ENTSCHEIDUNGEN DER BESCHlUSSKAMMER
Entgelt für die Rücksendung von „Infopost International“. Diese Maßnahme war notwen
dig, da der Aufwand für die Erhebung und Einziehung die entsprechenden Erlöse über
steigen würde.
Die Genehmigung schließt nicht die Entgelte ein, die ab einer Mindesteinlieferungsmenge von 50 Briefsendungen entrichtet werden. Für diese Beförderungsleistungen, die vorrangig Geschäftskunden betreffen, greift seit Wegfall der Exklusivlizenz Anfang 2008 nur die nach
trägliche Missbrauchskontrolle (§ 25 PostG) durch die Bundesnetzagentur. Die Genehmi
gung ist bis zum 31. Dezember 2011 befristet.
MISSBRAUCHSVERFAHREN ZUR
NACHTRÄGLICHEN ENTGELTÜBERPRÜFUNG DER TEILLEISTUNGSRABATTE
Die DP AG ermöglicht es Großkunden, aber auch Wettbewerbern und Konsolidierern, größere Sendungsmengen vorsortiert direkt in ihre Briefzentren einzuliefern. Durch die postvor
bereitenden Tätigkeiten wie z. B. Einsammeln, Frankieren und Vorsortieren auf postalische leitregionen werden Kosten eingespart, die das marktbeherrschende Unternehmen an die Einlieferer als sog. Teilleistungsrabatte weitergibt.
Diese Teilleistungsrabatte wurden von der DP AG im Zusammenhang mit der Einführung der Umsatzsteuerpflicht für diese Postdienstleis
tungen zum 1. Juli 2010 deutlich erhöht. Damit sollten die Nachteile für nicht vorsteuer
abzugsberechtigte Einlieferer von Teilleis
tungssendungen durch die Änderung des Umsatzsteuergesetzes kompensiert werden. Für vorsteuerabzugsberechtigte Einlieferer ergeben sich erhebliche Kostensenkungspotenziale.
Die DP AG betonte, die Entgeltmaßnahme führe zu sinkenden Preisen auf den Postmärk
ten, käme insbesondere auch Wettbewerbern und Konsolidierern zugute und sichere durch ihren Beitrag zur Auslastung des Beförderungs
netzes auch die Erschwinglichkeit der Universaldienstleistungen. Zudem würden Wettbewerber mit eigener Infrastruktur, die für Restmengen den Teilleistungszugang nutzten, davon profitieren.
Die Wettbewerber hielten dem entgegen, dass durch die hohen Rabatte der Aufbau alternati
ver EndtoEndPostnetze ausgeschlossen werde und die Maßnahme daher die Wettbe
werbsmöglichkeiten alternativer Postdienst
leister behindere. Mangels vergleichbarer Sendungsmengen könnten sie Postdienstleis
tungen zu Entgelten in dieser Höhe nicht kostendeckend anbieten.
Die Bundesnetzagentur hat die Teilleistungs
entgelte in einem nachträglichen Entgeltüber
prüfungsverfahren darauf überprüft, ob sie missbräuchliche Abschläge enthalten, welche die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Anbie
ter von Postdienstleistungen beeinträchtigen, und ob die Entgeltmaßnahme gegen das Diskri
minierungsverbot verstößt. Es ließ sich feststel
len, dass die Entgelte sowohl die Kosten der effizienten leistungsbereitstellung übersteigen als auch einen erheblichen Beitrag zur Deckung der sog. nicht wettbewerbsüblichen lasten der DP AG beitragen. Das Abschlagsverbot wird somit durch die neuen Teilleistungsrabatte nicht verletzt. Ein Verstoß gegen das Diskrimi
nierungsverbot ist zu verneinen, weil die Rabatte allen Teilleistungskunden – und damit auch Wettbewerbern und Konsolidierern – in gleicher Höhe gewährt werden. Gegenüber Kunden, die die Vollleistung in Anspruch
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nehmen, und Wettbewerbern mit eigenem Zustellnetz kann sich eine diskriminierende Wirkung nicht entfalten, da sie entweder abweichende oder keine Dienstleistungen der DP AG in Anspruch nehmen. Das Diskriminie
rungsverbot untersagt jedoch nur die unter
schiedliche Behandlung solcher Kunden, die gleichartige Dienstleistungen nutzen.
Im Rahmen des Verfahrens wurde verdeutlicht, dass die Bundesnetzagentur eine willkürliche lastenverteilung durch die DP AG nicht akzeptie
ren wird, da dadurch wettbewerbsbeeinträchti
gende Maßnahmen ermöglicht werden könnten.
ENTGELTGENEHMIGUNGEN FÜR DEN E-POSTBRIEF MIT PHYSISCHER ZUSTELLUNG
Der EPostbrief ist gekennzeichnet durch die elektronische Einlieferung durch den Absen
der, der sich zuvor bei der DP AG registrieren lassen muss. Die Zustellung erfolgt dann entweder elektronisch bei anderen registrier
ten Teilnehmern oder physisch. Bei dieser Servicevariante des EPostbriefs werden die vom Absender übermittelten elektronischen Mitteilungen von der DP Com GmbH, die Antragstellerin in den Verfahren war, oder einem von ihr beauftragten Dienstleister ausgedruckt, gefalzt, kuvertiert und mit der für die physische Briefbeförderung erforderli
chen Freimachung für die vergleichbaren Stan
dardleistungen der DP AG versehen, also z. B.
0,55 Euro für den Standardbrief. Anschließend werden diese Briefsendungen einem anderen Dienstleister zur Zustellung beim Empfänger übergeben.
Die Beschlusskammer hat im Jahr 2010 die Entgelte für den „EPostbrief mit physischer Zustellung“ gleich zweimal genehmigt.
Die zu genehmigenden Entgelte betrafen jeweils nur den Teil der insgesamt von der Antragstellerin angebotenen Dienstleistung,
der auf die physische Beförderung von lizenz
pflichtigen Briefsendungen gerichtet ist. Sie stellen damit nicht die insgesamt dem Kunden in Rechnung gestellten Entgelte dar. Hinzu kommen für den Absender die Kosten für die elektronische Einlieferung, die Fertigung des Briefs und die anfallende Mehrwertsteuer, so dass für den „StandardEPostbrief“ nicht nur das genehmigte Entgelt in Höhe von 0,39 Euro, sondern 0,55 Euro vom Absender zu zahlen sind.
Mit der ersten Genehmigung vom 23. Februar 2010 wurden zunächst die Voraussetzungen für einen Betriebsversuch geschaffen, der ursprünglich bis zum 31. August 2010 laufen sollte und während der laufzeit auch die Möglichkeit einer Gratisnutzung für eine im Antrag näher bezeichnete Teilnehmermenge
vorsah. Nach Ablauf der Pilotphase sollten die genehmigten Entgelte für alle Einlieferer verbindlich werden.
Mit dem zweiten Entgeltgenehmigungsantrag zum EPostbrief beabsichtigte die DP Com GmbH, die genehmigten Entgelte zum 1. Juli 2010 aufgrund einer deutlichen Senkung ihrer Produktionskosten abzusenken. Dem Antrag wurde mit Beschluss vom 30. Juni 2010 stattge
geben. Mit der Genehmigung wurde der Probe
versuch beendet.
Die DP AG und die DP Com GmbH haben den EPostbrief in rein elektronischer Variante und mit physischer Zustellung im Juli 2010 einge
führt. Damit fiel der Startschuss für den elekt
ronischen Briefversand. Die Digitalisierung hat damit auch beim Postversand Einzug gehalten und wird die schriftliche Kommunikation
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langfristig grundlegend verändern. Mit dem EPostbrief soll eine rechtsverbindliche Zustel
lung auf elektronischem Weg möglich werden, was ihn grundlegend von der herkömmlichen EMail unterscheidet.
Die Beschlusskammer hat bei der Überprüfung der beantragten Entgelte darauf geachtet, dass die Antragstellerin bei Inanspruchnahme von Dienstleistung anderer Konzernunternehmen nicht besser gestellt wird als externe Kunden.
Eine solche Behandlung würde gegen das im PostG verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen und hätte als missbräuchlich abge
lehnt werden müssen. Die Prüfung hat jedoch ergeben, dass die DP Com GmbH keine anderen Konditionen als Wettbewerber oder Großkunden erhält. Das Angebot der DP Com GmbH orientiert sich – auch das hat die Prüfung durch die Beschlusskammer bestätigt – an den Kosten der effizienten leistungsbereitstellung und enthält weder missbräuchliche Auf noch Abschläge.
Soweit die DP Com GmbH leistungen anderer Konzernunternehmen in Anspruch nimmt, hängt die Genehmigungsfähigkeit ihrer Postdienstleistung auch davon ab, dass diese Vorleistungen keine missbräuchlichen Entgelte beinhalten. Wenn sich herausstellen sollte, dass diese Vorleistungsentgelte nicht den Entgeltgenehmigungsmaßstäben entsprechen, müsste auch diese Entgeltgenehmigung darauf überprüft werden, ob sie noch Bestand haben kann. Die Beschlusskammer hat für diesen Fall einen Widerrufsvorbehalt aufgenommen, um sicherzustellen, dass nachträglich gewonnene Erkenntnisse verwertbar sind.
ENTGELTE FÜR DEN „WERTBRIEF NATIONAL“
Die Bundesnetzagentur hat am 19. November 2010 einen Entgeltantrag der DP AG für die Dienstleistung „Wertbrief National“ mit einem Entgelt in Höhe von 3,15 Euro teilgenehmigt.
Mit dieser Zusatzleistung ist es möglich, natio
nale Briefsendungen (Standard, Kompakt, Groß und Maxibrief) mit werthaltigem Inhalt mit einer Haftungssumme in Höhe von maxi
mal 500 Euro, bei Bargeld von 100 Euro, gegen Verlust oder Beschädigung während des Trans
ports zu versichern. Für die Inanspruchnahme der Zusatzleistung muss ein Wertlabel erwor
ben werden, das auf die zu versichernde Sendung – wie bei einem Einschreiben – aufge
bracht wird. Die Sendung selbst ist zusätzlich mit dem normalen Entgelt freizumachen.
Die DP AG hatte eine Verlängerung des bislang genehmigten Entgelts in Höhe von 4,00 Euro pro Sendung beantragt. Die zuständige Beschlusskammer senkte den beantragten Betrag aufgrund umfangreicher Prüfungen der von der DP AG vorgelegten Kostenunterla
gen um 0,85 Euro auf 3,15 Euro ab. Die DP AG hat als Reaktion auf die nicht antragsgemäße Genehmigung erklärt, das Produkt nicht weiter anzubieten.
ENTGELTE FÜR DIE FÖRMLICHE ZUSTELLUNG
Bei der Genehmigungspflicht von Entgelten für die förmliche Zustellung handelt es sich um einen Sonderfall der Regulierung. Alle Wett
bewerber, nicht nur der Marktbeherrscher, müssen sich ihre Entgelte nach den Maßstäben der Effizienz genehmigen lassen. Im Verlauf des Jahres 2010 wurden zahlreiche Entgeltge
nehmigungsverfahren von der Beschlusskam
mer durchgeführt. Die beschiedenen Anträge
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betrafen Genehmigungen für die Zustellung im gesamten Bundesgebiet sowie im lokalen Bereich.
Die Beschlusskammer genehmigte neben Entgelten für die klassischen Postzustellungs
aufträge auch solche für elektronische Varian
ten. Die letztgenannten zeichnen sich dadurch aus, dass die Zustellungsaufträge elektronisch erfasst, archiviert und ihre Daten dem Auftrag
geber jederzeit als abrufbare Datei bzw. per Datenübertragung über ein Internetportal zur Verfügung gestellt werden.
Auf dem Markt für förmliche Zustellungen ist ein weiter fortschreitender Konsolidierungs
prozess zu verzeichnen. Das ist darauf zurück
zuführen, dass zunehmend Aufträge mit hohem Sendungsvolumen in öffentlichen Vergabeverfahren erteilt werden, die hohe Anforderungen an die technische und betrieb
liche leistungsfähigkeit der Wettbewerber stellen. Somit können sich nur solche Anbieter von Postdienstleistungen beteiligen, die über die entsprechenden Hard und Softwarevoraus
setzungen, aber auch über eine flächen
deckende Zustellinfrastruktur verfügen. Um im öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschrie
bene Großaufträge abwickeln zu können, haben Wettbewerber miteinander Kooperati
onsverträge abgeschlossen.
Die Beschlusskammer trägt mit ihrer Geneh
migungspraxis den Besonderheiten des Vergabeverfahrens Rechnung, indem sie seit geraumer Zeit die genehmigten Entgelte nicht mehr veröffentlicht. Dadurch wird dem Geheimhaltungsprinzip des Vergabeverfah
rens entsprochen.
157 PoST | GERICHTlICHE VERFAHREN