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Allgemeine Entwicklung

Im Dokument Außenpolitischer Bericht 2002 (Seite 63-71)

III. Österreich und die Außenbeziehungen der Europäischen Unionder Europäischen Union

3. Südosteuropa / Westlicher Balkan

5.1. Allgemeine Entwicklung

5.1.1. Koreanische Halbinsel, China, Japan, Indonesien, Timor-Leste, Myan-mar/Birma, Philippinen

Die sicherheitspolitische Situation in Nordost-Asien ist vor allem durch die Destabilisierung der Situation auf derkoreanischen Halbinsel gekennzeich-net. Nach dem historischen Gipfel von Nord- und Südkorea im Jahre 2000 hat sich der Annäherungsprozess verlangsamt und ist 2002 nahezu zum Stillstand gekommen. Die im Herbst bekannt gewordenen Informationen

über ein geheimes Urananreicherungsprogramm Nordkoreas bzw. die damit verbundenen Verstöße gegen eine Reihe von internationalen Verpflichtun-gen haben zu BelastunVerpflichtun-gen der BeziehunVerpflichtun-gen Nordkoreas vor allem zu den Vereinigten Staaten, aber auch zu Japan, Südkorea und zur EU geführt, da alle an einer kernwaffenfreien koreanischen Halbinsel sowie an der Vermei-dung einer Rüstungseskalation und der Proliferation von Massenvernich-tungswaffen in der Region interessiert sind.

Von Nordkorea abgesehen, kann die Lage in Nordost-Asien allerdings als stabil bezeichnet werden. Die sich immer mehr zu einem bestimmenden re-gionalen Faktor entwickelndeVolksrepublik China verfolgt ihre ehrgeizigen wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Ziele vorzugsweise über eine friedliche Nachbarschaftspolitik. Selbst alte Dispute, wie der um Taiwan oder die Territorialfragen in der Südchinesischen See, werden unter diesem Aspekt betrachtet. Der XVI. Kongress der Kommunistischen Partei Chinas im November stellte eine Etappe, aber keinen Wendepunkt im politischen und wirtschaftlichen Reformprozess des Landes dar, indem der Übergang der Führung Chinas auf eine neue Generation vorerst auf Parteiebene vollzo-gen wurde. Diese neue Führung in Regierung und Kommunistischer Partei sieht sich bedeutenden Problemen gegenüber: die Frage der Auflösung von unrentablen Staatsbetrieben und der Kontrolle der damit einher gehenden Arbeitslosigkeit, das Finden einer gerechteren Balance zwischen Arm und Reich, was im Falle der Volksrepublik China einen Ausgleich zwischen der sich rasch entwickelnden Küste und dem zurückgebliebenen Hinterland so-wie zwischen Stadt und Land bedeutet. Langfristig kommt noch die Bewäl-tigung von enormen Verkehrs- und Umweltproblemen sowie die Frage des Ausbaus demokratischer Einrichtungen hiezu.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 1997/98 kann als weitgehend überwunden angesehen werden. Die meisten Länder der Region haben posi-tive Wachstumsraten, manche – China, Südkorea, Indien, Vietnam – liegen mit Raten von deutlich über 5% sogar an der Weltspitze. Einige der traditio-nell erfolgreichsten Volkswirtschaften, wie Singapur, Hongkong, Taiwan und letztlich auchJapan (mit hoher Inlandsverschuldung und noch immer anstehenden Wirtschaftsreformen), stagnieren allerdings. Diese Volkswirt-schaften sind auf Hochtechnologie ausgerichtet und im innerasiatischen Wettbewerb relativ teure Standorte, weshalb mehr und mehr Unternehmen auf Billiglohnländer, vor allem China, ausweichen. Die wirtschaftliche und finanzpolitische Interdependenz in der Region hat erheblich zugenommen.

InIndonesien wurde der 1999 begonnene Demokratisierungsprozess weiter-geführt, beispielsweise durch vier Verfassungsänderungen, mit denen unter anderem die automatische Zuerkennung von 38 Parlamentssitzen für die Streitkräfte beendet wurde, sowie Verabschiedung eines neuen Parteienge-setzes. Die schwierige Wirtschaftslage und hohe Arbeitslosenraten tragen al-lerdings zum wachsenden Zuspruch zu radikalen Gruppierungen bei. Am

12. Oktober ereignete sich einschwerer Bombenanschlag auf der von Tou-ristInnen stark frequentierten InselBali. Etwa 190 Personen wurden getötet (keine österreichischen StaatsbürgerInnen). Der indonesischen Regierung wurde im Zusammenhang mit den Anschlägen von USA, Australien und ei-nigen EU-Staaten ein zu nachsichtiger Umgang mit islamistischen Extremis-ten vorgeworfen. Hinter den Anschlägen von Bali soll die regionale Organi-sation Jemaah Islamiyah stehen, die Verbindungen zum Al-Qaida-Netzwerk unterhalten soll. Seitens der EU sowie der USA und Australiens, das die weitaus meisten Opfer beim Anschlag zu beklagen hatte, wurden die Reise-hinweise für ihre StaatsbürgerInnen deutlich verschärft. Die Regierung In-donesiens wurde zu einem nachhaltigeren Vorgehen gegen radikale religiös-politische Gruppierungen aufgefordert.

Timor-Leste (Osttimor) wurde am 20. Mai in einer feierlichen Zeremonie unter Anwesenheit des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Kofi Annan in die Unabhängigkeit entlassen und bei der 57. Generalversammlung der Vereinten Nationen als deren Mitglied aufgenommen. Im August 2001 fan-den die ersten freien Parlamentswahlen des Landes und im April 2002 Prä-sidentschaftswahlen statt, die der frühere Unabhängigkeitskämpfer Xanana Gusmao mit großer Mehrheit gewann. Das Hauptaugenmerk der Außenpoli-tik des jungen Staates liegt auf der Absicherung der eben erlangten Unab-hängigkeit und des wirtschaftlichen Überlebens.

Die Lage inMyanmar/Birma war durch die Hoffnungen auf Einleitung eines Demokratisierungsprozesses gekennzeichnet, nachdem die Friedensnobel-preisträgerin und Wahlgewinnerin von 1990 Aung San Suu Kyi im Mai aus dem Hausarrest entlassen worden war. In den folgenden Monaten kam es al-lerdings wieder zu Rückschritten und Verhaftungen von RegimegegnerIn-nen. Die „Gemeinsame Position“ der EU gegenüber Myanmar, die auch Ein-reisebeschränkungen für hochrangige Politiker der Militärregierung vor-sieht, wurde daher vom Rat am 29. April und am 29. Oktober jeweils für weitere sechs Monate verlängert.

Auf denPhilippinen hat sich die Sicherheitssituation weiter verschlechtert.

Verantwortlich dafür sind teils Verbrecherbanden, teils radikale moslemi-sche Organisationen wie die Abu Sayyaf-Gruppe oder die Moro Islamic Li-beration Front (MILF). Beide werden mit internationalen terroristischen Netzwerken wie Al-Qaida oder Jemaah Islamiyah in Verbindung gebracht.

Auch die Philippinen haben sich nach den Terroranschlägen vom 11. Sep-tember 2001 vorbehaltlos der von den USA geführten Anti-Terror-Koalition angeschlossen und arbeiten bei ihrer internen Terrorbekämpfung mit den USA eng zusammen.

5.1.2. Zentralasien

Die zentralasiatischen Staaten gewannen nach den Ereignissen des 11. Sep-tember 2001 als unmittelbare Anrainer an Afghanistan, die sich durch die

vorherigen Entwicklungen in Afghanistan selbst bedroht fühlten, an geostra-tegischer Bedeutung, was aber kaum zur Besserung der Menschenrechtssi-tuation und der regionalen Zusammenarbeit beigetragen hat. Das gestiegene Interesse der Weltöffentlichkeit an Zentralasien wurde auch im Jahr 2002 beibehalten und manifestierte sich durch einen regen Besuchsaustausch mit den USA und anderen Mitgliedern der Anti-Terror-Koalition, darunter hauptsächlich EU-Staaten: Der tadschikische Staatspräsident Emomali Rachmonow und der usbekische Staatspräsident Islam Karimow besuchten die USA, Emomali Rachmonow auch Frankreich, der kirgisische Staatsprä-sident Askar Akajew Deutschland. Die militärischen Stationierungen im Rahmen der Anti-Terror-Koalition in Kirgisistan, Tadschikistan und Usbe-kistan wurden fortgeführt. Zu diesen Stationierungen kam in Kirgisistan noch die Vergabe des Flughafens Kant an die Russische Föderation, wo-durch ein Ausgleich in der außenpolitischen Ausrichtung Kirgisistans ge-schaffen werden sollte.

Regional wurde versucht, die Zusammenarbeit voranzutreiben. Die CICA-Gründungskonferenz (Konferenz über Interaktion und Vertrauensbildende Maßnahmen in Asien) wurde im Juni in Almaty durchgeführt. Anlässlich der Tagung der Zentralasiatischen Zusammenarbeit in Duschanbe wurde der usbekische Staatspräsident Islam Karimow zum Vorsitzenden gewählt und eine engere Zusammenarbeit der Außenministerien, der Parlamente und der Wirtschaftskreise beschlossen. Andererseits kam es erneut zu Grenzschlie-ßungen im Zusammenhang mit innenpolitischen Entwicklungen in einzel-nen Ländern der Region.

Hatten die Afghanistanereignisse und die darauf erfolgten Stationierungen der Anti-Terror-Koalition zu einer Verminderung der Bedrohung der zentral-asiatischen Staaten durch extremistisch-islamistische Kräfte geführt, stiegen neue Bedrohungspotenziale für manche Regime aus innenpolitischen Grün-den auf. Kirgisistans Regierung musste auf Grund von Entwicklungen im Zusammenhang mit Gebietsabtretungen an China und Unruhen im Süden des Landes zurücktreten; eine neue Verfassung wurde ausgearbeitet. Turk-menistan war mit einem angeblichen Attentatsversuch gegen Staatspräsi-dent Saparmurat Nijasow konfrontiert, den dieser zum Anlass nahm, in Schauprozessen gegen die Opposition, insbesondere auch den ehemaligen Außenminister Boris Schichmuradow, vorzugehen. Der turkmenische Vor-wurf an Usbekistan, Beihilfe am Attentat geleistet zu haben, führte zu einer massiven Verschlechterung der bilateralen Beziehungen.

Angesichts der gestiegenen Bedeutung der Region verdoppelte die EU die jährlichen TACIS-Mittel für Zentralasien auf 50 Millionen Euro. Die TACIS Zusammenarbeit mit Tadschikistan wurde wieder aufgenommen. Eine EU-Troika auf Ebene der RegionaldirektorInnen der Außenämter besuchte im Juni Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan. Im August wurde in Usbekis-tan ein „Europahaus“ eröffnet, welches die EU-Hilfe und

Informationstätig-keit in Usbekistan besser koordinieren soll. Im Oktober wurde der EU-Dro-genaktionsplan für Zentralasien unterzeichnet. Mit Kasachstan (April in As-tana), Kirgisistan (April in Bischkek) und Usbekistan (Dezember in Brüssel) fanden Kooperationsausschusssitzungen und Kooperationsratstagungen (in Brüssel im Juli für Kasachstan und Kirgisistan, im Jänner für Usbekistan) statt. Die Unterausschüsse für Handel und Wirtschaft fanden mit Kasachstan (Februar und November in Astana) und Usbekistan (Taschkent) statt. Mit Ka-sachstan und Usbekistan wurden neue Unterausschüsse zu Innen- und Jus-tizfragen gegründet, die zum ersten Mal im Juli in Taschkent bzw. November in Astana zusammentraten. Mit Usbekistan tagte das Parlamentarische Zu-sammenarbeitskomitee im Mai in Strassburg. Mit Tadschikistan fand im De-zember die zweite Tagung des Gemeinsamen Ausschusses im Rahmen des Handels- und Zusammenarbeitsabkommens in Duschanbe statt. Im Rahmen des TACIS-Strategiepapiers für Zentralasien für die Jahre 2002 bis 2006 wur-den die Indikativprogramme für die Jahre 2002 bis 2004 ausgearbeitet.

Die Beziehungen der EU zu Kasachstan waren wegen der nach einem Be-such in der französischen Botschaft in Almaty erfolgten Inhaftierung des Oppositionspolitikers Schaqijanow belastet. In Zusammenhang mit der de-mokratiepolitischen und sich verschlechternden Mediensituation wurden von der EU einige Demarchen unternommen und Erklärungen abgegeben.

Der im Ausland lebende Oppositionspolitiker und ehemalige Ministerpräsi-dent Akeschan Kaschegeldin erhielt vom Europäischen Parlament den

„Freiheitspass“ (Zeichen der Unterstützung für demokratische Oppositions-bewegungen in demokratiepolitisch schwierigen Staaten) verliehen. Bezüg-lich Kirgisistan gab die EU Erklärungen zu den Entwicklungen in Südkirgi-sistan, insbesondere zur Inhaftierung des Oppositionspolitikers Beknaza-row, heraus. Gegenüber Tadschikistan wurde eine Demarche betreffend die Abschiebung afghanischer Flüchtlinge aus Tadschikistan und die Todes-strafe für die Brüder Nazrijew unternommen. Tadschikistan erhielt auch hu-manitäre Unterstützung im Zusammenhang mit der langjährigen Dürre. Ge-genüber Turkmenistan wurden Erklärungen im Zusammenhang mit der Me-diensituation und den Verfahren der angeblich am gescheiterten Attentats-versuch gegen Staatspräsident Saparmurat Nijasow Beteiligten abgegeben.

In Usbekistan wurden Demarchen im Zusammenhang mit inhaftierten Men-schenrechtsaktivisten durchgeführt.

Österreich begann mit Unterstützung von TACIS-Mitteln ein Projekt zum Aufbau einer zentralasiatischen Grenzbeamtenfortbildungsakademie.

5.1.3. Afghanistan

Am 7. Oktober 2001 begann in Afghanistan die Operation „Enduring Free-dom“ der internationalen Anti-Terror-Koalition unter Führung der USA, die im gesamten Jahr 2002 fortgesetzt wurde, insbesondere in Form von militä-rischen Operationen gegen Al-Qaida und Taliban-Reste in den afghanischen

Bergen. Die größte dieser Operationen lief im März unter dem Namen „Ana-conda“.

Von 20. – 22. Jänner nahm Außenministerin Ferrero-Waldner an der Spitze einer österreichischen Delegation an derInternationalen Konferenz für den Wiederaufbau Afghanistans in Tokio teil, zu der die Afghanistan Recons-truction Support Group (ARSG) alle potenziellen Geberländer eingeladen hatte. Als die vier Ko-Vorsitzenden der ARSG fungierten Japan, Saudi-Ara-bien, USA und die EU.

Die Konferenz war ein großer Erfolg für die afghanische Bevölkerung. Die Gesamtsumme der auf mehrere Jahre ausgelegten Zusagen belief sich auf 4,5 Milliarden US-Dollar, davon 1,8 Millionen US-Dollar für 2002. Darüber hinaus wurde Hilfe in Form von Sachgütern angeboten. Die Entschlossen-heit der internationalen Gemeinschaft, Afghanistan substanziell helfen zu wollen, kam jedenfalls klar zum Ausdruck.

Außenministerin Benita Ferrero-Waldner sagte in Tokio für Österreich eine Summe in der Größenordnung von 12,3 Millionen Euro zu, die sich wie folgt aufteilt:

• 4,5 Millionen Euro für die Entsendung eines Kontingentes des Österrei-chischen Bundesheeres zur Teilnahme an der Internationalen Sicherheits-beistandstruppe der Vereinten Nationen in Kabul (International Security Assitance Force ISAF) für eine Dauer von sechs Monaten;

• 6,5 Millionen Euro für Wiederaufbauaktivitäten für einen Zeitraum von drei Jahren (2002 – 2004);

• 1,1 Millionen Euro für humanitäre Hilfe;

• 0,2 Millionen Euro für sofortige Entminungsaktivitäten.

Sie legte in Tokiodrei Schwerpunktbereiche für das österreichische Engage-ment im Rahmen der Wiederaufbauaktivitäten fest: Stärkung der Frauen-rechte, Entminung, Drogenbekämpfung.

Insgesamt hat Österreich bis Ende 2002 seine in Tokio gemachten Zusagen vollinhaltlich erfüllt. Mit der Verlängerung der Teilnahme an ISAF entstand ein zusätzlicher Finanzbedarf von 2,5 Millionen Euro, der zu den in Tokio zugesagten Mitteln aufgerechnet werden kann. Weitere 110.000,– Euro wur-den für die Aufrechterhaltung der österreichischen ISAF-Präsenz 2003 be-reitgestellt (fünf Mann Stabs- und Verbindungspersonal).

Der wichtigste Meilenstein bei der Umsetzung des Bonner Abkommens vom 5. Dezember 2001 im Jahr 2002 war der Abschluss der Außerordentlichen Großen Ratsversammlung (Emergency Loya Jirga) in Kabul am 19. Juni 2002.

An dieser traditionellen Veranstaltung nahmen ca. 1600 Delegierte aus allen Landesteilen teil, erstmals in der Geschichte Afghanistans auch Frauen.

Eine Frau war auch als Kandidatin um das Amt des Präsidenten angetreten.

Im Vorfeld der Loya Jirga hatte sich Bundesministerin Ferrero-Waldner in mehreren Initiativen nachhaltig für die Teilnahme von Frauen engagiert. Der

tatsächliche Frauenanteil lag schließlich bei ca. 10%, was angesichts der af-ghanischen Tradition und Geschichte als großer Erfolg zu werten ist.

Die Emergency Loya Jirga endete mit der Wahl des Staatspräsidenten (Ha-mid Karzai, zugleich Regierungschef) und der Bildung einer Übergangsre-gierung (Afghan Transitional Authorithy ATA), die – im Unterschied zur da-vor bestehenden Übergangsverwaltung – mit der Bestätigung durch die Loya Jirga auf eine gewisse demokratische Legitimität verweisen kann. Gemäß dem Bonner Abkommen soll 18 Monate nach Ende der Emergency Loya Jirga eine verfassungsgebende Constitutional Loya Jirga stattfinden, gefolgt von freien Wahlen nicht später als zwei Jahre nach Ende der Emergency Loya Jirga, also spätestens im Sommer 2004.

5.1.4. Indien/Pakistan

Am 13. Dezember 2001 wurde auf das indische Parlament ein Terroran-schlag verübt, für den Indien die von Pakistan aus operierenden Moslem-gruppen Lashkar-e-Toiba und Jaish-e-Mohammed verantwortlich machte und von Pakistan ein entschiedenes Vorgehen gegen diese Gruppen forderte.

In der Folge kam es zu Jahresbeginn 2002 beiderseits der indisch-pakistani-schen Demarkationslinie in Kaschmir zu einem großen Truppenaufmarsch.

Bus- und Bahnverbindungen zwischen den beiden Ländern wurden einge-stellt und Überflugsrechte storniert. Der Personalstand der diplomatischen Missionen wurde drastisch gekürzt. Im Mai erreichte die bilaterale Krise ei-nen gefährlichen Höhepunkt. Indien hatte als Reaktion auf eiei-nen Rebellen-angriff auf ein Armeelager in Kaschmir Mitte Mai 2002 mit über 30 Toten den pakistanischen Botschafter ausgewiesen, die Gefahr eines offenen Kon-fliktes der beiden Nuklearmächte war erneut ein realistisches Szenario. An der Grenze, besonders aber in der Kaschmirregion, hatten Indien und Pakis-tan bereits über eine Million Soldaten zusammengezogen, beide Seiten schlossen in ihrer Rhetorik den Einsatz von Atomwaffen zeitweise nicht völ-lig aus.

Ungeachtet internationaler Proteste testete Indien im Jänner eine atomwaf-fenfähige Mittelstreckenrakete, was seitens der EU und der USA in Erklä-rungen mit Bedauern zur Kenntnis genommen wurde. Pakistan führte kurz darauf selbst vergleichbare Tests mit atomwaffenfähigen Mittelstreckenrake-ten im Mai durch, ein weiterer Test erfolgte Anfang Oktober.

Indien setzte schließlich – nach heftigen internationalen Reaktionen auf die Eskalation der Spannungen zwischen den beiden Nuklearmächten – erste konkrete Schritte zur Entspannung, indem es pakistanischen Zivilflugzeu-gen wieder Überflugsrechte einräumte, die Marine in die Häfen zurückbeor-derte und die Entsendung eines diplomatischen Vertreters im Botschafter-rang nach Islamabad ankündigte. Die Regierung in Neu Delhi reagierte damit auch auf die Versicherungen von Präsident Musharraf, muslimische Extre-misten vom Eindringen in den indischen Teil Kaschmirs abzuhalten. Eine

deutliche Deeskalation setzte erst nach Ende der Lokalwahlen in Jammu und Kaschmir (in insgesamt vier Wahlgängen im September und Oktober) sowie nach den Parlamentswahlen in Pakistan am 10. Oktober ein. Der seit Mitte Oktober erfolgte gegenseitige Abzug von großen Truppenkontingenten Indiens und Pakistans war ein wichtiges Signal einer de facto-Entspannung, er beschränkt sich aber weitgehend auf Regionen außerhalb Kaschmirs.

Trotz des Abbaus der unmittelbaren Gefahr einer militärischen Eskalation ist politisch bzw. inhaltlich eine Beilegung des Konfliktes nicht näher ge-rückt.

Österreich und die gesamte EU haben sich intensiv um Deeskalation der Spannungen zwischen den beiden Nuklearmächten bemüht. Dazu haben von allen Partnern abgestimmte EU-Erklärungen, Reisen in die Region durch EU-Repräsentanten, darunter Javier Solana und Kommissar Christopher Pat-ten, und inhaltlich gleich lautende Botschaften der EU-AußenministerInnen an ihre jeweiligen indischen und pakistanischen Gesprächspartner beigetra-gen. Auch Bundesministerin Benita Ferrero-Waldner hat die Botschaft der EU bei ihren Treffen mit den pakistanischen und indischen Außenministern und anderen SpitzenpolitikerInnen der beiden Länder vermittelt.

Präsident Musharraf ließ am 5. April ein Referendum abhalten, das ihn mit großer Mehrheit für weitere fünf Jahre im Amt des Präsidenten bestätigte.

Am 10. Oktober fanden in Pakistan Parlamentswahlen statt, die ersten seit der Machtübernahme von General Musharraf im Oktober 1999. Sie brachten erhebliche Stimmengewinne für ein radikal-islamisches Bündnis aus sechs Parteien (MMA), das in einigen parallel abgehaltenen Provinzwahlen sogar stimmenstärkste Partei wurde. Von Menschenrechtsorganisationen wurde kritisiert, dass zuvor durch umfangreiche Verfassungsänderungen im Au-gust die Machtposition des Präsidenten gegenüber dem Parlament sehr ge-stärkt wurde.

5.1.5. Sri Lanka

Am 22. Februar wurde zwischen der Regierung von Sri Lanka und der seit 1983 für die Unabhängigkeit kämpfende LTTE („Befreiungstiger von Tamil Eelam“) ein beidseitiges Waffenstillstandsabkommen auf Vermittlung Nor-wegens abgeschlossen und brachte erstmals nach Jahren eine echte langfris-tige Friedenschance für Sri Lanka. Die LTTE zeigte sich nach einem Treffen in Oslo mit RegierungsvertreterInnen aus Colombo am 14. August schließ-lich zur Aufnahme von formellen Friedensgesprächen bereit, die bereits am 16. September in Satahip (Thailand) begannen. Das echte Bemühen beider Seiten, die Verhandlungen voranbringen zu wollen, war offenkundig. Eine erfolgreiche dritte Verhandlungsrunde fand von 2. – 5. Dezember in Oslo statt, man einigte sich grundsätzlich auf Strukturen für ein föderales Modell in Sri Lanka. Nachfolgend sind bis März 2003 drei weitere offizielle Ver-handlungsrunden vorgesehen.

5.1.6. Nepal und Bhutan

Ein Flüchtlingsproblem führt bis dato zu erheblichen Spannungen zwischen Nepal und Bhutan, die beide Schwerpunktländer der österreichischen Ent-wicklungszusammenarbeit sind. Während die bhutanische Regierung da-rauf besteht, dass ein erheblicher Teil der ca. 100.000 BewohnerInnen der Flüchtlingslager aus angrenzenden Gebieten aus Nepal kommt und nie in Bhutan gelebt habe, bestreitet dies Nepal. Angesichts der Verzögerungen beim Versuch einer Lösung hat die EU-Ratspräsidentschaft gegenüber beiden Außenministern Besorgnis über die Situation ausgedrückt und zur Beschleunigung des bilateralen Prozesses und Wiederaufnahme des Dia-loges aufgerufen. Auch Bundesministerin Benita Ferrero-Waldner hat sich im Juli in diesem Sinne erneut an die Außenminister beider Staaten ge-wandt.

Im Himalaja-Königreich Nepal hat König Gyanendra den Ministerpräsiden-ten im Oktober entlassen und durch einen als königstreu gelMinisterpräsiden-tenden ersetzt.

Der König setzte die für 13. November vorgesehenen Parlamentswahlen aus.

In Nepal kämpfen seit 1996 „maoistische“ Aufständische gegen Regierungs-truppen, dabei kamen seither ca. 8000 Menschen ums Leben.

Im Dokument Außenpolitischer Bericht 2002 (Seite 63-71)