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Differenzen und Gemeinsamkeiten

Im Dokument 60 01 (Seite 152-157)

Gutachterliche Stellungnahme für das Umweltbundesamt (April 2001)

3. Differenzen und Gemeinsamkeiten

Eine Auswertung der oben zitierten Papiere und Stellungnahmen lässt Differenzen und Gemein-samkeiten

a) bei den Definitionen

b) beim Handlungsrahmen und den Handlungszielen

c) bei den handlungsrelevanten Bereichen und zu untersuchenden Parametern erkennen.

a) Definitionen

Grundlegende Definitionen, die sich, wie die Gegenüberstellung ergibt, in wesentlichen Punkten unterscheiden, sind von der UBA-AG wie von der BBA-AG vorgelegt worden. Die Definitionen des Sachverständigenrats für Umweltfragen werden hierbei nicht einbezogen, da sie die vorlie-gende EU-Novelle noch nicht berücksichtigen konnten.

Tabelle 1 Vergleich der Definitionen der Arbeitsgruppen BBA vs. UBA BBA-AG

Freisetzungsbegleitende Sicherheitsforschung Inhaltlich, zeitlich und räumlich begrenzte Unter-suchung im Rahmen von Freisetzungen vor dem Inverkehrbringen, Fall-zu-Fall-Betrachtung

UBA-AG

Begleitforschung

Inhaltlich, zeitlich und räumliche begrenzte Unter-suchung im Rahmen von Freisetzungen

Nachgenehmigungsmonitoring

Beobachtung nach der Genehmigung eines Pro-dukts auf der Grundlage spezifischer Frage-stellungen über einen begrenzten Zeitraum (Fall-zu-Fall-Betrachtung)

Anbaubegleitendes Monitoring

Langfristige Beobachtung nach der Genehmi-gung eines Produkts auf der Grundlage

- allgemeiner (von einer Risikobewertung unab-hängigen, offenen)

- wie spezifischer (Fall-zu-Fall-)

Fragestellungen im Vergleich mit konventionellen Sorten und Anbausystemen

Monitoring der Umweltwirkungen

Langfristige Beobachtung allgemeiner und spe-zieller (Ursache-Wirkungs-Hypothesen-geleiteter) Umweltwirkungen im Rahmen einer ökologischen Dauerbeobachtung/allgemeinen Umweltbeobach-tung

Unterfall „anbaubegleitendes Monitoring“

Beobachtung von Effekten von Produkten oder Produktgruppen auf die landwirtschaftliche Praxis und das Agrarsystem

Die Unterschiede betreffen weniger die (freisetzungs-)begleitende Forschung als vielmehr die In-terpretation der von der EU-Novelle vorgegebenen Begriffe der „fallspezifischen Überwachung“

und der „allgemeinen überwachenden Beobachtung“. (Tabelle 1)

Soweit es sich um gentechnisch veränderte Pflanzen (GVP) handelt, werden diese üblicherweise

„angebaut“. Der Terminus „anbaubegleitendes Monitoring“ stellt bei GVP somit eher eine Tautolo-gie dar und ist unglücklich gewählt. Die unterschiedlichen Ansätze dürften daher eher in der Aus-legung des Monitoring-Begriffs und unterschiedlichen Zielvorstellungen liegen.

Dies ist näher zu untersuchen.

b) Handlungsrahmen und -ziele

Zum Handlungsrahmen und zu den Handlungszielen lassen sich die Stellungnahmen der ver-schiedenen Institutionen gegenüberstellen, um die Unterschiede in den vorgestellten Ansätzen zu verdeutlichen . (Tabelle 2)

Tabelle 2 Vergleich der vorliegenden Stellungnahmen zu Handlungsrahmen und Zielen SRU

Einrichtung einer ökologischen Dauerbeob-achtung als breit angelegtes Programm für trans-gene Kulturpflanzen und ihre Wildverwandten:

„Ein solches Monitoring sollte vorrangig den Zie-len der biologischen Sicherheit und des Natur-schutzes dienen und die ökologischen Auswir-kungen untersuchen, die sich aus einer möglichen Ausbreitung transgener Pflanzen bzw. der einge-setzten Fremdgene ergeben.“

„Weiterhin muss die Dauerbeobachtung stets auf ganzheitliche Untersuchungsansätze aufgebaut werden und dem Beziehungs- und Wirkungs-geflecht aller Organismen, der Ökosysteme und damit der biologischen Vielfalt gerecht werden.“

GfÖ

„Die Erforschung, Abschätzung und Bewertung von Umweltauswirkungen einerseits sowie die Definition und Bewertung ökologischer Risiken beim Einsatz von GVO andererseits müssen stär-ker als bisher unter Einbindung von ökologischen Fachdisziplinen stattfinden. Die bisher vernach-lässigte ökosystemanalytische, biozönologische und populationsökologische Expertise muss gleichgewichtig mit der molekularbiologischen integriert werden.“

„Diese Ansätze sind zugleich essentielle Grund-lagen für die Entwicklung langfristiger Beobach-tungsprogramme, die eine kommerzielle Anwen-dung transgener Organismen flankieren müssen.“

UBA-AG

„Ein Monitoring von GVP hat die Aufgabe, Verän-derungen der Umwelt durch gentechnisch verän-derte Pflanzen zu ermitteln, auszuwerten und zu bewerten.

Das Monitoring von GVP muss in der Lage ein, Wissenslücken über Umweltwirkungen, insbeson-dere hinsichtlich Langzeitwirkungen, zu schließen sowie einmal getroffene Entscheidungen im Rah-men des Vollzugs GenTG an der Realität zu ü-berprüfen.“

„Es ist darüber hinaus die Aufgabe eines Monito-ring, Wirkungshypothesen im Sinne der Vorsorge zu überprüfen sowie nicht vorhersehbare Effekte zu ermitteln.“

„Ein Monitoring soll Verteilungen und Wege der Verbreitung von Genen und Organismen in der Umwelt erfassen, Häufigkeiten ermitteln, beste-hende Trendaussagen und Prognosen überprüfen oder zur Klärung von Wirkungshypothesen und von Wirkungsfragen im Rahmen einer groß-flächigen Anwendung beitragen.“

„Daraus ergibt sich, dass Monitoring der Umwelt-wirkungen von GVP einerseits hypothesengeleitet erfolgt, die auf Hinweisen aus der Wirkungsfor-schung beruhen, andererseits auch Ursachenfor-schung einschließt.“

BBA-AG

„Die wesentliche Anforderung an das zu ent-wickelnde Monitoringverfahren besteht in der Be-stimmung und Festlegung von solchen Para-metern und Erfassungsmethoden, die mit vertret-barem Aufwand zu relevanten Monitoringergeb-nissen führen. Standorte, Design und Parameter entsprechender Langzeitmonitoringversuche an Referenzstandorten sind zu definieren. Die erho-benen Befunde sind stets im Vergleich zu den Nicht-GVP der gleichen Art unter möglichst glei-chen Bedingungen zu sehen und zu bewerten.“

„Ein Schwerpunkt des anbaubegleitenden Monito-rings sollte im Bereich der Erfassung von poten-tiellen Veränderungen im Auftreten von Schader-regern einschließlich Unkräutern liegen. Diese Erfassung sollte auch die Entstehung von Resis-tenzen mit einbeziehen.“

Erwähnt werden soll auch die Forderung des WBGU: „Bei Inverkehrbringen der transgenen Pflan-zen sollte die Forschung zudem durch ein langfristiges und ökosystemorientiertes Nachzulas-sungsmonitoring ergänzt werden.“8)

Die oben postulierten Unterschiede zwischen einem „ökologisch begründeten“ und einem „ertrags-orientierten“ Monitoring sind deshalb von Interesse, weil es bei den in der Folge zu untersuchen-den Parametern Differenzen hinsichtlich des Umfangs und der Dauer gibt.

c) handlungsrelevante Bereiche und zu untersuchende Parameter

Aufbauend auf den Vorschlägen des SRU haben die Arbeitsgruppen beim UBA und der BBA Kon-kretisierungen der handlungsrelevanten Bereiche bzw. der zu untersuchenden Para-meter vorge-nommen:

Tabelle 3 Vergleich der Untersuchungsparameter von SRU, UBA-AG und BBA-AG *) - Klassifizierung von Fremd- genen

- Überdauerung, Ausbreitung, Etablierung und Einwande- rung in Nichtzielbiotopen - Auskreuzung, Vorkommen

und Verteilung von Kreu-zungspartnern und Hybriden - Beobachtung von Nichtziel-

Biotopen

- Erhebung von Fitnesspara- metern

- Erfassung von strukturellen und funktionellen Verände-rungen

- Änderungen der Biodiversi-tät

- Änderungen evolutiver Pro- zesse

- durch veränderte Eigen-schaften der GVP

- durch Gentransfer auf Nicht- GVP

- durch direkte Wechselwir-kungen mit Ziel- und Nicht-zielorganismen

indirekte GVP-Wirkungen:

- Veränderung des Anbau-verfahrens

- veränderte Artenzusammen-setzung von Flora und Fau-na

- Auswirkung auf Organismen höherer Trophiestufen

1.

Initiierung von Fallstudien zur Ermittlung, welche Detailfragen in Dauerbeobachtungsprogram-men bearbeitet werden sollen 2.

Integration in die allgemeine Ökologische Dauerbeobachtung

Dokumentation des Status quo (Ist-Zustand vor Eintrag gen-technisch veränderter Organis-men in die Umwelt)

3.

Ermittlung und Dokumentation der Exposition der Umwelt

(kontinuierliche Umweltzu- standserhebung)

4.

Schaffung der Grundlagen für die Abschätzung zukünftiger Entwicklungen

(z.B. Veränderungen der Biodi-versität und deren Bewertung)

b)

Monitoring von Randstrukturen (angrenzend an und beeinflusst von landwirtschaftlichen Nutzflä-chen)

mögliche GVP-Wirkungen:

- durch Gentransfer auf Nicht- GVP

- Ausbreitung Auswilderung

- Veränderte Artenzusammen-setzung der Wildflora und -fauna

- Wechselwirkungen mit Ziel- und Nichtzielorganismen

*) Anmerkung: Die Systematik der Vorlagen wurde beibehalten

Diese Gegenüberstellung (Tabelle 3) spiegelt die Unterschiede in den Ansätzen wider, wobei die BBA-AG eine weitgehende Einengung des Untersuchungsansatzes auf die landwirtschaftliche Praxis vornimmt und z.B. die Erfassung der Mikroflora auf der Pflanzenoberfläche und im Wurzel-bereich, von Symbionten und Saprobiern nicht für Langzeituntersuchungen vorsieht.

Während in der Stellungnahme des SRU bereits ein Konzept für die Auswertung (Ausbreitungsin-dex/Klassifizierung von Fremdgenen) vorgeschlagen wird, verweist die UBA-AG bisher nur auf die Notwendigkeit der Entwicklung von Bewertungsmodellen, ohne auf diesen Vorschlag konkret ein-zugehen. *)

Die BBA-AG kommt offensichtlich ohne ein entsprechendes Konzept aus, da sich die vorgeschla-genen Untersuchungen in dem (methodischen und Auswertungs-) Rahmen bewegen, der traditio-nell zur Bewertung von Erträgen verwendet wird.

Die Vorschläge beider Arbeitsgruppen, welche Kulturpflanzen und welche Arten der gentech-nischen Veränderungen prioritär untersucht werden sollten, unterscheiden sich nur geringfügig, da die verwendeten Kriterien weitgehend identisch sind : Man hat sich jeweils auf die für eine Ver-marktung relevanten GVP beschränkt.

Was entspricht hiervon den Zielvorstellungen der novellierten Freisetzungsrichtlinie der EU ? Der Anhang VII der Novelle trifft konkrete Festlegungen zu den Inhalten des „Überwachungs-plans“:

„ Der Überwachungsplan sollte ...

3. eine allgemeine überwachende Beobachtung auf unerwartete schädliche Aus-wirkungen und erforderlichenfalls eine (fall-)spezifische Überwachung vorsehen, in deren Mittelpunkt die in der Umweltverträglichkeitsprüfung ermittelten schädlichen Auswirkungen stehen.

3.1 Die fallspezifische Überwachung sollte über einen ausreichend langen Zeitraum er-folgen, damit sofortige und direkte Wirkungen sowie gegebenenfalls auch spätere oder indirekte Auswirkungen, die bei der Umweltverträglichkeitsprüfung ermittelt wurden, erfasst werden können.

3.2 Bei der beobachtenden Überwachung könnte gegebenenfalls von bereits bestehen-den routinemäßigen Überwachungspraktiken wie z.B. der Überwachung landwirt-schaftlicher Kulturformen, des Pflanzenschutzes, oder der Tier- und Humanarznei-mittel Gebrauch gemacht werden. ...

4. die systematische Beobachtung der Freisetzung eines GVO in das Aufnahmemilieu und die Auswertung dieser Beobachtungen im Hinblick auf den Schutz der mensch-lichen Gesundheit und der Umwelt erleichtern; ...“

Die Richtlinie unterscheidet die fallspezifische Beobachtung ermittelter oder prognostizierter schädlicher Auswirkungen von der allgemeinen Beobachtung auf unerwartete schädliche Auswir-kungen, macht jedoch beides zum Gegenstand des Überwachungsplans. Dem entspricht die Defi-nition der BBA-AG (Tabelle1) zum „anbaubegleitenden“ Monitoring – jedoch mit der wesentlichen Einschränkung, dass es nur um einen Vergleich mit den konventionellen Sorten und

Anbausyste-men gehe. Die Definition der UBA-AG füllt die Anforderungen der EU-Novelle gleichfalls aus, je-doch ohne einschränkende Bedingungen: Die eingeschränkte Zielsetzung der BBA-AG wird hier nur als ein möglicher Teilaspekt der Beobachtung gesehen – offensichtlich zu Recht, wenn man Wortlaut und Zielsetzung des Anhang VII im Kontext der Novelle interpretiert.

*) Anmerkung: Das allgemeine Bewertungskonzept des UBA (TEXTE-Band 58/96) wird derzeit aktualisiert.

Bezieht man das in Ziffer 4. noch einmal festgeschriebene Vorsorgeprinzip in den Vergleich mit ein, wird die Differenz zwischen den beiden Ansätzen noch offensichtlicher.

Damit sind weitere Problemfelder, die sich aus den unterschiedlichen Leitbildern ergeben können, jedoch noch nicht geklärt:

- Was wird - vor dem jeweiligen Hintergrund - unter „schädlichen“ Auswirkungen verstanden?

- Welches Risiko wird jeweils als „sozialadäquat“ angesehen?

Die Antworten hierauf sind überwiegend politisch determiniert. Sie können nicht in fachlich orien-tierten Arbeitsgruppen des Bundes und der Länder in jedem Einzelfall entschieden werden. Eine eindeutige Positionierung der zuständigen Bundesministerien für Umwelt, Gesundheit und Land-wirtschaft/Verbraucherschutz ist dringend gefordert.

Im Dokument 60 01 (Seite 152-157)