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2.7

Die Darmgesundheit von Schweinen stellt ein sehr komplexes Themengebiet dar, welches im Wesentlichen durch Interaktionen zwischen drei Komponenten bestimmt wird: Der Art und Zusammensetzung des Futters; der Darmbarriere, welche das Darmepithel, die Mukusschicht sowie das Darm-assoziierte lymphatische Gewebe (GALT) beinhaltet, und der Mikroflora des Darms (

Abbildung 3) (MONTAGNE et al. 2003). Eine faserreiche Fütterung beeinflusst somit in Abhängigkeit von der Struktur, Zusammensetzung und Löslichkeit der Faser nicht nur Komponenten der Darmbarriere, sondern auch die Zusammensetzung der Mikroflora des Darms (MONTAGNE et al. 2003; JHA u. BERROCOSO 2015).

Abbildung 3: Schematische Darstellung des Ökosystems des Darms; modifiziert nach MONTAGNE et al. (2003) (modifiziert nach CONWAY (1994))

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Einfluss auf die Darmbarriere 2.7.1

Eine rohfaserreiche Fütterung scheint einen Einfluss auf die Darmanatomie und somit auf die Darmbarriere auszuüben: So konnte nicht nur ein steigendes Leergewicht von Caecum und Colon rohfaserreich gefütterter Mastschweine, sondern auch eine größere Gesamtlänge des Colons beobachtet werden (JØRGENSEN et al. 1996). Auch TOPPING et al. (1997) und MARTINEZ-PUIG et al. (2003) wiesen ein verlängertes Colon bei Flatdeckferkeln unter Zufuhr von resistenter Stärke nach. Da in den genannten Studien nicht nur die Verdaulichkeit der organischen Substanz absank (0,89 vs. 0,58), sondern auch die Passagerate der Ingesta unter der Fütterung von roher Kartoffelstärke bzw. aus Erbsen gewonnener Faser anstieg, gehen MARTINEZ-PUIG et al. (2003) von einer adaptiven Darmverlängerung zur verbesserten Absorption der SCFA aus. JIN et al. (1994) setzten der Ration von Flatdeckferkeln 10 % Weizenstroh über einen Zeitraum von 14 Tagen zu und wiesen bei konstanter Anzahl an Darmzellen eine höhere Zellteilungsrate der Kryptenzellen im Kolon nach. Eine mögliche Erklärung für diese gesteigerte Proliferationsrate sehen SIMON (2001) und MONTAGNE et al. (2003) aufgrund einer höheren Zellabschilferung, welche durch mechanische Reize der Rohfaser hervorgerufen wird. Die mechanische Irritation der Darmoberfläche durch vor allem unlösliche Faserbestandteile führt zudem zu einem höheren Abtrag der Mukusschicht, welche eine Barriere gegen pathogene Bakterien darstellt (LIEN et al. 2001). Hierdurch wird die Mukusproduktion der Becherzellen gefördert, wobei der gebildete Mukus zunächst noch unreif ist, was wiederrum einen Einfluss auf die gebundene Bakterienflora und somit auf die Darmgesundheit haben könnte (SPECIAN u. OLIVER 1991; MONTAGNE et al. 2003).

Einfluss auf das intestinale Mikrobiom 2.7.2

Die intestinale Mikroflora des Schweins setzt sich aus über 500-1000 unterschiedlichen Bakterienstämmen zusammen, wobei ca. 80 % den gram-positiven Firmicutes und ca. 10-15 % den gram-negativen Bacteroidales zuzuordnen sind (LESER et al. 2002; KIM u.

ISAACSON 2015; NIU et al. 2015). Die 16 am häufigsten vorkommenden Bakteriengenera waren bei den folgenden Autoren KIM et al. (2012) und NIU et al. (2015): Lactobacillus, Subdoligranulum, Roseburia, Oscillibacter, Eubacterium, Dorea, Streptococcus, Clostridium, Megasphaera, Escherichia/Shigella, Oribacterium, Blautia,

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Faecalibacterium, Coprococcus, Ruminococcus und Treponema. Dabei variiert die Anzahl der Bakterien in Abhängigkeit vom Abschnitt des Gastrointestinaltraktes und erreicht die höchste Dichte im Dickdarm mit einer Anzahl zwischen 1010 bis 1012 koloniebildenden Einheiten pro g Dickdarminhalt (SAVAGE 1977). Durch die Bildung von kurzkettigen Fettsäuren und Vitaminen trägt die kommensale Bakterienflora nicht nur zur Energie- und Nährstoffversorgung des Tieres bei, sondern erschwert durch die Konkurrenz um Nährstoffe und Bindungsstellen auch eine Ansiedlung von potentiell pathogenen Bakterien (VAN DER WAAIJ et al. 1971; RICHARDS et al. 2005).

Die Zusammensetzung der bakteriellen Mikroflora des Dickdarms hängt wesentlich von der Fütterung des Tieres ab (ISAACSON u. KIM 2012; AUMILLER et al. 2015; PAßLACK et al. 2015). Da vor allem rohfaserreiche Futterpartikel mikrobiell abgebaut werden und die durch den mikrobiellen Abbau von Rohfaserträgern produzierten SCFA eine wichtige Energiequelle für die Mikroben darstellen, verursacht eine Veränderung der Rohfaserversorgung des Tieres auch eine Veränderung innerhalb der Darmflora (METZLER u. MOSENTHIN 2008; JHA u. BERROCOSO 2015). Während durch den Einsatz eher schwer fermentierbarer Faserarten die Proliferation zellolytisch wirkender Bakterienspezies wie Ruminococcus flavefaciens gefördert wird, bewirkt der Einsatz von pektinreichen oder ß-Glucanreichen Faserträgern die Vermehrung von Bacteroides und Lactobacilli (VAREL et al. 1989; METZLER u. MOSENTHIN 2008; WEISS et al. 2015).

Insbesondere fermentierbare Rohfaserträger fördern die Proliferation saccharolytischer Bakterienpopulationen, was einen Anstieg der SCFA und somit einen pH-Wert Abfall der Ingesta zur Folge hat (GIBSON u. ROBERFROID 1995). Ein niedriger pH-Wert wiederrum vermindert das Wachstum potentiell pathogener Bakterien wie beispielsweise E.

coli, Salmonella und Clostridium-Spezies (MAY et al. 1994; AUMILLER et al. 2015).

Durch den Zusatz bestimmter Kohlenhydrate – den sogenannten Präbiotika – wie z.B.

Inulin oder Laktulose wird gezielt das Wachstum erwünschter Keime wie Bifidobakterien und Laktobazillen gefördert (PATTERSON et al. 2010; SATTLER et al. 2015). Diese Bakterienspezies sollen die Darmgesundheit positiv beeinflussen und durch die Bildung von Laktat und Azetat die Ausbreitung pathogener Keime verhindern (GIBSON u.

ROBERFROID 1995).

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Da auch verschiedene Rohfaserträger die Proliferation erwünschter Bakterienspezies begünstigen können, wurden in den letzten Jahren einige Studien nahezu ausschließlich an Absetz- und Flatdeckferkeln durchgeführt, um den nach dem Absetzen oftmals auftretenden Durchfallerkrankungen vorbeugen zu können (HILL et al. 2005; PIEPER et al.

2008; HERMES et al. 2010; CHEN et al. 2013). Durch den Einsatz rohfaserreicher Futtermittel und die daraus resultierende höhere Produktion von SCFA soll das Wachstum pathogener Bakterien, vor allem enterotoxischer E.-coli-Bakterien, nach dem Absetzen im Ferkeldarm minimiert und gleichzeitig die Proliferation gesundheitsfördernder Keime unterstützt werden (MONTAGNE et al. 2003). So wurde beispielsweise bei Fütterung einer gerstenreichen Diät (65 % Gerste) über drei Wochen im Caecum von Ferkeln eine signifikant höhere Anzahl an Lactobacillaceae (8,55 log10 vs. 8,14 log10) und eine tendenziell geringere Anzahl an Enterobacteriaceae (5,96 log10 vs. 6,27 log10) – zu dieser Bakterienfamilie gehört unter anderem E. coli – im Vergleich zu Ferkeln mit einer maislastigen Ration nachgewiesen (DREW et al. 2002). Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch eine Studie von WEISS et al. (2015).

Zudem scheint auch die Fermentierbarkeit und Viskosität der eingesetzten Rohfaserträger von großer Bedeutung zu sein. METZLER-ZEBELI et al. (2013) verglichen das Vorkommen von Clostridium perfringens Typ A in der fäkalen Mikroflora von Absetzferkeln, welche jeweils eins von vier NSP-Konzentraten mit unterschiedlichen Viskositäts- und Fermentationseigenschaften erhielten. Bei Zulage hoch fermentierbarer ß-Glucane war – unabhängig von der Viskosität – das Clostridium-perfringens-α-Toxin unterhalb der Nachweisgrenze der qPCR. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, da Clostridium perfringens Typ A zu einem Durchfallgeschehen bei Saug- und Absetzferkeln führen kann (SONGER u. UZAL 2005). PIEPER et al. (2012) beobachteten mithilfe von in-vitro-Versuchen, dass entspelzte Gerste mit hohen ß-Glucan und Amylosekonzentrationen im Gegensatz zu behüllter Gerste die Clostridienanzahl im Kot bzw. Ileum reduzieren konnte (z.B. Clostridien-Cluster I: 8,70 vs. 8,03 Genkopien/g Kot).

Somit scheint sowohl der ß-Glucan- als auch der Amylose/Amylopectingehalt sowie der totale, lösliche und unlösliche NSP-Gehalt einen Einfluss auf die mikrobielle Darmflora zu haben.

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Doch nicht nur die Art der Faser, sondern auch das Alter der Tiere beeinflusst die Zusammensetzung des gastrointestinalen Mikrobioms (FRESE et al. 2015). Während bei jungen Ferkeln eine gerstenreiche Fütterung die Fraktion der Bifidobakterien reduzierte, konnte bei selbiger Fütterung von Mastschweinen ein Anstieg dieser Bakterienpopulation beobachtet werden (O'CONNELL et al. 2005; GARRY et al. 2007). Es sollte jedoch beachtet werden, dass jedes Schwein eine eigene individuell leicht unterschiedliche Bakterienzusammensetzung beherbergt und es somit zu individuellen Schwankungen innerhalb der Bakterienpopulation kommen kann, selbst wenn diese denselben Haltungsbedingungen ausgesetzt sind (HILL et al. 2005; CONLON u. BIRD 2014). So konnte in einer Studie von HILL et al. (2005) im Ileum von Absetzferkeln eine Variation beispielsweise der Spezies Lactobacillus amylovorus von unterhalb der Nachweisgrenze bis hin zu Werten von 4x1010 Genkopien/g Chymus nachgewiesen werden. Auch die in den Studien angewandten unterschiedlichen mikrobiellen Untersuchungstechniken (kulturell oder molekularbiologisch, in vivo oder in vitro) erschweren einen Vergleich zwischen den einzelnen Studien (KIM u. ISAACSON 2015).

Vor dem Hintergrund, dass der Magen-Darm-Trakt neugeborener Ferkel zur Geburt steril ist und im Laufe der ersten Lebensstunden von den Bakterien der Sau, der Umwelt sowie im Zuge der ersten Nahrungsaufnahme (Kolostrum) besiedelt wird, kommt der bakteriellen Kotzusammensetzung der Muttertiere im Hinblick auf die mikrobielle Besiedlung der Ferkel eine besondere Bedeutung zu (RICHARDS et al. 2005). So konnte in einigen Untersuchungen gezeigt werden, dass die Fütterung der Sau einen Einfluss auf die mikrobielle Zusammensetzung der Darmflora der Ferkel ausübt, jedoch beziehen sich diese Effekte meist auf die Verabreichung von Pro- oder Präbiotika (BAKER et al. 2013;

STARKE et al. 2013; PAßLACK et al. 2015). PAßLACK et al. (2015) verabreichten beispielweise im Zeitraum 21 Tage a.p. bis 14 Tage p.p. Sauen eine Ration mit einem Inulingehalt von 3 % und beobachteten sowohl im Sauenkot 24 h p.p. als auch im Caecum der Ferkel einen signifikant höheren Gehalt an Enterokokken (5,96 ±0,31 vs. 7,00 ±0,91 log10/g Kot bzw. 6,76 ±0,49 vs. 7,57 ±0,46 log10/g Caecuminhalt). SCHUBBERT et al.

(2010) und TAN et al. (2015) wiesen zwar durch Raufuttergaben bzw. durch die Zulage von 2,2 % Konjak-Mehl (gemahlener Wurzelstock der Pflanzenart Teufelszunge) zur Basaldiät in der Trächtigkeit eine um den Faktor 10 reduzierte Keimzahl von Clostridium

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perfringens im Kot tragender bzw. laktierender Sauen nach. Die Darmgesundheit der Ferkel in diesen Studien wurde jedoch weder klinisch, noch mikrobiologisch dokumentiert.

Doch nicht nur die mikrobiologische Zusammensetzung, sondern auch bestimmte Inhaltsstoffe des maternalen Kotes wie z.B. Eisen sind im Hinblick auf ein mögliches Infektionsgeschehen der Ferkel von Bedeutung. Für das Überleben und die Vermehrung vieler pathogener Erreger wie z.B. E. coli ist die Verfügbarkeit von freiem Eisen von höchster Wichtigkeit (STARKENSTEIN 1934). Als natürliche Schutzreaktion des Körpers kommt es im Rahmen eines Entzündungsgeschehens zu einer vermehrten Sekretion eisenbindender Proteine wie Haptoglobin und Transferrin, um den potentiell pathogenen Bakterien die Wachstumsgrundlage zu entziehen (TIZARD 2013). Kommt es jedoch im noch unreifen Darm der Saufgferkel zu einer übermäßigen Verfügbarkeit von freiem Eisen, z.B. durch eine orale Verabreichung eisenhaltiger Präparate, kann ein z.T. letales Durchfallgeschehen bei diesen Tieren ausgelöst werden (KADIS et al. 1984). Vor diesem Hintergrund käme auch dem von den Ferkeln oral aufgenommenen Sauenkot eine besondere Bedeutung als mögliche Eisenquelle für pathogene Durchfallerreger der Ferkel zu.