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4. Intersektorale Analyse

4.4. Angewandte Methode: Lastenausgleichsverfahren der gewerblichen

4.4.1. Einsatz und Wirkung

Das Lastenausgleichsverfahren findet in der gewerblichen Unfallversicherung Anwendung, um GBGen mit überdurchschnittlicher Belastung durch Renten oder Entschädigungen finanziell zu entlasten. Dieser Ausgleich für Spitzenbelastungen wird von den weniger stark belasteten GBGen getragen.

In diesem Verfahren dienen die Renten- und Entschädigungslastsätze als Belastungs-indikatoren, wobei der Rentenlastsatz „als zentrale Größe angesehen werden kann“ (MEHL

1999a: 151). Der Rentenlastsatz stellt vor allem den Teil der aktuellen Belastung dar, der zumindest großenteils schon vor längerer Zeit entstanden ist. Strukturwandelbedingte Belastungen können hiermit besser herausgestellt werden.

Die Lastsätze der einzelnen GBGen werden mit dem Vielfachen des durchschnittlichen Lastsatzes aller GBGen verglichen. Wird ein bestimmter Schwellenwert überschritten, ist die GBG ausgleichsberechtigt, und erhält von den weniger stark belasteten GBGen, die einen unteren Schwellenwert nicht überschreiten, einen finanziellen Ausgleich für den über-steigenden Lastenanteil (§ 176 SGB VII).

Die Definition der Vergleichsgrößen Renten- und Entschädigungslastsatz ist in § 177 SGB VII wie folgt gegeben:

• „Der Rentenlastsatz ist das Verhältnis der Aufwendungen für Renten, Sterbegeld und Abfindungen zu den beitragspflichtigen Arbeitsentgelten und Versicherungssummen.

• Der Entschädigungslastsatz ist das Verhältnis der Aufwendungen für Heilbehandlung, berufsfördernde und soziale Rehabilitation, Renten, Sterbegeld, Beihilfen und Abfindungen zu den beitragspflichtigen Arbeitsentgelten und Versicherungssummen.“

Aufgrund erheblicher Strukturveränderungen innerhalb des letzten Jahrzehntes haben sich in der branchengegliederten gewerblichen Unfallversicherung weitere Verschiebungen ergeben, die sich für einzelne Zweige der Unfallversicherung, insbesondere auch für die Bau-BG, „besonders nachteilig auswirken“ (DEUTSCHER BUNDESTAG 2003: 1). Daher ist das Lastenausgleichsverfahren im SGB VII mit Wirkung ab dem Umlagejahr 2003 den veränderten Bedingungen angepasst worden. Der untere Schwellenwert wurde neu eingeführt, bei dessen Überschreiten eine Berufsgenossenschaft von der Ausgleichspflicht befreit ist. Weiter wurden die Belastungsgrenzen für die Ausgleichspflicht und -berechtigung herabgesetzt, wobei eine Übergangsregelung mit schrittweiser Anpassung vorgesehen wurde. Diese Übergangsregelung gilt allerdings nicht für fusionierte Berufsgenossenschaften (HVBG 2004: 50), womit ein Anreiz zur Konzentration der Organisationsstrukturen geschaffen worden ist.

Eine weitere Änderung des Lastenausgleiches im SBG VII, mit Gültigkeit ab dem Umlagejahr 2005, senkte die Schwelle zur Ausgleichsberechtigung ab (Ausgleichsberechtigung nach b), s. u.). Diese gilt aber nur, wenn die Berufsgenossenschaft einen Teil ihrer Rentenlasten ohne Berücksichtigung der Unfallgefahr auf ihre Mitgliedsunternehmen umlegt (DEUTSCHER

BUNDESTAG 2005b). Zweck dieser Bedingung ist die Stärkung der Solidarität innerhalb der Berufsgenossenschaften.

Ausgleichsberechtigung

Neben dem Vergleich der absoluten Belastung im Umlagejahr durch Gegenüberstellung der Renten- und Entschädigungslastsätze kann im Lastenausgleichsverfahren auch ein starker relativer Anstieg der Belastung einer Berufsgenossenschaft zur Ausgleichsberechtigung führen (SCHIMANSKI 1996: 135). Dazu wird die Veränderung der Rentenlasten einer Berufsgenossenschaft im vergangenen Fünfjahreszeitraum mit der durchschnittlichen Veränderung verglichen.

Eine GBG ist ausgleichsberechtigt, wenn:

a) ihr Rentenlastsatz das 4,5fache des durchschnittlichen Rentenlastsatzes aller GBGen übersteigt, oder

b) ihr Rentenlastsatz das 3fache des durchschnittlichen Rentenlastsatzes aller GBGen übersteigt und sie mindestens 20 und höchstens 30 vom Hundert ihrer Auf-wendungen für Renten, Sterbegeld und Abfindungen nach § 153, Abs. 4 ohne Berücksichtigung des Grades der Unfallgefahr auf die Unternehmen umlegt, oder c) ihr Entschädigungslastsatz das 5fache des durchschnittlichen

Entschädigungs-lastsatzes überschreitet (§ 176 Abs. 1 SGB VII), oder

d) ihr Rentenlastsatz sich innerhalb von fünf Jahren, beginnend mit dem vierten dem Umlagejahr vorausgegangenen Jahr, auf mehr als das 1,25fache des Renten-lastsatzes erhöht, den sie bei Zugrundelegung der Veränderung des durch-schnittlichen Rentenlastsatzes der Berufsgenossenschaften erreicht hätte. Ein Ausgleich unterbleibt, solange der Rentenlastsatz oder der Entschädigungslastsatz einer Berufsgenossenschaft den jeweiligen durchschnittlichen Lastsatz aller Berufsgenossenschaften nicht übersteigt (§ 176 Abs. 2 SGB VII).

Ist eine GBG nach vorstehender Regelung ausgleichsberechtigt, erhält sie finanziellen Ausgleich für den Schwellenwert übersteigenden Lastanteil. Wird mehr als eine der Ausgleichsschwellen überschritten, wird diejenige ausgeglichen, die den höchsten Defizit-betrag aufweist (§ 176 Abs. 3 SGB VII).

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Zu beachten bei der Ausgleichsberechtigung nach d) ist eine Übergangsregelung gemäß

§ 220 Abs. 1 SGB VII, die anstelle des Wertes 1,25 für die Umlagejahre 2003 und 2004 den Wert 1,45, für die Umlagejahre 2005 und 2006 den Wert 1,4, für die Umlagejahre 2007 und 2008 den Wert 1,35, für die Umlagejahre 2009 und 2010 den Wert 1,3 und für das Umlagejahr 2011 den Wert 1,275 vorsieht.

Ausgleichspflicht

Zur Zahlung eines Ausgleiches an überdurchschnittlich stark belastete GBGen sind die GBGen verpflichtet, die nicht ausgleichsberechtigt sind und deren Rentenlastsatz nicht das 2,5fache des durchschnittlichen Rentenlastsatzes sowie deren Entschädigungslastsatz nicht das 3fache des durchschnittlichen Entschädigungslastsatzes überschreiten (§ 178 Abs. 1 SGB VII). Die Ausgleichsverpflichtung gilt nicht für GBGen, deren Altrentenquote das 1,3fache der Durchschnittsaltrentenquote und deren Rentenlastsatz und Entschädigungs-lastsatz den jeweiligen DurchschnittsEntschädigungs-lastsatz aller GBGen übersteigt (§ 178 Abs. 2 SGB VII).

Unter der Altrentenquote ist „das Verhältnis aller im Umlagejahr angefallenen Aufwendungen für Renten, Sterbegeld und Abfindungen zu dem Teil dieser Aufwendungen [zu verstehen], der auf Versicherungsfällen beruht, für die im Umlagejahr oder in den vier vorausgegangenen Jahren erstmals Rente, Sterbegeld oder Abfindung festgestellt wurde“

(§ 177 Abs. 3 SGB VII).

Auch für die Ausgleichspflicht ist eine Übergangsregelung vorgesehen, nach der anstelle des Wertes 2,5 für die Umlagejahre 2003 und 2004 der Wert 4,1, für die Umlagejahre 2005 und 2006 der Wert 3,7, für die Umlagejahre 2007 und 2008 der Wert 3,3, für die Umlagejahre 2009 und 2010 der Wert 2,9 und für das Umlagejahr 2011 der Wert 2,7 anzuwenden ist sowie für die Berechnung des Entschädigungslastsatzes anstelle des Wertes 3 für die Umlagejahre 2003 und 2004 der Wert 4,6, für die Umlagejahre 2005 und 2006 der Wert 4,2, für die Umlagejahre 2007 und 2008 der Wert 3,8, für die Umlagejahre 2009 und 2010 der Wert 3,4 und für das Umlagejahr 2011 der Wert 3,2 (§ 220 Abs. 2 SGB VII).

Weiter gilt bei der Altrentenquote anstatt des Wertes 1,3 für das Umlagejahr 2003 der Wert 1,7, für das Umlagejahr 2004 der Wert 1,6, für das Umlagejahr 2005 der Wert 1,5 und für das Umlagejahr 2006 der Wert 1,4 (§ 220 Abs. 3 SGB VII).

Die Höhe des zu gewährenden Ausgleichsanteils einer einzelnen GBG berechnet sich aus dem Verhältnis ihrer Lohnsumme zur Lohnsumme aller zum Ausgleich verpflichteten GBGen (§ 178 Abs. 3 SGB VII).