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4. Diskussion

4.1 Diskussion der Methoden

4.1.1 NGS als zuverlässige MRD Messmethode

Next Generation Sequencing zur Messung der verbliebenen Allellast in CR ist den meisten Methoden zur Messung der MRD überlegen. Ein großer Vorteil der Methode ist die Tatsache, dass eine Vielzahl von Genen als MRD-Marker dienen kann. Da die Methode theoretisch auf jede Mutation übertragbar ist, bietet sie breite

70 Anwendungsmöglichkeiten. In unserer Studie konnte bei 93% aller Patienten mindestens eine geeignete Mutation als MRD-Marker identifiziert werden. Ähnliche Daten wurden bei einer Studie von Papaemmanuil et al. erhoben, die ebenfalls in über 90% der AML-Patienten eine molekulare Aberration mit NGS detektierte. Der Einsatz von NGS ist von großer Bedeutung, da bei etwa 60% der AML-Patienten mit den bislang etablierten Methoden keine MRD-Messung möglich ist. (30) Mit Next Generation Sequencing kann somit bei der Mehrheit der AML-Patienten eine Überwachung der minimalen Resterkrankung erfolgen.

Die größte Problematik lag bei einem Sequenzierungsfehler von bis zu 1% je Nukleotid. (67) Das machte es schwierig echte Mutationen von z.B. Polymerasefehlern zu unterscheiden. Unsere Methode der Fehlerkorrektur basierte auf der Arbeit von Schmitt et al., wobei etwa 99% aller Sequenzierungsfehler mit einer Einzelstrang-Konsens-Sequenz korrigiert wurden. (67) Die Messgenauigkeit der geläufigen Standard-NGS-Ansätze basierte auf der Annahme der korrekten Analyse von einzelsträngiger DNA. Dies schränkte die Fehlerkorrektur bei DNA-Einzelsträngen ein und bot somit einen Schwachpunkt im Vergleich mit einer Einzelstrang-Konsens-Sequenz, wie bei Schmitt et al. Wir ersetzten diese durch read families, welche als eine Sequenz mit zwei identischen random barcodes definiert war. Der Einbau von random barcodes wurde bereits von Kinde et al. als sensitivste Methode zur Verbesserung der Genauigkeit der NGS-Sequenzierung beschrieben. (84) Allerdings konnten Fehler, die in der ersten PCR, bei der die random barcodes an die DNA synthetisiert werden, nicht vermieden werden, weshalb wir die Anzahl der PCR-Zyklen auf fünf reduzierten. Dennoch ließen sich Fehler durch Artefakte nicht vermeiden, die das Vorhandensein wahrer seltener Varianten verdeckten. (85) Wir legten eine Grenze von 10.000 read families fest, die mindestens erreicht werden musste, um mit unserer bioinformatischen Fehlerkorrektur eine Auswertung vorzunehmen. So gelang es uns die mediane Hintergrundfehlerrate auf 0,0071% zu reduzieren. Damit konnten wir VAFs von bis zu 0,005% nachweisen. Bei bisher veröffentlichten Studien, die NGS als MRD-Methode oder Nachweis von mutational cleaning verwendeten, lag die nachweisbare VAF mit 2-2,5% wesentlich höher. (86-88) Einigen aktuellen Studien war es ebenfalls gelungen Mutationsraten von weniger als 2% nachzuweisen. (83,89-91) Die NGS-Methode von Stasik et al. fußte auf dem Prinzip der Ion Torrent Halbleitersequenzierung und detektierte VAFs von 0,01-0,0015% bei der JAK2-V617F-Punktmutation, die vor allem bei myeloproliferativen Neoplasien eine Rolle

71 spielte. Bei der Untersuchung von anderen Punktmutationen in den Genen DNMT3A, IDH1, IDH2, NRAS, und KRAS betrug die Sensitivität ebenfalls <0,1%. Zwar ist die Sensitivität mit unserer Methode vergleichbar, allerdings beschränkte sich die Untersuchung auf bekannte Punktmutationen in Onkogenen und bot daher nur bei geläufigen Mutationen einen Anhaltspunkt. Zudem traten mit dieser Methode bei Transitionen signifikant höhere VAFs als bei Transversionen auf. (90) Jongen et al.

detektierte mittels targeted-NGS VAFs von bis zu 0,02% und verwendete zusätzlich die multiparametrische Durchflusszytometrie, um auch eine minimale Resterkrankung in Form von Leukämie-assoziierten Phänotypen zu identifizieren. Dies wurde ergänzend durchgeführt, da auch Patienten, die keine messbare Resterkrankung nachweisen, rezidivierten. (83) Trotz unserer sehr sensitiven Methode zeigte sich in unserer Studie, dass auch Patienten ohne MRD-Nachweis einen Rückfall erleiden können. Von 53 MRD-negativen Patienten erlitten 8 ein Rezidiv, sodass auch diese Methodik Einschränkungen aufweist. Hierbei müsste künftig untersucht werden, ob sich das Sensitivitätslevel noch weiter senken lässt oder weshalb einige Patienten trotz fehlender MRD Nachweisbarkeit rezidivieren. Bei fünf Patienten zeigte sich bei Untersuchung der Rezidivprobe, dass der MRD-Marker vermutlich durch klonale Evolution verloren gegangen war.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unser Konzept des fehlerkorrigierten NGS eine sehr sensitive und zuverlässige Methode zur Detektion der minimalen Resterkrankung darstellt, die bei der Mehrheit der AML-Patienten angewendet werden kann. Somit kann die komplette Remission durch eine zusätzliche molekulare Diagnostik überwacht werden. Konkret bedeutet das, dass ein Rezidiv bereits bevor es klinisch auffällt, frühzeitig apparent wird und somit gegebenenfalls zusätzliche therapeutische Schritte eingeleitet werden können. Dennoch stellt sich die Frage, ob das untere Detektionslevel noch weiter reduziert werden kann, um jedmögliche Resterkrankung nachzuweisen, oder ob das Verfahren hier an seine Grenzen stößt.

Eine Kombination mit anderen MRD-Methoden wäre denkbar, um möglichst alle Formen der minimalen Resterkrankung zu erfassen. Jede gemessene Mutation ist vor dem Hintergrund, dass es sich um Sequenzierungsfehler handeln könnte, kritisch zu betrachten und mit der Hintergrundfehlerrate in Zusammenhang zu bringen. Dennoch bietet die Methode durch ihre breite Anwendung und hohe Sensitivität viele Möglichkeiten den Krankheitsverlauf der Leukämie zu optimieren.

72 4.1.2 Vergleich der MRD Methode mit Durchflusszytometrie

Die MRD-Messung mit der Durchflusszytometrie ist eine etablierte Methode, die vor allem den Phänotyp der Leukämie erfasst. Zwar kann die Methode auf die Mehrheit der AML-Patienten angewendet werden, jedoch ist die Technik schwierig zu standardisieren. (61) Dennoch konnte in einigen Studien gezeigt werden, dass eine positive MRD-Messung in CR mittels MFC mit einer höheren Rezidivrate assoziiert war und somit eine geeignete Methode zur Erfassung der minimalen Resterkrankung darstellte. (92,93) Walter et al. untersuchten ebenfalls den Zeitpunkt der CR vor allogener Stammzelltransplantation und stellte fest, dass MRD-positive Patienten ein kürzeres Gesamtüberleben und eine höhere Rezidivrate hatten. Als MRD-positiv wurden keine bestimmten cut-offs definiert, sondern jede messbare Abweichung wurde als MRD-positiv bewertet. Es wurden MRD-Level von <0,01% gemessen. (92) Bei unserer Untersuchung wurde jedes messbare Level kritisch vor der Hintergrundfehlerrate betrachtet, sodass nicht jede messbare Resterkrankung als MRD-positiv betrachtet wurde. Allerdings beruhte die MFC auf der aberranten Antigen-Expression und war deshalb womöglich anders zu beurteilen. Die Beurteilung der MRD nach dem „diffrent from normal“-Prinzip könnte allgemein verwendet werden, erfordert jedoch technische und analytische Expertise. (94) Araki et al. führte eine ähnliche Studie mit vergleichbaren Ergebnissen durch. Die Sensitivität der MFC-Technik variierte mit der Art der phänotypischen Aberrationen und dem Immunphänotyp der normalen Zellen der restlichen Population. Daher gab es keine einheitliche Sensitivitätslevel für alle Patienten, was verdeutlichte, dass die MFC-Technik noch nicht ausreichend standardisiert ist. (93) Getta et al. untersuchte die MRD von AML-Patienten vor Stammzelltransplantation mit beiden Methoden und verglich die Ergebnisse von MFC- und NGS-basierter MRD. Die Ergebnisse stimmten in etwa 70% überein. Für NGS wurde im Vergleich zu unserer Studie ein wesentlich höherer cut-off von 5% verwendet. Patienten, die in beiden Methoden MRD-positiv waren, hatten ein höheres Risiko als Patienten, die mit mindestens einer Methode MRD-negativ waren. Es war die erste Studie, die gezeigt hat, dass die Persistenz von minimaler Resterkrankung und atypischen Blasten eine negative Auswirkung auf die Rezidivwahrscheinlichkeit und das Überleben haben. Es wurde festgestellt, dass die Resterkrankung in den mit NGS gemessenen Allellasten deutlich höher war als der Prozentsatz der aberranten Blasten, die mit MFC quantifiziert wurden. Das spricht dafür, dass die allelische Resterkrankung eher nicht in den Blasten persistiert und NGS

73 das überlegene Verfahren war. (88) Eine aktuelle Studie von Jongen-Lavrencic et al.

belegte ebenfalls, dass NGS sensitiver MRD detektierte als MFC. (83) Auch wenn die Untersuchung mit MFC wichtige zusätzliche Informationen zum MRD-Status lieferte, lässt sich die NGS-basierte Methode besser standardisieren, was für den klinischen Alltag von Bedeutung ist. (62)

4.1.3 Vergleichbarkeit mit rt-PCR

Die qRT-PCR gilt als der Goldstandard bei der Bestimmung der NPM1-Mutationslast.

Die MRD-Messung wird in der klinischen Routine durchgeführt, da ein Anstieg des Markers mit einem erhöhten Rezidivrisiko einher geht. Die Untersuchung beschränkt sich in der Regel auf die typischen Mutationen von Typ A, B und D und erreichten Sensitivitäten von 10-6. Anhand der nachweisbaren NPM1-Allellasten nach Chemotherapie konnten Aussagen über die Remissionsdauer und das Gesamtüberleben getroffen werden. Patienten mit rt-PCR-Negativität hatten ein geringeres Risiko ein Rezidiv zu erleiden. Allerdings erwies sich NPM1 als unstabiler Marker, der im Rezidiv verloren gehen konnte. Patkar et al. untersuchte den NPM1-Mutationsstatus bei AML-Patienten nach Chemotherapie mittels ultradeep Next Generation Sequencing und verglich ihn mit der rt-PCR-Methode. Die Untersuchung erreichte Sensitivitäten von 0,001% und konnte neben den klassischen Mutationen neun seltenere Mutationen detektieren, die mit dem rt-PCR-Verfahren nicht erfasst wurden. (95) Vorteil der NGS-Untersuchung war, dass nur ein Primerpaar nötig ist, um alle potenziellen NPM1-Mutationen abzudecken. Außerdem konnte sie an einer großen Gruppe von AML-Patienten, welche nicht die NPM1-Mutation aufwiesen, angewendet werden. Somit ist die NGS-basierte Methode hinsichtlich der technischen Aspekte der rt-PCR überlegen, da mit einer Sequenzierung bereits ein Großteil der Mutationen abdeckt ist und einen einheitlichen MRD-Nachweis bietet.