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5.3 Service im öffentlichen Sektor

6.1.2 Drei-Ebenen-KundInnenmodell

Abbildung 12: Die drei Ebenen des KundInnenbegriffs im öffentlichen Sektor

Quelle: in Anlehnung an: Badura, B./Hart, D./Schellschmidt, H. (1999): Bürgerorientierung des Gesund-heitswesens. Selbstbestimmung, Schutz, Beteiligung. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. 1. Aufl., Baden-Baden, S. 14-16.

6.1.2.1 Ebene 1 - BürgerInnen

Die erste Ebene, jene der BürgerInnen, kann von Badura, Hart und Schellschmidt (1999) auch für die allgemeine Definition (siehe Grafik) übernommen werden.

Als BürgerInnen werden all jene Menschen in einem Staat bezeichnet, die zur Wahl in einer politischen Einheit berechtigt sind.142

„Aktiv wahlberechtigt für die Teilnahme an sämtlichen Wahlen ist eine Österreicherin oder ein Österreicher, wenn sie (er) spätestens am Tag der Wahl das 16. Lebensjahr voll-endet hat. Das Erlangen des passiven Wahlrechts bei Wahlen erfolgt wenn ein(e) Bewer-ber(in) am Stichtag der Wahl die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und spätestens am Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet hat.“143

Geht man in weiterer Folge von dieser Definition aus, wären alle nicht wahlberechtigten Staatsbürger, auch keine potentiellen KundInnen des öffentlichen Sektors. Hier ist also die Annahme zu treffen, dass auch nicht wahlberechtigte Personen bei Bedarf öffentliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen können (z.B.: Kinder).

Wie bereits mehrmals angedeutet, reicht im reformierten Managementmodell des öffentli-chen Sektors der Bürger bzw. die Bürgerin als LeistungsempfängerIn längst nicht aus. In der Literatur wird deshalb häufig von verschiedenen Rollen gesprochen, die wiederum auf unterschiedliche Beweggründe und daraus resultierende Interaktionen mit dem öffentlichen Sektor hinweisen.

„Die Rolle des Bürgers bzw. der Bürgerin wird auf der Ebene der betrieblichen Legitima-tion durch die Rolle als Kunde bzw. Kundin ergänzt (nicht ersetzt!). Die Kundenmeta-pher[sic] soll die Dienstleistungsmentalität in der Verwaltung unterstützen.“144

Die Ausführung von Schedler und Pröller (2011) ist ein Beispiel für das Bestehen von ver-schiedenen Rollen, die von BürgerInnen eingenommen werden.

142 Vgl. Bultmann, P. (2008): Öffentliches Recht. Mit Vertiefung im Gewerbe-, Wettbewerbs-, Subventions- und Vergaberecht, 2. Aufl., Berlin u.a., S. 5.

143 Bundesministerium für Inneres (Hrsg.): Wahlen Wahlberechtigung, Wien, http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/wahlrecht/Wahlberechtigung.aspx, 23. Juli 2013.

144 Schedler, K./Proeller, I. (2011): New Public Management, 5. Aufl., Bern u.a., S. 72.

Merkmale

Im theoretischen Abschnitt dieser Arbeit wurde eine allgemeine Definition der Begriffs KundIn vorgenommen. Dabei wurde in erster Linie Literatur zum privatwirtschaftlichen Sektor herangezogen. Es wird nun überprüft, welche der gefundenen Kriterien auf den Be-griff BürgerIn angewendet werden können.

Bei BürgerInnen wird davon ausgegangen, dass noch kein konkretes Bedürfnis nach Leistungen des öffentlichen Sektors besteht. Dieses wird erst in einer späteren Phase des Interaktionsprozesses wahrgenommen und dessen Erfüllung verfolgt. Badura, Hart und Schellschmidt (1999) bezeichnen dies, allerdings nur auf das Gesundheitswesen bezogen, als „…relativ abstraktes Interesse…“145. Das bedeutet, dass die Angehörigen eines Staates zwar gewisse Ansprüche an ihn stellen, es gibt für sie aber noch keinen Grund diese An-sprüche genau zu benennen oder zu beschreiben. Beispiele hierfür gehen aus den Sparten der Verwaltungsaufgaben, wie Sicherheit, Ordnung, Recht, Wirtschaft, Infrastruktur oder Regierung, hervor. Als Gegenleistung für die Erwartungen werden Steuern entrichtet (sie-he Kapitel Bezahlung/Gegenleistung), wobei anzumerken ist, dass die Bezahlung von Steuern kein Indikator für mögliche Leistungsinanspruchnahme ist.

6.1.2.2 Ebene 2 - KundInnen im weiteren Sinn

Auf der zweiten Ebene befinden sich in der Beschreibung von Badura, Hart und Schell-schmidt (1999) die Versicherten. Sie verfolgen das Ziel, durch möglichst geringen Auf-wand, die bestmögliche gesundheitliche Versorgung zu erhalten. Der Versicherungsschutz soll den geleisteten Beiträgen gerecht werden. Zusätzlich wird eine gewisse Qualität der öffentlichen Leistungen vorausgesetzt. 146

Für die in dieser Arbeit vorgenommene Definition, nehmen die sogenannten „KundInnen im weiteren Sinn“ die Stelle der Versicherten ein. Von ihnen wird noch keine spezielle Leistung in Anspruch genommen. Der Unterschied zu den BürgerInnen besteht jedoch darin, dass hier bereits über das Leistungsangebot nachgedacht wird. Bei der

145 Badura, B./Hart, D./Schellschmidt, H. (1999): Bürgerorientierung des Gesundheitswesens. Selbstbe-stimmung, Schutz, Beteiligung. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. 1. Aufl., Baden-Baden, S. 15.

146 Vgl. Badura, B./Hart, D./Schellschmidt, H. (1999): Bürgerorientierung des Gesundheitswesens. Selbstbe-stimmung, Schutz, Beteiligung. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. 1. Aufl., Baden-Baden, S. 15.

setzung mit dem Leistungsspektrum der öffentlichen Einrichtung, rücken persönliche An-forderungen immer mehr in den Vordergrund.

Merkmale

Die KundInnen im weiteren Sinn sind im Vergleich zu den BürgerInnen besser über das Leistungsangebot öffentlicher Einrichtungen informiert. Sie setzten sich aktiv mit den einzelnen Aspekten, die mit einer Inanspruchnahme einhergehen, auseinander. Das be-deutet, es wird bewusst Zeit aufgewendet, um Informationen einzuholen und bereits eine grobe Bewertung der zu erwartenden Leistung durchzuführen.

6.1.2.3 Ebene 3 - KundInnen im engeren Sinn

Die dritte und somit letzte Eben in der Ausführung von Badura, Hart und Schellschmidt (1999) bilden die PatientInnen. Als PatientIn hat man einerseits durchaus die Wahl die leistungserbringende Einrichtung zu wählen und andererseits auch das Recht mehrere Leis-tungsanbieterInnen in Anspruch zu nehmen. In gewissem Maße hat man als Leistungsemp-fängerIn auch die Möglichkeit, den Erfolg oder die Qualität der Leistung zu beeinflussen (z.B.: als PatientIn: es könnte sich vorteilhaft auf die Diagnose bzw. Behandlung auswir-ken, wie viele und vor allem detailliertere Informationen man an den behandelnden Arzt/die behandelnde Ärztin weitergibt; Einhalten des Behandlungsplans).

In der allgemeinen Definition, die in dieser Arbeit vorgenommen wird, wird diese dritte Ebene von den „KundInnen im engeren Sinn“ eingenommen. Da diese Ebene von den Pa-tientInnen abgeleitet wird, kann auch ihr die Wahlmöglichkeit in manchen Fällen zuge-sprochen werden. Hier kann man zwischen direkter und indirekter Wahlmöglichkeit diffe-renzieren:

 direkt: der Kunde/die Kundin kann unmittelbar aus verschiedenen Leistungsanbie-terInnen wählen (z.B.: Krankenhäuser)

 indirekt: der Kunde/die Kundin kann „nur“ mittelbar beeinflussen welchen Leis-tungsanbieter/welche Leistungsanbieterin er/sie in Anspruch nimmt (z.B.: Wahl des Hauptwohnsitzes gibt die zuständige Gemeinde vor)

Merkmale

Ein Kriterium, das die KundInnen im engeren Sinn beschreibt, ist die freie Entscheidung, ob eine Interaktion mit der öffentlichen Einrichtung erfolgt (natürlich gibt es hier Ausnah-men, die durch gesetzliche Bestimmungen entstehen). Auf dieser Ebene des KundInnenbe-griffs kommt es zu einer tatsächlichen Interaktion zwischen LeistungsempfängerIn und LeistungsanbieterIn – ebenjenem Vorgang der in der Privatwirtschaft als Kaufereignis be-zeichnet wird. Wie das Beispiel der PatientIn schon erahnen lässt, gehört der Aspekt der Leistungserstellung auch zu den Eigenschaften der KundInnen im engeren Sinn. Das be-deutet, dass vom Kunden/von der Kundin nicht nur Leistungen entgegengenommen wer-den, sondern dass er/sie sich aktiv in Sinne von Co-Produktion in den Prozess einbringen kann (siehe Kapitel Begriffsdefinitionen im Privatsektor).