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Die Zeit der islamischen Republik (1979 - heute)

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Die Flächen innerhalb dieser Wohnblöcke sind i.d.R. als Parkplatz und Gehwege durch Asphalt versiegelt und nur zum Teil mit Rasen und Solitär-Bäumen/Sträuchern wie z.B.

Pinus eldarica, Fraxinus excelsior, Celtis australis und Nerium oleander Berberis integerrima begrünt. Parallel zu dieser Entwicklung erhielt die Stadt ab 1951 eine zentrale Wasserversorgung“. 77

Die Stadtbevölkerung (vor allem die neue Schicht der Angestellten) nahm sehr schnell den neuen Wohnungstyp „Etagenwohnung“ an. Diese Gebäude waren erdbebensicher gebaut und hatten fließendes Wasser. Die traditionellen Wohnhäuser in der Altstadt78 verloren im Gegenzug an Attraktivität. Hier konzentrierten sich in der Folge Menschen mit niedrigem Einkommen, die sich die neuen Behausungen nicht leisten konnten. Diese Tendenz zur Segregation hält bis heute an.

Die Wohlhabenden bauten sich neue Häuser im NW der Stadt. So sind viele Obst- und Villengärten in qasr-e dašt aus der Regierungszeit der Qājāren verschwunden.

Die Stadterweiterung zog aber auch die Zerstörung vieler Obstgärten der Dörfer pošt male, Mansur΄ābād und Hosseyn΄ābād im NW der Stadt nach sich. Ein Vergleich von Luftaufnahmen 1977 (Abb. 3.34) und 2011 (Abb.3.35) zeigt wie die Gärten bāq-e rešk behešt (Abb. 3.34, Nr. 2); bāq-e Abulfat Xāni (Abb. 3.34, Nr.3) und bāq-e Safā (Abb. 3.34, Nr.4) im W der Stadt für den Wohnungs- und Straßenbau zerstört wurden.

Abb. 3.34: širāz, die Gärten in Abulfat Xāni- Straße, vor dem Stadtausbau, 197779

Quelle: Eigene Darstellung nach Naser (Sohā) 2004, 9

Abb. 3.35: širāz, zerstörte Gärten in Abulfat Xāni- Straße (heutige Zand-Straße) nach

Stadterweiterung, 201180

Quelle: Eigene Darstellung nach Google Earth 11.

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revolutionären Veränderung der Stadt-Land-Beziehungen, die 1980 durch ein neues Gesetz eingeleitet wird (s. Kap.4, Tab. 4.1): Staatliches und Stiftungsland wird plötzlich privaten Käufern in den Städten als Gartenland angeboten mit der Möglichkeit einer Wohnbebauung.

Damit entsteht ein völlig neuer Siedlungstyp für Oasengrün, der gekoppelt ist nicht mehr an natürliche Gewässer sondern an eine zentrale Wasserversorgung. Tausenden von Stadtbewohnern wird so die Möglichkeit zur Selbstversorgung und Selbstverwirklichung auf einer eigenen Gartenparzelle an der städtischen Peripherie geboten. Insofern hat dieses Programm, das nur wenige Monate nach der Proklamation der Islamischen Republik verabschiedet wurde, eine weitreichende soziale und ökonomische Wirkung. Dass es letztlich – zumindest im Falle von širāz – nicht im erwarteten Umfang realisiert werden konnte, ist vor allem auf den Wassermangel zurückzuführen. Dennoch, städtische Gartenkolonien lassen sich heute an allen Seiten der städtischen Peripherie nachweisen (Abb. 3.36/37).

Rückblickend entsteht der Eindruck einer vorsorgenden Maßnahme, denn das Wachstum der städtischen Bevölkerung beschleunigte sich, da die Stadt in der Nähe des Schauplatzes des iranisch-irakischen Krieges (1980 - 1988) lag. širāz wurde während dieses Krieges zum Zufluchtsort für Flüchtlinge aus dem Grenzgebiet zum Irak. Als Folge wuchs die Einwohnerzahl in wenigen Jahren von ca. 400.000 (1979) auf beinahe 1 Mio. Ew. (1989). Die Folge war ein gewaltiges Bauprogramm und eine entsprechende Ausdehnung des bebauten Gebietes zu Lasten der traditionellen Oasengärten. Es war auch die goldene Zeit der Bodenspekulanten, die viele Grundstücke und alte bāq sehr billig gekauft und als Bauland sehr teuer verkauft haben. Viele von ihnen agierten als Bauherren und bauten in kurzer Zeit unzählige neue Wohnsiedlungen, ohne Rücksicht auf Umwelt und Natur.

Um diese Entwicklung aufzuhalten, legte die Stadtverwaltung in den Jahren 1989, 1994 und 2000 städtebauliche Bauleitpläne vor, die „das Stadtmanagement zum Schutz der Gärten organisieren sollten“. 81

Obwohl die Bauleitpläne eine rechtsverbindliche Regelung für die Bodennutzung darstellten und vor allem dem Schutz der Gärten in der Stadt besondere Aufmerksamkeiten widmeten, scheiterte ihre Verwirklichung am Widerstand der Grundbesitzer und Bodenspekulanten, auch fehlte eine aufgeklärte Öffentlichkeit. Lokale Bedürfnisse fanden in den Planungen keine Berücksichtigung.82

Im Zuge diese Entwicklung wurden „zwischen 1972 bis 1994, 130 ha dieser Gärten zweckentfremdet z.B. für gastronomische Einrichtungen.83

Zu dieser Zeit wurden auch Gesetze erlassen, die zur Zerstörung der Gärten beigetragen haben. In diesem Zusammenhang ist das „Gesetz zur Registrierung der Gärten aus dem Jahr 1979“ zu nennen, welches zum Schutz und zur Erweiterung der Gärten dienen sollte.84 Hier ist zu lesen:

1- die Stadtverwaltung kann das Recht eines Grundeigentümers auf sein privates Grundstück mit bāq aberkennen, wenn er ohne Genehmigung die Bäume auf seinem Grundstück fällt,

2. § 14 dieses Gesetzes ermöglicht auch Gärten [bāq] mit einer Größe von 2000 m² oder mehr in kleinere Grundstücke - je 500 m² - zu teilen. Die 500 m²

großen Grundstücke können dann auch in 150 m² geteilt und mit einem maximal zweigeschossigem Wohnhaus bebaut werden,

81 Jāmšidi, Mahmud, o.S., Quelle.

http://persiangarten.ir/Indexb.asp?ID=62&IDD=146&IDDD=14&Langu=FA ( 08.09.2005).

82 Diese Bauleitpläne wurden in Planungsbüros und ohne Beteiligung der Bevölkerung entworfen. Die Entwürfe sind oft an westlichen Konzepten orientiert, ohne lokale Bedürfnisse zu berücksichtigen. Bei der Umsetzung dieser Konzepte sind als Beispiel wertvolle Bereiche in der Altstadt verloren gegangen Quelle: Šafii, Sáid 1996, 40-41

83 Quelle: Jāmšidi, Mahmud 2005.

http://persiangarten.ir/Indexb.asp?ID=62&IDD=146&IDDD=14&Langu=FA (08.09.2005)

84 Tāleb Bidaxti, Nāser 2004, 35

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3. § 147 und §148 dieses Gesetzes ermöglichen den Grundeigentümern im Rahmen der Vererbung ihre Gartenanlage [bāq] in je 500 m² teilen.85

Die gerade genannten Kleingartenkolonien als Folge des neuen Gesetzes bedeuteten allerdings keine Belastung der traditionellen Oasenflächen, da sie außerhalb auf Ödland angelegt wurden.

Für die Stadtentwicklung gab es neben der waqf / Stiftungsbehörde noch einen weiteren neuen Akteur mit quasi-unbegrenzten Einflussmöglichkeiten: die verschiedenen militärischen Apparate. Sie besetzten zahllose bis dahin kommunal verwaltete Gebäude und Flächen, zu denen auch viele historische Gärten gehörten, die nun als Kasernengelände oder Baureserveland zweckentfremdet wurden. Andererseits sind durch den Zugriff des Militärs auch grüne Flächen vor der Bauspekulation bewahrt worden und können zu gegebener Zeit wieder rehabilitiert werden.

Einen „Gewinn“ aus denkmalpflegerischer und kommunalpolitischer Sicht stellte hingegen die Aufnahme historischer Gärten in das Weltkulturerbe dar (2011).

Abb. 3.36: širāz, Gartenkolonie mit besserer Wasserversorgung im W der Stadt

Quelle: Google Earth 07. 2011

Abb. 3.37: širāz, Gartenkolonie mit nicht ausreichender Wasserversorgung im W der Stadt

Quelle: Google Earth 07. 2011

3.4 Zusammenfassung

Skizziert man die politische und wirtschaftliche Entwicklung von širāz, lässt sich rückblickend auf fast 2.500 Jahre Gartenkunst zurückgreifen. Wenn auch die Spuren der Gärten in den letzten Jahrhunderten durch politische- und natürliche Ereignisse und anthropogene Eingriffe nicht genau zu verfolgen sind, ist dennoch feststellbar, dass die Stadt im Laufe ihrer Geschichte häufig als Residenz- Geschäfts- und Kulturzentrum diente und somit die Voraussetzungen für die Entwicklung von Gartenbaukultur lieferte. Diesbezüglich ist die Bedeutung des Bewässerungssystems [kāriz] und die Architektur des Gartens mit vier Bezirken aus der vorislamischen Achämeniden-Dynastie als ausgeklügelte und bewährte Methode der Bewässerung sowie idealen Gestaltung besonders hervorzuheben.

Dabei ist nicht außer Acht zu lassen, dass die Stadt sich über lange Zeit durch traditionelle Obstgärten mit Früchten versorgen konnte und dies z.T. auch heute noch kann. Somit präsentiert sich širāz gleichermaßen als Förderer wie Leitbild der Gartenkunst für traditionelle Obstgärten mit repräsentativem Charakter.

Betrachtet man die heutige Situation der historischen- bzw. traditionellen Obstgärten und des unterirdischen Bewässerungssystems, so wird deutlich, dass diese im Zuge der Industrialisierung, Modernisierung und Stadterweiterung ab 1925 wenig geschützt und

85 ebd.

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gepflegt, d.h. im Kontext der Stadtentwicklung nicht die Beachtung fanden, die sie aus der Sicht der Kunstgeschichte und Denkmalpflege verdienen.

Das Gesetz von 1979/80 zum „Schutz und Erweiterung städtischer Grünflächen [qānune hafāzet va gostereše fazāye sabze šahrhā] war ein wichtiger Schritt zum Erhalt, zur Pflege und zur Erweiterung der städtischer Grünflächen. Dabei ist die neue Idee der Kleingärten am Stadtrand sehr positiv zu bewerten.

Allerdings ist auch festzustellen, dass dieses Gesetz keine ausreichende Grundlage für den Schutz und die Pflege der historischen Gärten bietet, denn es fehlen ihm wichtige gartendenkmalpflegerische Impulse.

Eine Periodisierung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von širāz durch die Jahrhunderte liefert den Hintergrund für die Geschichte der Garten-kultur (Abb.

3.38), deren Blütezeiten hier in grün, Verfalls und Stagnationsphasen in schwarz und grau dargestellt sind.

Abb. 3.38: širāz, Zeittafel- für Baugeschichte

Quelle: Eigene Darstellung 600

v. Chr.

0 500 1000 1500 2000

Vorislamische-Z e i t Islamische-Z e i t

V o r i s l a m i s c h e - Z e i t Blütezeit (558-333 v. Chr.) Stagnation (333-226 n.Chr.) Wiederbelebung (224-642)

I s l a m i s c h e - Z e i t ( 642 - h e u t e )

Stagnation (642-10/11)

Wiederbelebung (945-1055) Blütezeit (1121-1206)

Zerstörung und Stagnation (1220-1335)

bauliche Stagnation, aber kulturelle Blüte (1370-1500) Blütezeit (1502-1736)

Zerstörung und Stagnation (1736-1759) Blütezeit (1759-1779)

Stagnation und Wiederbelebung (1787-1925)

Frühe Modernisierung: Von privaten Garten zum öffentlichen Grün

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