• Keine Ergebnisse gefunden

2 Einfluss der Unternehmensbesteuerung auf die Investitionstätigkeit

2.2 Kapitalnutzungskosten nach Jorgenson

2.2.2 Empirische Evidenz

Der Einfluss der Kapitalnutzungskosten auf die Durchführung betrieb-licher Sachinvestitionen ist Gegenstand zahlreicher empirischer Untersu-chungen, 100 von denen der überwiegende Teil auf aggregierten Daten ba-siert.101 Während viele dieser Studien einen negativen Zusammenhang zwischen einem Anstieg der Kapitalnutzungskosten und der Investitions-tätigkeit feststellen, fällt der Effekt in den meisten Fällen relativ gering aus.102 Die Verwendung aggregierter Daten in frühen Untersuchungen ist vor allem auf die mangelnde Verfügbarkeit mikroökonomischer Da-ten zur Ermittlung zuverlässiger Schätzwerte für unternehmensspezifische Kapitalnutzungskosten zurückzuführen.103 Es ist damit zu rechnen, dass die Schätzwerte der auf aggregierten Daten beruhenden Studien verzerrt sind, da die Charakteristiken einzelner Unternehmen nicht ausreichend berücksichtigt wurden.104 Jüngeren empirischen Studien liegen hingegen in zunehmendem Maße Paneldaten auf Unternehmensebene zugrunde, die eine Berechnung von unternehmensspezifischen Kapitalnutzungskosten ge-statten. Entsprechende panelökonometrische Untersuchungen zum Einfluss steuerinduzierter Änderungen der Kapitalnutzungskosten auf die Investi-tionstätigkeit liegen vor allem für die USA vor.

AUERBACH UND HASSETT (1991) analysieren den Einfluss steuerpoli-tischer Maßnahmen auf die betriebliche Investitionstätigkeit für den Zeit-raum von 1956 bis 1988. Sie verwenden eine erweiterte Definition der Kapitalnutzungskosten, die u. a. Erwartungen über zukünftige Steuersätze

100Vgl. z.B. die tabellarische Zusammenstellung der Ergebnisse empirischer Untersu-chungen der Jahre 1979 bis 1994 bei LEIBFRITZ, W./THORNTON, J./BIBBEE, A., 1997, 8.55.

101Vgl. HARHOFF, D./RAMB, F., 2000, 8.1; MCKENZIE, K. J./THOMPSON, A. J., 1997, 8. 26; MINTZ, J., 1996, 8. 47.

102Vgl. LEIBFRITZ, W./THORNTON, J./BIBBEE, A., 1997, 8. 25f.; CHIRINKO, R. S., 1993, S.1883f.; JATZEK, H.-G./LEIBFRITZ, w., 1982, S.158f.

103Vgl. HARHOFF, D./RAMB, F., 2000, S. 2.

104Vgl. HARHOFF, D./RAMB, F., 2000, S. 2, CHIRINKO, R. S./FAZZARI, S. M./MEY-ER, A. P., 1998, S. 5, SCHMIDT, F., 1998, S. 7.

und den Produktivitätsparameter der zugrunde gelegten

COBB-DOUGLAS-Produktionsfunktion einbezieht. Die Autoren ermitteln Koeffizienten für Ausrüstungsinvestitionen zwischen -0,14 und -0,26 und für Bauinvestitio-nen zwischen -0,04 und -0,11.105 Demnach führt eine aus steuerlichen Änderungen resultierende Reduktion der Kapitalnutzungskosten um einen Prozentpunkt bei den Ausrüstungsinvestitionen zu einer Erhöhung des Quotienten aus Investitionen und Kapitalstock

(f)

um 0,14 bis 0,26 Pro-zentpunkte.

Unter Verwendung von Paneldaten untersuchen CUMMINS UND BAS-SETT (1992) den Einfluss der Kapitalnutzungskosten auf die Investitions-tätigkeit in den USA als Folge der 1986 durchgeführten Steuerreform.106 Für die Jahre 1970 bis 1985 führen sie zunächst Längsschnittanalysen durch, auf deren Grundlage sie die Investitionstätigkeit und die Kapital-nutzungskosten verschiedener Branchen für die Zeit nach Inkrafttreten der Steuerreform prognostizieren. In einem zweiten Schritt ermitteln die Au-toren unter Verwendung der Prognosefehler in einer Querschnittsanalyse den Einfluss der Kapitalnutzungskosten auf die Investitionstätigkeit. Unter zusätzlichen Modellannahmen kann aus den Ergebnissen der Autoren die Kapitalnutzungskostenelastizität des langfristig optimalen Kapitalstocks berechnet werden.107 In Folge des Tax Reform Act 1986 beträgt diese bei

105Vgl. AUERBACH, A. J./HASSETT, K., 1991, S. 27f.

106Der Tax Reform Act 1986 führte in erster Linie zur Abschaffung des Investment Tax Credits, einer allgemeinen Verlängerung der steuerlichen Nutzungsdauern und der Senkung des Körperschaftsteuersatzes. Vgl. CUMMINS, J. G./HASSETT, K. A., 1992, S.244.

1078ei dem Modell von CHIRINKO, FAZZARI UND MEYER (1998) handelt es sich um ein distributed lag-Modell, das in der Form

I Inetto AK Ac

K = 8 +

K

= 8 +

K

= 8 + sum(a)-z + ...

dargestellt werden kann. Vgl. CHIRINKO,R.S./FAZZARI,S.M./MEYER,A.P., 1998, S. 11. Hierbei ist sum(a) die Summe der Regressionskoeffizienten, welche die gegen-wärtigen und in der Zukunft insgesamt zu erwartenden Auswirkungen einer einmali-gen Veränderung der Kapitalnutzungskosten auf die Veränderung des Kapitalstocks be-schreibt. Vgl. GREENE, W. H., 2000, S. 714. Substrahiert man von beiden Seiten der Gleichung die Rate der Abschreibungen 8 und dividiert die Gleichung durch ~, dann wird deutlich, dass sum(a) mit der Kapitalnutzungskostenelastizität des Kapitalstocks übereinstimmt. Es gilt:

AK C

K

Ac = sum(a).

Abweichend hiervon hat die Schätzgleichung der distributed lag-Funktion von

CUM-Ausrüstungsinvestitionen -0,23 und bei Bauinvestitionen -0,08. Demnach führt eine Erhöhung der Kapitalnutzungskosten um ein Prozent zu einem um 0,23 % bzw. 0,08 % verminderten Kapitalstock.

Mit dem gleichen zweistufigen Ansatz führen CUMMINS, HASSET UND HUBBARD (1994) eine panelökonometrische Untersuchung für den Zeit-raum vom 1963 bis 1988 durch. Die Autoren schätzen den Einfluss der Besteuerung für Ausrüstungsinvestitionen für Jahre, die auf Steuerrefor-men folgen. Die von ihnen ermittelten Resultate können wiederum zur Berechnung der Kapitalnutzungskostenelastizität des langfristig optimalen Kapitalstocks verwendet werden. Unter den zusätzlichen Modellannah-men108 beträgt diese -0,163.109

Aus Unternehmenspaneldaten von 4.095 US-amerikanischen Unterneh-men für den Zeitraum von 1981 bis 1991 ermitteln CHIRINKO, FAZZARI UND MEYER (1998) spezifische Kapitalnutzungskosten für 26 Industriebe-reiche, indem sie die Kapitalnutzungskosten für 26 verschiedene Anlage-güter entsprechend der Struktur des Anlagevermögens gewichten. Mit einem autoregressiven Regressionsmodell schätzen sie gemeinsam für Aus-rüstungs- und Bauinvestitionen eine Kapitalnutzungskostenelastizität des langfristig optimalen Kapitalstocks von etwa -0,25.110

In einer erstmalig für Deutschland durchgeführten Untersuchung ermit-teln HARHOFF UND RAMB (2000) den Einfluss der Kapitalnutzungskosten auf das unternehmerische Investitionsverhalten. Sie betrachten die Investi-tionstätigkeit von westdeutschen Kapitalgesellschaften für den Zeitraum von 1987 bis 1997. Unter Verwendung von Jahresabschlussdaten der Un-ternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank berechnen sie für die einzelnen Unternehmen spezifische Kapitalkosten. Hierzu werden je drei

MINS UND HASSETT (1992) die Form

K =a+bU I

mit den gegenwärtigen und in der Zukunft zeitlich verteilten Absolutwerten U der Kapi-talnutzungskosten, deren Gewichtung geometrisch abnimmt und sich auf eins summiert.

Vgl. CHIRINKO, R. S./FAZZARI, S. M./MEYER, A. P., 1998, S.19. Nimmt man an, dass die Gewichtung der geometrischen Abschreibung entspricht und subtrahiert man die Ab-schreibungsrate auf beiden Seiten der Gleichung, so erhält man die Veränderung des Kapitalstocks.

108Vgl. Fußnote 107.

109Vgl. CHIRINKO, R. S./FAZZARI, s. M./MEYER, A. P., 1998, 8.19.

" 0Vgl. hierzu auch CHIRINKO R. S./FAZZARI, S. M./MEYER, A. P., 1996, S. 4 f.

Arten von Sachanlagevermögenlll und der Finanzierung112 berücksichtigt, die - entsprechend der jeweiligen Vermögens- und Finanzierungsstruktur des Unternehmens - gewichtet in die Berechnung der Kapitalnutzungskos-ten einfließen. Die Autoren schätzen eine KapitalnutzungskosKapitalnutzungskos-tenelastizität des langfristig optimalen Kapitalstocks von -0,42.

Die Studien zeigen,113 dass die Kapitalnutzungskosten auf die Bau-investitionen einen im Vergleich zu den Ausrüstungsinvestitionen deutlich geringeren Einfluss ausüben. Sowohl die von AUERBACH UND HASSETT

(1991) ermittelten Koeffizienten als auch die auf CuMMINS UND HAs-SETT (1992) zurückgehenden Kapitalnutzungskostenelastizitäten des Ka-pitalstocks zeigen deutlich geringere Auswirkungen der Besteuerung bei Bauinvestitionen.

Für Ausrüstungsinvestitionen liegt die Kapitalnutzungskostenelastizi-tät des langfristig optimalen Kapitalstocks nach CUMMINS UND HASSETT

(1992) sowie CUMMINS, HASSETT UND HUBBARD (1994) im Bereich von -0,163 bis -0,23. Im Vergleich hierzu liegen die gemeinsam für Bau- und Ausrüstungsinvestitionen ermittelten Kapitalnutzungskostenelastizitäten der beiden jüngsten Studien im Bereich von -0,25 bis -0,42. Angesichts der einbezogenen Bauinvestitionen unterschätzen diese Elastizitäten tenden-ziell den Einfluss der Kapitalnutzungskosten auf Ausrüstungsinvestitionen.

Während die Bauinvestitionen den größten Anteil an den gesamten Investitionen in Deutschland haben, 114 reagieren sie im Vergleich zu den Ausrüstungsinvestitionen relativ unelastisch auf die Veränderung der Ka-pitalnutzungskosten und damit auf steuerliche Anreize. Im Rahmen eines wachstumseffizienten Trade-Offs sollte der Steuergesetzgeber aus diesem Grund die vorhandenen Spielräume bei der Schaffung steuerlicher An-reize vor allem zur Förderung der Ausrüstungsinvestitionen ausnutzen. Da die Erträge aus Ausrüstungs- und Bauinvestitionen prinzipiell dem ein-heitlichen Ertragsteuersatz unterliegen, beschränken sich die vorhandenen Gestaltungsspielräume auf die Abschreibungsvorschriften.115

111Gebäude, Maschinen sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung.

112Finanzierung aus einbehaltenen Gewinnen, aus der Ausgabe neuer Eigenkapitalan-teile sowie Fremdfinanzierung.

113Eine komprimierte Darstellung der den Untersuchungen zugrunde liegenden Modelle, Verfahren und Ergebnisse ist in Tabelle 47 in Anhang A abgebildet.

114V gl. Tabelle 1.

115 Auf Investitionszulagen wird im Rahmen der Arbeit nicht explizit eingegangen, da von der Annahme ausgegangen wird, dass der Gesetzgeber durch punktuelle Eingriffe