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Effektive Grenzsteuersätze nach King und Fullerton Die Methode der effektiven Grenzsteuersätze (Effective Marginal Tax

grenzüberschreitende Investitionen

3 Steuerbelastung deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich

3.2 Kritische Analyse methodischer Ansätze für internationale Steuerbelastungsvergleiche

3.2.3 Effektive Grenzsteuersätze nach King und Fullerton Die Methode der effektiven Grenzsteuersätze (Effective Marginal Tax

Ra-tes, EMTR} geht auf das von KING UND FULLERTON (1984) vorgestellte Modell zurück, das in der Vergangenheit bereits mehrfach für interna-tionale Steuerbelastungsvergleiche herangezogen wurde und über eine aus-gezeichnete internationale Reputation verfügt.326 Es ermöglicht zudem die Darstellung von Anreizen bzw. Hemmnissen, die aus den nationalen Steuersystemen für Investitionen im privaten Sektor resultieren.327 Auf der Grundlage eines neoklassischen Investitionsmodells werden die effektiven Steuerbelastungen für eine große Anzahl von Grenzinvestitionen berech-net. Als Einflussfaktoren werden verschiedene Investitionsgüter, Branchen, Finanzierungsarten und Anteilseigner des Unternehmens berücksichtigt.

Ausgangspunkt der Betrachtungen ist ein Kapitalmarkt im Gleichge-wicht, in dem bei Abwesenheit von Steuern die Rendite p einer marginalen Investition des Unternehmens gleich dem Grenzertrags des Kapitalgebers ist.328 Die Besteuerung der Erträge aus der Investition auf Unternehmens-ebene und der Ebene des Kapitalgebers führt zu einem Auseinanderdriften der Vorsteuerrendite p des Unternehmers und des Grenzertrags s des

Kapi-323V gl. DEUTSCHER BUNDESTAG (HRSG.), 1999, 8. 40.

324Vgl. IW KÖLN, 2000, S. 2.

325In der Literatur werden stark divergierende Zahlen zur Steuerbelastung ausgewiesen.

Vgl. RUETZ, J ., 1997, S. 85; RITTER, W., 1989, S. 320.

326Vgl. SPENGEL, c., 2000, s. 4 mit Nachweisen; BAKER& McKENZIE (HRSG.), 1999;

OECD (HRSG.), 1991; JACOBS, O.H./SPENGEL, C., 1996, S.135 mit Nachweisen; GoR-DON, K./TCHILINGUIRAIN, H., 1998; MAGGINA, A. G., 1992.

327Vgl. KING, M. A./FULLERTON, D., 1984, 8. 7, 9.

328Vgl. CLAASSEN, F., 1994, 8. 46; JACOBS, 0. H./SPENGEL, C., 1996, 8. 135.

talgebers nach Steuern.329 Es wird ein sogenannter Steuerkeil (tax wedge) zwischen die Vor- und die Nachsteuerrendite getrieben. Der Steuerkeil w ergibt sich als Differenz aus der Vorsteuerrendite p des Unternehmers und der Nachsteuerrendite s des Kapitalgebers:

w =p-s. (91)

Die Berechnung des Steuerkeils kann sich auf die Unternehmensebene beschränken (Unternehmenssteuerkeil wu) oder über den Kapitalmarkt hinweg auch die Ebene des Kapitalgebers einbeziehen (Kapitalmarktsteuer-keil WK ). Dividiert man den Steuerkeil durch die Vorsteuerrendite, so erhält man den effektiven Grenzsteuersatz T em:

w p-s wu+wK

Tem =- = - - =

p p p

(p-r)+(r-s)

p (92)

Hierbei bezeichnet r die Rendite des Unternehmens nach Steuern. Sie ist identisch mit der Vorsteuerrendite des Kapitalgebers. Um vergleichbare Steuersätze zu erhalten, geht man für alle betrachteten Fälle länderüber-greifend entweder von einer konstanten Vorsteuerrendite (fixed p-case) oder von einer konstanten Nachsteuerrendite (fixed r-case) aus. Im Allgemeinen erfolgen die Berechnungen auf der Grundlage der Bruttorendite p, deren Höhe oft mit 10% angenommen wird.330 Aus der unterschiedlichen Be-steuerung verschiedener Investitionen resultieren voneinander abweichende Nachsteuerrenditen, so dass die Annahme des gleichgewichtigen Kapital-markts für die Bestimmung der Nachsteuerrendite aufgehoben wird.331

Die Berechnung der effektiven Grenzsteuerbelastung erfolgt in drei Schritten. Im ersten Schritt wird die Besteuerung der Grenzinvestition auf der Unternehmensebene - unabhängig von der Finanzierung der Investi-tion - untersucht. Es wird eine Beziehung zwischen der Vorsteuer- und der

329Das Konzept erlaubt auch die Berücksichtigung von Substanzsteuern, sofern diese der betrachteten Investition direkt zurechenbar sind. Vgl. BAKER & McKENZIE (HRSG.), 1999, s. 124.

330Vgl. KING, M. A./FULLERTON, D., 1984, S.11; 9, s. 34; SPENGEL, c., 2000, s. 8, S. 12. Gegebenenfalls werden zudem Sensitivitätsanalysen für alternative Bruttorenditen durchgeführt. Vgl. BAKER& McKENZIE (HRSG.), 2001, Chapter C, III., 1. Es wird in der Regel von einer konstanten Vorsteuerrendite ausgegangen, da sich der resultierende effektive Grenzsteuersatz in diesem Fall direkt mit dem kombinierten (tariflichen) Ertrag-steuersatz vergleichen lässt.

331Vgl. JACOBS, 0. H./SPENGEL, c., 1996, S.135; GAILLARD, s., 1989, s. 344;

SCHNEIDER, D., 1988, S. 330 f.

Nachsteuerrendite durch Gleichsetzen des Barwertes der Einzahlungsüber-schüsse

V=

{')O

(1 - r) (p

+

8) e-(r-ir+6)udu = (l - r) (p

+

8)

h

r-~+8 (93)

und der Anschaffungsausgaben der Investition

C

=

1-rzo (94)

hergestellt. Hierbei bezeichnen

T

=

kombinierter Ertragsteuersatz für Unternehmen, p Vorsteuerrendite der Grenzinvestition,

8 Abschreibungssatz (degressive ökonomische Abschreibung), r Diskontrate, Nachsteuerrendite der Grenzinvestition,

~ Inflationsrate,

u

=

Integrationsvariable für die Zeit und

z0

=

Barwert der steuerlichen Abschreibungen.

Nach einigen Äquivalenzumformungen erhält man unter Vernachlässi-gung von Substanzsteuern die folgende Beziehung, mit der die Nachsteuer-rendite

r= (p+8)(1-r) _ 8+~

(1 - rzo) berechnet werden kann. 332

(95)

Im zweiten Schritt wird die Nachsteuerrendite des Kapitalgebers in Abhängigkeit seiner Vorsteuerrendite ermittelt, die mit der Nachsteuer-rendite r des Unternehmens übereinstimmt. Hierbei wird zwischen der Fremdkapital- und Beteiligungsfinanzierung sowie der Finanzierung aus einbehaltenen Gewinnen unterschieden:333

332Setzt man die Inflation 1r = 0, dann erhält man nach einigen Umformungen die Gleichung für die Kapitalnutzungskosten nach JORGENSON

(.5 + p)

c = p + b = -( 1-T - ) (1 - A).

Vgl. Gleichung (18). Es gilt A = rz1 und q = 1.

333Die Formeln für die Berechnung der Nachsteuerrendite des Kapitalgebers können durch Arbitrageüberlegungen hergeleitet werden. Vgl. Abschnitt 2.2.1.3.

• Bei der Fremdkapitalfinanzierung sind die Zinsen auf der Ebene des Unternehmens grundsätzlich abzugsfähig. Da die Finanzierung auf Un-ternehmensebene im ersten Schritt nicht berücksichtigt wurde, erhöht sich die Nachsteuerrendite des Unternehmens durch den Faktor l~r

jetzt entsprechend. Mit dem marginalen Einkommensteuersatz T r auf Zinseinkünfte des Fremdkapitalgebers beträgt dessen N achsteuerren-dite der Grenzinvestition334

(1 - Tr)

s=r* ( 1-7 ) -1r. (96)

• Im Fall der Beteiligungsfinanzierung beeinflusst die Art des Körper-schaftsteuersystems die Nettorendite des Anteilseigners. Der Parame-ter 0 berücksichtigt die noch anrechenbare Körperschaftsteuer.335 Die Nachsteuerrendite des Anteilseigners beläuft sich demnach unter Be-rücksichtigung des marginalen Einkommensteuersatzes auf Dividenden

Td auf

s

=

r

*

0

*

(l - T d) - 1r. (97)

• Bei der Finanzierung aus einbehaltenen Gewinnen geht man davon aus, dass sich die Thesaurierung in einer höheren Bewertung der An-teile niederschlägt. Der Anteilseigner unterliegt bei Veräußerung der Anteile einer Besteuerung der Kapitalgewinne. Aus Gründen der Ver-gleichbarkeit der Finanzierungsarten kann man von einem Verkauf der Anteile zum Ende des betrachteten Zeitraums ausgehen.336 Damit be-trägt der Grenzertrag der aus einbehaltenen Gewinnen finanzierten Investition

s=r*(l-r9)-7r, (98)

wobei T 9 der Steuersatz auf die Gewinne aus der Höherbewertung der Anteile ist.

334Vgl. BAKER& MCKENZIE (HRSG.), 1999, S.125, 148; JACOBS, 0. H./SPENGEL,

c., 1996, S.137; KING, M. A./FULLERTON, D., 1984, S. 21; CLAASSEN, F., 1994, s. 82.

335Beim Vollanrechnungssystem gilt 8 = ci.:r) und beim Teilanrechnungssystem ist 8 =

(l_:c) mit c < T. Für das klassische Körperschaftsteuersystem, in dem keine Anrechnung erfolgt, gilt 8 = 1. Vgl. BAKER & McKENZIE (HRSG.), 1999, S.125.

336Vgl. BAKER& McKENZIE (HRSG.), 1999, S.125.

Im dritten Schritt wird die effektive Grenzsteuerbelastung der Investi-tion nach Gleichung (92) ermittelt.

Die zur Berechnung der effektiven Grenzsteuersätze benötigten Da-ten beziehen sich auf das Steuersystem, die einbezogenen Branchen und makroökonomische Daten:337

• Die wesentlichen steuerlichen Vorschriften werden von dem in ver-einfachter Form dargestellten Modell durch die Berücksichtigung des Körperschaftsteuersystems, der Ertrag- und Substanzsteuerbelastun-gen sowie der wichtigsten BemessungsgrundlaSubstanzsteuerbelastun-gen (z.B. Abschreibungs-regelungen, Vorschriften zur Vorratsbewertung und zu Investitions-zuschüssen) erfasst.

• Um ein an Branchen bzw. Wirtschaftsbereichen ausgerichtetes Ergeb-nis zu erhalten, sind die berechneten effektiven Grenzsteuersätze nach repräsentativen Bilanzstrukturen zu verdichten. Anhand der Zusam-mensetzung der Investitionen und Finanzierungen der relevanten U n-ternehmen werden die einzelnen effektiven Grenzsteuersätze gewichtet und auf diesem Wege die Steuerbelastung einer branchentypischen marginalen Investition bestimmt.338

• Als makroökonomische Daten werden Schätzungen zu den ökonomi-schen Abschreibungen verwendet und Annahmen über die Inflations-rate und die Vorsteuerrendite getroffen.

Die Berechnung der effektiven Grenzsteuersätze erfolgt bei KING UND FULLERTON für die Kombination der in Tabelle 11 dargestellten Einfluss-faktoren. Es werden damit für jedes Land 34

=

81 Steuersätze ermittelt.

In der Studie von BAKER & McKENZIE (HRSG.) (1999) wird das Mo-dell nach KING UND FULLERTON zur Berechnung effektiver Grenzsteu-ersätze leicht modifiziert. Als zusätzliche Investitionsgüter werden im-materielle Vermögensgegenstände und Finanzanlagen berücksichtigt und Versicherungsgesellschaften als Anteilseigner nicht mehr einbezogen. Das modifizierte Modell ist in Abbildung 8 dargestellt. Es berücksichtigt

zu-337Vgl. BAKER& McKENZIE (HRSG.), 1999, S. 33; KING, M. A./FULLERTON, D., 1984, S. 30; Vgl. JACOBS, 0. H/SPENGEL, C., 1996, S. 138.

338V gl. BAKER & MCKENZIE (HRSG.), 1999, S. 34. Dabei stellt die Zusammensetzung der Finanzierung nur eine Schätzung der Finanzierung der marginalen Investition dar.

Vgl. FULLERTON, D., 1984, S. 34.

Tabelle 11: Einflussgrößen der effektiven Grenzsteuerbelastung

1 Investitionsgüter

I

Branchen

I

Finanzierung

I

Anteilseigner /