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Détester und la détestation

Im Dokument Sprache im Kontext von Macht (Seite 66-81)

3.6 Die politische Rede des Spitzenkandidaten

3.6.1.2 Détester und la détestation

Sowohl das Verb détester als auch das Substantiv la détestation treten in beiden untersuchten Reden des Präsidentschaftskandidaten mehrfach auf.90 Die Deutlichkeit dieser Gefühlsausdrücke verweist bereits auf eine charakteristische Eigenart der Rede des Präsidentschaftskandidaten. Die Ausdrucksstärke dieser Lexeme deutet darauf hin, dass es sich bei détester und la détestation keinesfalls um Leitmotive in der Rede des Kandidaten handeln kann. Allerdings ist in gewissen Passagen eine starke Häufung dieser Lexeme zu verzeichnen, was ihre gesonderte Behandlung rechtfertigt. Sarkozy bedient sich dieses Vokabulars in den Abschnitten seiner Wahlkampfreden, in denen er entweder Fragen der nationalen Identität behandelt oder seine Immigrationspolitik vorstellt.

Im Vordergrund von Sarkozys Reden steht nicht sein persönliches Gefühl der détestation. Vielmehr beobachtet er zunächst Hassgefühle bei seinen Landsleuten. Zu Beginn seiner Argumentationsführung zum Thema identité nationale unterstellt er seinen Zuhörern ein Gefühl des Hasses angesichts ihres Landes. Mit diesem Befund rechtfertigt Nicolas Sarkozy die Thematisierung von Fragen bezüglich der identité nationale: «J’ai voulu parler de la France parce que depuis trop longtemps la France était dénigrée [...]» (S.; Marseille: XXXII, 37). Die kontinuierliche Abwertung von la France bis hin zu einem Hassgefühl stellt Sarkozy als einen Prozess dar. Die Verben abîmer, abaisser und renier gipfeln schließlich in dem Verb détester:

J’ai voulu parler de la France parce que depuis trop longtemps la France était dénigrée et parce qu’à force d’abîmer la France, à force de l’abaisser, à force de renier son histoire, sa culture, ses valeurs, à force de tout détester, allez: détester la famille, détester la patrie, détester la religion, détester la société, détester le travail, détester la politesse, détester l’ordre, à force on a fini par dire aux Français: Déstestez...Détestez-vous, vous-mêmes. Haïr son pays, c’est haïr soi-même. Voilà l’erreur majeure de ces dernières années (S.;

Marseille: XXXII, 37ff.).

Nach dieser Darstellung reproduziert sich ein einmal aufgekommenes Hassgefühl selbst.

Es manifestiert sich letztendlich in den unterschiedlichsten Wahrnehmungsbereichen eines Bürgers: im privaten Bereich von Familie und Arbeit, in seiner Wahrnehmung des Vaterlandes und der Gesellschaft sowie in seinem spirituellen Empfinden. Sarkozy verstärkt das weitläufig verbreitete Gefühl des Hasses durch seine achtmalige Verwendung des Infinitivs détester. In seiner Argumentation ist zudem durch die

90 Die im Folgenden angeführten Beispiele stammen lediglich aus Sarkozys Wahlkampfrede von Marseille. In seiner Rede von Bercy werden die Lexeme détester und détestation zwar weniger, aber dennoch in ähnlicher Weise verwendet. Vgl. S.; Bercy: XLVI, 1ff.;L, 17f..

ständige Wiederaufnahme des Infinitivs détester eine spiralförmige Abwärtsbewegung zu erkennen, die ihren Ursprung im Hass gegenüber dem Land hat. Eine derartige Abscheu des Vaterlands, so Sarkozy, kommt dem Hass von sich selbst gleich. Diesem Gedanken verleiht der Politiker auch dadurch Nachdruck, dass er die bereits sehr intensive Empfindung von détester zu haïr steigert. Zudem gibt Sarkozy seiner Rede in dieser Passage durch sein energisches, fast hastiges Auftreten zusätzliches Gewicht. Das allez setzt er gewissermaßen als Auftakt für den anschließenden Wortschwall ein. Es folgt die achtmalige Infinitivkonstruktion mit détester, wobei er sich beim Anlauf zur Pointe in seiner Aussprache überschlägt und er Déstestez zu Détestez-vous korrigieren muss. Die allgemein gehaltenen Infinitive steigert der Kandidat an dieser Stelle, indem er das Verb nun als Handlungsaufforderung in der Form eines Imperativs verwendet.

Insgesamt wird deutlich, dass Nicolas Sarkozy sich selbst mit dem Motiv in diesen eifrigen Zustand versetzt, dass die eigene Bestürzung Betroffenheit im Gegenüber auslöst.91

In der oben zitierten Passage bleibt unverkennbar, wie sehr der Kandidat diese Hassgefühle anprangert. Seine Anklage gilt jedoch nicht dem Aufkommen von Hassgefühlen im Allgemeinen; im Gegenteil: Die Hassgefühle im Gegenüber wecken auch Sarkozys Hass – eine Gefühlsäußerung, auf welche letztendlich seine ganze Rede vom Hass abzielt. Er wird schließlich mit je zum Subjekt des Prädikats déteste: «Je déteste cette mode de repentance qui exprime la détestation de la France et de son histoire» (S.; Marseille: XXXII, 48). Unentschuldbar ist hier laut Sarkozy die Art von Reue, hervorgehoben durch das Demonstrativpronomen cette, hinter welcher sich der Hass gegenüber Frankreich und seiner Geschichte verbirgt.

Nicolas Sarkozy unterstellt im obigen Beispiel seinem Land und dessen Bürgern einen bedauernswerten, sogar skandalösen Ist-Zustand. Das mangelnde Identitätsgefühl der Bevölkerung quittiert er durch das Vokabular des Hasses. Die Strategie dieser Schwarzmalerei liegt darin, das Bedürfnis nach Veränderung beim Zuhörer zum Äußersten zu steigern. Je dunkler und abscheulicher dem Rezipienten der Ist-Zustand vor Augen geführt wird, umso aussichtsreicher ist der Glaube an die Reformen, die der Redner verkörpert. Er selbst wird in der Zukunft, je vais..., diesen Zustand aufheben:

«Eh bien, je vais prendre mes responsabilités» (S.; Marseille: XXXII, 46). So schlägt

91 Ein Vergleich zwischen der realisierten Rede Sarkozys in dieser Passage mit dem Konzept seiner Rede ist sehr aufschlussreich. In dem Skript, welches aus der Datensammlung von Jean Véronis stammt, fehlt z.B. allez. Im Übrigen benutzt der Kandidat das Verb détester achtmal und nicht nur zweimal, wie im Skript aufgeführt. Schon allein diese Abweichung hat in einem statistischen Datenerhebungsverfahren signifikante Auswirkungen. Eine Gegenüberstellung ist im Anhang vorzufinden. Vgl. Anhang S. CXXI.

der Hass in Nicolas Sarkozys Rede wörtlich durch seine Bestrebungen um ins Gegenteil: in Liebe. Nur einige Minuten später konstatiert der Kandidat:

On est Français parce qu’on veut l’être, parce qu’on se sent Français, parce que la France on l’aime [...]. La France, c’est pas fini. La France, elle est vivante dans le cœur de ceux qui l’aiment (S.; Marseille: XXXIII, 41ff.).

Nicolas Sarkozy liefert damit eine kontrastreiche Rede – eine Darstellung zwischen Liebe und Hass bzw. zwischen Untergang und Auftrieb. Innerhalb dieser Schwarzweißmalerei setzt sich der Kandidat als die Schlüsselfigur in Szene, welche die Wende vom Untergang zum Auftrieb vollziehen wird.

Der Rezipient dieser Rede identifiziert sich nur zum Teil mit dem kläglichen Zustand des Landes, den Sarkozy voraussetzt. Die oftmalige Verwendung des Verbs détester und auch seine Anwendung auf die verschiedensten Wahrnehmungsbereiche eines Bürgers, fasst der Zuhörer als Übertreibung auf. Der Rezipient wird annehmen, dass der Politiker mit einer solchen Rede seinen Mitmenschen meint. Sarkozy gibt ihm die Möglichkeit, durch seine Stimme diese dezidierte Abgrenzung von solchen Neigungen, von solchen Pessimisten, d.h. vom anderen Lager zu vollziehen. Die Hassenden in Sarkozys Rede sind damit nicht die adressierten Wähler, sondern gegnerische Gruppierungen, deren Wahlsieg es zu verhindern gilt. Seine Rede in der Polarität von Liebe und Hass orientiert den Wähler gegen den Pessimismus und treibt ihn zu einer Wahl des den Optimismus verkörpernden Kandidaten. Mit Hilfe der drastischen Gefühlsäußerungen in der Verwendung der Verben détester und détestation schafft Nicolas Sarkozy eine Monopolsituation seiner Politik: Seine Politik bejaht das Land und gestaltet es in Liebe.

3.6.1.3 La volonté

Die vorliegenden Reden von Nicolas Sarkozy zeugen von einem ausgeprägten persönlichen Willen des Kandidaten. Die Bekundung seines Willens äußert der Redner in kurzen prägnanten Formulierungen, beginnend mit je veux... oder auch je [ne] veux pas....92 Ausgehend von dieser Beobachtung bietet es sich an, das stammverwandte Substantiv volonté gesondert zu untersuchen.

Der Präsidentschaftskandidat benutzt das Lexem volonté nur in einem Fall, um seinen eigenen Bestrebungen Ausdruck zu verleihen. Zu Beginn seiner Rede im Pariser Stadion von Bercy beschreibt Sarkozy seinen Weg in den Wahlkampf folgendermaßen:

«J’y suis allé avec en moi toute la volonté de changer les choses» (S.; Bercy: XLIV, 15). Diese Zielformulierung bleibt gerade durch den deutungsoffenen Begriff les choses

92 Vgl. z.B. S.; Bercy: XLVI, 41ff.. Die eckigen Klammern verdeutlichen, dass das Sarkozy das Verneinungspartikel ne in seinen Reden mitunter weglässt.

sehr vage. Die Ausdrucksstärke seiner persönlichen Willensbekundungen vollzieht der Redner damit eindeutig durch die Verbkonstruktionen je veux... oder je [ne] veux pas....

Das Substantiv volonté bezieht der Politiker mit dieser einen Ausnahme durchgehend auf seine Zielgruppe. Auffallend diesbezüglich ist Sarkozys uneinheitliche Wahrnehmung vom Willen seines Gegenübers. Im Wahlkampfmeeting von Marseille meint der Politiker Aussagen über la volonté du peuple treffen zu können. Seinen Aussagen nach fühlt sich das Volk verraten – die Grundstimmung im Land ist schlecht.

Dieser Verzweiflung entwächst das Bedürfnis zur Auflehnung:

Jamais je n’ai senti une telle exaspération, une telle révolte montée des profondeurs du pays. Et pourtant jamais je n’ai senti une telle volonté du peuple français de ne pas se résigner à la résignation (S.; Marseille: XXX, 5ff.).93

Der Redner unterstellt hier dem Volk gemeinsame Willensregungen, womit er den individuellen Prozess der Willensbildung missachtet. Im politischen Bereich kann sich der Willen des Einzelnen nur über seine Stimmenabgabe im Rahmen von Wahlen manifestieren. Jean-Marie Denquin stellt in Bezug auf den Ausdruck volonté du peuple fest:

Elle pose en effet l’existence d’une volonté du peuple préalable à sa manifestation. Or ce double présupposé est faux: il n’existe pas une volonté du peuple, mais des volontés individuelles, potentielles [...] et divergentes (Denquin 1997: 126).94

Ausgehend von dieser Beobachtung ist die Annahme eines kollektiven Willens des Volkes besonders im Wahlkampf sinnentleert. Es handelt sich damit bei Sarkozys Aussage um eine Generalisierung, die darauf abzielt, dem potentiellen Wähler eine Willenstärke zu suggerieren, welche dieser dann in seiner Wahl dieses Kandidaten zum Ausdruck bringen kann.

Sarkozy geht auch in der weiteren Verwendung des Lexems la volonté von einer miserablen Grundstimmung im Land aus. Diese zieht jedoch ganz im Gegensatz zum obigen Beispiel auch Einbuße im Willen des Gegenübers nach sich. Sarkozy beschreibt hier einen hilflosen und durchaus resignierten Zustand bei bestimmten Bevölkerungsgruppen:

J’ai pris conscience de la nécessité pour la politique de redevenir l’expression d’une volonté aux yeux de ceux qui ne se sentent plus eux-mêmes la force de vouloir. Il y a des Français pour qui la vie est si lourde qu’ils n’ont plus la volonté de vouloir. C’est la politique qui doit leur rendre l’espérance (S.; Bercy: XLVII, 9ff.).

Auch in dieser Passage bedient sich der Politiker in der Darstellung la volonté de vouloir einer Figura etymologica. Er dramatisiert auf diese Weise die Hilflosigkeit

93 In der Formulierung se résigner à la résignation bedient sich Sarkozy zudem einer Figura etymologica.

Den Willen des Volkes, nicht zu resignieren, steigert Sarkozy dadurch, dass sein Gegenüber nicht vor der Resignation resigniert. Diese Ausdrucksweise hat erneut mehr rhetorischen als inhaltlichen Gehalt.

94 Kursivdruck im Original.

solcher Bevölkerungsgruppen. Die Politik muss laut Nicolas Sarkozy einen Ausweg aus dieser Hoffnungslosigkeit bieten.

Die vorangegangene Untersuchung konnte zeigen, dass Sarkozy in der Demonstration seiner Willensstärke einen Kontrast zwischen den politischen Maßnahmen, die er vertritt und der Darstellung der resignierten Opfer der Gesellschaft aufbaut. Auch hier gilt bei Sarkozy, wie in Bezug auf die Lexeme détester und détestation: Je negativer er das Schicksal der Zuhörerschaft darstellt, desto mehr kann er sich und seine Politik in Szene setzen.

3.6.2 Affirmation und Negation

Nicolas Sarkozy verwendet in den untersuchten Reden sehr häufig Negationspartikel, um seine Position bzw. sein Wahlprogramm deutlich zu machen. Dabei ist eine Argumentationsstruktur für den Kandidaten charakteristisch. Der Kandidat belässt es nicht dabei, sein Wahlprogramm darzulegen und seine Überzeugungen zu äußern.

Vielmehr legt der Politiker einen Schwerpunkt auf Aussagen, in denen er bezeugt, welche Zustände er verachtet, welche Politik er nicht führen will und wen er nicht zu seiner Zielgruppe zählt. In seiner Argumentationsführung legt er sich dabei fast durchgängig auf eine Reihenfolge fest: Der Politiker beschreibt zunächst einen misslichen Zustand bzw. nicht adäquate Vorgehen oder aber gegnerischen Gruppierungen. Vor diesen Hintergründen legt er daraufhin seine Position bzw. sein Vorhaben dar. In seiner Zustandsbestimmung geht dem je veux... demzufolge ein je [ne]

veux pas voraus:

Je ne veux pas que l’on continue à regarder ailleurs, je ne veux pas que nous nous donnions bonne conscience à peu de frais. Ne rien faire jamais, ne rien bousculer, ne rien déranger pour que cela change. Eh bien moi, je veux changer tout cela parce que ces injustices ne sont pas acceptables (S.; Bercy: XLV, 50ff.).

Überdies leitet Sarkozy seine Position über das Gliederungssignal Eh bien ein, womit er seine Ansicht zusätzlich hervorhebt. Es folgt eine Segmentierung des Subjekts in Form einer Pronominalprojektion moi, je, wodurch der Kandidat außerdem das Spannungsfeld zwischen den vorher genannten Handlungsmöglichkeiten und seinem Vorhaben aufbaut. Die Passivität der vorherigen Politik unterstreicht Sarkozy durch die Verwendung der Infinitive faire, bousculer und déranger. Die Infinitivformen verallgemeinern die Untätigkeit der Politiker. Der Politiker umstellt die Infinitive mit beiden Negationspartikeln ne und rien95, wobei er ne rien faire noch durch das zusätzliche Negationspartikel jamais verstärkt.

95 In der Mündlichkeit fällt das Morphem ne vielfach weg. An dieser Stelle zieht der Redner jedoch den Norm entsprechenden Gebrauch der Negation vor, womit er diese verstärkt.

Auch im folgenden Beispiel schließt der Präsidentschaftskandidat zunächst andere Handlungsvarianten aus:

Il ne faut pas crier à l’Etat policier [...]. Il ne faut pas dire que l’on est pour la valeur travail et généraliser les 35 heures, surtaxer le travail, encourager l’assistanat, [...]. Il faut faire de la France le pays où on peut investir, entreprendre, créer, [...] (S.; Bercy: L, 24ff.).

Zu beachten ist hier, dass der Redner in beiden Beispielen einen Dreischritt einhält:

Zweimal bemängelt er Zustände bzw. Handlungsmöglichkeiten und zielt daraufhin auf seine Vorstellung von Reformgeist bzw. Arbeitsmarktpolitik ab. Dieser Dreischritt rhythmisiert seine Argumentation zusätzlich.

Auch im folgenden Beispiel geht die Darstellung seiner Antipathie gegenüber nationalfeindlichen Bürgern der Verdeutlichung seiner Sympathie gegenüber optimistischen, solidarischen Mitbürgern voraus:

Je suis allé à la rencontre non de ceux qui ne veulent plus de la nation parce qu’ils ne veulent rien partager [...]. Non, moi je veux aller à la rencontre de ceux qui se sentent solidaires d’un destin collectif dont ils veulent aussi leur part [...] (S.; Bercy: XLVI, 1ff.).

Auch hier wirkt das Non, ähnlich wie oben Eh bien, als Gliederungssignal, genau genommen als Korrektursignal. Im Non liegt der Dreh- und Angelpunkt in seiner Argumentationsführung: Der Redner malt sich eine ihm widerstrebende Einstellung einer Gruppe aus und stellt diese seiner Zielgruppe gegenüber. Er evoziert dabei bewusst die Gegensätzlichkeit der Gruppierungen, um durch sein korrigierendes Non seine Einschätzung deutlicher in den Vordergrund zu spielen. Sarkozys Einsatz von Gliederungssignalen als Bindeglied zwischen den falschen Vorgehensweisen und seinen Handlungen legitimiert zusätzlich die Reihenfolge seiner Argumentation: Er geht vom Schlechten aus und führt seine Argumentation mithilfe eines Gliederungssignals zu seiner aussichtsreicheren Politik. Eine umgekehrte Reihenfolge, d.h. erst die Vorstellung seiner Programmpunkte, welche er dann gegenüber schlechteren Handlungsvarianten abgrenzt, würde schon allein sprachlich den Gesetzmäßigkeiten der Politik widerstreben: Politik möchte grundsätzlich vom Schlechten zum Guten zu führen.

Anhand dieser drei Beispiele ist deutlich geworden, dass Nicolas Sarkozy mit Hilfe von Negationen Gegensätze bzw. Spannungsfelder inszeniert, um seine Position dezidiert gegenüber anderen abzugrenzen und hervorzuheben. Er sieht mit solchen Polarisierungen vor, klare, vielleicht auch radikale Positionen zu vertreten und beugt außerdem Rechtfertigungen und Präzisierungen über seine Arbeitschritte vor.

3.6.3 Pronominale Referenzen

Nicolas Sarkozy bedient sich in seinen Wahlkampfreden von Marseille und Paris-Bercy besonders des Personalpronomens je und des Indefinitpronomens on. Nous tritt bei

Sarkozy eindeutig in den Hintergrund und findet vielfach eine Entsprechung im Indefinitpronomen on.

Insbesondere im Teilkapitel zur Affirmation und Negation bei Nicolas Sarkozy ist bereits deutlich geworden, dass der Kandidat seine Positionen sehr explizit in den Vordergrund stellt. In diesen zumeist kurzen, prägnanten Willensbekundungen verwendet der Redner das Personalpronomen je, wie das folgende Beispiel noch einmal belegt:

Je ferai tout cela parce que la France m’a tout donné et que je veux tout lui donner à mon tour. [...]. J’ai tout reçu, je veux tout rendre. Je ferai cela parce que je le dois. Parce que je le dois à la France. Parce que je vous le dois. Je le ferai parce que je ne peux pas me résigner à rester sans rien faire (S.; Marseille: XXXI, 34ff.).

Der Politiker begründet hier in mehreren Anläufen sein Engagement als Politiker.

Fünfmal verwendet er dabei die Konjunktion parce que, wobei er selbst mit je viermal auch Subjekt der Hypotaxen bleibt. In seinen Begründungen stellt der Redner folglich nur interne, seine Person betreffende Faktoren in den Mittelpunkt. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Sarkozy offenbar nicht davor zurückschreckt, sich als Einzelperson in Verwendung des Personalpronomens je in Szene zu setzen.

Ein genauer Blick auf Sarkozys Gebrauch von on zeigt, dass dieses Pronomen bei ihm unterschiedliche Anwendungen findet. Der Kandidat greift zum einen auf das unpersönliche Pronomen on zurück, um die Stärken eines Präsidenten allgemeiner zu fassen. Ein on erscheint bescheidener und distanzierter als die Verwendung des Personalpronomens je. In der nachstehenden Passage z.B. spielt der Politiker auf die Strapazen eines Wahlkampfes an. Er selbst verbirgt sich hinter dem on, trifft aber durch das Indefinitpronomen eine pauschale Aussage:

Mais c’est en allant au bout de sa vérité, au bout de sa sincérité, au bout, j’ose le mot, de sa cohérence que l’on devient alors capable d’aimer un peuple, que l’on devient plus fort et capable de le représenter et de le conduire et qu’on devient à même de devenir le maître de son propre destin (S.; Marseille: XXIX, 37ff.).

Der Redner beleuchtet hier die Rolle eines Politikers anhand des Pronomens on, womit er wiederum eine allgemeine Aussage abgibt und das Hauptaugenmerk von sich als Kandidat abwendet.

In Spannung zu den vorhergegangenen Beispielen steht Sarkozys Verwendung des on im Folgenden. Im Indefinitpronomen ist hier der Gegner des Kandidaten verkörpert:

On a mis en cause successivement ma probité. [...] On a expliqué que j’étais dangereux pour les libertés. On m’a soupçonné de vouloir mettre en place un Etat policier [...]. On m’a accusé d’avoir exercé des pressions (S.; Bercy: LIII, 46ff.).

Die Unpersönlichkeit dieses Indefinitpronomens ermöglicht dem Redner, die gegnerische Position zum einen argumentativ einzusetzen, indem er sich rechtfertigt und das Gegenteil beweist. Zum anderen vermeidet er mit dem verallgemeinernden on,

den Gegner explizit beim Namen zu nennen. In der anaphorischen Anordnung des on unterstreicht der Politiker ferner die Schwere der gegnerischen Vorwürfe, welche er hier mit Nachdruck ausräumen möchte.

Im nachstehenden Beispiel sind mit dem wiederholten Indefinitpronomen weder die politische Welt, noch gegnerische Gruppierungen erfasst. Vielmehr fällt an dieser Stelle unter on das Kollektiv der Bürger und potentiellen Rezipienten der Rede. Der Kandidat tritt hier als Einzelperson in den Hintergrund, integriert sich aber im on in das Meinungsbild, welches er der Gruppe zuspricht:

On attendait une campagne où la politique aurait à affronter le scepticisme [...]. On croyait que la politique aurait à surmonter le doute qu’elle avait suscité par ses renoncements. Et on s’est trouvé face à un doute beaucoup plus profond, un doute qui est dans chacun d’entre nous [...] (S.; Bercy: XLIII, 41ff.).

Die Verwendung des Indefinitpronomens ermöglicht Sarkozy an dieser Stelle, drei Perspektiven miteinander zu verbinden: Er spricht als Repräsentant einer Gruppe Zweifel an, welche sich dans chacun d’entre nous manifestieren, womit er zugleich auch als Einzelperson erfasst ist. Überdies liegt im on ebenfalls die voix du Tiers, von

Die Verwendung des Indefinitpronomens ermöglicht Sarkozy an dieser Stelle, drei Perspektiven miteinander zu verbinden: Er spricht als Repräsentant einer Gruppe Zweifel an, welche sich dans chacun d’entre nous manifestieren, womit er zugleich auch als Einzelperson erfasst ist. Überdies liegt im on ebenfalls die voix du Tiers, von

Im Dokument Sprache im Kontext von Macht (Seite 66-81)