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Private Grünflächen [fezāye sabze xososi]

4 Das Stadtgrün von širāz: Historischer und Nationaler Kontext 8

4.3 Grünflächen unter dem Gesichtspunkt Status und Zugänglichkeit

4.3.3 Private Grünflächen [fezāye sabze xososi]

Diese Grünflächen dienen hauptsächlich der Erholung, ästhetischen und ökonomischen Zwecken. Das Verfügungsrecht liegt bei Einzelpersonen, privaten Haushalten oder privaten Betrieben. Zugänglich sind sie für Familien- und Betriebsangehörige. Aus dieser Kategorie sind folgende Grünflächen zu erwähnen:

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§ Bei Einzelhausbebauung [fezāye sabze xānevāde]

(bzw. eingeschossigen Wohnbauten)

Das Hofgrün [bāqčhe] in privaten Häusern ist die häufigste Form privater Grünflächen, welche sowohl einen repräsentativen als auch einen sozialen Charakter besitzen. Im Zentrum des Hofes befand sich das runde oder rechteckige Wasserbecken, umrahmt von Beeten mit Hyacinthus orientalis [sonbol], Iris iris [sanbaq], Lilium lilie [susan], Narcissus narzisse [narges], Jasminum jasmin [jāsman], Rosa centifolia [gole rose kāšān], Punica granatum [deraxt-e ánār] Citrus aurantium [deraxt-e nārenj], Sorbus aria [deraxt-e sanjad],Vitis vinifera [mo/angur], Diospyros kaki e xormālu] und Juglans nigra [deraxt-e g[deraxt-erdu].

Diese Art des privaten Hofgrünes gehörte vor der Stadterweiterung zu den meisten Häusern der Altstadt. Vor allem in den warmen Jahreszeiten nutzten es die Familienangehörigen als Ruhe-, Kommunikations- und als Spielort für die Kinder (Abb. 4.5).27

Abb. 4.5: širāz, Ein traditionelles Haus mit Hofgarten [bāq-če] in der Altstadt

B. B. Juli 2006

Durch die Stadterweiterung, in deren Zuge sich der Bau mehrgeschossiger Wohnhäuser durchsetzte, wurde nunmehr das private Grün, so überhaupt vorhanden, aus dem Innenbereich zur Außenseite des Hauses hin verlegt. Auf diese Weise entstand eine Art Vorgarten bzw. ein Abstandsgrün zur Straße hin. Bis heute gibt es jedoch keine gesetzliche Vorgabe für private Wohnungseigentümer bestimmte Flächen des Grundstücks als Abstandsgrün [fezāye sabze xati] zu gestalten.

Eine Neuentwicklung privater Grünflächen ist seit 1980 zu beobachten. Diese liegen nun am Stadtrand und haben eine ähnliche Funktion wie die Kleingartenkolonien in Deutschland. Die rechtliche Grundlage für diese Entwicklung wurde im Jahr 1980 geschaffen: das Gesetz zur Übertragung staatlicher Ländereien zur landwirtschaftlichen und nicht landwirtschaftlichen Nutzung [lāheye qānuni vāgozāri va éhyā árāzi].28 Es schließt oqāf / waqf 29 -Land ein. Der mit dem Gesetz ermöglichte neue Landnutzungstyp wurde unter dem Namen „Stadtgarten-Erholung im Grünen“ [bāq-e šahr - felāhet der frāqat] bekannt.

„Dadurch sind im Westen der Stadt 20.000 ha in 120.000 Parzellen aufgeteilt worden. 80 Prozent dieser Parzellen sind zwischen 500-1.500 m² und 20 Prozent zwischen 1.500 und 5.000 m² groß“.30 Nicht alle dieser Parzellen jedoch wurden zu blühenden Gärten.

Die meisten davon liegen auf trockenen Standorten und können dort aufgrund des niedrigen Jahresniederschlags und Grundwassermangels schwer bzw. nur mit hohen Pflegekosten kultiviert werden. Das notwendige Wasser zur Bewässerung muss deshalb bestellt werden.

27 Quelle: ΄Āriānpur 1986, 65-91

28Gesetz über die Übertragung der staatlichen Ländereien auf landwirtschaftlich- und nicht landwirtschaftlichen Zwecke. Vgl. http://www.dadkhahi.net/modules.php?name&file=print&sid=1047 (18.08.2009)

29 oqāf oder waqf ist eine religiöse Stiftung nach islamischem Recht.

30 Vgl. Parto, Ahmad Áli 2006, 37

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Es wird von Tankwagen geliefert und in eigens dafür installierten Wassertanks – meistens am Garteneingang – gespeichert (Abb. 4.6). Diese Grundstücke erhielten im Sinne einer einheitlichen Planung und eines leichteren Verkaufs i.d.R. vor dem Verkauf eine bis zu 2 m hohe Betonblockmauer. Auf Wunsch des Käufers werden auch bereits vor dem Verkauf Ölbäume als „Grundausstattung“ gepflanzt.

Abb.4.6: širāz, private Garten-kolonien31

Quelle: Parto, Ahmad Áli 2006, 39

Die wohlhabenden Stadteinwohner kaufen gerne solche Grundstücke und nutzen sie als Villengarten für ihre Verwandtschaft und Freunde. Im Unterschied zur Situation in England, Mittel- und Osteuropa sind hier die individuellen Eigentümer nicht in Vereinen organisiert, um gemeinsame Interessen zu vertreten, verbindliche Gartenordnungen festzulegen oder Gemeinschaftsarbeiten wie die Pflege der Gehwege etc. zu organisieren. Beim Erwerb eines 1.000 m² großes Grundstücks darf der Eigentümer auf 100 m² ein winterfestes Haus mit bis zu maximal 2 Geschossen bauen. Allerdings fehlt ein Anschluss für die Wasserver- und Entsorgung. Stromleitungen werden nachträglich zu Lasten des Antragstellers gelegt.

Die Gärten werden – der Tradition der Obstbauoase entsprechend – mit fruchttragenden Sträuchern oder Bäumen wie Citrus aurantium [nārenj], Ficus carica [ánjir], Juglans regia [gardo], Morus alba [tute sefid], Morus nigra [tute siyā], Prunus armeniaca [zard΄ālo]

bepflanzt. Die größeren Gärten pflegen meist lokal ansässige Bauern gegen Bezahlung.

Diese Gärten werden hauptsächlich an Wochenenden, anderen Feiertagen und vor allem in der heißen Zeit als Sommerfrische genutzt. Wer kauft sich hier ein? Es sind meist städtische Angestellte oder kleine Einzelkaufleute, die zu einer solchen Investition bereit waren, auch mit dem spekulativen Interesse, später mit Gewinn zu verkaufen. Doch erwiesen sich die Gärten meist als unverkäuflich, weil sie wegen des Wassermangels kaum zu unterhalten sind.

§ Das wohnungsnahe Grün der Gated Communities [mojtame maskoni darvāze dār]

Dieser Art von geschlossenen Wohnanlagen gab es bereits vor 1979. Militärsiedlungen gehörten zu den typischen Beispielen dieser Art. Nach 1979 wurden solche geschlossenen Wohnsiedlungen auch von privaten Investoren oder Institutionen wie Ministerien oder Firmen für ihre Mitarbeiter gebaut. Die Wohngebäude dieser Anlagen bestehen i.d.R. aus mehrgeschossigen Apartmenthäusern. Die Geschlossenheit der Wohnsiedlung repräsentiert die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Institution, ohne sich unbedingt von der Umwelt absondern zu wollen. Hier profitiert vielmehr die Institution, die sich als verantwortungsbewusst gegenüber ihren Mitarbeitern darstellen will. Dies gilt allerdings nicht für privat gebaute Anlagen. Die Außenanlagen dieser Wohnsiedlungen sind i.d.R. freudlos

31 Quelle: Parto, Ahmad ′Ali 2006, 39

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und monoton und bestehen meistens aus Fußgänger- sowie Ein- und Ausfahrtswegen, die durch Asphalt oder Betonpflaster versiegelt sind. Die Grünflächen dieser Wohnquartiere sind repräsentativ und bestehen überwiegend aus schmalen verkehrsbegleitenden Grünstreifen die mit immergrünen Pflanzen wie Berberis integrima [zarašk] und Berberis thunbergii, sowie Solitärgehölze gestaltet sind. Doch fehlt großflächiges Erholungsgrün vermutlich aus den folgenden Gründen:

§ Es gibt keine gesetzlichen Richtlinien wie einen Grünordnungsplan

§ Beim privat finanzierten Siedlungsbau wird hauptsächlich an mehr Wohneinheiten, ihren Verkauf und die Gewinnmaximierung gedacht. Grünflächen beeinflussen den Preis nicht unbedingt.

§ Bei mehrgeschossigen Wohnanlagen mit Innenhof wird häufig auf eine grüne Gestaltung verzichtet, weil langfristig die Nutzungsart und die Aufteilung der Pflegekosten unter den Eigentümern und wechselnden Mietern schwer geregelt werden kann.

Der Mangel an Grünflächen in solchen Wohnsiedlungen führt dazu, dass mehrere Hundert Menschen zusätzlich die öffentlichen Naherholungsgrünflächen in Anspruch nehmen und damit zu einem noch größeren Defizit an Grünflächen beitragen.

§ Erwerbsorientierte private Grünflächen (Freizeitpark, Gaststätten u.a.) [bāqhāye xososi va tafrihi]

Private Freizeitparks und Gaststätten verfügen i.d.R. über 1-4 ha große Grünflächen. Neben dem normalen Restaurationsbetrieb bieten die Gaststätten die Möglichkeit für größere Feiern und Geselligkeiten.

Bei der Auswahl von Gaststätten achten die Besucher vor allem darauf, ob die Aufenthaltsflächen gut beschattet und dekorativ mit Pflanzen, Wasserbecken mit Springbrunnen und Sitzmöglichkeiten gestaltet sind.

Obwohl die Gaststätten oft durch Familien mit Kindern und Jugendlichen besucht werden, fehlen meistens entsprechende Spieleinrichtungen. Da häufig frühere Obstgärten am Stadtrand zur Gaststätten umfunktioniert sind, kann man die ursprüngliche Nutzung den schattenspendenden und fruchttragenden Gehölzen oft noch ablesen. Üblicherweise sind Bäume wie Acer pseudoplatanus [afrā šabhe čenāri], Ailanthus altissima [ár ár], Populus alba [sapidār], Ulmus carpinifolia (U. minor) [nārván], Viburnum opulus [badāq] am Rande des Gartens bzw. parallel zur Mauer zu sehen. Obstbäume und Sträucher wie z.B. Citrus aurantium [nārenj], Ficus carica [ánjir], Punica granatum [ánār] und Morus alba [tute siyā]

gibt es gewöhnlich im Innenraum. Als Sträucher sind z. B. Hibiscus mutabilis [xatmi gol sorx], Hibiscus rosa-sinensis [xatmi čini], Chrysanthemum morifolium [gole dāvodi], Rosa moschata [nastaren širāz], Rosa gallica [gole sorx] etc. in schmale Pflanzenbeete gesetzt.