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Emotionale Einstellung gegenüber Lehnwörtern

2.6 Aufgabenkomplexe der Lehnwortuntersuchung

2.6.4 Postintegrative Entwicklung der Lehnwörter

2.6.4.2 Besonderheiten der postintegrativen Entwicklung von Lehnwörtern

2.6.4.2.2 Emotionale Einstellung gegenüber Lehnwörtern

Zweifelsohne bewirkte auch die emotionale Einstellung der č. bzw. slk. Sprachgemein-schaft oder zumindest ihres bestimmenden Teils zu Entlehnungen aus dem Deutschen infol-ge politischer, ökonomischer und sozialer Wechselbeziehuninfol-gen im Laufe des Integrations-prozesses unterschiedliche Ergebnisse. Dies gilt natürlich gleichermaßen für den Bereich der Namenkunde. So hat sich gezeigt, dass die Beliebtheit bzw. Unbeliebtheit von Namen deut-scher Herkunft im Tschechischen und Slowakischen fast immer von der jeweiligen Einstel-lung der Öffentlichkeit zur deutschen Kultur bzw. von der aktuellen Befindlichkeit der č.-dt.

und slk.-dt. Beziehungen abhing (ŠRÁMEK 2000:78). Noch mehr als Lehnwörter des Typs A, die aufgrund kommunikativer Erfordernisse als neue Ausdrücke für neue Bezeichnungen im č. und slk. Wortschatz Aufnahme fanden, wurde die Übernahme von Fremdelementen des Typs B immer wieder von maßgebenden Personen als Bedrohung empfunden.

In den böhmischen Ländern bangten etwa schon seit dem Mittelalter besorgte Sprachbe-wahrer aufgrund solcher Entlehnungen um die Reinheit der tschechischen Sprache oder prophezeiten gar ihren Niedergang. Die vom tschechischen Reformator Jan Hus (1369–1415) an seine Landsleute gerichtete Rüge wegen ihrer mit zahlreichen – in seinen Augen über-flüssigen – Lehnwörtern gespickten Sprache zitierten wir ja bereits in der Einleitung zu unse-rer Studie. Doch auch der Senior der Brüderunität und Verfasser einer Tschechischgramma-tik zur Zeit des Humanismus Jan Blahoslav (1532–1571) kritisierte seine Landsleute wegen der Verwendung von deutschen Lehnwörtern wie farkle ‘Ferkel’, hantlík ‘Handschuh’ und hantuch ‘Handtuch’ und riet ihnen, an deren Stelle schöne, einheimische Wörter zu gebrau-chen: „[…] kdož by měl domácího jazyku slova vlastní a pěkná, tuť by nenáleželo cizích vnášeti“162EJKA et al. 1991:232). Trotz solcher Ermahnungen kam es nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) zur weiteren Übernahme von Lehnwörtern aus dem Deutschen, aber auch verstärkt zu Lehnprägungen (Lehnübersetzungen, -übertragungen, -schöpfungen, -bedeutungen) nach deutschem Muster163, obwohl die vor dieser Entwicklung warnenden Stimmen ebenfalls nicht verstummten. So erhob der Barockgrammatiker Jiří Konstanc in seiner bekannten Lima linguae Bohemicae, to jest Brus jazyka českého (1667) in Anlehnung an J. Hus164 tadelnd seine Stimme: „Sice bezprostředně nemáme plášť mantlíkem, rádní

161 Vgl. z. B. auch M. JANEČKOVÁ (1999:222), M. KRČMOVÁ (1999:198) und J. ZIMA (1961).

162 [...] dem, der der heimischen Sprache eigene und schöne Wörter habe, gebühre es nicht, fremde in diese hineinzutragen.

163 Ein Beispiel für eine missglückte Lehnübersetzung dieser Zeit bringt V. VILDOMEC (1963:121) mit Hinweis auf die aus den Gärten des südfranzösischen Château de Moreilles stammende edle Sauerkirschenart, die ihre volksetymologische Entsprechung in dt. Schattenmorelle gefunden habe. Dieser Ausdruck wurde ins Tsche-chische mit amarelka stinná übersetzt, was zu dem fatalen Fehler führte, dass man den Baum vor allem an schattige Plätze pflanzte, wo er jedoch keine Früchte trug.

164 Für das Originalzitat von Jan Hus siehe S. 9.

dům rathauzem, vozataje formanem, vrchní síň mazhauzem, krunýř pancířem, zástěru šor-cem, ubrusec tištuchem a tak dále s naší hanbou nazývati“ (1667:162, zitiert nach V. K O-BLÍŽEK 1999:193).

Selbst zur Zeit der tschechischen nationalen Erneuerung, in der etwa Josef Dobrovský immer wieder betonte, dass die Auferweckung der Nation nur durch die Erneuerung und Pflege der Sprache erfolgreich sein werde165, drangen weiterhin Lehnwörter in den Wort-schatz des Tschechischen und Slowakischen ein. Als anschauliches Beispiel kann ein vom Piaristenpater Athanasius Johannes Blasius Spurný (1744–1816) speziell für die Kadetten der Wiener Neustädter Militärakademie verfasstes Lese- und Übersetzungsbuch des Tsche-chischen genannt werden.166 In dessen zweitem Teil, einem militärischen Wörterbuch samt Chrestomathie mit dem Titel Vejtah slov vojenských, a některých hrdinských činů z vla-stenských letopisů [Auszug von militärischen Wörtern, und einigen Heldentaten aus den va-terländischen Annalen] (SPURNÝ 1783: 173–294; 1786:167–288; 1793:167–288), sieht man deutlich das Bemühen, sowohl die veraltenden heimischen Begriffe weiter zu tradieren, als auch gleichzeitig den Soldaten die damals bereits gängigen, entlehnten Termini nahe zu bringen. So findet man als Stichwörter zwar die althergebrachten Fachbegriffe (oder auch tlw.

tschechische Neubildungen), dahinter folgt jedoch gleich das damals in Gebrauch stehende Lehnwort, und zwar mit einem P. markiert. Dieses P. steht für povojensku und soll anzeigen, dass der Begriff im sprachlichen Usus der Soldaten verwendet wird. Es geht also um die stilistische und funktionale Differenzierung zwischen Literatursprache und militärischer Fach-sprache bzw. militärischem Fachjargon, z. B. desatník, P. kapral ‘Korporal’ [heute desátník];

kokoš, -e, P. federbuš ‘Federbusch’ [heute chochol]; ležení, -í, P. logr, -u ‘Lager’ [heute tábor, ležení]; nejvyšší, P. obršt neb obrystr, obrysta ‘Oberst’ [heute plukovník]; poručka, -y, P. feld-vebl, -a ‘Feldwebel’ [heute šikovatel]; praporečník, -a, P. fendrych, -a ‘Fähnrich’ [heute pra-porčík ‘Fähnrich’, praporečník ‘Fahnenträger’]; stražnice, stražnýho světnice, P. vachtštube

‘Wachstube’ [heute strážnice]; volenec, -ce, P. kurfüršt ‘Kurfürst’ [heute kurfiřt] u. a.

2.6.4.2.3 Sprachliche Konvergenzprozesse im 19. und 20. Jahrhundert

Obwohl Puristen das ganze 19. Jh. über und darüber hinaus immer wieder gegen lexikali-sche Germanismen anzukämpfen suchten167, wirkten sich ihre Forderungen nur allmählich, anfangs bloß in der Schriftsprache und dabei noch regional unterschiedlich aus. Die sprach-reinigenden Bemühungen hatten zur Folge, dass einige deutsche Lehnwörter in den Sub-standard abgedrängt wurden, also nicht länger als schriftsprachliche Ausdrücke Verwendung fanden. Soziale und historische Faktoren wie die Konsolidierung und nachfolgende Blütepe-riode des Habsburgerreiches, die dominante Rolle des Deutschen zumindest in Teilen des Heeres- und Verwaltungsapparates, ungleich bessere Karrierechancen für des Deutschen Kundige, die zunehmenden Migrationsbewegungen168 von Handwerkern, Kaufleuten, Tage-löhnern u. a. begünstigten aber nach wie vor die weitere Übernahme von sog. Konversatio-nismen in den Alltagswortschatz des Tschechischen und Slowakischen. Diesbezüglich findet es E. SKÁLA (1968b:133–134; 1998:216–217) beachtenswert, dass viele der am häufigsten gebrauchten deutschen Lehnwörter im Tschechischen und Slowakischen auch im alltags-sprachlichen Ungarischen (Magyarischen) zu finden sind, und verweist etwa auf dt. Gesindel,

165 Dobrovský erklärt etwa auch den Verlust der staatlichen Selbständigkeit der Polen durch ihre Missachtung der Muttersprache: „[…] Polonia, punita ob neglectam linguam maternam“ (UDOLPH 1995:547–548).

166 Zu Spurný, dem genannten Werk und den Anfängen und Grundlagen der tschechischen Militärterminologie siehe S. M. NEWERKLA (2003a, 2008).

167 Für Beschreibungen des Purismus in der Entwicklung des Tschechischen siehe die Arbeiten von M. JELÍNEK (1971, 1999, 2000, als O. ŠEVČÍK 1974/75) und G. THOMAS (1978, 1988, 1991, 1992, 1996a, 1996b), für jene in der Entwicklung des Slowakischen M. JELÍNEK (1998) und G. THOMAS (1991, 1996a, 1996b, 1997a).

168 Ein Beispiel für die Rasanz dieser Entwicklung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ist die Zuwanderung von Tschechen nach Wien. Ihre Zahl wuchs laut offizieller Statistik von rund 25 000 Personen im Jahre 1880 auf über 100 000 im Jahre 1900, tatsächlich betrug sie aber ein Vielfaches.

č. slk. ksindl, ung. kszindli; dt. Rucksack, č. slk. ruksak, ung. rukszak oder dt. Schwindel, č.

švindl, slk. švindeľ, ung. svindli.169 George Thomas von der Universität Hamilton wiederum untersuchte kontrastiv die deutschen Lehnwörter im Tschechischen, Slowakischen, Sloweni-schen und KroatiSloweni-schen der Habsburgermonarchie (THOMAS 1997b).170 Nach der statistischen Auswertung seines Korpus sei der Einfluss des Deutschen gesamt gesehen auf das slowe-nische Lexikon am größten gewesen. Die Zahl der deutschen Lehnwörter in den nicht stan-dardsprachlichen Varietäten wäre jedoch im Tschechischen und jene der stilistisch unmar-kierten Lehnwörter in der slowakischen Standardsprache verhältnismäßig am höchsten (THOMAS 1997b:343–344). Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang seine Bei-spielsliste von allen vier Sprachen gemeinsamen deutschen Lehnwörtern, wobei gleichzeitig die Übereinstimmung ihrer slawischen Äquivalente in allen vier Sprachen nur in rund 16 % der Fälle gegeben ist (THOMAS 1997b:341–349). Dies ist ein weiteres Beispiel für die Er-kenntnis der Soziolinguistik, dass verschiedene Sprachen unter politischem und sozialem Einfluss eine Sprechergemeinschaft ausbilden. Auch unterstreicht dieser Umstand die Rolle des Deutschen als Lingua franca des Habsburgerreiches.171

Betrachten wir für diese Zeit eingehender die Lexika der Sprachen in diesem Raum, so ist zu beobachten, dass von den genannten Konvergenzprozessen neben dem Tschechischen, Slowakischen und Ungarischen insbesondere jene Varietät des plurizentrischen Deutschen betroffen ist, die vereinfachend oft und gern als österreichisches Deutsch (= ÖD)172 bezeichnet wird. G. THOMAS (1997b:353–354) stellt zwar fest, dass nur knapp 20 % der belegten deut-schen Lehnwörter explizit österreichideut-schen bzw. bairisch-österreichideut-schen Ursprungs seien, wohingegen rund 60 % zumindest aus synchroner Sicht im ganzen deutschen Sprachgebiet Verwendung fänden (die restlichen 20 % seien durch das Deutsche vermittelte Lehnwörter aus anderen Sprachen). Doch kann und soll das ÖD natürlich nicht als isoliert vom übrigen deutschen Sprachraum betrachtet werden. Selbstverständlich handelt es sich bei der Mehr-zahl der deutschen Lehnwörter in diesen Slawinen und im Ungarischen der Monarchie um im ganzen deutschen Sprachgebiet verständliche Ausdrücke. Es würde vielmehr überraschen, wenn dem nicht so wäre.

Beschränken wir uns bei den Untersuchungen nicht allein auf die deutschen Lehnwörter, tritt klar eine Konvergenz der Lexika des ÖD, Tschechischen, Slowakischen und Ungari-schen zutage.173 Es gibt eine Schicht von (keineswegs nur ursprünglich deutschen) Lehnwör-tern, die sich in allen genannten Sprachen belegen lassen. Darin zeigt sich u. a. die bereits in Kapitel 2.6.3.3 erwähnte Mittlerrolle der Sprache der Reichshauptstadt Wien, die Elemente aus allen Sprachen der Monarchie aufnahm und zugleich wieder auf diese Sprachen zurück ausstrahlte.174 So gelangten auch zahlreiche slawische, ungarische und romanische

169 Unter „häufigst“ subsumiert er jene rund 300 Wörter, die mit mehr als 10 Belegen aus dem gesamten tsche-chischen Sprachgebiet vertreten sind (SKÁLA 1998:213).

170 In weitere Untersuchungen sollten auch die Dissertation von K. VRAGOLOV-SKORJANZ (1966) sowie das Wör-terbuch der deutschen Lehnwörter im Slowenischen von A. PIRMAN (1997) einbezogen werden.

171 Zum Verhältnis von Austriazismen und anderen deutschen Lehnwörtern im Ukrainischen und Polnischen vgl.

zuletzt J. BESTERS-DILGER (2002).

172 Hiezu vgl. v. a. W. BAUER (1996),J.EBNER (1969[21980],31998[42009]),H. FUSSY (2003),M.GLAUNINGER (1997, 2000),HORNUNG/ROITINGER (2000),P.KALOUSKOVÁ (2006),KOVÁCSOVÁ/MICHALUS (1994),J.E.KURNIK (1998), V. T.MALYGIN (1996),H.MÖCKER (1992),R. MUHR et al. (1993, 1995, 1997), V. NOVÁKOVÁ (2006), H. D. POHL (1997b, 1999a, 1999d, 2007), W. POLLAK (1992, 1994), G. RETTI (1998–2009, 1999), SCHIERER/ZAUNER (2002), R. SEDLACZEK (2004, 2007), Z. VALTA (1974), P. WIESINGER (1988, 1999, 2006) und A. WINTERSBERGER (1995).

Zu den einzelsprachlichen Kontakten vgl. H. GOEBL et al. (1996–1997:1583 ff.), zu den Beziehungen des ÖD zum Tschechischen siehe z. B. J. JODAS (1999, 2000), J. W. NAGL (1888, 1894), S. M. NEWERKLA (2007f), F. SEEBAUER (1981),L. SPÁČILOVÁ (1995) und D. ZEMAN (2009), zum Slowakischen vgl. z. B. R. KOZMOVÁ (1993), M. KUKLIŠOVÁ (2005), M. PAPSONOVÁ (1986, 1994, 1995) und S. TOMÁŠIKOVÁ (2004). Zum eher unrühmlichen Austriazismenprotokoll anlässlich des österreichischen EU-Beitritts vgl. F. LUTZ (1994).

173 Von dieser Konvergenz sind aber auch das Slowenische und Kroatische sowie das Polnische und Ukraini-sche auf dem damals österreichiUkraini-schen Verwaltungsgebiet betroffen.

174 In diesem Zusammenhang ist auch der Einfluss Wiens auf die sprachliche Kodifikation der Sprachen der Monarchie zur Zeit der Einführung der Allgemeinen Schulordnung … (1774) und in den Folgejahren zu

beto-wörter vor allem in die Wiener Umgangssprache und von hier zum Teil auch in den österrei-chischen Standard des Deutschen, dessen typisches Gepräge sie bis heute mit bestimmen.

Viele dieser Lehnwörter wurden durch das ÖD wieder an andere Sprachen der Monarchie weiter vermittelt. Es folgt eine repräsentative Auswahl von Beispielen aller Art:175

Mittler ÖD DEUTSCH TSCHECHISCH SLOWAKISCH UNGARISCH

it. / dt. Adjunkt Amtsgehilfe adjunkt adjunkt adjunktus

fr. / dt. Automatenbüffet Schnellimbiss automat, bufet automat, bufet automata büfé it. / dt. Baraber(er) Bauarbeiter baraba Fj. / dial. baráber† bzw. dial. baráber†gs.

dt. Bartwisch Handbesen portviš†gs. portvišnats. partvis

it. / dt. Biskotte Löffelbiskuit piškot piškóta piskóta

č. / slk. Buchtel Hefegebäck buchta buchta bukta it. / dt. buserieren† nötigen, drängen buzerovatgs. expr. buzerovaťnats. expr. buzerál(ni)

dt. Busserl, Bussi Küsschen pusa, pusinka pusaats., pusinkaats. puszi

lat. / dt. Butte Bütte putna putňa puttony

fr. / dt. Chauffeur Kraftfahrer šofér šofér sofőr

dt. Dekaugs. 10 Gramm dekoats.,dekaats. dekaats. dekags.

lat. / dt. Evidenz amtliches Register evidence evidencia evidencia

dt. Fasching Fastnacht / Fasching fašank(y) dial. fašiangy farsang

fr. / dt. Fauteuil Polstersessel fotelats. fotelats. fotel

dt. fesch elegant, schick fešats. expr. fešats. fess

fr. / dt. Garçonnière Einzimmerwohnung garsoniéra garsoniéra garzonlakás fr. / dt. Gardedame† Anstandsdame gardedáma† gardedáma† gardedám†

č. / ung. Gat(j)e(hose)dial. (lange)Unterhose gatě/katěgs. gateats. gatya sln. / dt. Gottscheber†ugs. Hausierer kočébr†gs. kučéber†ats. kucséber†

engl. / dt. Hetschepetsch176 Hagebutte(nmus) hečepeč†gs. hečepečedial. hecsepecsdial.

dt. Hetz Spaß hecgs. expr. hecats. heccgs.

it. / dt. Karfiol Blumenkohl karfiol karfiol karfiol

č. / slk. Klobasse, -bassi Dauerwurst klobása klobása kolbász

it. / dt. Kredenz Anrichte kredenc kredenc kredenc

t. / rum. Kukuruz Mais kukuřice kukurica kukorica

fr. / dt. Lawor (Lavoir) Waschbecken lavorgs., lavórgs. lavórdial. lavór

lat. / dt. lizitieren versteigern licitovat licitovať licitál(ni)

it. / dt. Malter Mörtel malta malta maltergs.

lat. / dt. Matura Abitur maturita matúra, maturita matura

fr. / it. / dt. Montur Uniform mundúr†gs. mundúrats. expr. mundér

rum. / ung. Palatschinke Pfannkuchen palačinka palacinka palacsinta

ung. paprizieren mitPaprikawürzen paprikovat paprikovať paprikáz(ni)

dt. Pflanzdial.177 Hohn, Schwindel flancats. expr. flancnats. expr. flancgs.

nen (vgl. dazu S. M. NEWERKLA 1999a). Zum Einfluss der Wiener Grammatiken auf die Grammatikographie der Völker der Monarchie vgl. I. NYOMÁRKAY (1999).

175 Es muss jedoch erwähnt werden, dass viele der in Wörterbüchern oft simplifizierend als Austriazismen ver-zeichneten Ausdrücke vor allem für das Deutsche in Ostösterreich bzw. im Wiener Raum typisch sind.

176 Vgl. ö. reg. Hetscherl (= dt. Hagebutte), das als hecsedli in die ung. Gemeinsprache Eingang fand.

177 Vgl. ö. reg. ugs. pflanzen (= dt. veralbern), č. ats. expr. dělat flancy s kým/čím, slk. nats. expr. flancovať, ung.

gs. flancolni†.

Mittler ÖD Deutsch Tschechisch Slowakisch Ungarisch

fr. / dt. Plafond Zimmerdecke plafond† plafónats. plafon

rum. / ung. Pogatsche Eierkuchen pagáč dial. pagáč pogácsa

lat. / dt. Ribisel Johannisbeere rybíz ríbezle ribiszke

dt. Schaff, Schaffel Holzbottich šaflíkdial. šafeľats. sáfgs.

jid. / dt. Schlamastik Schlamassel šlamastykaats. expr. šlamastikaugs. expr. slamasztikags.

dt. Schnittling Schnittlauch šnytlíkgs., -tlinkdial. šnidling†ats., -tlink†ats. snidlinggs.

it. / dt. sekkieren belästigen sekýrovatats. sekírovať szekál(ni)

dt. Semmel Brötchen žemle žemľa zsemle

lat. / dt. servus! Ihr Diener!(Gruß) servus!†ats. servus!†ats. szervusz!

dt. Sparherd (Zusatz-)Herd sporák sporák sparhertgs.

dt. Spritzer Wein+Sodawasser špric†ats. špricerats. spriccergs.

č. / dt. Strizziugs. Nichtstuer, Strolch strýc178 štricáknats. stricigs.

dt. Strudel Strudel (Mehlspeise) štrúdlats. štrúdľaats. strudligs.

it. / dt. Trafik Tabakladen trafika trafika trafik

dt. Werkel Leierkasten vergl†gs. verkeľats. verkli

dt. Zeller Sellerie celer zeler zeller

engl. / dt. Zipp(verschluss) Reißverschluss zip zips cipzár

Der Zerfall der Habsburgermonarchie blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Sprachen des ehemaligen Reiches. Doch nicht die gesteuerten Bemühungen um eine Entösterrei-cherung, wie sie etwa einige tschechische Publikationen schon gleich nach dem Ende Österreich-Ungarns einforderten (BATĚK 1919, FRIČ 1919, JOKLÍK 1920), führten zu einem deutlichen Rückgang und teilweisen Verschwinden der sog. Austriazismen und Germanis-men aus dem aktiven Wortschatz dieser Sprachen. Als Ursache ist vielmehr vom Zusam-menspiel mehrerer Wirkfaktoren auszugehen: die geschichtlichen Ereignisse des 20. Jahr-hunderts samt seinen trennenden Grenzlinien, Migrations- und Emigrationsbewegungen so-wie umwälzende Entwicklungen in Gesellschaft, Industrie und Technik besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, und nicht zuletzt auch der Wechsel der Generationen.179 Vom Verschwin-den der Austriazismen180 ist in den vergangenen Jahrzehnten besonders das ÖD selbst be-troffen. Während bei Befragungen im nördlichen Niederösterreich und in Wien Responden-ten im Alter zwischen 45 und 60 noch praktisch alle angeführResponden-ten Austriazismen erklären konnten – Schwierigkeiten gab es nur beim Monarchiewort Gottscheber(er) –, waren 13- bis 15-jährige Mittelschüler selbst bei so typisch österreichischen Ausdrücken wie Bartwisch, Gat(j)ehose, Hetschepetsch, Kredenz, Malter, Schnittling oder Werkel oft ratlos. War z. B.

noch Anfang der 80er Jahre das Wort Hagebutte im Österreichischen Wörterbuch (ÖWB 1979:195) als in Österreich nicht oder wenig gebräuchliches Wort gekennzeichnet, so hat es heute bereits die früher zumindest in Ostösterreich üblichen Ausdrücke Hetscherl bzw. Het-schepetsch (ÖWB 1979:201) verdrängt. Die Ursachen dafür sind mannigfaltig. Abgesehen vom gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Dienstleistungs-, Informations- und globalisierten Konsumgesellschaft, dem immer stärker werdenden Einfluss des Englischen181 sowie einem

178 Im Tschechischen liegt lediglich die ursprüngliche Bedeutung ‘Onkel; Gevatter’ vor. Das Slowakische kennt den entsprechenden Ausdruck slk. strýc, strýko in der Bedeutung ‘Onkel, Bruder des Vaters’.

179 Vgl. dazu auch G. THOMAS (1997b:357): "[…] the native informants from all four speech communities stated without prompting that it was a pity that their grandparents were no longer available since they would doubt-less have provided a much richer lexical sample."

180 Zum Versuch der Klassifizierung von Austriazismen in staatsräumliche, süddeutsche, bairische und regiona-le siehe H. D. POHL (1999d).

181 Auf diesen geht u. a die Verbreitung des früher im Süddeutschen unüblichen „es macht Sinn“ (vgl. engl. it ma-kes sense) auf Kosten des bislang gebräuchlichen „es hat Sinn“ (vgl. č. má to smysl, slk. má to zmysel) zurück.

Unterrichtsgeschehen, das vielerorts zu wenig auf die österreichischen Besonderheiten des Deutschen eingeht, liegen weitere Gründe in der vornehmlichen Westorientierung Öster-reichs zwischen 1945 und 1989, die besonders für die früher nach Ostmitteleuropa ausge-richteten östlichen Landesteile fatale Folgen hatte, sowie in der Kommerzialisierung der deutschsprachigen Medienlandschaft mit ihren Begleiterscheinungen wie überwiegend in Deutschland synchronisierten Serien und Filmen.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass konvergente Prozesse, die selbst im Bereich der Syntax zwischen dem ÖD und den ME-Sprachen noch zur Zeit der Habsburgermonar-chie wirksam waren, zumindest für das heutige Deutsche in Österreich nicht länger im sel-ben Ausmaß Geltung hasel-ben. Als eindringliches Beispiel ist hier der Gebrauch einiger Präpo-sitionen (bzw. der korrespondierenden Suffixe) dieser Sprachen zu nennen. Während man etwa im ÖD genauso wie im heutigen Tschechischen, Slowakischen und Ungarischen eine Prüfung aus Russisch, … abzulegen pflegte (č. vykonat zkoušku z ruštiny, …; slk. vykonať skúšku z ruštiny, …; ung. oroszból, … vizsgázni – die Bedeutung der Präpositionen aus, z/ze, z/zo entspricht jener der ung. Suffixe -ból/-ből), ist es nun wie im übrigen deutschen Sprach-gebiet gängig, eine Prüfung in Russisch abzulegen (vgl. engl. take an examination in Russ-ian, …), selbst wenn der Gegenstand gemeint ist und nicht die Sprache, in der man geprüft wird. Ähnlich war und ist es im ÖD wie im Tschechischen, Slowakischen und Ungarischen die Regel, bei Tisch zu sitzen (č. sedět u stolu; slk. sedieť pri stole; ung. asztalnál ülni – die Bedeutung der Präpositionen bei, u, pri entspricht jener der ung. Suffixe -nál/-nél), doch fin-det man heute in Österreich nichts mehr dabei, am Tisch zu sitzen (vgl. engl. sit at the table).

Ein weiteres auffälliges Merkmal des gesprochenen Deutschen in Österreich ist die im Ver-gleich zum Standarddeutschen gehäufte Verwendung der Präposition auf bei Ortsangaben:

auf der Universität, auf der Post, auf dem Hof, auf dem Konzert, auf dem Markt, … . Diese geht interessanterweise oft, wenn auch nicht immer konform mit der Verwendung der ent-sprechenden Präposition na im Tschechischen (na univerzitě, na poště, na dvoře, na kon-certě, na tržišti, …) und im Slowakischen (na univerzite, na pošte, na dvore, na koncerte, na trhovisku, …) bzw. der entsprechenden Nachsilbe -n (-on, -en, -ön) im Ungarischen (az egyetemen, a postán, az udvaron, a koncerten, a piacon, …). Die Beispiellage erweist sich aber insgesamt als diffus, erkennbar ist lediglich eine gemeinsame progressive Tendenz zur Verwendung der Präposition auf bzw. na im gemeinsprachlichen Substandard des ÖD und Tschechischen.