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3 METHODISCHER ZUGANG

5.2 Arbeiten, wo frau gebraucht wird

5.2.5 Die Zukunft als Mutter, Ehefrau und Wirtin

Seit ihrer frühen Jugend und auch durch die Beziehung zu ihrem Ex-Freund ist sie durch ihre Vereinsaktivitäten gut in die ländliche Dorfgemeinschaft integriert. Vor allem durch ihr Engagement in der örtlichen Landjugend ist sie auf vielfältige Weise präsent (z.B. Mitglieder werben). Außerdem ist sie bei der Volkstanzgruppe sowie bei den Schuachplattlern und spielt im Musikverein (in der Musi) seit vielen Jahren Klarinette.

Trotz der Kürze der Beziehung nimmt Martina ihrer Rolle als „Ehefrau“ eines Wirtes, als

„junge Wirtin“, bereits komplett und mit Blick auf die Zukunft, gerne an. Sie macht die Buchhal-tung, hilft beim Servieren und steckt ihr Bedürfnis nach mehr Zweisamkeit sowie ihr Vereinsen-gagement zurück. Während einer normalen Woche arbeitet Martina 38,5 Stunden als Bürokauf-frau, unterstützt ihren Freund während der Woche bei der Buchhaltung und führt den Haushalt (ohne Kochen). Einmal die Woche am Abend besucht sie darüber hinaus einen Vorbereitungskurs für die Lehrabschlussprüfung. Am Freitag Abend probt sie mit der Musikkapelle, um danach, wenn die Musi im Gasthaus einkehrt, auszuhelfen, genauso wie am Sonntag. Der Samstag ist für Aktivitäten mit ihrem Freund vorbehalten, vorausgesetzt es kommt keine Veranstaltung (Hoch-zeiten, Geburtstagsfeiern, Bälle etc.) dazwischen. Allerdings dürfte das nicht unbedingt die Ausnahme sein und den Sperrtag „nur“ wegen der Beziehung einzuhalten, geht halt auch nicht:

„Ja, es ist … Mein Freund wird nicht sagen, ja, er macht jetzt, er sperrt nicht auf an einem Samstag wenn 150 Leute kommen würden, so wenn irgendein Ball ist oder sonst irgendwas. Da wär er ja blöd. Aber ja, man verkraftet es.“ Das Bedürfnis, so viel Zeit wie möglich mit ihrem Freund zu verbringen, einerseits und andererseits um ihre Position an seiner Seite zu stärken, sich unentbehrlich zu machen, hat auch zur Folge, dass Martina Freundinnen (der Samstag ist tabu) wie auch ihr Vereinsengagement hintanstellt.

Die noch junge Beziehung und ihr Einlassen darauf bedeutet für Martina daher auch Stress.

Der Druck, allen Seiten gerecht zu werden, wächst: Auf der einen Seite die Gäste, welche schon die „junge Wirtin“ einfordern und betonen, dass sie zu selten im Wirtshaus sei. Verstärkend kommt hinzu, dass Martina das Gefühl hat, bei ihren zukünftigen Schwiegereltern, welche gemeinsam mit dem Sohn das Gasthaus führen, nur dann „einen guten Eindruck“ machen zu können, wenn sie fleißig mithilft und dadurch „beweist“, dass sie die „Richtige“ ist. Auf der anderen Seite sind da die KollegInnen von der Musi, die Martina „immer ansudern“, weil sie statt der Musikkapelle, dem neuen Freund und dem Gasthaus einen so hohen Stellenwert einräumt.

Das bedeutet auch, dass sie dort allmählich den Anschluss verliert: „Jetzt bin ich halt noch dabei, weil ich dabei bin. Aber so habe ich nicht mehr wirklich (..) Kontakt zu den ganzen Leuten in der Musikkapelle, weil (..) unsere Mädchen die tun dann auch noch die Jugend werben und Jungmu-siker. Die haben dann auch ihre Gesprächsthemen und du stehst halt da und du machst das nicht (mit höherer Stimme) und ja. Das ist…“ Sie ist nur mehr „halb dabei“. Denn während die anderen nach der Probe noch tratschen, eilt Martina schon wieder ins Wirtshaus, um zu helfen.

„Zurzeit ist es halt ein bisschen anstrengend.“ Aber, und das scheint aus Martinas Sicht der Schlüssel zur Bewältigung dieser Situation zu sein, handelt es sich um eine Art

Übergangssituati-on. „Nachher“, so ihre vorsichtig optimistische Einschätzung, wenn sie dann Ehefrau, Mutter, Hausfrau und Wirtin ist, also richtig anerkannt ist als Lebensgefährtin, wird sich diese Situation der konkurrierenden Erwartungen an sie bessern. Dann, wenn die Rollen und Aufgaben klar umrissen sind und sie nicht mehr so viele verschiedene Dinge unter einen Hut bringen muss.

Martina selbst hat ihre Wahl getroffen und hat sehr klare und konkrete Vorstellungen davon, wie ihre private Zukunft aussehen wird. Gab sie sich bei den Berufs- und Bildungswahlentschei-dungen eher orientierungslos und leicht beeinflussbar, weiß sie nun, mit dem richtigen Mann an ihrer Seite und trotz ihres jungen Alters ganz genau, wohin es einmal gehen soll. Dabei verfolgt sie einen traditionell-konservativen Lebensentwurf, in dessen Mittelpunkt die (zukünftige) Familie und das Wirtshaus stehen. Ihr erstes Kind möchte Martina mit etwa 25 Jahren bekom-men. Sehr viel später sollte es nicht sein, da sie ja auch auf ihren deutlich älteren Freund schauen muss. In den verbleibenden fünf Jahren241 möchte sie weiter als Bürokauffrau arbeiten, vor allem aus finanziellen Gründen. Ihr Freund hat aufgrund des Gasthaus-Kaufes höhere Schulden und so scheint ein fixes Gehalt sehr vorteilhaft, um sich „irgendetwas aufbauen“ zu können. Außerdem steht für Martina fest, dass sie heiraten möchte, bevor sie Kinder bekommt. „Sonst kriegst dann Kinder, dann kriegst das erste Kind, dann das zweite Kind und heiratest dann irgendwann 10 Jahre später, so ungefähr. Und das will ich nicht.“ Geht es nach ihr, bekommt das Paar einmal zwei Kinder. Allerdings kennt sie diesbezüglich die Haltung ihres Freundes noch nicht und will sich insofern auch nicht festlegen. Währenddessen hofft sie, dass er sich bald trauen wird, um ihre Hand anzuhalten und ist erleichtert, dass beide ähnliche Vorstellungen darüber haben, wie ihre Hochzeit aussehen soll. Trotz des Engagements bei der Feuerwehr und in der Musi wünschen sich beide eine kleine standesamtliche und kirchliche Hochzeit. „Ich glaub, er will da nur die engsten Bekannten einladen. Und das heißt, das ist schon etwas, was ich super finde, weil so im engeren Sinn heiraten ist dann doch gescheiter, weil du mit allen ein wenig reden kannst. Und so [große Hochzeit mit 150 Leuten] siehst du halt die anderen von der Weite praktisch, na [nicht wahr].“

Diese Erleichterung kommt auch zustande, weil ihr Ex-Freund schon von einer „15-Meter Schleppe beim Brautkleid“ und einer einwöchigen Polterei im Ausland geträumt hat. Insofern hat es auch durchaus Vorteile, einen älteren Freund zu haben. Denn nur so kann sich Martina seine bodenständige Haltung zu diesem Punkt erklären.

Sind die Kinder einmal da, will sich Martina komplett aus dem Erwerbsleben zurückziehen und sich auf ihre Rolle als Mutter, Hausfrau und Wirtin konzentrieren. Dahinter liegen zwei zentrale Motive. Einerseits ihre Einstellung hinsichtlich der Frage, was gute Eltern ausmacht, und andererseits der Wunsch, ihrem Freund dann „wenigstens so ein wenig helfen“ zu können, weil sie ihn ja zurzeit „nur bei der Buchhaltung unter der Woche“ unterstützen könne. Aber primär geht es ihr darum, eine gute Mutter sein zu wollen. So bemängelt sie, dass sich viele Eltern, vor allem wenn sie viel arbeiten gehen, nicht mehr wirklich mit ihren Kindern beschäftigen würden.

Statt mit den Kindern raus zu gehen, würden sie diese einfach vor den Fernseher setzen. In dieser Hinsicht empfindet sie auch den Lebensraum Wirtshaus als überaus günstig, „weil, da kannst ja sagen, ja, die Kinder rennen dann so herum. Und haben dann eigentlich nicht so viel Fernseh-zeit“. Die Tatsache, dass die beiden in Zukunft Wirtsleute sein werden bzw. schon sind, erweist sich auch hinsichtlich der Einbindung ihres Freundes in die Kinderbetreuung als praktisch. So könnten die Kinder nach der Volksschule direkt zu ihrem Lebensgefährten ins Wirtshaus gehen.

241Zum Zeitpunkt des Interviews ist sie 20 Jahre alt.

Er sei sowieso den ganzen Tag da und so hätten die Kinder auch mehr Zeit mit ihrem Vater, als das sonst üblich ist.

Insgesamt hält es Martina, vor allem im Kontext Wirtshaus, für besser, dass der Mann arbei-tet und die Frau auf die Kinder schaut, und so ist es für sie auch selbstverständlich, dass sie für den Haushalt zuständig ist. Dabei liegt die Wertigkeit der Rolle der Hausfrau noch vor jener der Wirtin. Bevor sie vorne mithelfen kann, „muss (sie) halt dann schon immer schauen, dass bei uns hinten in der Wohnung dann alles passt“. Ihre traditionell-konservative Haltung hinsichtlich des kompletten Rückzugs der Frau aus dem Erwerbsleben mit der Familiengründung, zeigt sich auch bei ihrer Einstellung zu Krabbelstuben. Darauf angesprochen klingt sie, als gehöre sie einer älteren Generation an: „Weil früher, früher hat es das auch nicht gegeben und da sind trotzdem die ganzen Mütter und so zurecht gekommen.“ Das bedeutet aber nicht, dass sie außerhäusliche Betreuungseinrichtungen prinzipiell ablehnt. So plant sie, ihre Kinder auch in den Kindergarten zu geben. Immerhin war sie ja selbst im Kindergarten und insofern spreche da nichts dagegen.

Spannend in diesem Kontext ist, dass es für Martina selbst keinen Widerspruch bedeutet,

einerseits langfristig gesehen aus zu planen aus dem Erwerbsleben auszusteigen bzw. nie mehr in den gelernten Beruf zurückzukehren und andererseits nach abgeschlossener Fachschule noch eine Berufsausbildung zu absolvieren. Dabei ist ihr auch ein gutes Abschneiden bei der Lehrab-schlussprüfung ein wichtiges Anliegen. Das ist erneut ein Ausdruck der scheinbar „weiblichen Flexibilität“ im Zusammenhang mit Beruf, Erwerbsarbeit und Arbeit allgemein. Sie will ihre Aufgabe, ob nun im privaten oder beruflichen Kontext, gut erledigen, hängt aber an keiner dieser Tätigkeiten im Speziellen.

Insgesamt wirkt die Bewertung der aktuellen Situation mit all ihren Widersprüchlichkeiten und Diskontinuitäten als Übergangssituation überaus stimmig. Das scheinbar allem übergeordnete Ziel, gemeinsam mit dem passenden Mann ihren Platz in der Dorfgemeinschaft zu finden, ist seit Kurzem erreicht und die ersehnten stabilen Verhältnisse sind nur mehr eine Frage der Zeit. Ein

„passender Mann“ ist in diesem Zusammenhang einer, der in der Dorfgemeinschaft nicht nur gut integriert ist (bspw. als Mitglied der lokalen Feuerwehr), sondern als ortsansässiger Wirt auch eine zentrale Rolle einnimmt. Er ist in Martinas Familie nicht nur bekannt, sondern auch gerne gesehen, vor allem bei der für Martina so bedeutsamen Bezugsperson, der Großmutter. Obgleich der Kreditbelastung handelt es sich beim Freund um einen Mann, der eine scheinbar solide Investition getätigt hat, mit der er eine Familie ernähren kann, und der trotz der einen oder anderen Unstimmigkeit mit seiner Mutter auf familiären Rückhalt bauen kann. Außerdem nimmt er seine Rolle als Geschäftsmann sehr ernst; würde er doch nie aufgrund von privaten Befindlich-keiten auf ein Geschäft verzichten. Aufgrund seines Alters, so Martinas Theorie, ist er ein bodenständiger Typ und hat, im Gegensatz zum Ex-Freund, keine jugendlichen Flausen mehr im Kopf. Mit dem Gasthaus ist er nicht nur Besitzer eines Wohnhauses mitten im Heimatort der Großeltern, sondern hat auch die Möglichkeit, als Vater präsent zu sein. Dieser Aspekt ist auch insofern wichtig, da Martina nie von ihrer Heimatgemeinde weg wollte und sich auch nicht vorstellen kann, in einer Mietwohnung zu leben. Alles in allem also eine solide, gute Partie am Heiratsmarkt, die perfekt in Martinas Zukunftsvorstellungen passt.