Im Energiebereich gewinnt der Großhandel als Wettbewerbsfaktor immer mehr an Bedeutung. Dabei eröffnen sich Energielieferanten und Endkunden neue Chancen,
ALLGEMEINE ENTWICKLUNG DER ELEKTRIZITÄTS- UND GASMÄRKTE
Um die Entwicklung der Energiemärkte zu beobachten, führt die Bundesnetzagentur jähr-lich ein Monitoring des Strom- und Gasmarkts durch, das die Entwicklung aller Bereiche der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette betrachtet – Erzeugung, Netze, Groß- und Einzelhandel. Die detaillierten Ergebnisse des letzten Monitoring 2010, zum Stichtag 1. April 2010 bzw. 31. Dezember 2009, wurden in einem gesonderten Bericht im Herbst 2010 veröffent- licht. Für 2009 bzw. 2010 lässt sich vor allem fest-stellen, dass die Integration der erneuerbaren Energien sich auf alle Teilbereiche des Strom-markts spürbar auswirkte. Insbesondere die Vermarktung der zunehmenden EEG-Strom-mengen an der Börse seit Januar 2010 führte zu mehr Wettbewerbsdruck.
Die installierte Erzeugungskapazität in Deutschland stieg von 2008 auf 2009 deutlich um 8,6 GW auf 152,7 GW an, wobei vor allem EEG-Anlagen und Gaskraftwerke ans Netz gingen. Bei einer konstanten Stromnachfrage löst der Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien einen erheblichen Rentabilitätsdruck
auf konventionelle kraftwerke aus. Dies gilt auch für Spitzenlastzeiten. Dass z. B. einige kohlekraftwerke möglicherweise ihren Strom zeitweise unter dem Gestehungspreis anbieten, um damit die Entscheidung hinauszuzögern, das kraftwerk ganz vom Markt zu nehmen, deutet auf einen tiefgreifenden strukturellen Wandel im Stromhandel hin. Dieser Umstand kann auch als Erklärung dienen, warum es bisher nicht gelungen ist, kapazitätszurückhal-tung im Strommarkt nachzuweisen.
Die Bedeutung des Handels mit Strom und Gas sowohl an organisierten Handelsplätzen als auch im rein bilateralen Handel über OTC- Geschäfte nimmt stark zu. Die Energiewirt-schaft und auch industrielle Verbraucher nutzen den Energiehandel zunehmend als Chance, sich gegen die zunehmende Volatili-tät der Preise abzusichern und von erweiterten Bezugsmöglichkeiten zu profitieren. Intelli-gente Beschaffungsstrategien sind für die Unternehmen zu einem zentralen wettbewerb-lichen Differenzierungsmerkmal geworden.
Eine Vielzahl von mittelständischen Händlern hat sich – neben den „klassischen“ Handelsun- ternehmen von großen Strom- und Gasversor-gern – erfolgreich am Markt etabliert. Davon
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profitieren auch Stadtwerke, die ihre Wettbe- werbsposition gegenüber den „großen“ Ener-gieversorgern durch eine aktive Nutzung des Energiehandels deutlich verbessern konnten.
Neben der Erzeugung und dem Transport ist der Handel somit längst der dritte strategische Pfeiler, dem auch die Energiepolitik verstärkt ihre Aufmerksamkeit widmet.
Nicht zuletzt durch die Aktivitäten der Bundes-netzagentur entwickeln sich auch das sog.
Marktdesign, d.h. die Handelsmechanismen, und die Integration der Märkte ständig weiter.
So konnten im grenzüberschreitenden Ener-giehandel 2010 deutliche Verbesserungen erzielt werden. U. a. ist nunmehr der kurzfris-tige Stromhandel West- und Nordeuropas gekoppelt, was zu Wettbewerbsimpulsen aus dem Ausland und zu Preissenkungen führen kann. Zur Stärkung des Wettbewerbs im Strom- und Gashandel ist für die Bundesnetz- agentur neben der Optimierung des Marktde-signs die Erhöhung der Markttransparenz von zentraler Bedeutung. Die Veröffentlichung von Fundamentaldaten, also von preisrelevan-ten Informationen, wie z. B. die Verfügbarkeit von kraftwerks- und Transportkapazitäten, ist aus Sicht der Bundesnetzagentur und ihrer europäischen Partnerbehörden die zentrale Voraussetzung dafür, dass die Marktteilnehmer die Preisbildungen am Strom- und Gasmarkt nachvollziehen können. Transparenz begrenzt die Möglichkeiten der Spekulation und des Marktmissbrauchs und schützt damit den Wettbewerb systematisch.
Zur Verbesserung der Transparenz der Strom- und Gasmärkte trug die Bundesnetzagentur entscheidend bei. Die EEX veröffentlicht aufgrund einer entsprechenden Initiative von BMWi und Bundesnetzagentur bereits seit
Ende 2009 die für den deutschen Markt rele-vanten Informationen über die Verfügbarkeit von kapazitäten zur Stromerzeugung auf ihren Internetseiten. 2010 entwickelten die europäischen Energieregulierer umfangrei-che Transparenzvorschriften im Bereich der Fundamentaldaten, um europaweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Darü- ber hinaus unterstützt die Bundesnetz-agentur die Einführung eines effizienten sektorspezifischen Handelsregimes für den Energiemarkt mit einem schlanken, effizien-ten Berichtswesen. Dementsprechend begrüßt sie, dass die EU-kommission am 8. Dezember 2010 einen Verordnungsentwurf vorstellte, der ein Verbot von Insiderhandel und Marktmanipulationen im Energiehandel in Europa vorsieht. Die Bundesnetzagentur begleitet zudem aktiv die Einführung eines europäischen Monitoring. So wurde 2010 im Rahmen eines europäischen Pilotprojekts zur Marktbeobachtung bereits ein IT-System für den Transfer und die Analyse von Handelsda-ten zur Marktbeobachtung aufgebaut.
Auf dem deutschen Gasmarkt wird die 2010 in kraft getretene Novelle der GasNZV die Wettbe- werbsentwicklung weiter vorantreiben. Beson-ders hervorzuheben sind die Vorgaben zur Reduzierung der Marktgebiete, die Begrenzung der langfristigen kapazitätsbuchungen und der neue Mechanismus zur Vergabe von Transport- kapazitäten, der eine Versteigerung an Trans-portkunden vorsieht. Die novellierte GasNZV verpflichtet die Gasnetzbetreiber, die bislang bestehenden sechs Marktgebiete bis April 2011 auf drei und bis August 2013 auf zwei zu reduzie- ren. Die weitere Zusammenlegung der deut-schen Gasmarktgebiete erörterte die Bundesnetzagentur 2010 intensiv mit den
Marktteilnehmern. Auf Seiten der Netzbetrei-Inhalt Seite zurück Seite vor Kapitel
ber zeichnete sich dabei 2010 erstmals verstärkt die Tendenz ab, die geforderte Reduzierung nicht wie bislang durch Zusammenlegung bestehender Marktgebiete derselben Gasquali-tät, sondern durch eine qualitätsübergreifende Integration von H- und l-Gas-Marktgebieten herbeizuführen. Die Bildung qualitätsüber-greifender Marktgebiete bietet weitreichende Entwicklungschancen für den deutschen Gasmarkt. Insbesondere entstehen größere Markträume mit einer gesteigerten Handelsli- quidität und zahlreichen Wettbewerbsakteu-ren. Die öffentliche konsultation ergab, dass die weit überwiegende Zahl der Marktteilnehmer die Bildung qualitätsübergreifender Marktge-biete befürwortet. kontrovers diskutiert wurde
hingegen die Frage, ob für qualitätsübergrei- fende Transporte ein gesondertes konvertie-rungsentgelt erhoben werden sollte. Die Bundesnetzagentur entschied sich dafür, die Einführung eines konvertierungsentgelts zumindest in der Startphase zu verlangen. Das konvertierungsentgelt ist ein wichtiges Siche-rungsinstrument, um das Ausmaß der durch die Zusammenlegung bewirkten Einspeiseverschie- bung und die damit verbundenen kosten kont-rollieren und in einen angemessenen Rahmen überführen zu können. Die marktgebietsauf- spannenden Netzbetreiber legten dementspre-chend der Bundesnetzagentur im November 2010 ein gemeinsames konzept für die Ausge-staltung des konvertierungsentgelts vor.
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