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Die ungleiche Vermögensverteilung wird mehr und mehr zu einem Problem, das alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft (Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit etc.). Es ist an der Zeit, die Verteilungsfrage wieder im Interesse der Bevölkerungsmehrheit zu handhaben und nicht länger wirtschaftspolitischen, industriellen Entscheidungsträgern (Eliten) zu überlassen, die die Umverteilung von unten nach oben betrieben haben.

Das reichste Prozent der Österreicher (etwa 37.000 Haushalte) besitzt 469 Milliarden Euro, das entspricht über 37 Prozent des Gesamtvermögens

(Profil Online,03.08.2013).

Nach dem Valluga Vermögensreport (2011) kann allgemein gesagt werden, dass die Vermögen in der Vergangenheit etwa 2,5- bis 3-mal so schnell gewachsen sind als Volkswirtschaften. Diese Entwicklung kann bereits seit Anfang der 80er Jahre beobachtet werden und wurde durch die zunehmende Globalisierung der Weltwirtschaft sowie die Informationstechnologie substantiell unterstützt.

Die Ungleichheit des Vermögens ist stets größer als die der Einkommen. Auch die Daten bestätigen dies. Zur Verdeutlichung des obigen Sachverhalts soll folgendes Beispiel dienen:

die zehn Prozent der Bevölkerung mit dem höchsten Arbeitseinkommen besitzen einen Anteil von etwa 20 bis 25 Prozent des Gesamtarbeitseinkommens, die zehn Prozent mit dem größten Vermögen besitzen einen Anteil am Gesamtvermögen, der über 50 Prozent liegt (Piketty, 2014).

Die Vermögensverteilung ist in der ökonomischen Auseinandersetzung (vgl. Atkinson, 1970) bzw. in der sozialen (vgl. Koller, 2010/2013) kein neues Thema. Dennoch wird die zunehmende Ungleichheit der Vermögensverteilung so intensiv wie schon lange nicht mehr von vielen Seiten z. B. in der Politik, im Sozialbereich, bei NGOs etc. diskutiert und findet nach Bofinger et al. (2015) einen größeren Stellenwert auf der ökonomischen und politischen Agenda. In den Medien fand das Thema vor allem durch Piketty (2014) enorme Präsenz.

Durch seine Veröffentlichung von „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ (Piketty, 2014) wurde

1Divide et impera ist eine Redewendung die auf das römische Imperium zurückgeht. Es bedeutet Völker oder Gruppierungen in Untergruppen aufzuspalten, damit sie leichter zu beherrschen sind (vgl. dazu: http://www.freie-ansichten.com/teile-und-herrsche-oder-wie-man-erfolgreich-einen-staat-ausbeuten-kann/) [Zugriff im Juni 2015].

11 eine neue ökonomische und historisch fundierte Grundlage geschaffen, die Vermögensverteilung politisch, ökonomisch und sozial neu zu diskutieren (Bofinger et al.

2015). Trotzdem wurde in der wissenschaftlichen Forschung bisher dem Thema der ungerechten Vermögensverteilung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt (Bofinger et al.

2015). Ersichtlich wird dieses Defizit vor allem im Bereich der Informationsgenerierung zur Vermögensungleichheit. Diese Einschränkung ist auf unzureichende Aufzeichnungen über die Finanzlage und somit auf knappe statistische Informationen zurückzuführen. Neben der Begrenztheit der Daten, ist eine weitere Problematik der Erhalt von wahrheitsgetreuer Information. Schlussendlich beruhen Informationen zum Vermögensstand der Bevölkerung auf der Freiwilligkeit der Befragten. Deshalb ist die weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Vermögensverteilung sowie deren Konzentration notwendig und (nach Eckerstorfer et al. 2013b) von hoher gesellschaftlicher und ökonomischer Bedeutung.

Von Verteilungsungleichheiten hinsichtlich Vermögen sowie den sich daraus ergebenden Effekten handelt die vorliegende Masterarbeit. Auch Maßnahmen in Form der Besteuerung werden behandelt. Um jedoch mögliche Missverständnisse zu vermeiden, möchte die Autorin der vorliegenden Arbeit an dieser Stelle explizit darauf hinweisen, dass nicht der Frage der (un-)gerechten Verteilung nachgegangen wird und in der vorliegenden Arbeit auch keine umfassende Theorie der ökonomischen Gerechtigkeit erarbeitet wird sowie keine ökonomische bzw. soziale Bewertung der Vermögenssituation. Nach Koller (2010) versteht man unter ökonomischer Gerechtigkeit im engeren Sinn die Verteilung begehrter Werte wie Vermögen. Es gestaltet sich als schwierig, eine genaue Definition von ökonomischer Gerechtigkeit zu finden, da es unter Ökonomen, Politikern und Wissenschaftlern weder Einigkeit noch Klarheit diesbezüglich gibt (Koller, 2010). Der Begriff generell ist sehr breit gefächert. Die Zielsetzung der Masterarbeit liegt jedoch darin, den Aspekt der Gerechtigkeit in der vorliegenden Arbeit nicht zu vergessen. Der Leser möge die Vermögensverteilung sowie die starke Vermögenskonzentration im Hinterkopf behalten. Denn wie Piketty in einem Gespräch mit der Handelszeitung Online (11.04.2014) auf den Punkt bringt:

„Es ist paradox, dass wir soviel Zeit mit der Schuldenkrise verschwenden – denn das (private) Vermögen stieg in den vergangenen Jahren weitaus stärker als die Schulden2

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist die ungleiche Verteilung von Vermögen ausschlaggebend für den sozialen und ökonomischen Status und sollte nicht außer Acht gelassen werden, da beispielsweise die Vermögenskonzentration dem

2vgl. dazu: http://www.handelszeitung.ch/konjunktur/piketty-ein-vollkommen-verruecktes-system-596352 [Zugriff im Juni 2015].

12 Gerechtigkeitsempfinden widerspricht und auch eine erhebliche wirtschaftliche Instabilität bedeutet (vgl. dazu Kapitel drei und vier). Nach Piketty (2014) ist und bleibt die Thematik der Vermögensverteilung eine politische, die sich nicht auf rein ökonomische Mechanismen reduzieren lässt. Gesellschaftliche Stabilität und etablierte Institutionen stellen eine zentrale Voraussetzung für den Aufbau von Vermögenswerten dar (Atkinson et al. 2011; Borgerhoff et al. 2009). Der Aufbau von privatem Vermögen verstärkt sich, je mehr Vermögen jemand besitzt. Besitzt man Vermögen, erhält man absolut wie relativ auch größere Vermögenszuwächse (Eckerstorfer et al. 2013b). Nach Guttmann und Plihon (2010) sowie Stiglitz (2012) kann eine zunehmende Vermögenskonzentration die gesellschaftliche Stabilität aus sozialer und ökonomischer Perspektive untergraben. Langfristig wird sich die Vermögensungleichheit weiter verschärfen, wenn nicht geeignete wirtschaftliche und politische Sanktionen ergriffen werden.

Um die Vermögensverteilung zu messen, haben sich mehrere Verteilungsmaße im Rahmen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung entwickelt und etabliert. Kapitel zwei stellt zwei dieser Messinstrumente theoretisch und analytisch vor: den Gini Koeffizient und das Atkinson Maß.

Weltkriege und politische Maßnahmen der öffentlichen Hand haben im Abbau von Ungleichheiten eine zentrale Rolle gespielt, trotzdem nimmt die Ungleichheit seit den 1970er Jahren wieder sprunghaft zu (mit Abweichungen zwischen den einzelnen Ländern, die sich wiederum auf die Rolle der Institutionen und Politik zurückführen lassen) (Piketty, 2014).

Kapitel drei präsentiert Daten über die Größe und Verteilung von Vermögen in vier EU-Ländern (Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Österreich) und stellt den Fokus dieser Masterarbeit dar. Auch die Frage der Besteuerung der Vermögenden wird diskutiert.

Maßnahmen in Form von vermögensbezogenen Steuern (Erbschafts- und Schenkungssteuer, sowie Piketty´s (2014) globale Vermögensteuer) werden in Kapitel vier vorgestellt. Diese beiden politischen Instrumente können für eine Umverteilung genutzt werden und stellen eine potenzielle Einnahmequelle in Zeiten der finanziellen Knappheit dar.

Die starke Akkumulation von Vermögen kann u.a. mit Erbschaften erklärt werden, es spart sich „einfacher“ wenn jemand eine Immobilie geerbt hat und beispielsweise keine Miete bezahlen muss (Piketty, 2014). Kapitel fünf schließt mit einer Zusammenfassung und abschließenden Bemerkungen ab.

Die Thematik der Verteilungsungleichheit hinsichtlich Vermögen beinhaltet eine Vielzahl von (tieferliegenden) Fragen, die beantwortet werden müssen. Dadurch ergibt sich die

13 Schwierigkeit, sich auf eine zentrale Hauptfrage zu konzentrieren. Die vorliegende Masterarbeit erörtert folgende unten angeführte Forschungsfragen:

Reichtum hat es zu allen Zeiten geben, der Unterschied lag jedoch anfangs in der Dimension und Konzentration. Bis in die Neuzeit war Reichtum dadurch gekennzeichnet, dass er für weite Teile der Bevölkerung außerhalb jeglicher Reichweite lag (Einschränkung der sozialen Mobilität). Hinzu kam, dass Reichtum, insbesondere von kirchlicher Seite, moralisch verwerflich war. Die Verbreitung des privaten Reichtums hat, historisch betrachtet, ihre Wurzeln zum Großteil im Ausbau des Bankensystems und der Geldwirtschaft in den oberitalienischen Fernhandelshäusern der Renaissancezeit (Mathes, 2003). Zur Etablierung eines zuvor noch nie vorhandenen Wirtschafts- und Politikmodells, entwickelten die Römer ein systematisches Geldwesen. Durch steigende Handelsbeziehungen (im europäischen Raum) verbreitete sich das Geldwesen kontinuierlich. Durch die Einführung des Kontokorrent- und Wechselsystems konnten fiktives Geld und Banken geschaffen werden.

Es ist auch anzunehmen, dass die Römer den Eigentumsbegriff kultivierten. Es wurde möglich, den Besitz über Generationen zu vergrößern und das Vermögen einiger weniger immer mehr zu akkumulieren. Bis dahin war jeglicher Besitz ein „Leihen“ und war jederzeit widerrufbar. Durch das „Leihen“ war das Leben sehr stark gebunden und keinem war es möglich, mehr zu besitzen (Kumpfmüller, o.J.). Privates Vermögen entwickelte im Zuge der Industrialisierung ein bedeutendes Ausmaß. Die Durchsetzung einer marktwirtschaftlichen Ordnung war eng an die Entstehung und Verbreitung privaten Vermögens geknüpft. Eine wesentliche Voraussetzung war die Generierung von individuellem Vermögen, das sich ab dem 19. Jahrhundert zu einem gesellschaftlichen Leitbild entwickelte (Spannagel, 2011).

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