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Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)

Im Dokument Außenpolitischer Bericht 2002 (Seite 42-46)

III. Österreich und die Außenbeziehungen der Europäischen Unionder Europäischen Union

1. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) Allgemeines

1.3. Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)

Im Rahmen der GASP zielt die im Jahr 1999 initiierte ESVP darauf ab, der EU jene zivilen und militärischen Mittel zu geben, die sie benötigt, um inter-nationale Krisen zu bewältigen und als globaler politischer Akteur mehr Profil zeigen zu können. Ab 2003 will die EU in strategischer Partnerschaft mit der NATO im gesamten Petersberg-Spektrum Krisenmanagementopera-tionen durchführen können. Im Jahr 2002 hat die ESVP vor allem dank der Deblockierung der EU-NATO-Kooperation anlässlich des Europäischen Ra-tes von Kopenhagen bedeutende Fortschritte erzielt. Die EU ist nun in der Lage, in Zusammenarbeit mit der NATO erste militärische Operationen durchzuführen.

1.3.1. Vorbereitung der ersten ESVP-Operationen

Ende Jänner fasste die EU den Grundsatzbeschluss, die Polizeimission der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina ab 1. Jänner 2003 in verkleiner-tem Umfang als EU Police Mission (EUPM) zu übernehmen. In der Folge wurden die Aufgaben der Mission, ihre Kommandostrukturen sowie die Modalitäten für die Beteiligung von Drittstaaten festgelegt. 18 Nicht-EU-Staaten werden an dieser ersten zivilen Krisenmanagementoperation der EU teilnehmen. Von den insgesamt 466 PolizistInnen der EUPM werden fünf von Österreich gestellt.

Der Europäische Rat in Barcelona bekundete im März die grundsätzliche Be-reitschaft der EU, die NATO-Mission „Amber Fox“ (im Dezember umbe-nannt in „Allied Harmony“) in Mazedonien zu übernehmen, vorausgesetzt,

dass noch vor Übernahme der Operation permanente Kooperationsabkom-men zwischen EU und NATO abgeschlossen werden. Die Bereitschaft der EU zur Übernahme dieser NATO-Mission wurde im Laufe des Jahres immer wieder bekräftigt, aber erst Mitte Dezember ist beim Europäischen Rat in Ko-penhagen der Durchbruch in den EU-NATO-Beziehungen gelungen. In der Folge konnte mit den Vorbereitungen für die erste militärische ESVP-Opera-tion begonnen werden. Zusätzlich zur Übernahme der NATO-OperaESVP-Opera-tion in Mazedonien hat sich die EU in Kopenhagen auch zur Übernahme der NATO-Mission in Bosnien-Herzegowina grundsätzlich bereit erklärt (SFOR-Nachfolge). Eine militärische ESVP-Operation in Bosnien-Herzegowina könnte aber frühestens Ende 2003 erfolgen.

1.3.2. EU-NATO-Beziehungen

Mit der Überwindung der türkischen Blockade der seit längerem angestreb-ten permanenangestreb-ten EU-NATO-Kooperationsabkommen („Berlin Plus-Abkom-men“ und „SicherheitsabkomPlus-Abkom-men“) wurden in Kopenhagen die Vorausset-zungen für eine strategische Zusammenarbeit beider Organisationen im Be-reich des Krisenmanagements geschaffen.

Unter der so genannten „Berlin Plus-Regelung“, welche die NATO seit dem Washingtoner Gipfel im Frühjahr 1999 der EU angeboten hat, versteht man die vertraglich gesicherte Möglichkeit der EU, auf NATO-Kapazitäten zu-rückzugreifen, die für militärische Krisenmanagement-Operationen der EU benötigt werden. Das Sicherheitsabkommen regelt den Austausch von ver-traulichen Informationen und Dokumenten zwischen den beiden Organisa-tionen.

1.3.3. Verbesserung der militärischen und zivilen Kapazitäten für EU-Kri-senmanagement

Anfang des Jahres wurde mit der Implementierung des im November 2001 beschlossenen Aktionsplans zur Schließung der militärischen Fähigkeitslü-cken der EU (European Capability Action Plan ECAP) begonnen. Die Arbei-ten wurden zuletzt in 19 Panels durchgeführt, die jeweils Lösungsmöglich-keiten zur Beseitigung bestimmter Fähigkeitslücken aufzeigen sollen. Diese Panels haben bisher unterschiedliche Fortschritte erzielt und im November Zwischenberichte vorgelegt. Bis März 2003 werden die Panels konkrete Empfehlungen zur Schließung von Fähigkeitslücken ausarbeiten. Österreich nimmt derzeit an den Panels „Schutz vor Nuklear-, Biologie- und Chemie-waffen“ sowie „Unbemannte Aufklärungsflugkörper/Dronen, Überwachung, Zielfestlegung“ aktiv teil; in anderen Panels ist Österreich Beobachter. Im Zusammenhang mit der Umsetzung des ECAP beschloss die EU, künftig auch im Rüstungsbereich zu kooperieren. Im April gab es in Madrid erst-mals ein informelles Treffen der Rüstungsdirektoren der Verteidigungsmi-nisterien der EU-Mitgliedstaaten. Im November wurde beschlossen, die

Rüs-tungsdirektoren verstärkt in den Prozess zur Schließung der militärischen Fähigkeitslücken (ECAP-Prozess) einzubinden.

Bekanntlich hat sich die EU für das Jahr 2003 zum Ziel gesetzt, innerhalb von 60 Tagen in der Lage zu sein, 60.000 SoldatInnen für die Dauer von ei-nem Jahr für militärische Operationen in ein Krisengebiet verlegen zu kön-nen. Um die Einsatzschnelligkeit („Rapid Response“) bei militärischen ESVP-Operationen noch weiter zu erhöhen, wurden bestimmte Elemente der eingemeldeten Truppen identifiziert, die schon innerhalb von fünf Tagen zur Verfügung stehen können. Diese Truppenelemente sollen der EU insbe-sondere für humanitäre und Evakuierungsaufgaben zur Verfügung stehen.

Am 16. Mai fand in Brüssel eine Beitragskonferenz für den Bereich Justizwe-sen statt, bei der das Pledging-Ziel von 200 ExpertInnen überschritten wer-den konnte. Österreich kündigte die Bereitstellung von fünf JustizexpertIn-nen an. Am 19. November wurde in Brüssel eine „Civilian Crisis Manage-ment Capability Conference“ abgehalten, bei der sich zeigte, dass die Ziel-vorgaben des Europäischen Rats in Göteborg (März 2001) in den vier priori-tären Bereichen des zivilen Krisenmanagements (Polizei, Rechtsstaatlich-keit, Zivilschutz und Zivilverwaltung) von den EU-Mitgliedern bei weitem übertroffen wurden.

1.3.4. Weiterentwicklung der ESVP-Entscheidungsstrukturen und -ver-fahren

Am 13. Mai gab es erstmals ein formelles Treffen der Verteidigungsministe-rInnen der EU-Staaten im Rahmen des Rats Allgemeine Angelegenheiten, im November folgte ein weiteres Treffen dieser Art. Auf der Tagesordnung stand jeweils die Beurteilung der Fortschritte bei der Entwicklung der militäri-schen Kapazitäten.

Unter spanischem Vorsitz konnte im Juni nach langwierigen Verhandlungen eine Grundsatzeinigung über die Kostentragung bei militärischen ESVP-Operationen erzielt werden. Demnach sind Kosten, die nicht einem be-stimmten Mitgliedstaat zugerechnet werden können und erst im Rahmen ei-ner Operation anfallen, gemeinschaftliche Kosten, die von allen Mitglied-staaten nach dem BIP-Schlüssel zu tragen sind. Für alle anderen Kosten ha-ben jene Staaten aufzukommen, die Personal für ESVP-Operationen zur Ver-fügung stellen (nach dem Prinzip „costs lie where they fall“).

Die erste EU-Krisenmanagementübung (CME02) konzentrierte sich auf das Beüben der Abläufe in der Vorentscheidungsphase einer Operation. Beim Europäischen Rat in Kopenhagen einigte man sich auf eine erste gemein-same Übung zwischen EU und NATO im Jahr 2003 (CME/CMX 03).

Anfang 2002 wurden das Institut für Sicherheitsstudien in Paris und das Sa-tellitenzentrum in Madrid, welche bis dahin der Westeuropäischen Union (WEU) unterstanden, von der Europäischen Union übernommen.

1.3.5. Kooperation mit Drittstaaten in ESVP-Fragen

Der Konsultations- und Kooperationsprozess mit den sechs europäischen Nicht-EU-NATO-Staaten und den EU-Beitrittskandidaten in ESVP-Fragen hat sich positiv entwickelt. Der Europäische Rat von Brüssel hat im Oktober eine Erklärung über die Beteiligung dieser sechs europäischen Staaten an der ESVP verabschiedet, die den Wünschen der Türkei entgegen kommt. Die EU bekräftigte dabei ihre Bereitschaft, vor jeder ESVP-Operation enge Kon-sultationen mit jenen NATO-Mitgliedern aufzunehmen, die nicht der EU an-gehören. Damit wurde eine wesentliche Voraussetzung für die zwei Monate später in Kopenhagen erfolgte Deblockierung der EU-NATO-Kooperation ge-schaffen. Auch die Einbeziehung Kanadas, Russlands und der Ukraine in die ESVP wurde konkretisiert, indem diesen Ländern Teilnahmemöglichkei-ten bei ESVP-Operationen in Aussicht gestellt wurden. Die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit der europäischen Nicht-EU-NATO-Länder sowie der EU-Beitrittskandidaten wurde bereits im Jahr 2000 beim Europäischen Rat von Nizza geregelt.

1.3.6. Die Westeuropäische Union (WEU)

Gemäß den Beschlüssen des Europäischen Rats in Helsinki (1999) über die Entwicklung einer gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidi-gungspolitik im Rahmen der EU wurde die WEU mit Wirkung vom 1. Juli 2001 auf die Wahrnehmung einiger weniger Residualfunktionen beschränkt.

Der Brüsseler Vertrag mit seiner militärischen Beistandspflicht bleibt de iure ebenso aufrecht wie der Status der assoziierten Mitglieder, der assoziierten Partner und der Beobachter (darunter Österreich). Auch die diplomatischen Vertretungen dieser Länder bei der WEU bleiben bestehen. Während bisher die Interessen Österreichs bei der WEU von der österreichischen Vertretung bei der NATO wahrgenommen wurden, erfolgte im Jahr 2002 – dem Beispiel der meisten EU-Staaten folgend – eine Übertragung dieser Agenden auf den österreichischen Vertreter im Politischen und Sicherheitskomitee der EU.

Zu den erwähnten Residualfunktionen der WEU zählen neben der militäri-schen Beistandspflicht der WEU-Mitglieder auch die parlamentarische Zu-sammenarbeit im Rahmen der WEU-Versammlung, zu der auch Österreich VertreterInnen entsendet, sowie die Rüstungszusammenarbeit in der Wes-tern European Armaments Group (WEAG), an der Österreich seit dem Jahr 2000 teilnimmt.

1.3.7. Arbeitsgruppe Verteidigung im EU-Konvent

Im Rahmen des Konvents über die Zukunft Europas tagte im Herbst die Ar-beitsgruppe Verteidigung. Nach dreimonatiger Tätigkeit und auf Grund von 44 schriftlichen Beiträgen erstellte der Vorsitzende dieser Arbeitsgruppe, Michel Barnier, einen Schlussbericht, der am 20. Dezember vom Plenum des

Konvents überwiegend positiv aufgenommen wurde. Der Schlussbericht enthält unterschiedliche Vorschläge, die von verschiedenen Konventsmit-gliedern im Hinblick auf die Ausarbeitung eines EU-Verfassungsvertrags ge-macht wurden. So wurde insbesondere vorgeschlagen, im Verfassungsver-trag eine Ausweitung der Petersberg-Aufgaben, eine Solidaritätsklausel mit Bezug auf die Bewältigung terroristischer Bedrohungen innerhalb der Union, eine Übernahme der WEU-Beistandsverpflichtung in die EU in Form einer verstärkten Zusammenarbeit sowie eine intensivierte Kooperation der EU-Staaten im Rüstungsbereich vorzusehen. Weite Teile des Schlussberichts entsprechen deutsch-französischen und britischen Vorschlägen. Der Beitrag der österreichischen Konventsmitglieder Hannes Farnleitner und Reinhard Bösch „Ein neuer Impuls für die ESVP“, der Ende November im Konvent eingebracht wurde, spricht sich ähnlich wie der deutsch-französische Vor-schlag für eine Ausweitung der ESVP in Richtung einer gemeinsamen euro-päischen Verteidigung aus. Farnleitner und Bösch schlagen eine Beistands-klausel vor, die in einem fakultativen Zusatzprotokoll zum EU-Vertrag ver-ankert werden sollte, falls sich in Zukunft nicht alle EU-Staaten zur Über-nahme von Beistandsverpflichtungen bereit finden.

Im Dokument Außenpolitischer Bericht 2002 (Seite 42-46)