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Auswirkungen einer Umstellung der Finanzierung der LUV auf eine

6. Reformoptionen und Reform durch das LSVMG

6.1. Kapitaldeckung in der LUV

6.1.2. Auswirkungen einer Umstellung der Finanzierung der LUV auf eine

Eine Umstellung der bisherigen Umlagefinanzierung der LUV auf eine kapitalgedeckte Finanzierung ist bereits in der Vergangenheit mehrmals diskutiert worden. So wurde Ende 2001 vom BMELV ein Gutachten bei der HEUBECK AG in Auftrag gegeben, welches die Möglichkeiten und Kosten einer Umstellung prüfen sollte. Das HEUBECK-Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass ein Systemwechsel für die ersten 20 Jahre nach dem Umstellungszeit-punkt zu erhöhten Belastungen der Beitragszahler führen wird, da neben den kapitalisierten Neurenten die Altrenten weiterhin durch Beiträge finanziert werden müssten. Nur eine Über-nahme der gesamten Altrenten durch den Bund – dazu hätten die jährlichen Bundesmittel von 500 Mio. DM um weitere 380 Mio. DM aufgestockt werden müssen – würde eine Umstellung ohne Mehrbelastung der Beitragszahler möglich machen. Erst langfristig würden finanzielle Entlastungen durch eine Kapitaldeckung möglich. Ein belastungsneutraler Systemübergang sei nicht zu verwirklichen (HEUBECK AG 2001: 13f).

In der Diskussion um die Weiterentwicklung der LUV in den Jahren 2006 und 2007, die zum Gesetzbeschluss des LSVMG führte, ist eine Finanzierungsumstellung auf eine Kapital-deckung neuer Unfallrenten vom DEUTSCHEN BAUERNVERBAND (DBV 2006d) gefordert worden. Es wurden Vermutungen geäußert, dass die Ergebnisse der HEUBECK AG nicht mehr zutreffend sein könnten, da sich seit Gutachtenerstellung wichtige Parameter wie Rückgang der neuer Unfallrenten und niedrigere Rentenanpassungen der vergangenen Jahre geändert hätten (MEHL 2006a: 1).

Als Grundlage der Diskussion diente einerseits eine interne Berechnung des BLB, nach der der kapitalisierte Aufwand für Neurenten jährlich 75 Mio. € betragen würde. Andererseits hat der GESAMTVERBAND DER DEUTSCHEN VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT e. V. (GDV) in einem Analysepapier zur Privatisierung der LUV jährliche Aufwendungen von 320 bis 360 Mio. € für die Kapitalisierung von Neurenten kalkuliert (GDV 2006).

Grundlegende Kritik an der Kalkulation des BLB besteht darin, dass ein jährliches Neurentenvolumen deutlich unter dem damaligen tatsächlichen Neurentenvolumen angenommen worden ist. Der BLB begründete diese Annahme mit umfangreichen

Leistungskürzungen, die in den Eckpunktebeschlüssen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der gesetzlichen Unfallversicherung festgehalten waren. Allerdings war damals weder deren Umfang noch der Zeitpunkt einer Umsetzung bekannt. Die BLB-Annahmen erscheinen aber auch bei Berücksichtigung der Eckpunkte-Beschlüsse „deutlich überzeichnet“ (BMELV 2006d: 2). Der vom BLB kalkulierte notwendige Finanzbedarf zur Kapitalisierung der Neurenten unterschätzt also den tatsächlichen Bedarf.

Aufgrund der enormen Differenz zwischen den Ergebnissen des BLB und des GDV hat das BMELV Ende 2006 ein weiteres Gutachten über die „Finanziellen Folgen einer Kapitali-sierung neuer Dauerrenten in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung“ (MEHL 2006a) bei der FORSCHUNGSANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT (FAL) eingeholt, an dem der Autor der vorliegenden Arbeit mitgewirkt hat.

FAL-Gutachten: Finanzielle Folgen einer Kapitalisierung neuer Dauerrenten in der LUV Der Umfang des FAL-Gutachtens, der sich an einem vom BMELV vorgegebenen Fragenkatalog orientiert, ist so weit gefasst, dass anhand der Ergebnisse verschiedene Möglichkeiten einer Finanzierungsumstellung geprüft werden können. So wird zuerst eine Prognose der zukünftigen Rentenlastenentwicklung im bestehenden System innerhalb der nächsten 30 Jahre gegeben, um daran die Kosten einer kapitalgedeckten Variante messen zu können.

Die Berechnung des Aufwands für eine Kapitalisierung erfolgt für den Rentenbestand sowie für zukünftige Neurenten in mehreren Varianten. Es werden erstens verschiedene Rentendynamisierungen und zweitens unterschiedliche Realverzinsungen für Kapitalstock angenommen sowie drittens differenzierte Annahmen über eine zukünftige Rentenzugangs-reduktion getroffen. Weiterhin wird überprüft, welche Auswirkungen ein zur Verfügung gestellter Kapitalstock auf eine Umstellung hätte, einerseits in der Variante des Aufbrauchens des Kapitalstocks über verschiedene Zeiträume und andererseits wenn dieser erhalten bleiben soll. Um Auswirkungen geplanter Leistungskürzungen durch das LSVMG abschätzen zu können, wurden Szenarien gerechnet, die pauschale Reduzierungen des Neurentenvolumens berücksichtigen (MEHL 2006a: 2).

Bei einer Umstellung der Finanzierung der LUV sind einerseits die zukünftig zu erwartenden Neurenten und andererseits die bestehenden Rentenlasten aus vergangenen Jahren zu berücksichtigen. Es gilt also erstens den Aufwand für kapitalisierte Neurenten nach dem Umstellungszeitpunkt zu erfassen und zweitens den Umgang mit den Altrenten zu klären.

Letztere können entweder durch den Staat übernommen oder weiterhin von den

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zahlenden Unternehmern getragen werden. Weiterhin kann der Rentenaltbestand durch Bereitstellung eines Kapitalsockels oder durch laufende Zahlungen finanziert werden.

Die prognostizierte Entwicklung der Rentenlast im bestehenden Umlagesystem (vgl. Tabelle 22) zeigt, dass der Altrentenbestand auch langfristig noch erheblicher Aufwendungen bedarf.

Abhängig von der Rentendynamisierung sinkt der Altbestand bis 2036 auf 114,4 Mio. € bei einer jährlichen Rentendynamisierung von 1 %, in den Szenarien mit 0 % (2 %) auf 85,7 Mio. € (152,2 Mio. €) (MEHL 2006a: 9).

Tabelle 22: Entwicklung der Rentenlast aus Versicherungsfällen vor (Altbestand) und seit 2008 (Neubestand) bis 2036 bei einer jährlichen Rentendynamisierung von 1 %

Jahre Altbestand

3% 1,5% 0%

2008 383,2 10,2 10,7 10,9

2010 359,9 27,3 28,6 29,7

2015 314,6 67,1 71,4 77,1

2020 286,1 102,9 111,0 124,7

2025 229,3 133,7 146,4 171,3

2030 170,8 158,9 176,6 215,6

2036 114,4 180,8 204,8 264,4

Neurenten

jährliche Reduktion des Zugangs

Quelle: MEHL 2006a: 8.

Die Höhe eines Kapitalstocks zur einmaligen Ausfinanzierung des Altrentenbestands der LUV ist abhängig vom unterstellten Realzins, der sich aus der Differenz aus Kapitalzins und Rentendynamisierung errechnet. Zur Ausfinanzierung des Rentenbestandes bis 2005 wäre bei einem Realzins von 2 % ein Kapitalstock von 8,59 Mrd. € notwendig, bei einem Realzins von 3 % 7,76 Mrd. € und bei einem Realzins von 4 % 7,06 Mrd. € (MEHL 2006a: 14).

Für die jährliche Kapitalisierung neuer Dauerrenten sind im FAL-Gutachten ebenfalls mehrere Szenarien berechnet worden. Der Finanzbedarf dafür ist abhängig vom unterstellten Realzins, der angenommenen Rentendynamisierung und von der zukünftigen Reduktion des Rentenzugangs. Tabelle 23 zeigt die Auswirkungen verschiedener Zugangsreduktionen bei mittleren Annahmen für den Realzins und die Rentendynamisierung. Der Finanzbedarf zur Kapitalisierung von Neurenten liegt bei einem Rentenzugang von -1,5 % im Jahr 2036 bei 133,9 Mio. € und bei einem Rentenzugang von -3 % (0 %) bei 84,5 Mio. € (210,8 Mio. €).

Tabelle 23: Entwicklung des Finanzbedarfs zur jährlichen Kapitalisierung neuer Dauerrenten in der LUV von 2008 bis 2036 bei einem Realzins von 3 % und einer Rentendynamisierung von 1 % p. a.

Jahre

Der Finanzbedarf bei einer pauschalen Reduzierung des Neurentenvolumens um 5 %, 10 % und 20 % wird bei mittleren Annahmen des Realzinses, der Rentendynamisierung und des Rentenzugangs in Tabelle 24 dargestellt. Anhand dieser Szenarien können die Auswirkungen von Leistungskürzungen, wie sie inzwischen durch das LSVMG erfolgt sind, beurteilt werden.

Tabelle 24: Entwicklung des Finanzbedarfs zur jährlichen Kapitalisierung neuer Dauerrenten in der LUV von 2008 bis 2036 bei einem Realzins von 3 %, einer Rentendynamisierung von 1 %, einem Rentenzugang von -1,5 % p. a. und pauschaler Reduzierung der neuen Dauerrenten um 5 %, 10 % und 20 %

Jahre

Im Vergleich beider Finanzierungsverfahren wird deutlich, dass im bestehenden Umlage-verfahren kurz- und mittelfristig ein geringerer Finanzbedarf als bei einer kapitalgedeckten Finanzierung besteht. Der anfängliche Mehraufwand einer Kapitaldeckung beträgt im Jahr 2008 im mittleren Szenario 144 Mio. €, im Maximal-Szenario mit 2 % Rentendynamisierung, 0 % Rentenzugangsreduzierung und 2 % Realverzinsung 175,6 Mio. € und im Minimal-Szenario mit 0 % Rentendynamisierung, -3 % Rentenzugang und 4 % Realverzinsung 119,9 Mio. €.

Abbildung 44 zeigt, dass im mittleren Szenario erst ab 2022 (im Maximal-Szenario ab 2032, im Minimal-Szenario ab 2020) der Finanzbedarf einer kapitalgedeckten Finanzierung

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niedriger wird als im Umlageverfahren. Der Mehraufwand bis zu diesem Zeitpunkt beträgt je nach Szenario zwischen 0,98 Mrd. € bis 1,5 Mrd. € (MEHL 2006a: 17f).

Abbildung 44: Vergleich des Rentenaufwands im bestehenden Umlageverfahren und bei einer Kapitaldeckung bei einem Rentenzugang von -1,5 % und einer Rentendynamisierung von 1 % p. a.

Quelle: MEHL 2006a: 18.

Abbildung 45: Vergleich des Rentenaufwands im bestehenden Umlageverfahren und bei einer

Kapitaldeckung bei einem Rentenzugang von -1,5 % und einer Rentendynamisierung von 1 % p. a. und pauschaler Reduzierung der neuen Unfallrenten um 20 %

Quelle: MEHL 2006a: 20.

Bei einer pauschalen Reduzierung des Neurentenvolumens um 20 % ändert sich der Zeitpunkt der finanziellen Vorzüglichkeit einer Kapitaldeckung nicht (vgl. Abbildung 45).

Allerdings fällt der Mehraufwand im Jahr 2008 geringer aus und beträgt im mittleren Szenario 117,6 Mio. €, im Maximal-Szenario 140,5 Mio. € und im Minimal-Szenario 95,9 Mio. €. Der Mehraufwand beträgt je nach Szenario zwischen 0,78 Mrd. € und 1,2 Mrd. €.

Zur Deckung des umstellungsbedingten Mehraufwands in den Jahren bis zur Vorzüglichkeit der Kapitaldeckung könnte ein vorhandener Kapitalstock dienen. Dieser müsste dafür im mittleren Szenario einen Umfang von ca. 1 Mrd. € haben, in den anderen Szenarien von ca.

960 Mrd. € bis 1.040 Mrd. €.

Eine Abmilderung der Mehrbelastung könnte auch durch Bundesmittel erfolgen. Entweder durch Bereitstellung eines zuvor dargestellten Kapitalstocks oder durch laufende Zuschüsse.

Laufende Zahlungen dafür müssten zusätzlich zu den derzeitigen Bundesmitteln von 200 Mio. € p. a. im Jahr 2008 eine Höhe von 144 Mio. € aufweisen, die bis 2015 auf 77,8 Mio. €, bis 2020 auf 34,4 Mio. € und bis 2024 auf 2,8 Mio. € zurückgefahren werden können (MEHL 2006a: 24).

Zur Entlastung heutiger und zukünftiger Beitragszahler ist auch eine Teilkapitalisierung von Unfallrenten denkbar. Über eine solche Möglichkeit hat der BLB schon vor 2005 mit politischen Entscheidungsträgern diskutiert (SPITZENVERBÄNDE DER LANDWIRTSCHAFTLICHEN

SOZIALVERSICHERUNG 2005). Ende 2007 ist diese Möglichkeit aufgriffen und im Rahmen des LSVMG insofern umgesetzt worden, dass geringfügige Unfallrenten in einer ‚Besonderen Abfindungsaktion’ hauptsächlich durch zusätzliche Bundesmittel abgefunden werden, was eine kapitalisierte Auszahlung dieser Renten an die Versicherten bedeutet. Im Folgenden wird das Ergebnis dieser Maßnahme dargestellt.