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3.5 Magnetische Bildgebung an ex situ hergestellten Schichtsystemen

3.5.1 Abbildung von Streufeldern mittels SEMPA

Da SEMPA sensitiv auf die Spinpolarisation von Sekundärelektronen ist, ermöglicht sie eine direkte Abbildung der Magnetisierung einer Probe. Magnetische Felder können a priori jedoch nicht aufgezeichnet werden. Das In-situ-Auflegen einer dünnen ferromagne-tischen Schicht eröffnet dennoch die Möglichkeit, probennahe Magnetfelder sichtbar zu machen [270]. Wie im Folgenden diskutiert wird, lässt sich dies nutzen, um so bspw. Do-mänen einer ex situ hergestellten Probe durch eine Deckschicht hindurch abzubilden. Die gewonnenen Erkenntnisse konnten bereits in eine Publikation einfließen.

Scanning electron microscopy with polarization analysis for multilayered chiral spin textures

Juriaan Lucassen, Fabian Kloodt-Twesten, Robert Frömter, Hans Peter Oepen, Rembert A. Duine, Henk J. M. Swagten, Bert Koopmans, Reinoud Lavrijsen

Appl. Phys. Lett. 111, 132403 (2017).

Hauptautor dieser Veröffentlichung ist Juriaan Lucassen vom „Department of Applied Physics“ in Eindhoven, der federführend die Anfertigung des Manuskripts, die Proben-herstellung sowie die Auswertung der Daten übernommen hatte. Die eigentlichen SEMPA-Messungen wurden in Hamburg von Fabian Kloodt-Twesten (Autor dieser Arbeit) und Juriaan Lucassen durchgeführt, analysiert und diskutiert. Fabian Kloodt-Twesten war da-bei für das Experiment verantwortlich. Alle Autoren haben sich da-bei der Diskussion der Ergebnisse und des Manuskripts eingebracht. Im Folgenden wird nicht die maßgeblich von Juriaan Lucassen verfasste Publikation wiedergegeben. Diese ist jedoch im Anhang zu finden. Anstelle dessen werden nur zwei für die vorliegende Arbeit relevante Aspekte diskutiert. Die hier gezeigten Daten wurden von Fabian Kloodt-Twesten aufgenommen und analysiert.

Fe Ir/Co/PtPt [ ]15

Abbildung 3.10: Prinzip der Aufnahme magnetischer Streufelder. Streufelder des Ir/Co/Pt-Schichtsystems richten die Magnetisierung in einem dünnen Eisenfilm aus und erzeugen damit magnetische Volumenladungen.

Die SEMPA-Technik basiert auf der Detektion der Spinpolarisation von Sekundärelektronen und bietet da-her a priori nicht die Möglichkeit, Streufelder abzubilden. Dies wird je-doch durch das Aufbringen einer dünnen ferromagnetischen Schicht möglich, deren Magnetisierung als

eine Art Sonde fungieren kann. Das Prinzip dahinter verdeutlicht die Abbildung 3.10.

Auf einem Ir/Co/Pt-Schichtsystem8, das mit einer 10nm Deckschicht aus Platin ge-schützt wird, wird eine 1,5nm dicke Eisenschicht in situ durch thermisches Verdampfen aufgebracht. Die senkrechte Magnetisierung des Ir/Co/Pt-Schichtsystems ist mit Ober-flächenladungen verbunden und ruft entsprechend Streufelder hervor. Die aufgebrachte Fe-Schicht, deren Magnetisierung in der Filmebene orientiert ist, besitzt die Möglichkeit, diese Streufelder zu reduzieren, indem sie den magnetischen Fluss schließt. Die zugrun-deliegende Wechselwirkung ist an dieser Stelle daher die dipolare Wechselwirkung, sodass sich das vorgestellte Konzept von der etablierten Kontrastverstärkung mittels einer ferro-magnetischen Schicht [270–274], die über die Austauschwechselwirkung koppelt, deutlich unterscheidet.

Die oberen drei Bilder in der Abbildung 3.11 enthalten die Rohdaten einer SEMPA-Messung. Beide Komponenten der Magnetisierung in der Filmebene wurden gleichzeitig aufgenommen und können daher direkt zu der darunter abgebildeten vektoriellen Abbil-dung zusammengesetzt werden. Die Orientierung der Magnetisierung wurde dabei wie-der entsprechend dem gezeigten Farbkreis farbkodiert. Wie wie-der vergrößerte Bereich ver-deutlicht, ist die Magnetisierung benachbarter Domänen einander entgegen gerichtet und erzeugt so magnetische Volumenladungen bzw. Divergenzen. Auf der rechten Seite ist zusätzlich die Häufigkeitsverteilung der Asymmetrie dargestellt. Der homogene Ring mit einem Durchmesser von etwa 5% weist nach, dass die Magnetisierung gleichmäßig in der Filmebene verteilt ist und damit keine Vorzugsrichtung der Magnetisierung in der Filme-bene besteht. Ohne das Ir/Co/Pt-System, das sich unter der Fe-Schicht befindet, kann

8Betrachtet wird ein Pt10nm/[Ir1nm/Co1nm/Pt1nm]15/Pt1nm/Ta4nm//-Schichtsystem, das durch Sput-terdeposition auf einem Siliziumwafer mit einer natürlichen Oxidschicht aufgebracht wurde.

diese Fe-Schicht ihre Streufeldenergie minimieren, indem sie Volumenladungen vermeidet.

Mit dem Ir/Co/Pt-System darunter ist es jedoch günstiger, mit Volumenladungen in der Fe-Schicht die Oberflächenladungen des Ir/Co/Pt-Schichtsystems zu kompensieren. Ge-mäß dem Helmholtz-Theorem lässt sich jedes Vektorfeld in einen Divergenz- und einen Rotationsanteil zerlegen. Beide werden unten in der Abbildung 3.11 wiedergegeben. Der Divergenzanteil spiegelt die Volumenladungen in der Eisenschicht wieder, die quantitativ ein Maß für die Oberflächenladungen der darunterliegenden Schicht sind. Positive Ober-flächenladungen sind mit einer Magnetisierung, die aus der Filmebene zum Betrachter zeigt (vgl. Abschnitt 2.1.2), verbunden, negative Oberflächenladungen mit einer Magne-tisierung, die in die Papierebene hineindeutet. Eine Binarisierung der Divergenz mit dem Schwellenwert Null liefert damit näherungsweise die z-Komponente der Magnetisierung des Ir/Co/Pt-Schichtsystems (rechts unten in Abbildung 3.11).

5 % Magnetisierung Histogramm

Summe Mx-Komponente My-Komponente

2 µm

Divergenz(M) Rotation(M) Mz-rekonstruiert

Abbildung 3.11: Aufnahme magne-tischer Streufelder mittels einer dünnen Eisenschicht. Divergenzen in der Magnetisierung der Eisen-schicht entstehen durch Streufelder des darunterliegenden Ir/Co/Pt-Multilagensystems. Dies bietet die Möglichkeit, die senkrechte Ma-gnetisierung der Kobaltlagen zu rekonstruieren.

Auch die Rotationskomponente der Magnetisierung verschwindet nicht. Sie enthält helle und dunkle Punkte, die magnetischen Vortizes in der Magnetisierung mit verschiedenem Umlaufsinn entsprechen. Dem überlagert lässt sich ein Domänenmuster erkennen, dass sich an dem Divergenzmuster orientiert und von diesem nicht unabhängig zu sein scheint.

Dieses Muster lässt sich durch einen Blick auf das farbkodierte Bild verstehen: In vie-len Bereichen ist die Magnetisierung einzelner Domänen einander entgegen gerichtet und erzeugt so magnetische Volumenladungen bzw. Divergenzen. Die Rotation von einer Do-mäne zur anderen erfolgt jedoch über eine Néelwand, die einen Rotationsbeitrag liefert.

Das aufgezeichnete Domänenmuster sowie die Größenverteilung der Domänen stimmen mit MFM-Daten9 überein. Auch liefern SEMPA-Messungen an derselben Probe, nach-dem die oberen paramagnetischen Lagen durch Sputtern entfernt wurden, ein vergleich-bares Domänenmuster (siehe Abschnitt 3.5.2). Dies demonstriert, dass mittels einer dün-nen ferromagnetischen Schicht Streufelder im SEMPA detektiert werden köndün-nen. Diese Streufelder lassen sich beispielsweise nutzen, um das Domänenmuster eines Ir/Co/Pt-Schichtsystems aufzuzeichnen, das ansonsten im SEMPA aufgrund der Abdeckung nicht beobachtbar wäre10. Durch die ferromagnetische Abdeckung können daher probennahe Streufelder auch im SEMPA abgebildet werden, sodass Aufnahmen ähnlich zu denen ei-nes MFMs möglich sind.

Kritisch zu betrachten ist, dass die zusätzliche Eisenschicht die Magnetisierung der Ko-baltschichten beeinflussen kann, da sie durch das Schließen des magnetischen Flusses die Streufeldenergie reduziert. Dies begünstigt allgemein größere Domänen. Ein solcher Ef-fekt müsste durch Variation der Fe-Schichtdicke sichtbar werden. Zumindest bis zu der maximal aufgetragenen Schichtdicke von 5nm Eisen bleibt das Domänenmuster jedoch exakt gleich, was in dem Supplemental Material des Artikels [34] untersucht wird und an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden soll. Die Tatsache, dass das System durch das Aufbringen einer zusätzlichen Eisenschicht sein Domänenmuster nicht verändert und in

9MFM steht für Magnetkraftmikroskopie (engl. magnetic force microscopy). Eine Gegenüberstellung zwischen SEMPA- und MFM-Messungen ist in der Publikation im Anhang A.3 zu finden.

10Auf der oberen Co-Schicht befinden sich 1nm Iridium und 10nm Platin. Die Zerfallslänge des Se-kundärelektronenspins in einer Pt-Abdeckung liegt für die im SEMPA relevanten Energien bei (0,72±0,07)nm [35]. Durch die Platinschicht allein folgt daher bereits eine Signalabschwächung um den Faktor1·10−6, der eine Bildgebung unmöglich macht.

seinen direkten Grundzustand relaxiert, ist auf strukturelle Defekte (Pinning11) zurückzu-führen. Obgleich für die untersuchte Probe der Einfluss der Eisenschicht vernachlässigbar ist, lässt sich vermuten, dass bei weniger Schichtwiederholungen oder auch bei schwäche-rem Pinning dieser Effekt auftreten kann. Eine möglichst dünne ferromagnetische Schicht ist daher sinnvoll. Die hier betrachtete Schichtdicke von1,5nm wurde mit Hinblick auf die Tatsache, dass die Informationstiefe von Eisen bei 0,6nm liegt, gewählt, da für signifikant dünnere Schichtdicken ein schlechteres Signal-zu-Rausch-Verhältnis zu erwarten ist.

3.5.2 Aufnahme der Magnetisierung eines Schichtsystems nach