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In diesem Kapitel soll die Vorgehensweise für den empirischen Teil dieser Arbeit beschrieben werden. Inhaltlich widmet sich dieser Abschnitt den verwendeten Methoden, Instrumenten und Verfahren qualitativer Forschung sowie der Auswahl der Interviewpersonen, der Datenerhebung und Datenauswertung.

4.1. Methodisches Vorgehen

Die Forschungsfrage wurde mittels qualitativer Vorgehensweise beantwortet. Mit den Methoden qualitativer Forschung soll die Komplexität des untersuchten Gegenstandes ausreichend berücksichtigt werden. Der Forschungsgegenstand wird in seiner Gesamtheit und seinem alltäglichen Kontext untersucht, soweit das möglich ist. Primäres Ziel qualitativer Forschung ist es weniger, Bekanntes zu überprüfen, als vielmehr Neues zu entdecken. Die Analyse theoretischer Modelle des Veränderungsmanagements und die sich aus den geführten ExpertInneninterviews ergebenden Implikationen darauf, sollen dazu einen Beitrag leisten (vgl. Flick Uwe 1996: 14).

51 Zudem kann auf ordinale und metrische Daten im gesamten Forschungsverlauf gänzlich verzichtet werden. Es wird auch nicht der Anspruch erhoben, statistisch repräsentative Aussagen zu treffen. Zwar wird mit Sicherheit auf Zusammenhänge zwischen Problemkonstellationen und Problemdefinitionen gestoßen werden, allerdings liegt der Fokus „dabei aber auf der Frage, wie unter den entsprechenden Rahmenbedingungen die Probleme benannt, interpretiert, gelöst oder perpetuiert werden“ (Przyborski Aglaja, Wohlrab-Sahr Monika 2010: 19). Zum anderen wird auf ein Spezifikum eingegangen, welches, trotz möglichst hoher Komparabilität, sehr individuell bezüglich der Rahmenbedingungen und Selbstdefinition gesehen werden muss. Auf solche möglichen, feinen Unterschiede ist nur qualitative Sozialforschung mit ihren offenen Systemen fähig einzugehen.

Ein weiteres Kennzeichen für qualitative Sozialforschung ist die Größe der Stichprobe. Oft ist der Untersuchungsgegenstand ungewöhnlich, sodass sich keine, für eine quantifizierende Untersuchung genügend große, Stichprobe finden lässt, wie es auf das Forschungsvorhaben dieser Arbeit zutrifft (vgl. Flick 1996: 13).

Die Maßstäbe für die Gültigkeit von qualitativen Verfahren in der Sozialforschung beziehen sich einerseits auf traditionelle Gütekriterien aus der quantitativen Forschung, um den begrifflichen Anspruch der Wissenschaftlichkeit zu gewährleisten, müssen andererseits jedoch davon Abstand nehmen und in andere Maßstäben gefasst werden. Im folgenden Absatz sollen die relevanten Gütekriterien in Anlehnung an Mayring (2002) erläutert werden.

Die Verfahrensdokumentation stellt sicher, dass gesetzte Schritte im gesamten Forschungsverlauf präzise dokumentiert werden, um den Prozess für andere nachvollziehbar zu machen (vgl. Kirk Jerome, Miller Marc L. 1986, zit. n. Mayring Philipp 2002: 144).

Eine argumentative Interpretationsabsicherung garantiert, dass alle Interpretationen des Autors der vorliegenden Arbeit argumentativ begründet werden (vgl. Hirsch Erich D.

1967, Terhart Ewald 1981, zit. n. Mayring 2002: 145).

Dazu muss ein adäquates Vorverständnis der zugrundeliegenden Theorie vorliegen (vgl.

Mayring 2002: 145).

Die Gegenstandsangemessenheit wird durch den direkten Feldzugang und die Interessensannäherung sichergestellt. Im gesamten Forschungsprozess werden unterschiedliche Aspekte an den Untersuchungsgegenstand assimiliert. Dieses Vorgehen

52 ist immer systematisch und unter Einhaltung der verfahrenseigenen Regeln vorzunehmen (vgl. ebd.: 145f.).

Abschließend ermöglicht das Gütekriterium der Triangulation die Heranziehung diverser Theorien, Datenquellen, Erhebungs- und Auswertmethoden, um die Ergebnisse aus verschiedenen Perspektiven betrachten zu können (vgl. ebd.: 146).

4.2. Bestimmung des Forschungsfeldes

Um auf den Prozess der Veränderung, dessen Kriterien und die daraus folgenden Konsequenzen in Bezug auf theoretische Modelle eingehen zu können, soll im Besonderen das Fachwissen jener Personen akquiriert werden, welche den Veränderungsprozess eingeleitet und umgesetzt haben, die ExpertInnen. Deshalb werden die Leitfadeninterviews mit Leitungspersonen als ExpertInneninterviews geführt (vgl. Friebertshäuser Barbara, Langer Antje, Prengel Annedore 2013: 439).

Die ausgewählten Organisationen und Organisationseinheiten sind in Wien und Niederösterreich lokalisiert und verstehen sich als projektfinanzierte NPOs. Diese Auswahl fand sowohl über das NGO (Non Government Organisation) Verzeichnis im Internet (www.ngojobs.at) sowie über persönliche Kontakte statt.

Die Kontaktaufnahme über Kontaktadressen aus dem Internet gestaltete sich schwierig, zumal aus vielen Homepages nicht eindeutig die Finanzierungsart hervorging. Die erste Anfrage an die Organisationen erfolgte via Emailverkehr. Hier stellte sich die Darlegung des genauen Themas der Masterarbeit als Herausforderung heraus, da der Kontakt nicht immer gleich mit dem/der ExpertIn direkt aufgenommen werden konnte. Nach einigen Weiterleitungen der Emails und Telefonaten wurden die ersten Interviewtermine ausgemacht. Die ExpertInnen stellten mir zudem jeweils ein bis zwei MitarbeiterInnen zur Verfügung, die den Veränderungsprozess von Beginn an miterlebt haben. Das Miteinbeziehen der Perspektiven von MitarbeiterInnen spielt in Veränderungsprozessen eine wichtige Rolle. Deshalb wurden sie als InterviewpartnerInnen bewusst ausgewählt.

Letztendlich wurden vier Fachleute und fünf MitarbeiterInnen zu den Veränderungsprozessen in ihrer Organisation befragt.

4.3. Datenerhebung mittels ExpertInneninterviews

Die AutorInnen Gläser und Laudel (2004) betrachten die Befragung von Menschen, die unmittelbar an den uns interessierenden Prozessen beteiligt sind, als eine der meist angewandten Erhebungsmethoden in der qualitativen Sozialforschung. Die Art der Befragung hängt stark vom Forschungsziel ab, also vom Zweck, welchen die

53 ForscherInnen dadurch erreichen wollen. Neben dem Zweck, Wissen und Erfahrungen von SpezialistInnen zu erfragen, geht es in dieser Arbeit darum, Haltungen und Perspektiven gegenüber Veränderungsprozessen darzustellen (vgl. Gläser Jochen, Laudel Grit 2004:

39f.).

Primäres Ziel während der gesamten Datenerhebung war, die Einhaltung der vier Grundprinzipien (Prinzip der Kommunikation, Prinzip der Offenheit, Prinzip der Vertrautheit und Fremdheit sowie die Reflexivität). Nur so können erzählende Person und InterviewerIn ihre eigenen Relevanzsysteme und Wirklichkeitskonstruktionen in die Interviewsituation einbringen. Im Vergleich zu standardisierten Verfahren, bei denen Kommunikationsaspekte nur wenig zum Tragen kommen, bezieht qualitative Forschung diese Aspekte sowohl bei der Gestaltung von Interviews, wie auch bei der Interpretation dieser mit ein, da davon ausgegangen wird, dass eine Bereinigung von kommunikativen und sozialen Effekten nicht möglich ist (vgl. Helfferich Cornelia 2005: 68).

Ebenso von großer Bedeutung ist die eigene Reflexion, die Kontrolle des Vorwissens und die Kontrolle der eigenen Bewertungsmaßstäbe des/der InterviewerIn, sowie „die Fähigkeit, verbal eine stützende Beziehung herzustellen […]“ (Helfferich 2005: 41).

Das methodische Instrument des Leitfadeninterviews bietet in seiner Ausgestaltung die Möglichkeit eines offenen Raumes für die jeweiligen Relevanzsysteme und Wirklichkeitskonstruktionen. Mit einer offenen Einstiegsfrage zur eigenen Person und Tätigkeit in der Organisation soll ein erster Anreiz für den Redefluss der Erzählperson gegeben werden. Durch den ausgearbeiteten Leitfaden wird sichergestellt, dass alle relevanten Themenblöcke abgefragt werden. Für den Fall, dass die Erzählperson, für das Ziel der Arbeit, wichtige Aspekte auslässt oder zu erwähnen vergisst, bietet der Leitfaden zusätzliche Nachfragemöglichkeiten an. Diese Fragen sollen nur bei Bedarf herangezogen werden und nicht den Verlauf und die Struktur des Interviews bestimmen. Bei den Fragen, die der Erzählperson gestellt werden, handelt es sich um ausformulierte Fragen. Dies dient dem besseren Verständnis, der Vorbeugung von Missverständnissen und der Darlegung von Vorab-Annahmen oder bestimmten Ausgangssituationen des/der InterviewerIn. Die Fragen sind zudem so ausgestaltet, dass ein möglichst nicht-direktives Verhalten des/der InterviewerIn gewährleistet werden kann. Die Reichweite der Antwortmöglichkeit lässt von konkreten Benennungen und detaillierten Informationen und Beschreibungen bis hin zu überblicksartigen Repliken alles zu. Die Struktur des Leitfadens lässt sich in ca. drei Themenblöcke zusammenfassen mit jeweils ein bis zwei Fragen. Außerdem können sich zu diesen Fragen noch zusätzliche Nachfragen ergeben (vgl. Helfferich 2005: 68). Ein

54 weiterer wichtiger Aspekt auf den man vorbereitet sein sollte, ist jener des „sozialen Vakuums“ (Maindok 2003: 109, zit. n. Helfferich 2005: 68). Das heißt, die mögliche Stille die in der Interviewsituation entstehen kann. Das Fortfahren durch die Abarbeitung des Leitfadens wird hier nicht empfohlen. Das Aushalten dieser Stille wird mehr als Instrument zum Beobachten nonverbaler Signale und Gesten verstanden, die später in die Interpretation miteinfließen können (vgl. Helfferich 2005: 68).

Das Leitfadeninterview setzt ein Vorverständnis der/des ForscherInnen zum jeweiligen Untersuchungsgegenstand voraus. Grund dafür ist, dass ForscherInnen vorab ihr Erkenntnisinteresse auf bestimmte Themenkomplexe richten. Diese können aus der Theorie abgeleitet werden (vgl. Friebertshäuser, Langer, Prengel 2013: 439).

Bezugnehmend auf den Titel der Arbeit beschränken sich die Themenkomplexe auf theoretische Modelle des Veränderungsmanagements und deren Implikationen. Anhand dieses Themenkreises kann ein Interviewleitfaden erstellt werden. Er dient lediglich der Unterstützung der ForscherInnen in der Interviewsituation, um später die Ergebnisse der Einzelinterviews besser miteinander vergleichbar zu machen. Die Reihenfolge der Fragen ist willkürlich. Es bleibt zudem genug Raum für die Befragten, die Themen um ihre jeweilige subjektive Perspektive zu ergänzen und Erweiterungen hinzuzufügen. Durch die offengehaltene Erzählaufforderung können Einschätzungen und Erfahrungen der interviewten Personen anhand von Schilderungen oder Beispielen dargestellt werden. Wie oben bereits erwähnt, erleichtert ein detailliert ausformulierter Leitfaden die Vergleichbarkeit der Interviews untereinander. Einer kritischen Reflexion müssen sich mögliche Suggestivfragen unterziehen (vgl. ebd.: 439f.).

Sie sind der häufigste Fehler den InterviewerInnen machen. Um eine Suggestivfrage handelt es sich dann, wenn Erwartungen und Annahmen des/der InterviewerIn in die Fragestellung miteinfließen und die Frage somit nicht mehr ein möglichst breites Feld für Antworten zulässt, sondern die Antwortmöglichkeiten auf diese Erwartungen und Annahmen hin einschränkt (vgl. Richardson Stephen A., Snell Dohrenwend Barbara, Klein David 1984: 205f.). Für das Forschungsergebnis würde dies eine verzerrte Darstellung durch provozierte Antworten bedeuten (vgl. ebd.: 213).

4.4. Auswertungsverfahren

Zur Auswertung wird ein, von Gläser und Laudel (2004) modifiziertes, Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse herangezogen. Die transkribierten Interviews werden als Datenmaterial behandelt, die Rohdaten dann aufbereitet und ausgewertet. Dabei spielt die

55 Extraktion eine wesentliche Rolle (vgl. Gläser, Laudel 2004: 193). Ziel ist es, eine Informationsbasis aus dem Ursprungstext zu erhalten, welche lediglich jene Informationen beinhaltet, die für die Beantwortung der Forschungsfrage relevant sind. Den extrahierten Rohdaten wird immer der Verweis auf die Textstelle im Ursprungstext beigefügt. Dadurch ist zu jeder Zeit die Rechtfertigung für die Entscheidung der extrahierten Daten möglich (vgl. ebd.: 194f.). Diese Informationsbasis wurde vorab mittels eines Suchrasters, welches auf theoretischen Vorüberlegungen beruht, strukturiert. Alle weiteren, extrahierten Daten, werden dann in das Kategoriesystem des Suchrasters eingeordnet. Somit steht fest, dass theoretische Vorüberlegungen die Extraktion anleiten. Mit Hilfe des Computerprogramms Microsoft Office Excel 2010 können alle Textsegmente der Interviews für die einzelnen Kategorien tabellarisch dargestellt werden. Aus diesen Segmenten erfolgt die Darstellung der Ergebnisse. Für diese Darstellung werden Aspekte, aus den für die Auswertung gebildeten Kategorien, den Rubriken der einzelnen Phasen aus den Modellen zugeordnet.

Dabei können Segmente aus mehreren Interviews für mehrere Rubriken passend sein. Das Prinzip der Offenheit kann durch die Möglichkeit der Veränderung oder neuer Konstruktion von Kategorien während des Auswertungsprozesses gewährleistet werden.

Zudem werden die Daten nominalskaliert erhoben, was sicherstellt, dass die Extraktion an die Eigenart der theoretischen Variablen angepasst wird (ebd.: 195). Durch diese Modifikation eines flexiblen Kategoriesystems ist es nicht mehr notwendig durch einen Probedurchlauf das Kategoriesystem an das empirische Material anzupassen. Die Extraktion ist zugleich immer auch Interpretation des Textes. Sowohl die Zuordnung der Information zu einer Kategorie, wie auch die Informationsbeschreibung selbst, beruhen jeweils auf Interpretationen. Das bedeutet jedoch auch, dass in die Extraktion die individuellen Verstehensprozesse der ForscherInnen miteinbezogen werden. Der Vorteil der qualitativen Inhaltsanalyse ist zum einen die Gleichbehandlung aller Texte durch das systemische Vorgehen, zum anderen ist sie durch das vorab Bilden der Kategorien eine gute Voraussetzung für theoriegeleitetes Vorgehen. Dadurch wird ein Zusammenhang von existierendem Wissen über den Untersuchungsgegenstand und den theoretischen Vorüberlegungen hergestellt. Zudem bilden die Ergänzungsmöglichkeiten des Kategoriesystems eine Lösung für jenen Fall, dass die empirischen Befunde den theoretischen Vorüberlegungen nicht entsprechen. Somit kann das Spannungsfeld zwischen Daten und Theorie aufrechterhalten werden und zu einem Zeitpunkt der besseren Kenntnis des Materials behandelt werden (vgl. ebd.: 199).

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