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2. Österreichische Auswanderung in die USA

2.3 Rechtlicher Rahmen und Restriktionen

2.3.3 Die Dillingham Commission

Der stetige Anstieg der Einwanderung führte schließlich zu einer schärferen Gesetzeslage. Während im Fiskaljahr 1882 laut US-Statistiken 648.186 Europäer immigrierten, waren es im Fiskaljahr 1907 deren 1,207.619.179 Die öffentliche Meinung hinsichtlich Migration kippte ab etwa 1870 und wurde fortan durchaus kritisch beäugt.180 Benannt nach dem Senator Vermonts (1900–1923), William P. Dillingham, der darüber hinaus zwischen 1907 und 1911 als Leiter der US-Einwanderungsbehörde fungierte und dabei eine ablehnende Haltung gegenüber unbegrenzter Einwanderung propagierte, initiierte dieser unter dem prominenten US-Präsidenten Theodore Roosevelt eine massive Einschränkung der Einwanderung insbesondere aus Süd- und Osteuropa, die als Bedrohung der US-amerikanischen Kultur betrachtet wurde. Die Gesamtzahl der aus den jeweiligen Ländern stammenden ImmigrantInnen durfte drei Prozent des Anteils der im Jahre 1910 in den USA lebenden Bevölkerung nicht mehr übersteigen. Die Anti-Einwanderungs-Bewegung, welche die kritische Haltung der Dillingham Commission zusätzlich zu verstärken vermochte, gipfelte schließlich in der National Origins Formula (1929): Einwanderung wurde unter vollständigem Ausschluss aus Asien stammenden Personen auf 150.000 Personen jährlich beschränkt.181 Zudem wurden die Einreisegebühren erhöht: Von zwei auf zunächst fünf Dollar, im Jahre 1923 schließlich auf acht Dollar; finanzschwachen Personen sollte somit die Einwanderung erschwert werden.182

Gegenstand der 41 Reports, die 1911 als Ergebnis der Dillingham Commission veröffentlicht wurden, waren unter anderem die harten Lebens- und Arbeitsbedingungen in den überfüllten Ghettos der Großstädte im hochindustrialisierten Amerika,183 Ansichten der Minderheiten sowie daraus resultierende Schlüsse und Empfehlungen, Statistiken (es wird behauptet, dass Originaldaten von über 3,2 Millionen Einzelpersonen für die Erstellung der Reports eingeholt wurden),184 Emigrations- und Überfahrtsbedingungen in bzw. aus Europa, Bildung, empfangene Sozialleistungen der ImmigrantInnen und Verwicklungen jener in Straftaten. Darüber hinaus wird auch ökonomischen Faktoren große Beachtung beigemessen;

179 Bednar, S. 28.

180 Ebenda, S. 9.

181 Harvard University Library Open Collection Programm. [online]

http://ocp.hul.harvard.edu/immigration/dillingham.html (abgerufen am 29. September 2016)

182 Bednar, S. 12.

183 Adams, S. 24.

184 Ebenda, S. 29.

Seite | 57 einzelne Industriesektoren, Berufsstruktur der ersten und zweiten Generation der MigrantInnen sowie das Gebärverhalten eingereister Frauen finden – wie der Begriff der Rasse und eine Einteilung der MigrantInnen in jene – Eingang in die Reports. Die Gründe für die stark zunehmend ablehnende Haltung weiterer Einwanderung sind durchaus vielfältig und mitunter auch religiöser Natur: Die unter starkem irischem Einfluss stehende katholische Kirche und deren AnhängerInnen sahen durch den Umschwung der Einwanderung ebenjenen Einfluss gefährdet.185

Auch war in den Vereinigten Staaten bekanntlich ein stark ausgeprägter Rassismus vorherrschend. Die „neue“ Einwanderung galt im Gegensatz zur „alten“ vielerorts als verwerflich; siedelten Einwanderer früher noch auf das Land, ließen sie sich im frühen 20.

Jahrhundert zumeist in Städte nieder und arbeiteten nicht wie gewohnt in der Land- und Forstwirtschaft, sondern in Fabriken – für niedrige Löhne. Zudem wurde den „Neuen“

vorgeworfen, der englischen Sprache nicht bemächtigt zu sein und keinerlei Intention zu hegen, diese zu erlernen bzw. dauerhaft in den USA zu bleiben. Es wurde folglich häufig die Auffassung vertreten, die Neuen können ohnehin keine „echten“ AmerikanerInnen werden.

Dem schließlich 1911 fertiggestellten Dillingham Report, der ebenfalls umfangreiche, jedoch kaum überprüfbare, Statistiken enthielt, sind unter anderem die folgenden Kernaussagen zu entnehmen:

– Die „Neuen“ Einwanderer bestünden zu 75 Prozent aus ungelernten, alleinstehenden Männlichen Personen, die eine hohe (bis zu 35 Prozent) Quote an Analphabeten aufweisen. Ersparnisse würden häufig in die Heimat geschickt.

– Neben der ökonomischen Notwendigkeit seien mitunter auch Agenten, die zur Überfahrt animierten, für Masseneinwanderung verantwortlich.

– Der gewohnte Lebensstandard in den USA würde durch die neue Einwanderung sinken.

– Zwischen dem 1. Juli 1900 und dem 30. Juni 1910 seien 2,250.113 Personen aus Österreich-Ungarn in die Vereinigten Staaten emigriert. Aus keinem anderen Land kamen im Jahre 1907 mehr Menschen in die USA.

– Frauen und Mädchen werden mitunter zur Prostitution („white slave traffic“) in die USA gebracht.186

185Bednar, S. 11.

186Ebenda, S. 28–35.

Seite | 58 – Unter den MigrantInnen seien nicht mehr Kriminelle als unter den Einheimischen.187

Der Ausschuss sprach daher die folgenden Empfehlungen aus, die der Kongress größtenteils entsprechend umsetzte:

– erwachsene Analphabeten die Einreise zu verweigern, um unqualifizierte Tagelöhner fernzuhalten

– den schnellstmöglichen Erwerb der Staatsbürgerschaft zu forcieren – die Gettoisierung der MigrantInnen in Elendsviertel zu verhindern – die Zuwanderung enorm zu reduzieren

– Visa im Verhältnis zur bereits bestehenden Bevölkerung zu gewähren188

Zwar haben die US-Behörden bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts damit begonnen, Zuwanderung per Gesetz einzuschränken, doch kann zu dieser Zeit von einer restriktiven Einwanderungspolitik nach wie vor nicht die Rede sein; zu hoch sind weiterhin die Zahlen täglich ankommender MigrantInnen, zu gering die Auswirkungen der zaghaften Einschränkungsversuche. Nicht zuletzt aufgrund der Ergebnisse der Dillingham Commission sind es allen voran die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts, die eine Zäsur der vorangegangenen Einwanderungspolitik der USA bedeuten. Der Johnson Act von 1921 sowie der Johnson Reed Immigration Act von 1924 fungierten nun als rechtliche Basis für Migration. Fortan wurde Immigration per Quotengesetzgebung geregelt; nach nationaler Herkunft wurden konkrete jährliche Einwanderungszahlen festgelegt. Jene Quoten zeigen dabei eine klare Bevorzugung Nordwesteuropas und eine Benachteiligung von Nationen aus Süd- und Osteuropa. Die festgelegte Quote für Österreich zwischen 1921 und 1924 belief sich auf lediglich 7.442 Personen, ab 1924 sogar auf nur noch 785, die jährlich in die USA migrieren durften. Nationale Herkunft als entscheidendes Kriterium hinsichtlich Aufnahme oder Verweigerung von MigrantInnen wurde erst im Zuge der Bürgerrechtsbewegungen der 60er Jahre öffentlichkeitswirksam hinterfragt; unter Präsident Kennedy wurde 1965 der Hart Celler Act eingeführt. Dadurch trat anstelle der an Nationen gekoppelten Quotenregelungen eine

187 Adams, S. 24.

188 Ebenda, S. 24–25.

Seite | 59 allgemeine quantitative Grenze. Vor allem in den darauffolgenden 70er und 80er Jahren führte diese Änderung zu einem Wandel der Migrationsmuster: Einwanderung aus Lateinamerika, Asien und der Karibik übertraf jene aus Europa plötzlich um ein Vielfaches.189