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Die lexikalische Ebene

Im Dokument Sprache im Kontext von Macht (Seite 23-26)

2.3 Die Untersuchungsparameter

2.3.1 Die lexikalische Ebene

Die vier vorliegenden Reden von Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy sollen zunächst auf lexikalischer Ebene untersucht werden. Pro Kandidat werden drei Lexeme genauer untersucht, welche entweder durch ihre Häufigkeit in den Reden oder als charakteristische Eigenart des Redners auffallen. In der aktuellen französischen Linguistik bilden Untersuchungen der politischen Sprache auf lexikalischer Ebene einen Schwerpunkt. Diese Forschungsprojekte sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden, zumal sie ebenfalls den französischen Wahlkampf 2007 zum Untersuchungsgegenstand machen.

30 Josef Klein verficht ebenfalls einen pragmatischen Ansatz in der Politolinguistik. Allerdings fixiert sich dieser Ansatz, so Klein, auf die Rekonstruktion der Autorenintention. Erst eine Erweiterung dieses Ansatzes um Denkanstöße aus der Hermeneutik bezieht die Rezipientenseite mit ein und ist daher in der Beschäftigung mit der Sprache der Politik vorzuziehen (vgl. Klein 2006: 22ff.).

In Teilkapitel 2.2.2 sind bereits die aktuellen Forschungsbeiträge genannt worden, in denen politische Reden unter lexikalischen Schwerpunkten, d.h. insbesondere mit Hilfe der lexicométrie untersucht werden.31 Einen Einblick in diese Forschungsmethode bietet das Werk von Damon Mayaffre Paroles de Président. Jacques Chirac (1995-2003) et le discours présidentiel sous la Ve République (vgl. Mayaffre 2004).32 Auch den französischen Präsidentschaftswahlkampf 2007 wertet Mayaffre unter diesen Gesichtspunkten aus.33 Sein Korpus umfasst alle öffentlichen Reden, die von Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal während des Präsidentschaftswahlkampfes seit dem 1.

Januar 2007 gehalten wurden. Als Datengrundlage benutzt Damon Mayaffre die Skripte der Reden, die auf den Homepages der beiden Spitzenkandidaten zu finden sind. Die Videoversionen, die ebenfalls auf diesen Internetseiten einzusehen sind, sind nicht Bestandteil dieses Korpus.34 Auf einer Differenzierung zwischen den Reden in Form von Skripten und den dazugehörigen Videoaufnahmen ist zu bestehen, da eine Abgleichung der Internet-Skripte mit den Videoaufnahmen zumindest in Bezug auf Nicolas Sarkozy gravierende Differenzen ergeben hat.35 Nicolas Sarkozy entfernt sich zum Teil über ganze Passagen seiner Reden von seinem Skript, er fügt Aspekte hinzu bzw. modifiziert diese und lässt andere ganz weg. Bei den Reden von Ségolène Royal sind nur geringe Abweichungen von den Skripten im Internet zu verzeichnen. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Wiederholungen einzelner Satzteile - eine Maßnahme, die die Kandidatin offenbar trifft, um bestimmten Aspekten mehr Gewicht zu verleihen bzw. um ihren Redefluss nach Unterbrechungen durch das Publikum wieder aufzunehmen.36

Abweichungen dieser Art konnten ebenfalls bei der Nutzung einer Datenbank im Internet konstatiert werden. Diese stellt Jean Véronis zur Verfügung.37 Véronis bietet dem Nutzer auf seiner Internet-Plattform die Möglichkeit, selbst eine Wort-Frequenz-Analyse anhand der Reden aller zwölf Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf 2007

31 Vgl. 2.2.2. Es ist darauf hinzuweisen, dass die lexicométrie sich nicht nur mit Lexemen beschäftigt, sondern auch syntaktische Strukturen zum Untersuchungsgegenstand macht.

32 Die Untersuchungsmethode wird bei Mayaffre mitunter auch als logométrie bezeichnet (vgl. z.B.

Mayaffre 2004: 14).

33 Die Verfasserin ist über die Radiosendung Là-bas si j’y suis vom 03.05.2007 auf France Inter auf dieses aktuelle Forschungsprojekt des Professors von der Universität Nizza gestoßen.

34 Vgl. dazu die Skripte der Reden unter: www.desirsdavenir.org/index.php?c=sinformer_discours (Stand:

05.09.2007) und: www.sarkozy.fr/press/index.php?lang=fr&cat_id=3 (Stand: 05.09.2007) Videos unter:

www.segolene-video.org (Stand: 05.09.2007) und unter: www.sarkozy.fr (Stand: 05.09.2007).

35 Im Anhang sind diese deutlichen Abweichungen exemplarisch anhand eines Abschnittes aus dem Transskript der Videoversion des Meetings von Sarkozy in Paris und eines Abschnittes aus dem Skript der Rede illustriert, welches der Verfasserin von Damon Mayaffre als Email-Anhang zugeschickt wurde.

Siehe dazu: Anhang, S. CXIX.

36 Folgendes Beispiel kann dies belegen: «Il y a ....Ils nous laissent, ils nous laissent une France endettée [...]» (R.; Lyon: VII, 5).

37 Zugriff auf dieses Internet-Portal besteht unter: www.up.univ-mrs.fr/veronis/Discours2007. (Stand:

19.09.2007).

durchzuführen.38 Überdies sind Tabellen und Graphiken abrufbar, welche die Ergebnisse veranschaulichen.

Bei den Abgleichungen der Internet-Skripte mit den Videoversionen der Reden im Rahmen der Recherche für die vorliegende Arbeit handelt es sich lediglich um vier Stichproben, in denen geringfügige bis schwerwiegende Abweichungen verzeichnet werden konnten. Diese Untersuchung verleitet damit zu der Annahme, dass weder Damon Mayaffre noch Jean Véronis die Wahlkampfreden in ihrer realisierten Form zum Gegenstand ihrer Forschungsprojekte machen. Die politische Rede wird bei einem solchen Vorgehen als statische Sprechhandlung missverstanden. Die Spontaneität eines Redners sowie seine Aktualisierungen von Partnerhypothesen werden bei diesen Forschungsprojekten außer Acht gelassen. Das Spannungsfeld zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, in dem sich eine Rede bewegt, bleibt hier unberücksichtigt.

Immerhin sind Abweichungen des Redners von seinem Konzept die Konsequenz für eine Verlagerung der Rede in die Mündlichkeit. Bei der Erhebung des Wortschatzes eines betreffenden Kandidaten sind jene Passagen authentisches Material, welche dem Kontext angepasst sind. Das Datenerhebungsverfahren von Damon Mayaffre und Jean Véronis unterliegt damit Ungenauigkeiten, was auch ihre Ergebnisse weniger aussagekräftig macht.

Nicht nur aufgrund dieser Schwachstelle im Analysevorgang von Damon Mayaffre und Jean Véronis soll auf einen Einbezug ihrer Ergebnisse verzichtet werden. Die quantitativ-empirischen Methoden der beiden Linguisten verwehren weitgehend den Blick auf die Kontexte der Lexeme, was mit dem pragmalinguistischen Schwerpunkt dieser Arbeit unvereinbar ist.39

In dieser Arbeit sollen einige in den Reden auffällige Lexeme exemplarisch behandelt werden. Anknüpfungspunkte bietet in diesem Rahmen das Werk Vocabulaire politique von Jean-Marie Denquin (vgl. Denquin 1997).40 Laut Denquin muss eine Analyse auf lexikalischer Ebene Folgendes leisten: «[...] il convient d’aborder de front la question du

38 Im Anhang ist ebenfalls exemplarisch eine Gegenüberstellung zwischen einer Passage, die von der Verfasserin transkribiert wurde und einer Passage, die auf der Internetseite von Véronis vorzufinden ist, aufgeführt. Siehe: Anhang, S. CXXI.

39 Damon Mayaffre zumindest sieht in dieser Methode einerseits die einzige Möglichkeit ein breites Korpus auszuwerten, merkt aber andererseits die Grenzen dieses Ansatzes kritisch an (vgl. Mayaffre 2004: 88; 245ff.). Mit einer Publikation, die seine Auswertung des Präsidentschaftswahlkampfes 2007 mit Hilfe seiner Software Hyperbase enthält, ist demnächst zu rechnen. Im Email-Austausch mit der Verfasserin erwähnte Mayaffre ein Kolloquium zu diesem Thema, welches er für Ende Oktober 2007 plant. Diese Kolloquium dient möglicherweise als Grundlage für eine solche Veröffentlichung. Die Email-Korrespondez der Verfasserin mit Damon Mayaffre ist dem Anhang beigefügt. Vgl. Anhang, S.

CXXIIff.

40 Denquin lehnt quantitative Studien zum Vokabular der Politik ab, da für ihn die Anzahl eines Wortgebrauches nichts über die Bedeutung des Wortes aussagt: «Les études quantitatives du langage politique ont été, par exemple, très développées: mais à quoi sert-il, de compter les occurrences du mot nation si on ne sait pas ce qu’il signifie?» (Denquin 1997: 7).

sens des termes et expressions qui constituent le vocabulaire politique» (Denquin 1997:

7). Demnach gibt erst der Gebrauch eines Wortes in der politischen Sprache, Aufschluss über seine Bedeutung (vgl. Denquin 1997: 6). Ruth Amossy stellt ebenfalls die Verwendung von Lexemen im Rahmen einer konkreten Interaktion in den Vordergrund.

Sie geht davon aus, dass die Entscheidung für ein bestimmtes Wort immer mit dem Argumentationsfluss verbunden ist:

[...] la sélection d’un mot n’est jamais dénuée de poids argumentatif, même si elle n’a pas fait l’objet d’un calcul préalable, et même si au premier abord ce mot semble ordinaire et passe inaperçu (Amossy 22006: 158).

Auch auf lexikalischer Ebene ist damit der pragmalinguistischer Ansatz für die Vorgehensweise dieser Arbeit hervorzuheben.

Im Dokument Sprache im Kontext von Macht (Seite 23-26)