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Diskussion um die Einführung der Konstitutionslehre in die Tierzucht

IX Konstitutionslehre in der Tierzucht

1. Diskussion um die Einführung der Konstitutionslehre in die Tierzucht

Die Diskussion über die Frage „Form- oder Leistungszucht“ (vgl. dazu auch Kapitel VII 1.2 Diskussion um die Bedeutung der Vererbungsregeln) führt dazu, dass die Probleme, welche bei übertriebener Leistungszucht auftreten, kritisch hinterfragt wer-den. Daraus entwickelt sich die Diskussion um die „Konstitution“, in der besonders die Definition des wissenschaftlich eindeutigen Begriffs Konstitution eine bedeutende Stellung einnimmt. Daneben wird die Abgrenzung der Forschungsergebnisse, welchen Einfluss Vererbung beziehungsweise Umwelt auf die Konstitution haben, angestrebt.

In der Diskussion um die Zuchtziele wird neben der Zucht auf Erhöhung der Leistun-gen auch eine Zucht auf Widerstandskraft gefordert. Von Kronacher werden bereits 1921 in der Neuauflage des Standardwerkes „Allgemeine Tierzucht“ Ergänzungen hin-zugefügt, in denen er sich gegen eine Überbetonung der formalistischen Zuchtziele, die nur auf äußerlich erkennbare Merkmale abziele, ausspricht und die Konstitution bei der Beurteilung der Zuchttiere berücksichtigt wissen will (MAYER 1922, 575-577).

Dies wird gestützt von Knell, der die These aufstellt, dass die Zuchtwahl auf Form dann nicht

„in veterinärmedizinischem Sinne befriedigend ist [...], wenn sie allein die höchste einseitige Leistung verspricht, sondern wenn sie der Naturform am nächsten kommt und – außer der spezifischen Leistung – Gesundheit und Widerstandfähigkeit verbürgt“ (KNELL 1925, 563).

Daneben fordert er dazu auf, vermehrt auf die Gesamtheit der Rasse zu achten (ebd.).

Ebenso argumentieren Gutbrod, der die Zuchtwahl nach Gesundheit betont (GUTBROD 1925, 117-121), und Wohlgemuth, der als Zuchtziel die „Stärkung einer robusten, allen Anforderungen der Umwelt gewachsenen Konstitution gepaart mit natürlicher Frucht-barkeit“ (ME. 1927, 46) fordert.

Die negativen Folgen der (Hoch-)Leistungszucht für die Gesundheit der Tiere bleiben ebenfalls Thema. Auf der Wintertagung der Deutschen Gesellschaft für Züchtungs-kunde am 1. Februar 1928 in Berlin referiert Walther über die Fortschritte der Konstitutionsforschung, insbesondere auf dem Gebiet der Vererbung, und die

Bedeu-tung, vor allem für die praktische Zucht (ANONYM 1928 II, 141).

Trotzdem erfolgt noch keine wissenschaftlich exakte Definition der Konstitution, die häufig mit Widerstandskraft und Disposition synonym verwendet wird. In seinem Vor-trag über Aufzuchtkrankheiten sagt Dahmen:

„Es ist ohne Zweifel, daß die ständig gesteigerte und verfeinerte Zucht bei einer verzärtelnden Aufzucht in vielen Fällen die natürliche Widerstandskraft der Tiere brachlegt“ (DAHMEN 1928, 65).

Dies wird auch von Beller gestützt. Er sieht die tieferen Ursachen für Jungtierkrankheiten, nachdem weder Mikrobiologie noch Umwelthygiene befriedigende Antworten gege-ben hätten, auf konstitutionellem Gebiet (HESSELBARTH 1940, 581).

Sokolowsky spricht von „Kulturkrankheiten“, womit er in erster Linie die Dispositio-nen für die Krankheiten der landwirtschaftlichen Nutztiere meint. Er fordert, dass die Wissenschaft die Interessen der Landwirtschaft in ihrer Arbeit mehr beachten müsse und führt als Vorbild die USA an (SOKOLOWSKY 1928 I, 287-289).

Neben der Schwächung der Konstitution wird auch die Schwächung des „Geschlechts-lebens“ mit der Hochleistungszucht in Verbindung gebracht (GEHRING 1935, 473).

Mit dem Begriff der Konstitution scheint es möglich, die Brücke zwischen Form und Leistung zu schlagen. Von Anton Kirchner werden die Forschungsergebnisse in einem zweiteiligen Artikel 1929 in der Münchener Tierärztlichen Wochenschrift veröffent-licht. Er verweist im Wesentlichen auf die Forschungsergebnisse des Schweizers Duerst.

Dieser schlägt vor, die Konstitutionstypen der Humanmedizin38 auf das Tier zu über-tragen. Die Ergebnisse zur Definition der Konstitution der wichtigsten deutschen Wis-senschaftler auf diesem Gebiet, er nennt im wesentlichen Kronacher, Böttger und Götze, werden in Zusammenhang mit den Versuchen Duersts diskutiert (KIRCHNER 1929, 20-22 & 35-37).

Dabei ist nicht nur schwierig, wie der Begriff der Konstitution wissenschaftlich geklärt werden kann, auch die Anwendung dieser Erkenntnisse auf die Tiermedizin und die Nutzung für die Tierzucht machen Probleme. Stockklausner wird daher in einem

Refe-38 Schmaler – leptosomer Typ, mittlerer – mesosomer Typ, breiter – pyknosomer Typ (BOSS 1987, 976-977).

rat mit den Worten zusammengefasst: „züchterische Erfahrung und Intuition bilden auch heute noch die einzige Methode der Konstitutionsbeurteilung“ (MÜLLER 1933, 168).

Mit dem Artikel von Stang über die Bedeutung der Konstitutionstypen beim Tier wird ein grundsätzlicher Artikel veröffentlicht. Stang verweist auf Kronacher und Duerst, welche die Einteilung der Tiere in Konstitutionstypen, wie sie beim Menschen bereits praktiziert wird, für möglich halten. Für Stang liegt der Vorteil in der Möglichkeit, die Beurteilung der Zuchttiere dardurch zu verbessern, indem ein Zusammenhang von Körperform und Zuchtziel hergestellt werde, da häufig die Konstitutionstypen mit Zucht-zielen übereinstimmen würden (STANG 1935, 44, 703-704). Der Artikel findet in aus-führlichen Besprechungen Widerhall (ME. 1936 I, 403-404, CARL 1936, 629-630).

Innerhalb der Frage, welchen Faktoren bei der Zuchtwahl eine Rolle beigemessen werden soll, nimmt die Konstitution immer mehr eine bedeutende Rolle ein. Hogreve wird in einem Referat wie folgt wiedergegeben:

„Bei der Konstitutionsfrage handelt es sich um die Kernfrage der gesamten Züchtung. Die heute geübte Leistungszucht muß unbedingt eine Konstitutions-kontrolle in sich einschließen“ (HEYN 1937 V, 720).

Diese Position wird von Koch in seinem Artikel „Konstitutionskrankheiten“ gestützt, in dem eine ausgeglichene Sichtweise fordert:

„Konstitutionskrankheiten sind Krankheiten, bei deren Zustandekommen eine erbliche, in ihrem Wesen noch unklare Veranlagung eine wesentliche Rolle spielt. Daneben sind aber für das Zustandekommen solcher Krankheiten auch noch allgemeine und spezifische Umwelteinflüsse bedeutungsvoll“ [im Origi-nal gesperrt] (KOCH 1937, 781).

Weiter führt er in Bezug auf die Behandlung von Konstitutionskrankheiten aus:

„Auf Grund der Ätiologie muß bei der Diagnostik und bei der Therapie der Konstitutionskrankheiten die Vererbung berücksichtigt werden, aber aus dem gleichen Grund dürfen die Methoden der Erblehre und den [!] Rassenhygiene nur ergänzend zu den bekannten und bewährten Methoden treten und dürfen sie nicht generell ersetzen“ (ebd., 782).

Analog zur Humanmedizin, in der die Rassenhygiene in der Hand des Arztes liegt, sieht Koch voraus, dass die Tiermedizin für die Rassenhygiene in der Tierzucht ver-antwortlich sein wird. Aus diesem Grund fordert er die planmäßige Ausbildung der Tierärzte auf dem Gebiet der „Rassenhygiene“ (ebd. 783).

Dabei wird der Konstitutionsbegriff nicht nur bei den Haussäugetieren angewendet.

Grzimek referiert auf der Arbeitstagung des Reichsgeflügelherdbuchs vom 26. bis 29.

Januar 1937 in Hummelshain über die Ausbreitung von chronischen Krankheiten bei den Nutztieren, die er auf die Konstitutionsschwächung durch die Hochzüchtung zu-rückführt (STENDER 1937, 155).

2 Konstitutionskrankheiten

In der Konstitutionsforschung nimmt Schäper eine führende Rolle innerhalb der Erfor-schung von sogenannten Konstitutionskrankheiten ein. Eine Vielzahl der deutschen Beiträge zur Konstitutionsforschung wird von ihm veröffentlicht oder in anderen Zeit-schriften referiert.39 Schäper will, so referiert Heyn, die erblichen Faktoren der Krank-heiten erforschen, denn die „bisherige medizinische Denk- und Arbeitsweise berück-sichtigte vor allem Umwelteinflüsse [...] bei der Krankheitsermittlung und –bekämpfung“

(HEYN 1937, 8). Mit seinem Buch „Konstitutionsforschung und Krankheitsbekämpfung in der Tierzucht“ lege Schäper, laut Richter, eine Schrift vor, die die Ergebnisse der Konstitutionsforschung für die praktische Anwendung nutzbar machen wolle (RICH-TER 1937, 169). Weiterhin verweist er darauf, dass die Konstitutionsforschung in der Humanmedizin bereits große Fortschritte gemacht habe und nun auch in der Tiermedi-zin Beachtung finden müsse (STOCKKLAUSNER 1936, III). Er sieht in den Konstitutionskrankheiten Zuchtseuchen und betont, dass Dispositionen zu Tuberkulo-se, Gelbem Galt und so undifferenzierten Krankheitsbildern wie Sterilität und Verwer-fen durch Zuchthygiene „behandelt“ werden müssten (HEYN 1937 III, 249). Trotz-dem betont er, dass die Erfolge der Seuchenbekämpfung nicht durch züchterische Lei-stung ersetzt werden könnten, sondern durch die Zucht auf Widerstandsfähigkeit er-gänzt werden müssen (HEYN 1937 IV, 416).

Schäper legt 1939 die Grundzüge seiner Konstitutionsforschung der Tierärzteschaft in der Berliner und Münchener Tierärztlichen Wochenschrift in einem zweiteiligen Arti-kel dar (SCHÄPER 1939, 69-73 & 85-89).40 Er beschreibt die Auswirkungen, die seiner Meinung nach die Ergebnisse der Konstitutionsforschung auf die Tiermedizin

39 So zum Beispiel Konstitution und Konstitutionsbeurteilung in der Tierärztlichen Rundschau (WILD 1938, 84).

40 Dieser Artikel wird in der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift referiert (STOLZ 1939, 314-315).

haben werden. Verkürzt dargestellt definiert Schäper Konstitution als das ererbte Reaktionsvermögen des Körpers auf Umwelteinflüsse. Für Schäper steht fest, dass

„Entstehung und Verlauf der normalen und krankhaften Merkmale und Le-bensläufe bei Haustieren und Menschen den Gesetzen der Vererbung unter-worfen sind“ [Hervorhebung im Original] (ebd., 69).

Daher stellt er die These auf:

„In Anbetracht der Tatsache, daß planmäßige züchterische Maßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitspflege und -führung bei unseren Haustieren – im Gegensatz zum Menschen – ohne weiteres durchführbar sind, wird die Tier-medizin durch die neuen erbbiologischen Erkenntnisse in ganz besonderem Maße berührt“ [Hervorhebung im Original] (ebd.).

Je nach Gewichtung der erblichen und der umweltbedingten Faktoren teilt er Krank-heiten in drei Kategorien

1. Echte Erbkrankheiten, bei denen Umwelteinflüsse praktisch keine Rolle spie-len (als Beispiel werden unter anderen das Bulldogkalb des Rindes oder Melano-sarkome der Pferde angeführt),

2. Konstitutionskrankheiten, für die ein Zusammenspiel von Umwelt- und Erb-faktoren verantwortlich ist (das Gros der Krankheiten mit dem „Paradebeispiel“

Tuberkulose),

3. Umweltfaktoren, bei denen die Vererbung praktisch keine Rolle spielt (als Bei-spiel Fütterungsfehler) (ebd., 71).

Entsprechend seiner Ausführungen steht die züchterische Komponente bei Schäper im Vordergrund. Neben den Aspekten Form und Leistung muss seiner Ansicht nach die Gesundheit der Tiere, was für ihn eine einwandfreie Konstitution bedeutet, als dritter selektierender Faktor berücksichtigt werden (ebd., 87-88). Für Schäper stellt die Beto-nung der Erblichkeit in der Entstehung von Krankheiten jedoch keine Rechtfertigung für die Nichtbehandlung von Krankheiten dar. Er will sich vielmehr so verstanden wis-sen, dass die Konstitution Ausgangspunkt jeder Therapie sein muss (ebd., 72-73). Ähn-lich äußert sich auch Carstens in seinem Buch „Das Konstitutionsproblem in der Tier-zucht“. Hier betont er, dass es wichtig sei, zu erkennen, ob Konstitutionsschäden ererbt oder erworben sind (SCHAETZ 1944, 276).

Die von Schäper aufgestellten Thesen der überwiegenden bis alleinigen Bedeutung der Erblichkeit bei der Krankheitsentstehung werden von Goerttler als wissenschaftlich noch nicht belegt zurückgewiesen. Auslöser ist für ihn dabei ein Artikel über Erbfehler

und –krankheiten des Rindes in der „Deutschen Landwirtschaftlichen Tierzucht“, in dem Schäper besonders die Notwendigkeit der Sterilitätsbekämpfung durch züchteri-sche Maßnahmen betont. Mit Verweisen auf diverse Autoren zeigt er die Schwachstel-len der Schäper‘schen Beweisführung auf. Insbesondere verweist er auf die Ausfüh-rungen Götzes, wonach die Gründe für die „Sterilität“ des Rindes häufig in den Män-geln des Zuchtbetriebes und der Haltung zu finden seien. Auch stellt er die Thesen Schäpers in Frage, dass jede Krankheit eine erbliche Komponete besitze und somit eine „Erbkrankheit“ darstelle. Er führt die Erbfehlerforschung von Butz an, die gezeigt habe, wie schwierig es sei, „echte“ Erbfehler als solche eindeutig abzugrenzen und zu bestimmen (GOERTTLER 1939, 190-193; 205-208).

Stang sieht den praktischen Nutzen der Konstitutionsforschung durchaus kritisch. Er schreibt dazu:

„Da die Leistung im Zuchtziel heute obenan steht, erstrebt der Züchter diese ohne große Rücksicht darauf, ob die Organe und Organsysteme große Bela-stung auf die Dauer ertragen“ (STANG 1943, 103).

Außerdem stellt er fest, dass bisher kein Merkmal gefunden werden konnte, mit des-sen Hilfe die Konstitution eindeutiger beurteilt werden kann. Dennoch fordert er, wei-terhin Aufzeichnungen in Kliniken und Züchtervereinigungen über den Konstitutions-typ anzufertigen, um diese statistisch auswerten zu können (ebd., 101-103).

2.2 Tuberkulose

In der Tuberkulose-Forschung findet sich sehr häufig die Ansicht, dass eine ererbte Disposition die entscheidende Rolle für Ausbruch und Verlauf der Krankheit haben solle. Damit nimmt die Diskussion um die Frage, welchen Einfluss die ererbte Konstituion auf den Krankheitsverlauf hat, eine starke Stellung ein.

Vielleicht auf Grund des fehlenden Wissens um die Vorgänge bei von Viren hervorge-rufenen Krankheiten41 wird eine Theorie entwickelt, nach der es sich bei der Immunität gegen bestimmte Krankheiten um eine erbliche Komponente handele (HINK 1924 I, 478-480).

41 Hink nennt in seinem Artikel Rotlauf, Maul- und Klauenseuche und Staupe sowie die Traberkrankheit der Schafe (Scrapie).

Diese Theorie findet in ähnlicher Form Widerhall in der Diskussion um die Tuberkulo-se. Dabei werden von Ruppert auch Annahmen als Beweise benutzt und Ergebnisse anderer Wissenschaftler bewusst ignoriert. So werden von ihm bei seiner Beweisfüh-rung die Ergebnisse Bangs aus Dänemark nicht beachtet.42 Einen Beweis für die erbli-che Disposition von Tuberkulose sieht dieser darin, dass es Tuberkulin-Test positive Tiere gibt, die keine Anzeichen einer Tuberkulose-Erkrankung zeigen.43 Die Erkennt-nis, dass es „apathogene“ Tuberkulose-Erreger geben könnte, wird von Ruppert au-ßer acht gelassen (RUPPERT 1935, 209-211).

In der Frage nach dem Einfluss der Vererbung auf die Tuberkulose fordert Wohlgemuth eine reichsweite Erhebung. Er begründet dies mit der Verschiedenartigkeit der Um-weltbedingungen, die nur durch eine breite empirische Erfassung aller wichtigen Fak-toren, wie Stammbaum, Fütterung, Haltung, Klima und so weiter, eine wissenschaftli-che Auswertung ermögliwissenschaftli-che (WOHLGEMUTH 1941, 369-370). Hansen fordert tuberkulosepositive Tiere von der Aufnahme in das Rinderleistungsbuch auszuschlie-ßen. Wie Schäper sieht er in der Tuberkulose eine starke erbliche Komponente und will so die „Erbgesundheit“ der Rinder verbessern (HEYN 1942, 143). Diese These wird durch die Untersuchungen von Diehl am Kaninchen gestützt. Diehl will Eigen-schaften, die zur Ausbildung bestimmter Formen der Tuberkulose führen, durch Züch-tung beseitigt haben (A. 1943, 115).

Rautmann dagegen sieht keinerlei Beweise dafür, dass die Tuberkulose eine Erbkrank-heit ist und weist darauf hin, dass „[...] auch der Beweis, daß eine spezifische Tuberkulosedisposition vererbt wird, noch von keiner Seite erbracht [ist]“ (ME. 1936, 331). Für ihn stellt die Vermeidung von Ansteckungsmöglichkeiten und die sogenannte Ostertag’sche Sanierung, die Merzung erkrankter Tiere, die einzige sinnvolle Möglich-keit der Bekämpfung dar (ebd.).

Richter hält am 11. Juni 1943 in Breslau anlässlich der 20. Sitzung der veterinär-medizinischen Abteilung der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur einen Vortrag über Mesenchymopathie44, Disposition, Konstitution und Vererbung. Er

ver-42 Bei den Untersuchungen will Bang keinen Zusammenhang von gesteigerter Leistung und erhöhter Tu-berkulose festgestellt haben.

43 Was bei einer Infektion mit dem für Rinder apathogenen Avium-Erreger durchaus möglich ist.

weist auf Beller, für den bei Jungtier- und Aufzuchtkrankheiten eine Entartung des Mesenchyms zugrunde liege. Außerdem zitiert er Bier aus der Münchener medizini-schen Wochenschrift von 1931, welcher behauptet, dass sich erworbene Eigenschaften vererben würden (RICHTER 1943, 348).

3 Fruchtbarkeit

Für Götze sind die Hauptgründe für Unfruchtbarkeit vor allem in den Einflüssen von Umwelt und Infektionen zu suchen (RITTER 1939, 524-525). Anders Wille, der in der Unfruchtbarkeit vor allem ein „Blutwallungsproblem“ sieht, was von Götze als „hypo-thetisch-mystische Sicht“ zurückgewiesen wird (GÖTZE 1940 II, 148). In der Zu-sammenfassung eines Artikels über die Fortpflanzungsüberwachung in Thüringen wird ebenfalls angegeben, dass Fütterungs- und Haltungsfehler sowie Fehler des Zucht-betriebs die überwiegende Anzahl der Fruchtbarkeitsstörungen verursachten (GOERTTLER/PRÖGER 1940, 97-101 & 109-111). Die Fehlerquote der fälschlich von den Besitzern als trächtig angesehenen Tiere wird von Goerttler mit 20% angege-ben (GOERTTLER 1940, 111-113), wozu auch Tierärzte beitragen, die, wie Wille, die rektale Trächtigkeitsuntersuchung als entbehrliche Mehrbelastung ansehen (KÖSER 1940, 406).45 Mit dem Hinweis, dass gegenüber den umweltbedingten Faktoren die erblichen Faktoren verschwindend gering seien, wendet sich ebenfalls der Oberland-wirtschaftsrat Otto gegen eine tierzüchterische Bekämpfung der Sterilität (ANONYM 1941 V, 487). Gleiches vertritt Goerttler (NEUMÜLLER 1943, 24). Und in einem Referat zu Götze wird betont, dass dieser die tierzüchterische Bedeutung bei der Bekämpfung der Fruchtbarkeit für weniger wichtig halte. Er empfehle dagegen die Verbesserung von Haltung, Fütterung und Fruchtbarkeitsüberwachung sowie die seuchenhygienische Bekämpfung der Tuberkulose und des Abortus-Bang (HESSELBARTH 1943, 24). Selbiges wird auch von Dobberstein und Goerttler be-tont. Sie verweisen ferner darauf, dass alle Versuche, seuchenresistente Tiere zu züch-ten, gescheitert seien (PUSCH 1943, 149).

44 Etwa: Krankheiten des Keimgewebes.

45 Rudolf Wille bezeichnet die rektale Trächtigkeitsuntersuchung als Schönheitsfehler der Sterilitäts-untersuchung und ereifert sich über Tierärzte, die diese Untersuchung durchführen (GOERTTLER 1940, 112).

X Erbfehler