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2. Österreichische Auswanderung in die USA

2.2 Einwanderungsland USA

In wohl keiner Nation ist Migration bekanntlich derart untrennbar mit der eigenen Geschichte verbunden als in den USA. Seit über 300 Jahren lockt der American Dream Menschen aus aller Welt, die sich eine Besserstellung der eigenen Lebensqualität erhoffen. Zu unterscheiden ist dabei zwischen der die Siedlungswanderung umfassenden „old immigration“

sowie der weitaus kritischer beäugten „new immigration“ (1890–1914). Amerikanische Migrationsgeschichte, die ursprünglich vielmehr auf Ausbeutung, Krieg und Ausrottung basiert als auf den American Dream, lässt sich zudem in vier Phasen unterteilen, wobei insbesondere die letzte das Thema betreffend von Bedeutung ist. Die erste Phase umfasst die Besiedelung der Neuen Welt allen voran durch Briten; gegen Ende des 18. Jahrhunderts stammten drei

145 Faßmann, S. 39–42.

146 BÖHM Silvia, Go West! – Eine Analyse der österreichischen Emigration nach Nordamerika im späten 19.

und frühen 20. Jahrhundert unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Umstände. Ungedr.

Dipl.-Arb. Graz 2000. S. 12.

147 Ehmer, Steidl, Zeitlhofer, S. 6.

148 KOLLER Franz Michael, Destination Amerika. Transatlantische Arbeitsmigration im 19. und 20. Jahrhundert am Beispiel der Gemeinde Patafalva/Poppendorf (vormals Ungarn/heute Burgenland). Ungedr. Ma.-Arb.

Salzburg 2009. S. 63.

Seite | 47 Viertel aller SiedlerInnen von britischen Inseln, wovon wiederum 99 Prozent protestantisch waren. Die Bevölkerung der USA stellte sich somit in religiöser wie auch ethnischer Hinsicht als ausgesprochen homogen dar. Wenngleich die Gründerväter durchaus bemüht waren, diese Homogenität aufrechtzuerhalten, so zwang steigender Bedarf an Arbeitskräften ebenjene zu mehr Toleranz gegenüber Immigranten unterschiedlicher Ethnien. Amerika als Schmelztiegel verschiedener Ethnien ist folglich weniger Toleranz im Land of the Free geschuldet als vielmehr simples Produkt ökonomischer Nachfrage an Arbeitskräften.149 Zunächst war es allen voran römisch-katholische Einwanderung, die zu verhindern die bereits ansässige Bevölkerung im Sinn hatte und deren bloße Existenz mit großem Argwohn betrachtet wurde. Erst die Unabhängigkeitsbestrebungen des 18. Jahrhunderts fördern einen kollektiven Freiheitsgedanken zutage, der de facto alle Migrationsgruppen umfasste; so ist die Gesinnung gegenüber der Revolution auch nicht an die jeweilige ethnische oder religiöse Zugehörigkeit geknüpft, sondern obliegt vielmehr individuelle Interessen.150

Die zweite Phase bezieht sich auf die territoriale Expansion britischer Siedler und die gewaltsame Landnahme von amerikanischen Ureinwohnern, gegen die zahlreiche Kriege geführt wurden, an deren Ende in der Regel Friedensverträge standen, die den Siedlern die Enteignung großflächiger Gebiete zugestanden und Stämmen gleichzeitig Autonomie in deren verbliebenen Regionen versprachen. Ob des unersättlichen Landhungers europäischer Siedler ist es bestenfalls symbolischer Charakter, der mit etwaigen Verträgen einhergeht, wurden diese bei Bedarf rasch gebrochen. Der in allerhöchstem Maße brutal geführte Verdrängungsprozess, regelrechte Auslöschung indigener Völker sowie Zwangsumsiedlungen und Verschleppungen sollten bis ins 20. Jahrhundert andauern und fortan im Narrativ amerikanischer Geschichte verankert sein. Im Zuge des von den USA provozierten mexikanisch-amerikanischen Krieges zwischen 1846 und 1848 wurden zudem weite Teile Mexikos auf dem heutigen Gebiet der US-Staaten Kalifornien, Arizona, Nevada, Utah und Teile Colorados annektiert.151

Die dritte Phase umfasst die agrarwirtschaftliche Entwicklung der USA, die mit dem Import afrikanischer Sklaven einhergeht. Konträr zu europäischen Ländern, in denen vielerorts einerseits ein Bevölkerungsüberschuss zu verzeichnen ist und andererseits durch feudale

149 STEINBERG Stephen, Mythos des ethnischen Pluralismus. Klassenbildung und Verschmelzung ethnischer Gruppen in Rassen- und Religionsgruppen in Amerika. In: Petrus Han (Hg.), Theorien zur internationalen Migration. Stuttgart 2006. S. 89.

150 Harzig, S. 27.

151 Ebenda, S. 89–91.

Seite | 48 Systeme Leibeigene zur Verfügung stehen, fehlen den Vereinigten Staaten billige Arbeitskräfte allen voran in der nun für den Export und hinsichtlich Wirtschaftswachstumes essentiellen Baumwollproduktion im Süden. Ähnlich der Landnahme der Ureinwohner und Mexiko sowie die grausame Ausbeutung jener Völker basiert die Legitimierung der Sklaverei auf einer stark ausgeprägten Rassenideologie, in der Afrikaner, Mexikaner und indigene Völker als minderwertig, degeneriert und rückständig (backward people)152 betrachtet werden. Mitte des 19. Jahrhunderts befanden sich in etwa 3,5 Millionen Sklaven in den USA,153 wovon 2,34 Millionen auf Baumwollplantagen zwangsarbeiteten.154

Die vierte Phase umfasst die industrielle Entwicklung sowie die Expansion des Binnenhandels ab 1815, die in den USA mit einer regionalen Arbeitsteilung einhergeht:

Nahrungsmittel werden im Westen produziert, Industriegüter im Osten und agrarwirtschaftliche Exportgüter – insbesondere Baumwolle – im Süden. Dabei herrscht in allen Regionen Arbeitskräftemangel, während in Europa einerseits durch verstärkte Automatisierung und Mechanisierung der Agrarwirtschaft im Zuge der Industrialisierung und andererseits aufgrund des hohen Bevölkerungswachstumes sowie der, wie das Beispiel Österreich zeigt, schleppenden Entwicklung der Industrie die Arbeitslosigkeit steigt. Es entsteht folglich eine Symbiose: Die USA sind von ImmigrantInnen abhängig, um die wirtschaftliche Expansion voranzutreiben und ImmigrantInnen wiederum brauchen die USA als Einwanderungsland. Da der Arbeitskräftemangel in den USA im Süden vorwiegend mit dem vermehrten Import von Sklaven begegnet wird, zieht es europäische EinwanderInnen primär in den Osten und Mittleren Westen. So suchten zwischen 1840 und 1880 über 8 Millionen Menschen hauptsächlich aus Nordeuropa stammend und zwischen 1880 und 1930 über 23 Millionen MigrantInnen überwiegend aus Südeuropa in den USA eine neue Heimat. Wie bereits in der früheren Migrationsgeschichte beruht die Akzeptanz gegenüber solch hohen Zahlen an EinwanderInnen hauptsächlich auf dem Umstand, dass diese Arbeitskräfte zwingend benötigt wurden.155

Wenngleich mit dieser beispiellosen Einwanderungsgeschichte – zwischen 1820 und 1930 migrierten knapp 32 Millionen Menschen in die USA – freilich Diversität einhergeht und

152 Ebenda, S. 91.

153 Statista, Anzahl der Sklaven in den USA in den Jahren 1790 bis 1860. [online]

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/275122/umfrage/sklavenbevoelkerung-in-den-usa/

(abgerufen am 27.03.2019)

154 Steinberg, S. 92.

155 Ebenda, S. 93.

Seite | 49 sich die USA von einer homogenen Zusammensetzung der Bevölkerung hin zu einer der vielsprachigsten und kulturell vielfältigsten Nationen der Geschichte entwickelte, bedarf ethischer Pluralismus in den Vereinigten Staaten trotzdem einer differenzierten Betrachtungsweise. So verringert sich im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts nicht nur die Einwanderungsströme, sondern damit verbunden ebenso die kulturellen Bezugspunkte zur vorherigen Heimat der MigrantInnen. Nicht zuletzt dadurch schwinden mit den EinwanderInnen gleichfalls die Ethnizitäten charakterisierenden „authentischen kulturellen Inhalt[e]“.156 Eine Erosion der Ethnizitäten wird Stephen Steinberg, der sich unter anderem Theorien des ethnischen Pluralismus in den USA widmet, zufolge vor allem durch den Verlust der Muttersprache und dem damit verbundenen Verlust des primären Bezugspunkts zur kulturellen Identität des Herkunftslandes ab der dritten Generation der ImmigrantInnen sichtbar. Diese Generation sowie die darauffolgende befänden sich demnach regelrecht in einer ethnischen Krise, bedeutet zunehmende, schrittweise Assimilation unabhängig ethnischer geographischer Konzentration mitunter eine Auflösung traditioneller ethnischer Identitäten im Zielland. 157 Ohnehin wurde Assimilation größtenteils vorausgesetzt; zwar erhielt man die amerikanische Staatsbürgerschaft bereits nach fünf Jahren Aufenthalt, die Akzeptanz der politischen und soziokulturellen Normen der neuen Heimat sowie entsprechende Sprachkenntnisse galten im Gegenzug als Grundvoraussetzungen.158

Zusätzlich genährt wurde eine ambivalente Grundhaltung der dominanten anglosächsischen Bevölkerung gegenüber weiterer Migration vor allem von Katholiken und Gruppen, die andere Sprachen (z.B. Deutsch), Gewohnheiten, Bräuche, Religionen oder Traditionen in das Land bringen würden, aufgrund der praktizierten Auswanderungspolitik europäischer Länder, die die USA mitunter auch als Hort für potenziell unerwünschte Menschen zu gebrauchen gedachten, indem beispielsweise Arme und Kriminelle dorthin bequem abgeschoben werden konnten und man sich somit diverser Probleme zu entledigen gedachte. Anti-katholische Protestbewegungen in den USA von 1830 bis 1840 und dementsprechende Parteigründungen waren die Folge, die ab 1880 in der Geburt des amerikanischen Nativismus gipfelte, der bis zur Etablierung der restriktiven Quotenregelungen

156 Ebenda. S. 94.

157 GORDON Milton Myron, Anpassungsphasen der rassischen, religiösen und nationalen Einwanderergruppen an die amerikanische Gesellschaft sowie Probleme der Vorurteile und Diskriminierung. In: Petrus Han (Hg.), Theorien zur internationalen Migration. Stuttgart 2006. S. 32.

158 ADAMS Willi Paul, Die USA im 20. Jahrhundert. 2. ergänzte Aufl. München 2008. S. 8.

Seite | 50 andauerte. Die der idealisierten, romantischen Vorstellung eines anglosächsischen Volkes zugrundeliegende Rassenideologie – groß, blond, blauäugig waren bevorzugte, idealisierte Attribute159 – ähnelte dabei in verblüffender Weise jene der späteren NS-Schreckensherrschaft.

Ohnehin ist deutlich festzuhalten, dass schwellender Rassismus als ständiger Begleiter der gesamten US-amerikanischen Migrationsgeschichte und als fixer Bestandteil im Gedankengut der Amerikaner160 betrachtet werden muss.

2.3 Rechtlicher Rahmen und Restriktionen