• Keine Ergebnisse gefunden

4. Intersektorale Analyse

4.2. Agrarstrukturwandel

Strukturwandel kann nach BALZ & WURZBACHER (1983a: 154) unterschieden werden in Strukturwandel innerhalb einer Volkswirtschaft, der interregional aber auch intersektoral auftreten kann, und in intrasektoralen Strukturwandel, der innerhalb eines Wirtschaftssektors festgestellt werden kann. Für die Analyse der Finanzierung der LUV im intersektoralen Vergleich ist der intersektorale Strukturwandel am bedeutungsvollsten (ebenda: 155), da dieser die Entwicklung des land- und forstwirtschaftlichen Sektors im Vergleich zu den übrigen Wirtschaftsbereichen darstellt.

Die Ursachen des Strukturwandels stehen nicht im Fokus dieser Analyse, da diese sehr verschieden und bereits hinreichend in der Literatur diskutiert wurden (HEIDHUES 1965;

HENRICHSMEYER & WITZKE 1991; FASTERDING 1996; SCHMITT & ANDERMANN 1996a; HILL

2006; GLAUBEN et al. 2006 u. a. m.).

Abbildung 11: Versicherte Unternehmen in der gesetzlichen Unfallversicherung 1960 - 2006

1,7 1,7 1,6 1,5 1,6 1,7 2,1

1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000

Unternehmen [in Mio.]

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des BMAS, Die gesetzliche Unfallversicherung in der Bundesrepublik Deutschland: Statistischer und finanzieller Bericht, versch. Jg. und schriftlichen Auskünften der DGUV.

Anmerkung: Für die Unfallversicherung der öffentlichen Hand sind Daten erst ab 1975 verfügbar.

Als Indikatoren des intersektoralen Strukturwandels können verschiedene Kennzahlen dienen. Die abnehmende Anzahl landwirtschaftlicher Unternehmen bei einem gleichzeitigen Anstieg im gewerblichen Bereich (vgl. Abbildung 11) zeigt deutlich die strukturellen Änderungen in einer sich entwickelnden Volkswirtschaft, die sich von überwiegend

landwirtschaftlicher Urproduktion in eine Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft wandelt (HENRICHSMEYER &WITZKE 1991: 31ff).

In der späteren intersektoralen Analyse der gesetzlichen Unfallversicherung (Kap. 4.6ff) wird eine Vergleichsbasis verwendet, in die u. a. das versicherte Arbeitsvolumen eingeht. Daher erscheint folgend eine Darstellung des Strukturwandels durch Indikatoren am zweckmäßig-sten, die das versicherte Arbeitsvolumen abbilden. BALZ und WURZBACHER (1983a) haben in ihrer Untersuchung der LUV als weiteren Indikator den Anteil der Landwirtschaft an der gesamtdeutschen Bruttowertschöpfung betrachtet (ebenda: 155ff). Die Entwicklung letzteren Indikators gibt allerdings nicht unbedingt die Entwicklung des Arbeitseinsatzes in der Land-wirtschaft wieder, da auf die landLand-wirtschaftliche Bruttowertschöpfung in den vergangenen Jahrzehnten u. a. auch stark sinkende Preise für Agrarerzeugnisse eine dämpfende Wirkung hatten. Vielmehr hängt der Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft von dem zunehmenden Grad der Mechanisierung und des Kapitaleinsatzes ab, der die Produktivität einer Arbeitskraft in den vergangenen Jahrzehnten um ein Vielfaches erhöht hat. Das wiederum hat einen deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Betriebsgröße bewirkt, wie später in diesem Kapitel noch dargestellt wird.

Abbildung 12: Entwicklung der Erwerbstätigen in Deutschland 1950 - 2006

20

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000

Erwerbstätige [in Mio.]

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des STATISTISCHEN BUNDESAMTES (1996: 19-21) und Online-Datenbank GENESIS des STATISTISCHEN BUNDESAMTES, 29.10.2007.

Anmerkung: Daten der Jahre 1955, 1965, 1975, 1985 teilweise interpoliert.

Der Schrumpfungsprozess des landwirtschaftlichen Sektors wird auch durch die abnehmende Anzahl der in der Landwirtschaft Erwerbstätigen deutlich. Schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts lässt sich eine Abwanderung von Arbeitskräften aus der

62

Landwirtschaft beobachten. Im Jahr 1950 waren noch über 24 % aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, heute hingegen sind es nur noch 2 % (vgl. Abbildung 12).

Ähnlich wie bei der Erwerbstätigkeit ist auch bei den in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen ein abnehmender landwirtschaftlicher Anteil erkennbar (vgl.

Abbildung 13). Auffällig ist, dass im Bereich der Landwirtschaft die Zahl der unfallver-sicherten Personen höher ist, als die Zahl der erwerbstätigen Personen. Zu erklären ist dies durch den umfangreichen Versicherungsschutz der LUV, der z.B. auch Tätigkeiten im landwirtschaftlichen Haushalt umfasst.

Weiterhin ist ersichtlich, dass der Anteil der landwirtschaftlichen Erwerbstätigen (0,8 %, Abbildung 12) wesentlich geringer ist, als der Anteil der in der LUV versicherten Personen (3,6 %, vgl. Abbildung 13). Dieser Unterschied ist darin begründet, dass der Indikator

‚Erwerbstätige’ alle erwerbstätigen Personen umfasst, also abhängig Beschäftigte und Selbstständige. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind aber nur Beschäftigte versichert, mit Ausnahme der LUV, in der zusätzlich auch die Selbstständigen pflichtversichert sind. Die Versichertenzahl der gewerblichen Unfallversicherung und der Unfallversicherung der öffentlichen Hand enthält also nur die abhängig Beschäftigten, also nur einen Teil der Erwerbstätigen des entsprechenden Bereichs.

Abbildung 13: Versicherte in der gesetzlichen Unfallversicherung 1950 – 2006

0

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2006

Versicherte [in Mio.]

Anteil LUV an Gesamt [%]

Gewerbliche

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des BMAS, Die gesetzliche Unfallversicherung in der Bundesrepublik Deutschland: Statistischer und finanzieller Bericht, versch. Jg.; Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (30.10.2007); Bergbau-BG (30.10.2007).

64

Abbildung 14: Vollarbeiter in der gesetzlichen Unfallversicherung 1950 – 2006

0

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000

Vollarbeiter [in Mio.]

Anteil LUV an Gesamt [%]

2005 2006

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des BMAS, Die gesetzliche Unfallversicherung in der Bundesrepublik Deutschland: Statistischer und finanzieller Bericht, versch. Jg.; Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (30.10.2007); Bergbau-BG (30.10.2007).

Die Entwicklung der absoluten Vollarbeiterzahlen in Abbildung 14 verläuft entsprechend der Entwicklung der Versicherten in Abbildung 13. Zu erkennen ist allerdings, dass der Anteil der landwirtschaftlichen Vollarbeiter niedriger ist, als der Anteil der Versicherten in der LUV. Eine Begründung hierfür könnte ein höherer Anteil von Teilzeitarbeitskräften in Nebenerwerbsbetrieben oder ein höherer Einsatz von Saisonarbeitern in der Landwirtschaft sein. Es könnten allerdings auch fehlerhafte Daten dafür verantwortlich sein, da die Versicherten- und Vollarbeiterzahlen für den Bereich der LUV vom BUNDESVERBAND DER LANDWIRTSCHAFTLICHEN BERUFSGENOSSENSCHAFTEN (BLB) nicht statistisch erhoben, sondern geschätzt werden. Auf diese Problematik wird später noch detaillierter eingegangen.

Die Anzahl der Versicherten und Vollarbeiter der LUV ist von 1950 bis heute rückläufig. Im Jahr 1991 hat es bei den Versicherten wie auch bei den Vollarbeitern einen Anstieg gegeben, der auf die deutsche Wiedervereinigung zurückzuführen ist. In den vorstehenden Abbildungen sind seit 1991 auch die neuen Bundesländer enthalten.

Die indexierte Darstellung der Anzahl der Versicherten in Abbildung 15 verdeutlicht noch einmal den intersektoralen Strukturwandel. Zusätzlich eingezeichnet ist die Entwicklung der Versichertenzahl in den Wirtschaftssektoren Bau und Bergbau. Im Bau-Sektor ist ein starker Rückgang ab Mitte der 90er Jahre zu erkennen, die nach anfänglichem stärkerem Wiederaufbau in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung eingesetzt hat. Der Bergbau hat in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, ähnlich wie die Landwirtschaft, einen starken Strukturwandel erfahren. Nach einem Anstieg der Versicherten im Jahr 1991

durch die zur Bergbau-BG neu hinzugekommenen Unternehmen der neuen Bundesländer, ist allerdings ein stärkerer Rückgang der Versicherten zu beobachten als in der Landwirtschaft. Ein Ausstieg aus dem subventionierten deutschen Steinkohle-Bergbau im Jahr 2018 ist politisch festgelegt (DEUTSCHER BUNDESRAT 2007). Für Braunkohle gibt es politische Forderungen für einen mittelfristigen Ausstieg, sodass die intersektorale Abwanderung von Arbeitskräften aus dem Sektor Bergbau wahrscheinlich noch nicht abgeschlossen ist.

Abbildung 15: Entwicklung der Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung (Auswahl, Index)

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000

Versicherte (Index 1950 = 100) 2005 2006

Gewerbliche Unfallversicherung Bau BG

Landwirtschaftliche Unfallversicherung Bergbau BG

Quelle: Eigene Berechnung nach Daten des BMAS, Die gesetzliche Unfallversicherung in der Bundesrepublik Deutschland: Statistischer und finanzieller Bericht, versch. Jg., Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2007) und Bergbau-BG (2007).

Intrasektoraler Strukturwandel

Die Auswirkungen des intrasektoralen Strukturwandels, des Strukturwandels innerhalb des Agrarsektors, ist bereits durch vorstehende Abbildungen sichtbar geworden: Die Anzahl der Betriebe ist seit langem rückläufig, da durch technischen Fortschritt und zunehmende Mechanisierung die Größen der Betriebe ansteigen, was wiederum zu einem geringeren Arbeitsbedarf in der Landwirtschaft führt. Abbildung 16 zeigt die Entwicklung der durch-schnittlichen Betriebsgrößen und die Anzahl der Arbeitskräfte pro landwirtschaftliche Fläche.

Die durchschnittliche Betriebsgröße hat im Beobachtungszeitraum stetig zugenommen, das Arbeitsvolumen pro Fläche ist hingegen stark rückläufig.

Abbildung 16: Durchschnittliche Betriebsgrößen und Arbeitskräfteeinsatz pro Fläche 1949 – 2005

1949 1960 1970 1980 1990 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005

LF [in ha]

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des BMELV: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, versch. Jg.

Anmerkung: Werte bis 1990 bilden nur die alten Bundesländer ab, Werte ab 1991 Deutschland gesamt.

Die Entwicklung der Landwirtschaft in den Regionen Deutschlands ist vor allem für die spätere intrasektorale Analyse relevant und wird daher an entsprechender Stelle (Kap. 5.2) diskutiert.