• Keine Ergebnisse gefunden

Differenzierung des Explorationsverhaltens

Ästhetisches Erleben

Nach BERLYNE tendiert das Interesse an einem Objekt mit seinem Erregungspotential anzusteigen, egal ob dieses aus seiner Neuheit oder seiner Komplexität herrührt. In Studien wurden komplexere Muster als interessanter angesehen und je mehr sich die Teilnehmer der Studien an ein Muster gewöhnt hatten, es also seine Neuheit verloren hat, umso mehr ließ das Interesse an diesem Gegenstand nach.656

In Anlehnung an BERLYNE basiert für RITTERFELD der Tatbestand des Gefallens auf einem

„inkongruenten Vergleichsergebnis“, welches sich aus einem „“komplexen, neuartigen, überraschenden, ambiguen oder ungewissen Eindruck“ ergibt, sowie der „erfolgreichen Reduzierung von Erregung“.657 Gefallen kann nur auftreten, wenn ein neuer Reiz bei der Verarbeitung auf keine kongruenten Gedächtnisinhalte trifft, bzw. wenn Diskrepanzen auftreten.658

Indem er sich dem Reiz intensiver widmet, versucht der Wahrnehmende die Unsicherheit zu reduzieren. Dieses Interesse bzw. diese „Neugier“ hält solange an, „bis das Erregungsniveau

652 Vgl. Kroeber-Riel, Werner; Gröppel-Klein, Andrea: Konsumentenverhalten.10. Aufl., Verlag Franz Vahlen GmbH, München, 2013, S. 439.

653 Vgl. ibid., S. 432.

654 Vgl. ibid., S. 330.

655 Vgl. ibid., S. 439.

656 Vgl. Berlyne, Daniel E.: Novelty, complexity, and interestingness, in: D.E. Berlyne (Ed.), Studies in the new experimental aesthetics: Steps toward an objective psychology of aesthetic appreciation, Hemisphere Public, Washington, 1974, S. 175 - 180, S. 175 und S. 179.

657 Vgl. Berlyne, Daniel E.: Novelty, complexity, and interestingness, in: D.E. Berlyne (Ed.), Studies in the new experimental aesthetics: Steps toward an objective psychology of aesthetic appreciation, John Wiley & Sons, New York, 1974b, S. 175f, zitiert nach Ritterfeld, Ute: Psychologie der Wohnästhetik. Wie es uns gefällt, Psychologie Verlags Union, Weinheim, 1996, S. 19.

658 Vgl. Ritterfeld, Ute: Psychologie der Wohnästhetik. Wie es uns gefällt, Psychologie Verlags Union, Weinheim, 1996, S. 19.

Kapitel 2: Stand der Forschung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften auf ein angenehmes Maß reduziert werden kann“.659 Ästhetisches Erleben ergibt sich somit

„durch eine erfolgreiche Reduktion von Erregung (physiologisch ausgedrückt) oder Unsicherheit (kognitivistisch ausgedrückt) (…), die aus Vergleichsprozessen mit Gedächtnisinhalten“ herrühren.660 Grundsätzlich ist ästhetisches Erleben also nicht direkt auf den Reiz selbst zurückführbar, sondern vielmehr auf die Verarbeitung des Reizes.661

Weiter hängen ästhetisches Erleben und die damit im Zusammenhang stehenden ästhetischen Präferenzen im hohen Maße „von der kognitiven und motivationalen Sozialisationshistorie eines Individuums“ ab.662 Bei der ästhetischen Urteilsbildung sowie den ästhetischen Präferenzen von unterschiedlichen Personengruppen existieren daher große Unterschiede. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die einzelnen Personen einer solchen Gruppe eine ähnliche Sozialisationshistorie besitzen und sich somit auch in ihrem Verhalten ähnlich sind.663

Ästhetische Exploration

Es existieren verschiedenen Formen der ästhetischen Exploration. WOHLWILL unterscheidet, aufbauend auf den Theorien BERLYNES, bei der ästhetischen Urteilsbildung zwischen den

„grundlegend verschiedenen, intrinsisch motivierten Explorationsformen“ der ‚inspectiven‘ und der ‚affectiven‘ Form der Reizexploration.664 Hierdurch ergeben sich zwei unterschiedliche Arten von Präferenzen bzw. differierende Typen der „ästhetischen Urteilsbildung“. Der

„Pleasure Seeker“, dessen Rezeptionsart als ‚pleasure driven‘665 bezeichnet werden kann, und der „Explorer“, der in seinem Rezeptionsverhalten als ‚cognitive driven‘666 gesehen wird, stellen dabei, als jeweilige Extremausprägungen, dieser beiden unterschiedlichen Explorationstypen dar.667 Der „Pleasure Seeker“ ist in seiner Urteilsbildung eher emotional, bzw. affektiv ausgerichtet, d.h. er gibt sich einer „unmittelbaren Wirkung“ hin und beschäftigt sich nur oberflächlich mit einer ihm präsentierten Reizkonfiguration. Der „Explorer“ hingegen wendet sich einer ihm präsentierten Reizkonfiguration sehr viel intensiver zu und bildet sein

659 Vgl. Ritterfeld, Ute: Psychologie der Wohnästhetik. Wie es uns gefällt, Psychologie Verlags Union, Weinheim, 1996, S. 19.

660 Vgl. Wöllenstein, Alexandra: Longlife. Zur Umsetzung einer zeitinvarianten Produktstrategie, Beiträge zum Produktmarketing, Bd. 36, Fördergesellschaft Produkt-Marketing e.V., epubli GmbH, Berlin, 2010, S. 96.

661 Vgl. Ritterfeld, Ute: Psychologie der Wohnästhetik. Wie es uns gefällt, Psychologie Verlags Union, Weinheim, 1996, S. 19.

662 Vgl. Wöllenstein, Alexandra: Longlife. Zur Umsetzung einer zeitinvarianten Produktstrategie, Beiträge zum Produktmarketing, Bd. 36, Fördergesellschaft Produkt-Marketing e.V., epubli GmbH, Berlin, 2010, S. 145.

663 Vgl. ibid., S. 145.

664 Vgl. Wohlwill, Joachim F.: A Conceptual Analysis of Exploratory Behavior: The “Specific-Diverse” Distinction Revisited, In Advances in Intrinsic Motivation an Aesthetics, [Hrsg,]: Day, H.I., New York u. a. 1981, S.341-383, S. 353 ff, zitiert nach Wöllenstein, Alexandra: Longlife. Zur Umsetzung einer zeitinvarianten Produktstrategie, Beiträge zum Produktmarketing, Bd. 36, Fördergesellschaft Produkt-Marketing e.V., epubli GmbH, Berlin, 2010, S. 145.

665 Vgl. Winston, Andrew S. & Cupchik, Gerald C.: The evaluation of high art and popular art by naïve and experienced viewers. Visual Arts Research, Vol. 18, No. 1, 1992, pp. 1-14, S. 12 und S.13.

666 Vgl. Ibid., S. 12 und S.13.

667 Vgl. Ritterfeld, Ute: Psychologie der Wohnästhetik. Wie es uns gefällt, Psychologie Verlags Union, Weinheim, 1996, S.39 und Wöllenstein, Alexandra: Longlife. Zur Umsetzung einer zeitinvarianten Produktstrategie, Beiträge zum Produktmarketing, Bd. 36, Fördergesellschaft Produkt-Marketing e.V., epubli GmbH, Berlin, 2010, S. 145

Kapitel 2: Stand der Forschung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

ästhetisches Urteil aufgrund der „Theorien der psychologischen Ästhetik“.668 Die ästhetischen Präferenzen des „Pleasure Seeker“ werden in der „klassischen Ästhetiktheorie“ als „‘trivial‘ und damit als nicht-ästhetisch abgewertet.“669

HAUCK betrachtet in seiner Arbeit die beiden Arten der Reizexploration nachZUCKERMAN. Die erste schreibt dieser dem sog. „High-Sensation-Seeker“ zu. Diese Art der Reizexploration zeichnet sich durch eine „eher ungerichtete Lenkung der Aufmerksamkeit und eine diffuse Form der Wahrnehmung“ aus und kommt bei der Exploration eines Objektes einem

„geistige(n) Darüber-Hinwegfliegen“ gleich.670 Die andere Art der Reizexploration, die sog.

„Vertiefung“ erfolgt über eine differenzierte Wahrnehmung, wodurch eine „ständige oder wiederholte Auseinandersetzung in abstrakter (…) oder konkreter Form (…) mit demselben Objekt“ möglich wird.671 Hierbei erfolgt eine wiederholte und intensive Auseinandersetzung mit dem Objekt nach dem „Prinzip der Einzigartigkeit“ wodurch, aufgrund der sich immer wieder neu ergebenden Aspekte, hierbei kaum Langeweile aufkommt.672

WÖLLENSTEIN kommt zu dem Ergebnis, dass sich die beschriebenen Ansätze zur Differenzierung des Explorationsverhaltens bei der ästhetischen Urteilsbildung in ihrem Prinzip kaum voneinander unterscheiden. „Dem emotional getriebenen Sensation-Pleasure-Seeker steht der kognitiv getriebene, vertiefende Explorer gegenüber.“673 Aufgrund seines „intrinsisch bedingten Explorationsverhaltens“ bei der ästhetischen Urteilsbildung empfindet ein

„emotional getriebener Sensation-Seeker“ ein Produkt bereits nach kurzer Zeit als ästhetisch obsolet „da seine ästhetischen Ansprüche einem schnellen Wandel unterliegen“.674 Eine Vermeidung ästhetischer Obsoleszenz, die eindeutig intrinsisch bedingt ist, ist hier durch

„Mittel des Marketing“ oder der Produktgestaltung nahezu unmöglich.675 Der kognitiv getriebene Explorer dagegen widmet sich ein und demselben Objekt ausgiebig und über einen

668 Vgl. Wöllenstein, Alexandra: Longlife. Zur Umsetzung einer zeitinvarianten Produktstrategie, Beiträge zum Produktmarketing, Bd. 36, Fördergesellschaft Produkt-Marketing e.V., epubli GmbH, Berlin, 2010, S. 146

669 Vgl. Ritterfeld, Ute: Psychologie der Wohnästhetik. Wie es uns gefällt, Psychologie Verlags Union, Weinheim, 1996, S. 39.

670 Vgl. Zuckerman, M.: Biological foundations of the sensation-seeking temperament. In J. Strelau, F.H. Farley &

A. Gale (Eds.), The biological bases of personality and behavior (Vol. 1) (pp.97-113). Washington, D. C.:

Hemisphere, 1985, zitiert nach Hauck, Matthias G.: Reizkonsum und Reizsuche im Alltagsleben – Analyse und Weiterentwicklung der persönlichkeits-theoretischen Ansätze der „Sensation-Seeking-Forschung“ in der Sozialpsychologie, Dissertation an der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg, Würzburg 1990, S. 61.

671 Vgl. Zuckerman, M.: Biological foundations of the sensation-seeking temperament. In J. Strelau, F.H. Farley &

A. Gale (Eds.), The biological bases of personality and behavior (Vol. 1) (pp.97-113). Washington, D. C.:

Hemisphere, 1985, zitiert nach: Hauck, Matthias G.: Reizkonsum und Reizsuche im Alltagsleben – Analyse und Weiterentwicklung der persönlichkeits-theoretischen Ansätze der „Sensation-Seeking-Forschung“ in der Sozialpsychologie, Dissertation an der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg, Würzburg 1990, S. 61.

672 Vgl. Zuckerman, M.: Biological foundations of the sensation-seeking temperament. In J. Strelau, F.H. Farley &

A. Gale (Eds.), The biological bases of personality and behavior (Vol. 1) (pp.97-113). Washington, D. C.:

Hemisphere, 1985, zitiert nach Hauck, Matthias G.: Reizkonsum und Reizsuche im Alltagsleben – Analyse und Weiterentwicklung der persönlichkeits-theoretischen Ansätze der „Sensation-Seeking-Forschung“ in der Sozialpsychologie, Dissertation an der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg, Würzburg 1990, S. 61.

673 Vgl. Wöllenstein, Alexandra: Longlife. Zur Umsetzung einer zeitinvarianten Produktstrategie, Beiträge zum Produktmarketing, Bd. 36, Fördergesellschaft Produkt-Marketing e.V., epubli GmbH, Berlin, 2010, S. 148.

674 Vgl. ibid., S. 148

675 Vgl. ibid., S. 148

Kapitel 2: Stand der Forschung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften langen Zeitraum, wodurch die Gefahr der ästhetischen Obsoleszenz deutlich weniger gegeben ist.676

Explorationsverhalten von Zielgruppen

WÖLLENSTEIN kommt zu dem Schluss, dass Explorationsgruppen bis dato bei der ästhetischen Urteilsbildung fast ausschließlich isoliert betrachtet wurden. Andere Personenmerkmale wurden noch nicht damit in Kontext gesetzt. Somit finden sich in der der gesamten Marketing-Literatur fast keine konkreten Hinweise über „das ästhetische Explorationsverhalten einzelner Zielgruppen oder Milieus.“677 Da das (ästhetische) Erleben und die (ästhetischen) Präferenzen eines Individuums jedoch im hohen Maße „von der kognitiven und motivationalen Sozialisationshistorie eines Individuums“678 abhängen und daher von großen Unterschieden zwischen den jeweiligen Personen- bzw. Nutzergruppen ausgegangen werden kann, ist es erforderlich, sich mit den jeweiligen Zielgruppen und ihren Anforderungen auseinanderzusetzen.679

Das Verhalten eines Nutzers bzw. eines Konsumenten wird durch die Werte festgelegt, an denen er sich orientiert. Dieses Verhaltensmuster wird im Laufe des Lebens durch persönliche und gesellschaftliche Werte geprägt und kann als „Lifestyle“ bezeichnet werden. Dieser Lebensstil wird „durch die nach aussen sichtbaren Verhaltensmuster“ festgelegt.680 Anhand ihrer Lebensstile werden Konsumenten in der Marktforschung zu Kundensegemente zusammengefasst.681 Ein Beispiel ist die Einteilung in sogenannte „Sinus-Milieus“, die basierend auf mehr als 30 Jahren sozialwissenschaftlicher Forschung durch das Sinus - Institut Heidelberg aufgestellt wurden. Dabei kann ein Milieu verstanden werden „als soziale Gruppe, die in Fragen der Lebensentwürfe und gelebten Lebensformen, der angestrebten Vergnügungen der politischen Grundhaltungen, der Freizeitformen und Konsumweisen sowie weiteren Aspekten des Alltagslebens ein hohes Maß an Einheitlichkeit aufweist.“682 Anstatt nur

„wenige soziodemographische „objektive“ Kriterien zur Ermittlung sozialer Gruppen heranzuziehen“, versuchen Milieu- und Lebensstilansätze viele „lebensstilbezogene und alltagsästhetische („Subjektive“) Kriterien“ zu verwenden.683 Aufgrund des Überangebots von Produkten auf den Märkten versuchen Unternehmen durch „technische und ästhetische Veränderungen“ ihre eigenen Produkte innerhalb der Marktsegemente von denen der Konkurrenz abzusetzen. Durch den Wandel, der sich sowohl in der Produktwelt, als auch in den Lebensstilen vollzieht, kommt es zu einer Diversifikation bzw. einem Wandel im Verhalten der Konsumenten. Die Präferenzen der Kunden bzw. Nutzer hängen nicht einfach nur von

676 Vgl. Wöllenstein, Alexandra: Longlife. Zur Umsetzung einer zeitinvarianten Produktstrategie, Beiträge zum Produktmarketing, Bd. 36, Fördergesellschaft Produkt-Marketing e.V., epubli GmbH, Berlin, 2010, S. 148

677 Vgl. ibid., S. 148 und S. 149.

678 Vgl. ibid., S. 145.

679 Vgl. ibid., S. 145.

680 Vgl. Homburg, Christian: Marketingmanagement, Strategie-Instrumente-Umsetzung-Unternehmensführung, 4.

Aufl., Springer Gabler Verlag, 2012, S. 50.

681 Vgl. ibid., S. 50.

682 Vgl. Diaz-Bone, Rainer (2004, Mai). Milieumodelle und Milieuinstrumente in der Marktforschung [26 Absätze].

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [Online Journal], 5(2), Art. 28.

Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-04/2- 04diazbone-d.htm [Zugriff: 29.11.2013].

Absatz 3.

683 Vgl. ibid., Absatz 4.

Kapitel 2: Stand der Forschung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

deren monetärer Situation ab, sondern vielmehr „welche vom Markt angebotenen (bzw. von ihm aufgegriffenen) Trends und Konsumgüter zu den Lebensstilvorstellungen der unterschiedlichen Milieus passen und welche nicht.“ 684

684 Vgl. Diaz-Bone, Rainer (2004, Mai). Milieumodelle und Milieuinstrumente in der Marktforschung [26 Absätze].

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 5(2), Art. 28.

Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-04/2- 04diazbone-d.htm [Zugriff: 29.11.2013].

Absatz 5.

Kapitel 3: Die Immobilie - Stand der Forschung

3 Die Immobilie – Stand der Forschung