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5.2 Welche Zeitauflösung lässt sich mittels SEMPA erreichen?

5.2.1 Energieverteilung der Sekundärelektronen

Elektronen, die von einer Probe emittiert werden, weisen eine charakteristische Ener-gieverteilung auf. Per Definition werden alle emittierten Elektronen mit einer Energie unterhalb von 50eV als Sekundärelektronen bezeichnet. Ein Spektrum dieser Sekundär-elektronen zeigt jedoch weit unterhalb dieser Grenze, für Metalle um2eV [210], ein Maxi-mum und fällt dann innerhalb einiger Elektronenvolt stark ab. Näherungsweise lässt sich ein Sekundärelektronenspektrum durch die Gleichung

∂NSE

∂ESE ∝ ESE

(ESE+ Φ)4 (5.1)

0 5 1 0 1 5

0 , 0 0 , 5 1 , 0

norm. Intensität

E n e r g i e [ e V ]

S e k u n d ä r e l e k t r o n e n s p e k t r e n

C u A z z o l i n i e t a l . R e i m e r

C o N ä h r u n g F e N ä h e r u n g N i N ä h e r u n g

Abbildung 5.1: Näherungsweise aus der Gleichung 5.1 abgeleitete Sekundärelektronenspektren der 3d-Übergangsmetalle Eisen, Kobalt und Nickel im Vergleich mit experimentellen Daten, die Azzolini et al. [415] an Kuper aufzeichnen. In dem oliv schraffierten Bereich be-finden sich nach Reimer [210] viele experimentelle Re-sultate für verschiedene Metalle. Gezeigt wird jeweils die auf den Maximalwert der Verteilung normierte Intensi-tät in Anhängigkeit der Elektronenenergie.

beschreiben, die in [210, 416] ab-geleitet wird und in einer gro-ben Näherung einzig eine Materi-alabhängigkeit über die Austritts-arbeit Φ aufweist. Ihr Verlauf wird in der nebenstehenden Abbildung 5.1 für die 3d-Übergangsmetalle Ei-sen (schwarz gestrichelt), Kobalt (rot gestrichelt) und Nickel (blau gestrichelt) abgebildet. Die ent-sprechenden Austrittsarbeiten wur-den [417] entnommen2 und basie-ren auf photoelektrischen Messun-gen. Man beachte, dass die Aus-trittsarbeit grundsätzlich auch von der Orientierung einer Kristallo-berfläche abhängig ist, sodass sich für unterschiedliche

Kristallorien-tierungen auch verschiedene Sekundärelektronenspektren ableiten lassen. Die drei nähe-rungsweise berechneten Verläufe geben jedoch ohnehin nur qualitativ einen Verlauf wie-der und liefern keine belastbaren Spektren, die sich auf reale Systeme übertragen lassen.

2Den berechneten Spektren wurde folgende Austrittsarbeiten aus [417] eines polykristallinen Metalls zugrunde gelegt: Nickel:5,15eV, Kobalt:5,0eV, Eisen:4,5eV

Durch die kurze Reichweite der Sekundärelektronen weichen weiterhin sämtliche Spek-tren, die unter SEM-Bedingungen aufgezeichnet werden, erheblich von SpekSpek-tren, die sich für ideale Systeme erwarten lassen, ab, da sich in niedrigen Druckbereichen Kohlenwas-serstoffe, Oxide und Wasser auf den Oberflächen befinden [418]. So weisen gemessene Spektren von Joy et al. [418] für Kobalt, Eisen, und Nickel ihr Maximum um 5eV auf und differieren deutlich von den abgebildeten Verläufen und allgemein Daten, die unter UHV-Bedingungen an gereinigten Proben aufgezeichnet werden [415, 418, 419]. Die grüne Kurve in der Abbildung 5.1 gibt exemplarisch ein solches Spektrum wieder, das Azzolini et al. [415] an Kuper aufzeichnen. Nach Reimer [210] liegen die Spektren vieler Metalle in dem grün schraffierten Bereich. In einer SEMPA-Untersuchung werden konzeptionell gereinigte Oberflächen betrachtet, sodass in dieser Hinsicht keine Verunreinigungen auf den Oberflächen zu erwarten sind. Die Ta-Deckschicht der in Abschnitt 5.1 betrachteten Probe wurde jedoch mit Ar-Ionen einer Energie von 1keV entfernt. Wie Joy et al. [418]

herausstellen, kann ein solches Sputtern eine Rauigkeit der Oberfläche erzeugen, die ver-gleichbar mit der Austrittstiefe der SE ist und durch die unterschiedlichen Weglängen von Elektronen in Materie die Emission energiereicherer SE begünstigt. Infolgedessen ist es im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich, quantitativ ein Elektronensprek-trum anzugeben, das universell einer Berechnung der zeitlichen Auflösung im SEMPA zugrunde gelegt werden kann. Die Abbildung 5.1 verdeutlicht, dass sich die SE-Spektren für verschiedene Metalle bzw. Oberflächen in ihrer Breite unterscheiden und materialab-hängig sind. Darüber hinaus ist auch ein Einfluss der Oberflächenbeschaffenheit auf das SE-Spektrum zu erwarten [418].

Aus der Energieverteilung der Sekundärelektronen leiten sich unterschiedliche Zeiten ab, die die entsprechenden Elektronen benötigen, um den Spindetektor zu passieren. Die Brei-te dieser VerBrei-teilung bestimmt daher die zeitliche Auflösung, die mitBrei-tels SEMPA möglich ist. Die materialabhängigen Unterschiede der Spektrenbreite bedeuten in diesem Zusam-menhang, dass bspw. ein in der SEM-Aufnahme hellerer Leiterstreifen aus Gold wegen einer geringeren Austrittsarbeit auch eine leicht schmalere Energieverteilung und daher eine leicht höhere Zeitauflösung bereitstellen kann als die untersuchten Fe70Co8Si12B10 -Strukturen. Unterschiede in der Zeitauflösung, wenn verschiedene Materialien betrachtet werden, sind daher möglich.

Auf der linken Seite der Abbildung 5.2 wird der Potenzialverlauf, den die Sekundärelek-tronen auf ihrem Weg durch den Spindetektor passieren müssen, gemeinsam mit einer Schemazeichnung des Detektors gezeigt. Die Elektronen werden zunächst von der ge-erdeten Probe in den Detektor beschleunigt und besitzen kurzzeitig eine relativ hohe kinetische Energie leicht unterhalb von 3keV. Sie befinden sich danach verhältnismäßig lange (∆x ≈ 9cm → ∆t ≈ 15ns) auf dem Streupotenzial von 102,5eV und werden an dem W(001)-Einkristall gestreut. Nachdem die gestreuten Elektronen ein Gitter passiert haben, das sich ebenfalls auf dem Streupotenzial befindet, werden sie durch ein geerdetes Rückhaltegitter (retarding grid) weiter abgebremst. Dies dient dem Zweck, Elektronen, die an dem W(001)-Kristall nicht nur elastisch, sondern auch inelastisch gestreut wurden, von den Mikrokanalplatten (MCP) und der Detektion fernzuhalten. Detaillierte Infor-mationen zu der Konstruktion des verwendeten Detektors sowie der Wahl der einzelnen Potenziale lassen sich [200] entnehmen.

Mittels einer numerischen Berechnung lassen sich für den vorhandenen Potenzialverlauf die Zeiten, die die Sekundärelektronen zum Passieren des Spindetektors benötigen, als Funktion der kinetischen Energie der Elektronen bestimmen. Legt man dieser Rechnung die Energieverteilung der detektierten SE zugrunde, so lässt sich daraus eine Verteilung unterschiedlicher Flugzeiten von Elektronen ableiten, die zu einer zeitlichen Verbreiterung des Messsignals im TR-SEMPA führen. Kritisch ist die Frage, wie genau die Energievertei-lung der tatsächlich detektierten SE aussieht. Wie bereits in dem Abschnitt 3.3 erläutert wurde, resultiert die detektorspezifische Energie- bzw. Winkelakzeptanz in einer energie-abhängigen Transmission von Elektronen. Des Weiteren ist auch die LEED-Streuung an dem W(001)-Einkristall und die Transmission durch das Rückhaltegitter energieabhän-gig [200]. Diese drei Effekte resultieren in der Tatsache, dass die Energieverteilung der detektierten Sekundärelektronen von der Verteilung der ursprünglich emittierten Sekun-därelektronen abweicht. Die zuvor in der Abbildung 5.1 gezeigten Spektren eignen sich quantitativ daher nicht, um die zeitliche Auflösung des verwendeten Detektors zu ermit-teln.

Weiterhin werden die SE unter verschiedenen Winkeln emittiert [210], sodass neben der Energieverteilung für die Berechnung der zeitlichen Auflösung zusätzlich auch die Winkel-verteilung der SE Berücksichtigung finden muss. So passiert bspw. ein SE, das mit einer Energie von4eV unter einem Winkel von60 zu der Probenoberfläche emittiert wird, den

W(100)

Gitter MCP Probe

L.1 L.2 L.3 L.4 L.5 L.6

2 1 , 0 2 1 , 5 2 2 , 0 2 2 , 5 2 3 , 0

01234567 Z e i t p r o f i l

norm. Häufigkeit [%]

V e r z ö g e r u n g [ n s ] 6 0 0 p s

0 1 0 0 2 0 0

0

1 k 2 k 3 k

W ( 0 0 1 )

A u f w e i t

R ü c k . -G i t t e r L . 6

S t r e u p o t . L . 5

L . 4 L . 3 L . 2

L . 1

P r o b e

Potenzial [V]

P o s i t i o n [ m m ]

- 5 0 5 1 0 1 5

0246

E n e r g i e [ e V ] E n e r g i e v e r t e i l u n g

0

5 0 1 0 0 1 5 0

diff. Zählrate [KCt/s]

S p i n d e t e k t o r p o t e n z i a l b ) a )

Abbildung 5.2: Abschätzung der zeitlichen Auflösung für den verwendeten SEMPA-Aufbau mit einem LEED-Detektor. Sekundärelektronen mit einer charakteristischen Energieverteilung pas-sieren den Detektor unterschiedlich schnell. Dies führt abhängig von den Linsenpotenzialen des Detektors (links in blau abgebildet) sowie der Energieverteilung der detektierten Sekundärelek-tronen (rote Kurve im Inset) zu einem zeitlichen Profil (rechts in schwarz), mit dem die aufge-nommenen Daten stets verbreitert sind. Eine zeitliche Auflösung von 600ps lässt sich auf diese Weise ableiten.

Spindetektor in der gleichen Zeit wie ein SE, das mit einer Energie von 3eV normal zu der Probenoberfläche emittiert wird. Entscheidend für die Flugzeit eines Sekundärelek-trons durch den Spindetektor ist die Komponente der Elektronengeschwindigkeit, die in Richtung des Spindetektors deutet. Die resultierende Geschwindigkeitsverteilung liefert unter zusätzlicher Berücksichtigung der Elektronentransmission des Detektors eine Flug-zeitverteilung der Elektronen, die entsprechend mit einer zeitlichen Auflösung verbunden ist.

Ein Elektronenspektrum, das die gesuchte Information enthält, lässt sich relativ einfach über das Durchfahren des Rückhaltegitterpotentials (siehe Abbildung 5.2b) im Inset) unter gleichzeitiger Messung der Elektronenzählrate ermitteln. Auf diese Weise lassen sich die Rückhaltegitter als ein Bremsfeldanalysator (retarding-field analyzer) nutzen, um die Verteilung der tatsächlich detektierten SE zu bestimmen. Dieses Vorgehen berücksichtigt zum einen direkt die Energieakzeptanz des Spindetektors und betrachtet zum anderen

lediglich die kinetische Energie der SE, die mit der Geschwindigkeitskomponente in der Detektorrichtung verbunden ist.

Ein Nachteil dieses Vorgehens ist, dass ein solcher Bremsfeldanalysator aus nur einem Gitter eine verhältnismäßig niedrige Energieauflösung bereitstellt [210]. So wird die Ener-gieauflösung eines solchen Bremsfeldanalysators stark durch hohe Potenziale in unmittel-barer Nähe herabgesetzt, da es zu einem Durchgriff der elektrischen Felder kommt. Auf der Elektronentrajektorie unmittelbar vor dem Rückhaltegitter befindet sich ein weiteres Gitter, das sich auf dem verhältnismäßig niedrigen Streupotential befindet, sodass sich zwischen den beiden Gittern eine elektrische Feldstärke von rund 3,4·104V/m abschät-zen lässt. Nach dem Gitter schließt sich die Aufweitelektrode an, die für eine deutlich höhere elektrische Feldstärke von5,5·105V/m sorgt und somit den messbaren Durchgriff durch das Rückhaltegitter maßgeblich verursacht. Da sich mit angeschaltetem Aufweit-potential eine Energieauflösung von 2σ = 11eV messen lässt, ist es für die Aufnahme des diskutierten Elektronenspektrums erforderlich, die Aufweitspannung auszuschalten3 oder besser noch ebenso durchzufahren. Aus dem verbleibenden elektrischen Feld vor dem Rückhaltegitter lässt sich dann eine passable Energieauflösung von 2σ ≈ 0,7eV abschät-zen4.

Die rote Kurve in der Abbildung 5.2 reproduziert die auf diese Weise in [200] gemesse-ne Egemesse-nergieverteilung an eigemesse-ner Probe aus Eisen. Dargestellt ist die differenzierte Zählrate (normierte Häufigkeitsverteilung) als Funktion der Elektronenenergie bzw. des Gitter-potenzials mit umgekehrtem Vorzeichen. Aus dieser Verteilung lässt sich mit dem zuvor diskutierten Potenzialverlauf das rechts in der Abbildung 5.2 dargestellte Zeitprofil berech-nen (schwarze Kurve). Dabei wird für jede Elektroberech-nenenergie bzw. -geschwindigkeit die Flugzeit in dem dargestellten Potential berechnet, sodass sich eine Elektronenflugzeitver-teilung ableiten lässt. Da der zugrunde gelegte Potentialverlauf am Rückhaltegitter dem Erdpotenzial entspricht, wird implizit für die Rechnung angenommen, dass die

Rückhal-3Man beachte, dass ein solcher Betrieb mit dem erheblich stärkeren Abnutzen der MCPs in ihrem Zen-trum verbunden ist und somit keineswegs unnötig lange betrieben werden sollte. Da eine entsprechende Messung in [200] bereits zur Optimierung des verwendeten Detektors durchgeführt wurde und daher vermeidbar ist, soll hier auf diese nicht eigenen Daten zurückgegriffen werden.

4Der Durchgriff des elektrischen Feldes, das die Energieauflösung eines Bremsfeldanalysators begrenzt, skaliert linear mit dem elektrischen Feld [210, 420], sodass sich näherungsweise die Energieauflösung über 3,4·104V/m

/ 3,4·104V/m+ 5,5·105V/m

·11eV= 0,7eV abschätzen lässt [210].

tegitter eine perfekte Energieauflösung besitzen. Wie zuvor diskutiert ist dies nicht der Fall, sodass eine zusätzliche Verbreiterung durch die Energieauflösung der Rückhaltegitter möglich ist. Diese zusätzliche Verbreiterung soll an dieser Stelle jedoch vernachlässigt wer-den und wird in dem späteren Abschnitt 5.2.3 erneut aufgegriffen und isoliert betrachtet.

Eine statistische Analyse des berechneten Zeitprofils in der Abbildung 5.2 liefert eine mittlere Verzögerungszeit von 22,6ns, die die SE benötigen, um von der Probe bis zu der Signalverstärkung an den MCPs bzw. der dahinter liegenden Elektrode zu gelangen.

Die Standardabweichung σ dieser Ankunftszeitverteilung liegt bei300ps, sodass sich eine Zeitauflösung von 2σ= 600ps ableiten lässt.

Diese Zeitauflösung von600ps gilt streng genommen nur für Sekundärelektronen, die von einer Eisenprobe emittiert werden. Wie zu Beginn des Abschnitts diskutiert wurde, wei-chen Sekundärelektronenspektren für verschiedener Materialien voneinander ab. Auch bei gleichen Materialien und verschiedenen Oberflächenbeschaffenheiten sind durchaus Ab-weichungen möglich, sodass die Zeitauflösung im TR-SEMPA auch von den untersuchten Materialien abhängt. Zu erwarten ist jedoch, dass die Energieakzeptanz des Detektors die Breite der letztlich detektierten SE-Verteilung beschränkt und die abgeschätzte Zeitauf-lösung sich zumindest näherungsweise auf andere Materialien übertragen lässt.

Die aus der Energieverteilung der Sekundärelektronen abgeleitete Zeitauflösung ist nur leicht niedriger als die zuvor experimentell bestimmte Zeitauflösung von (720±80)ps Dies zeigt, dass die Energieverteilung der SE der dominierende Faktor der zeitlichen Auf-lösung für den vorhandenen SEMPA-Aufbau ist und weitere Faktoren, die im Anschluss dieses Abschnittes noch diskutiert werden, zumindest weniger ins Gewicht fallen sollten.

Diese weiteren Faktoren, die die experimentelle Zeitauflösung noch herabsetzten können, entstehen bei der Digitalisierung des analogen Strompulses, den jedes SE nach dem Pas-sieren des Detektors in einem der vier LEED-Kanäle auslöst, durch Laufzeitunterschiede unter den vier Kanälen oder durch die Energieunschärfe des Rückhaltegitters.