• Keine Ergebnisse gefunden

Belarus, Ukraine, Moldau

Im Dokument Außenpolitischer Bericht 2002 (Seite 48-53)

III. Österreich und die Außenbeziehungen der Europäischen Unionder Europäischen Union

2. Die mittel- und osteuropäischen Staaten

2.2. Belarus, Ukraine, Moldau

Diese drei Länder werden ab dem Zeitpunkt der nächsten beiden Erweite-rungsrunden gemeinsame Grenzen mit der EU haben. Um das Bewusstsein für diese künftige Nachbarschaft im Osten zu stärken, prägte die EU die „Ini-tiative Neue Nachbarn“ (New Neighbours Ini„Ini-tiative NNI). Die Beziehungen zu den neuen Nachbarn an den Ostgrenzen sollen sich auf gemeinsame po-litische und wirtschaftliche Werte gründen. Die Union möchte neue Trenn-linien in Europa vermeiden sowie Stabilität und Wohlstand innerhalb und jenseits ihrer neuen Grenzen fördern. Demokratiepolitische und wirtschaft-liche Reformen, nachhaltige Entwicklung und der Handel sollen zu diesem Zweck gefördert werden. Der Europäische Rat von Kopenhagen hat diese Zielsetzung bekräftigt. Für 2003 werden konkrete Vorschläge der Kommis-sion und des Ratssekretariats erwartet, wobei jedes Land – je nach dessen Gegebenheiten – individuelle Einschätzung und Behandlung erfahren soll.

Besonderes Augenmerk wird auf grenzüberschreitende und regionale Zu-sammenarbeit gerichtet sein; der Transportinfrastruktur wird ein hoher Stel-lenwert zukommen.

Österreich, das schon in der Vergangenheit aktiv für einen Einschluss der osteuropäischen Nachbarn der Union in die Europakonferenz eintrat, hatte seit seinem EU-Vorsitz 1998 die Idee einer „Partnerschaft für Europa“ lan-ciert, welche alle europäischen Länder innerhalb und außerhalb der Union umfassen sollte. Die NNI wird daher konsequenterweise von Österreich sehr begrüßt.

2.2.1. Belarus

Schwerwiegende Mängel im Menschenrechtsbereich (Medien-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit, restriktives Religionsgesetz, hoher Strafrahmen für Anklagen wegen „krimineller“ Delikte, hinter denen offenkundig politische Motivationen stehen) ließen im Laufe der letzten Jahre die Beziehungen EU-Belarus auf einen sehr niederen Stand absinken. Zu ihrer Belebung präsen-tierte die EU im März ein wechselseitiges Bezugspunkte- und Erfüllungspro-gramm („Benchmarks ProErfüllungspro-gramme“, eine Art „Operationskalender“), auf das Belarus allerdings nicht reagierte. Die Gewährleistung einer funktionieren-den OSZE-Mission in Minsk stand an der Spitze des Katalogs, funktionieren-den die EU für eine schrittweise Verbesserung der Beziehungen formulierte. Da die be-larussische Führung aber die faktische Schließung der OSZE-Mission im Oktober bewirkte, rückte die Implementierung des „Benchmarks Pro-gramme“ noch weiter in den Hintergrund; als Reaktion auf die Schließung verhängten im November 14 EU-Mitglieder im Schengen-Rahmen Reisebe-schränkungen gegen acht Spitzenrepräsentanten des belarussischen Re-gimes (Portugal als amtierendes OSZE-Vorsitzland wollte dieser Maßnahme zur Aufrechterhaltung seines Handlungsspielraums nicht gleich folgen).

Möglicherweise unter dem Eindruck dieser persönlich treffenden Ein-schränkungen erfolgte relativ rasch – schon Ende Dezember – eine Vereinba-rung über das Mandat eines neuen OSZE-Büros in Minsk und die Unter-zeichnung eines entsprechenden Memorandum of Understanding zwischen der OSZE und der belarussischen Regierung. Diese hat mittlerweile der Er-nennung eines Leiters für das neue Büro zugestimmt. Die Reisebeschrän-kungen sollen nach Sicherstellung des ungehinderten Funktionierens des Büros aufgehoben werden. Erst dann erscheint eine schrittweise Verbesse-rung der Beziehungen EU-Belarus auf der Grundlage des „Benchmarks Pro-gramme“ realistisch. Einer dieser Schritte wäre der Abschluss des unterbro-chenen Ratifizierungsverfahrens betreffend ein Partnerschafts- und Koope-rationsabkommen (PKA). Mit dessen In-Kraft-Treten hätte das Verhältnis EU-Belarus die gleiche vertragliche Grundlage wie jenes der EU zu den bei-den anderen NNI-Zielländern Ukraine und Moldau.

2.2.2. Ukraine

Die Kooperation der EU mit der Ukraine wurde in vielen Bereichen (unter anderem Stabilität, Sicherheit, Krisenmanagement, Wirtschaft, Umwelt, Energie) fortgeführt, auf den Gebieten Justiz und Inneres wurde sie neu auf-genommen. Gemeinsame Ausschüsse für Sichtvermerks- und Migrationsan-gelegenheiten sowie Terrorismusbekämpfung wurden ins Leben gerufen.

Die Ukraine möchte mit der EU über das derzeitige PKA hinaus ein Assozia-tionsregime mit der Festsetzung eines konkreten Beitrittsjahres als Fernziel erreichen. Die Union hingegen befürwortet ein flexibles, pragmatisches,

„evolutives“ Vorgehen ohne starres und möglicherweise hinderliches

Zeit-korsett. Als effektivsten und schlüssigsten Schritt des weiteren Heranfüh-rungsprozesses der Ukraine an die EU verweist Österreich auf die im PKA bereits vorgesehene Errichtung einer Freihandelszone, der Erhöhung von Hilfsleistungen durch noch effizientere Einsetzung der TACIS-Mittel sowie der Nutzbarmachung der erweiterten Europakonferenz als Forum für einen koordinierten Dialog über aktuelle politische und wirtschaftliche Themen.

Die EU erinnert daher Kiew immer wieder – so auch beispielsweise beim einmal jährlich stattfindenden Gipfeltreffen (4. Juli, Kopenhagen) – daran, dass das PKA noch einiges an Entwicklungspotenzial enthalte. Die EU hat wiederholt darauf hingewiesen, dass jede Form einer verstärkten Partner-schaft auf gemeinsamen demokratischen Werten und EU-Standards aufge-baut sein muss und dass die EU von jedem Partner ein dementsprechendes Verhalten erwarten darf. Konsolidierung der Demokratie, Rechtsstaatlich-keit, Beachtung der Menschenrechte, eine ausreichend abgesicherte und sich auch in der Praxis bewährende Medien- und Meinungsfreiheit sind ei-nige der von der EU betonten Fixpunkte, ferner auch ein außenpolitisches Verhalten, welches EU-Bemühungen zur Herbeiführung von Konfliktlösun-gen aktiv unterstützt (beispielsweise im Transnistrienkonflikt und damit zu-sammenhängenden Grenzkontrollproblemen).

Die EU und andere europäische Institutionen nahmen an der Beobachtung der ukrainischen Parlamentswahlen vom 31. März teil (darunter auch ein Österreicher). Die Gestaltung des Verhältnisses der EU zur Ukraine waren ei-nes der Themen beim offiziellen Arbeitsbesuch Präsident Leonid Kutschmas in Österreich von 6. –7. November sowie bei dessen weiteren Begegnungen mit Bundespräsident Thomas Klestil am Rande regionaler Treffen (31. Mai – 1. Juni in Bled/Brdo, Slowenien, und 16. –17. September in Salzburg).

2.2.3. Moldau

Vertragliche Grundlage der Beziehungen der EU mit Moldau bildet – wie im Fall der Ukraine – ein PKA. Auch Chisinau bekennt sich zu einem auf die europäischen Strukturen ausgerichteten außenpolitischen Kurs und zu ei-ner möglichst umfassenden Annäherung an den europäischen Integrations-prozess.

Die EU hat die feste Absicht bekundet, sich für Moldau bei der Lösung sei-nes vordringlichsten innen- und außenpolitischen Problems, des Transnis-trienkonflikts, noch stärker und im Zusammenwirken mit Europarat (ER), OSZE sowie Russland und Ukraine zu engagieren. Der Landesteil Transnis-trien hat sich unter dem Namen „Transnistrische Moldauische Republik“

1991/1992 von der Zentralregierung in Chisinau losgesagt; er ist internatio-nal nicht anerkannt und betrieb bisher eine auf Sezession ausgerichtete Po-litik. Das internationalen Beobachtern weitestgehend unzugängliche Ge-biet entwickelte sich zu einer „grauen Zone“ für Waffen- und Menschen-schmuggel, für illegale grenzüberschreitende Praktiken und zu einem

per-manenten Störfaktor in der Region. Eine unter anderem von der OSZE vor-geschlagene Lösung des Problems wäre die Umwandlung Moldaus in einen Bundesstaat mit weitgehender Autonomie für den Landesteil Transnis-trien. Die Kommission nahm an einer Fact-finding-Mission der OSZE an der moldauisch-ukrainischen Grenze teil; im November stattete eine Dele-gation des Generalsekretariats des Rates Moldau einen Besuch ab, um die Möglichkeiten für die praktische Durchführung eines verstärkten Engage-ments an Ort und Stelle zu sondieren. Die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen, unter anderem in den Bereichen politischer Dialog, Unter-stützung bei der Kontrolle der ukrainisch-moldauischen Grenze sowie bei der Sicherstellung der Einhaltung nationaler Zollvorschriften, Abzug der russischen Truppen und Waffenlager innerhalb der von der OSZE vorgege-benen Zeitspanne (die im Dezember bis Ende 2003 verlängert wurde), bil-den die Grundlage für die Vorgangsweise und bil-den Aktionsradius der EU nicht nur gegenüber der moldauischen Zentralregierung und der transnist-rischen Administration in Tiraspol, sondern auch gegenüber den beiden anderen Hauptakteuren, Russland und Ukraine. Die Union und ihre Mit-gliedstaaten wären – falls damit positive Wirkungen zu erzielen sind – auch zur Verhängung von Maßnahmen gegen die transnistrische Adminis-tration bereit.

Die NNI der EU, die Erfüllung von Forderungen der Parlamentarischen Ver-sammlung des ER sowie die im Mai 2003 beginnende Vorsitzführung Mol-daus im ER-Ministerkomitee bewirkten in Chisinau ein größeres Interesse an Europafragen. Einem Ersuchen Moldaus an das ER-Generalsekretariat und die Europäische Kommission um Hilfe für die Durchführung der erwähnten Vorsitzführung konnte durch praktische Maßnahmen (z.B. Training von moldauischen DiplomatInnen, Beistellen von ExpertInnen aus EU-Ländern) entsprochen werden.

2.3. Südkaukasien

Der verstärkte politische Dialog der EU mit den Staaten Südkaukasiens (Ar-menien, Aserbaidschan, Georgien) wurde durch ein Troika-Treffen auf Mi-nisterebene am 30. September vor den jeweiligen Kooperationsräten mit Ar-menien und Aserbaidschan in Brüssel und einem Troika-Besuch in allen drei südkaukasischen Staaten auf Ebene der Politischen Direktoren vom 8.–

10. Oktober fortgesetzt. Die wichtigsten Themen dabei waren die georgisch-russischen Beziehungen und die Berg-Karabach-Frage. Der georgische Staatspräsident Eduard Schewardnadse traf mit dem Hohen Vertreter für die GASP Javier Solana am 18. März in Brüssel zusammen und hielt vor dem Komitee für auswärtige Beziehungen, Menschenrechte, allgemeine Sicher-heit und Verteidigungspolitik des Europäischen Parlaments eine Rede. Mit allen drei Staaten fanden Kooperationssitzungen, Kooperationsausschüsse und Treffen der Parlamentarischen Kooperationskomitees statt. Im Rahmen

der TACIS-Länderstrategie 2002 – 2006 wurden für die drei Staaten die Indi-kativprogramme für 2002 – 2003 beschlossen.

Wurden so einerseits die Bemühungen der EU um eine Intensivierung der Beziehungen zu den südkaukasischen Staaten fortgesetzt, so erlebten ande-rerseits die Beziehungen zu Georgien durch die Entführung des britischen EU-Mitarbeiters in Tbilisi Peter Shaw einen Tiefpunkt. Der dritte Kooperati-onsausschuss mit Georgien wurde daher von Juni auf Oktober verlegt. EU Kommissar Chris Patten wandte sich in diesem Zusammenhang in einem Brief an den georgischen Staatspräsidenten Eduard Schewardnadse. Es wurde beschlossen, das TACIS-Indikativprogramm für Georgien zu überar-beiten. Die Freilassung von Peter Shaw erfolgte im November.

Die Beziehungen Georgiens mit Russland verschlechterten sich in der zwei-ten Jahreshälfte nach einem Ultimatum des russischen Staatspräsidenzwei-ten Wladimir Putin an Georgien vom 11. September. Darin wurde ein russisches Eingreifen in Georgien angedroht, sollte Georgien keine geeigneten Schritte zur Unterbindung terroristischer, gegen Russland gerichteter Aktivitäten, die von im Pankisi-Tal aufhältigen Tschetschenen ihren Ausgang genommen haben dürften, setzen. In diesem Zusammenhang unternahm die EU einige Demarchen bzw. thematisierte sie die Angelegenheit mehrmals gegenüber Russland. Der Tenor dabei war der Aufruf an beide Seiten, den Konflikt po-litisch zu lösen sowie eine klare Aussage seitens der EU, keine Verletzung der territorialen Integrität Georgiens und seiner Souveränität zu akzeptieren.

Das gesteigerte Interesse der EU an Südkaukasien drückte sich auch in ver-stärkten Bemühungen aus, einen Beitrag zur Lösung der Regionalkonflikte zu leisten. Auf Grund der für 2003 bevorstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Armenien und Präsidentschaftswahlen in Aserbaid-schan waren keine Fortschritte im Berg-Karabach-Konflikt zu verzeichnen.

Die EU ist durch Frankreich, welches einen der drei Ko-Vorsitzenden stellt, in der zur Lösung des Konflikts eingesetzten Minsk-Gruppe im Rahmen der OSZE vertreten. Im Zusammenhang mit der jährlichen Debatte im Rahmen der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Annahme einer Resolution zur Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und der OSZE, in der auch 2002 auf den Berg-Karabach-Konflikt eingegangen wurde, wandten sich sowohl der armenische als auch der aserbaidschanische Au-ßenminister an die EU-Mitglieder mit der Bitte um Unterstützung ihrer je-weiligen Standpunkte. Wie im Vorjahr enthielten sich die EU-Mitglieder bei der Abstimmung über den aserbaidschanischen Änderungsvorschlag. Be-züglich Abchasiens war durch einen Vorschlag Großbritanniens im Rahmen der Gruppierung der „Freunde des Generalsekretärs der Vereinten Natio-nen“ in Moskau ein Treffen mit dem „Premierminister“ Abchasiens, Dscher-genja, geplant. Dieses konnte allerdings trotz Anwesenheit aller aus Geor-gien und Abchasien angereisten Personen nicht stattfinden, da sich Dscher-genja weigerte, das seitens des ehemaligen Vertreters des Generalsekretärs

der Vereinten Nationen in Georgien, Boden, erarbeitete Dokument über die Beziehungen zwischen Georgien und Abchasien als Diskussionsgrundlage sowie die Teilnahme der neuen Vertreterin des Generalsekretärs der Verein-ten Nationen in Georgien, Tagliavini, an den Gesprächen zu akzeptieren. Im März bezeichnete die EU in einer Erklärung die Durchführung von „Parla-mentswahlen“ in Abchasien als illegitim, da sie von der international nicht anerkannten „Regierung“ des abtrünnigen Abchasien durchgeführt wurden.

In Armenien fand im April die von der EU finanzierte Konferenz über Infor-mationstechnologie „E-Development for Southern Caucasus“ statt. Arme-nien erhielt auch humanitäre Hilfe auf Grund der letztjährigen Dürre. EU-Demarchen wurden in Armenien und Georgien im Zusammenhang mit de-mokratiepolitischen Entwicklungen, insbesondere betreffend die Situation von Medien, NGOs und Glaubensgemeinschaften, unternommen.

Das österreichische Statistische Institut erhielt den Zuschlag für ein EU-Twinning-Projekt mit Armenien zur Reform statistischer Standards. Das TA-CIS-Programm zur Modernisierung der Zollverwaltung Georgiens wird von einem Österreicher geleitet; ebenso besteht ein TACIS-Projekt zwischen der Universität für Bodenkultur und der Agraruniversität in Tbilisi.

Im Dokument Außenpolitischer Bericht 2002 (Seite 48-53)