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Die Charakterisierung der Bildungssysteme

Im Dokument Bildungssysteme und soziale Ungleichheit (Seite 154-178)

Bildungssysteme, intragenerationale Mobilität und Strukturierung sozialen Handelns in sechs Ländern: Hypothesen

5.1 Die Charakterisierung der Bildungssysteme

Im Folgenden wird versucht, die Bildungssysteme der hier untersuchten Länder anhand der im vorigen Kapitel vorgestellten vier Dimensionen zu charakterisieren. Ein solches Unterfangen ist selbstredend mit einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten und Unsicherheiten behaftet und kann daher nur als tentatives verstanden werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Einstufung der Bildungssysteme auf den unterschiedlichen Dimensionen nur relativ zueinander vorgenommen werden kann. Es gibt keine absoluten Standards, nach denen Bildungssysteme als hoch oder niedrig standardisiert, stratifiziert oder differenziert zu bezeichnen sind. Zudem sind die Charak-terisierungen der Bildungssysteme auf den einzelnen Dimensionen nicht voneinander unabhängig.

Die "Stratifikation" zum Beispiel kann nur auf der Basis einer spezifischen hierarchischen Einteilung der Bildungssysteme in verschiedenen Ebenen bestimmt werden, ist also von der Charakterisierung nach der "vertikalen Differenzierung" abhängig.

Bei den Einstufungen der Bildungssysteme - wie auch bei der Hypothesenbildung und Auswertung - werden Vergleiche vor allem innerhalb der kapitalistischen und der ehemals sozialistischen Ländern gezogen. Es mag ja sogar fraglich erscheinen, ob man die hier entwickelten Thesen über die Auswirkungen von Bildungssystemen auf Allokations- und Verteilungsprinzipien überhaupt auf ehemals sozialistische Länder anwenden kann. Verteilungs- und Allokationsprozesse wurden zu einem guten Teil als Implementierung beziehungsweise als Eingrenzung des Marktmechanismus expliziert, doch in diesen Staaten war bis zur Wende aber überhaupt keine marktmäßige Allokation und Verteilung möglich.139

139 Die Frage, wie der Status höherer nichtmanueller Berufe und damit auch die Returns höherer Bildung in den sozialistischen Ländern einzuschätzen sind, ist stark umstritten. Zwar wurden in den ehemals sozialistischen Ländern nichtmanuelle Berufe, auch die Professionen, im Vergleich zu den manuellen schlecht bezahlt und erschienen von daher wenig wünschenswert. Adamski und

Bialecki (1981) weisen aber darauf hin, daß Bildung durchaus gerade von den privilegierten sozialen Gruppen als Mittel gegen den Abstieg gesehen wurde. Vor allem Eltern mit höherer Bildung wollen, daß ihre Kinder mindestens den gleichen Bildungslevel erhalten. Die schlechtere Bezahlung nichtmanueller Jobs wurde nach ihrer Meinung ausgeglichen durch nichtmonetäre Belohnungen, wie Zugang zu kulturellen Gütern, angenehmen Arbeitsbedingungen und einer besseren Möglichkeit der Selbstverwirklichung im Studium und anspruchsvollen Jobs (vgl. auch Vecernik 1991). Bildung wurde daher durchaus als wichtiger Faktor der Strukturierung sozialer Ungleichheit angesehen und nahm durchaus einen hohen Stellenwert im Wertesystem der Menschen ein (für Polen vgl. zum Beispiel Wisniewski (1978, 1980).

In Polen änderte sich änderte sich das Prestige der nichtmanuellen Berufe im Zeitverlauf (Webb und Vulliamy 1989). Bis in die siebziger Jahre waren die Verdienste der nichtmanuellen Berufe gar nicht so gering. Erst mit der einsetzenden ökonomischen Krise sanken die Reallöhne der "nicht produktiven" Professionals (58), seither vergrößerten sich die Abstände in den Löhnen zwischen manuellen und nichtmanuellen Berufen ständig. Erst seit dieser Zeit öffnete sich die Schere zwischen den Verdienst zwischen manuellen und nichtmanuellen Berufen, was eine sinkende

Dennoch denke ich, daß die hier vorgestellten Thesen auch für die ehemals sozialistischen Ländern anwendbar ist. Denn auch wenn Entlohnungen nicht nach dem Marktprinzip erfolgten, ist eine Unterscheidung zwischen Austausch und Alimentierung prinzipiell möglich: Die Entlohnung konnte der Produktivität entsprechen oder auch nicht. Die Allokation kann eher nach Achievement-Kriterien oder als Ascription erfolgen: Auch im Sozialismus kann prinzipiell die Leistung die Karriere fördern, oder aber Gruppenmerkmale (wie zum Beispiel Zugehörigkeit zur Partei) die

Allokationsmerkmal fungieren.

Der Unterschied zwischen kapitalistischen und sozialistischen Ländern liegt vor allem darin, daß sich planwirtschaftlich organisierte Gesellschaften als Systeme durchgehend geschlossener Positionen verstehen lassen: Entlohnungen und Allokation erfolgen nach institutionalisierten Regeln, das verbriefte Recht auf Arbeit macht Kündigungen praktisch unmöglich. Daher werden hier Alimentierung und Ascription sogar in hohem Maße wahrscheinlich140. Diese prinzipielle Geschlossenheit der sozialistischen Systeme legt es nahe, die beiden Ländergruppen separat zu betrachten.

Gerade in den sozialistischen Ländern war Bildung ein besonders wichtiges Allokationskriterium, da ökonomisches Kapital als solches nicht zu verwenden war. Mithin ist nicht nur der Schlie-ßungsgrad grundsätzlich höher, auch sind Bildungstitel prinzipiell wichtigere Allokationskriterien.

Andererseits aber dürften auch in den ehemals sozialistischen Länder Unterschiede in den Bildungssystemen zu Unterschieden in der Verwendung von Bildungstiteln als Allokationskriterien geführt haben. Diese These soll im Folgenden geprüft werden, wobei aus genannten Gründen (ehemals) sozialistische und schon immer kapitalistische Länder unter sich verglichen werden.

Im Einzelnen werden folgende Gesichtspunkte der Bildungssysteme zu ihrer Charakterisierung betrachtet:

Der Grad der Standardisierung wird danach bestimmt, wie zentralisiert die Verwaltung der Bildungssysteme sich gestaltet. Zudem ist zu berücksichtigen, ob auf überregionaler Ebene verbindliche Curricula vorliegen, oder ob Lehrinhalte eher lokal festgelegt werden.

• Für den Grad der Differenzierung und der Stratifizierung ist die Unterscheidung dreier Bereiche des Bildungssystems entscheidend: Der primären und sekundären allgemeinen Bildung, der mittleren (d.h. nicht tertiären) Berufsbildung und der tertiären Bildung.

Der Grad der vertikalen Differenzierung bemißt sich zum einen nach der inneren Gliederung der allgemeinen Bildung. Hier ist vor allem die Frage relevant, ob das Einheitsschulprinzip dominiert oder ob schon früh eine Einteilung auf qualitativ verschiedene Schultypen vorgenommen wird. Zum anderen ist aber auch die

Abgrenzung zur beruflichen Bildung von Interesse. Müssen berufliche und allgemeine

Nachfrage nach höherer Bildung nach sich zog. Bis in die achtzier Jahre allerdings genoß die

"Intelligenz" trotz geringem Verdienst ein ungebrochen hohes Prestige. Darüber hinaus habe unabhängig vom Status der Berufe, zu denen die Bildung den Zugang öffne, Bildung in Polen trotz der Bildungsmisere insbesondere bei der Intelligenz ein erstaunlich hohen Wert "an sich", auch wenn die Absolventen des Bildungssystems häufig Berufe ergreifen müssen, für die sie

hoffnungslos überqualifiziert sind (68f). Einen immer noch hohen Level des Prestiges der Bildung trotz Ansehensverlusten seit den achtziger Jahren berichten auch Sawinski und Domanski (1991).

Die Krise der achtziger habe die Prestigeordnung zwar destabilisiert, aber nicht zu einem neuen Wertesystem geführt, sondern das vorhandene eher diversifiziert.

140 Vgl. zum Beispiel Klinger 1985 hinsichtlich der Konsequenzen der generellen Schließung für die Arbeitsbeziehungen in der DDR: Lohn und Leistung waren weitgehend entkoppelt, alternative Leistungsanreize mußten eingeführt werden, individuelles Konkurrenzverhalten spielte angesichts eines weitverbreiteten kollegialen Gemeinschaftshandelns keine Rolle. Mit einer ähnlichen Begründung bezeichnen Grünert und Lutz die DDR-Betriebe und Kombinate generell als interne Arbeitsmärkte (Grünert und Lutz 1994). Für die Bedeutung der Arbeit in der DDR siehe auch Kohli (1994a).

Bildung als zwei scharf voneinander abgegrenzte Bereich angesehen werden, gibt es Überschneidungen zwischen den Bildungsbereichen, oder bestehen gar

Integrationsversuche?

• Der Grad der horizontalen Differenzierung bemißt sich vor allem nach dem

Berufsbildungsbereich. Zum einen ist die Frage interessant, wie groß der Anteil der Personen, die eine Berufsausbildung mittlere Ebene erhalten, überhaupt ist. Zum anderen ist die Art der Ausbildung von Interesse: Wird sie vor allem in schulischer Form vermittelt, oder eher in praktischer Arbeit in Betrieben? Werden umfassende Kenntnisse für bestimmte Berufe vermittelt, oder beschränkt sich die Ausbildung auf einzelne Fertigkeiten, die nur wenig generalisiert werden können?

Der Grad der Stratifizierung bemißt sich vor allem am Anteil der Personen, die eine tertiäre Ausbildung erhalten. Daneben ist aber auch zu berücksichtigen, ob der mittlere -allgemeine oder berufsbildende - Bereich stark ausgebaut ist, oder ob der Anteil der Personen mit nur geringer Bildung überwiegt.

5.1.1 Die Bundesrepublik Deutschland (alte Länder)

Bildungspolitik ist in der BRD Angelegenheit der Länder. Innerhalb der Länder gelten zentrale Richtlinien für die Ausbildungsanforderungen der Lehrerschaft, die zum großen Teil Staatsbeamte sind. Curricula und Prüfungsanforderungen werden zentral festgelegt. Lernprozeß und -ergebnisse sind daher innerhalb der Länder hochgradig einheitlich (Baumert und Goldschmidt 1980:1057).141

Darüber hinaus gab und gibt es allerdings auch eine ganze Reihe von Institutionen, die die Abstimmung und Angleichung der Schulsysteme wie der Lehrinhalte sicherstellen sollen.142 Die wichtigste dieser Institutionen ist die Kultusministerkonferenz (KMK), die seit 1949 Koordina-tionsbemühungen hinsichtlich Struktur und Inhalt der Bildungssysteme unternimmt. Pflichtschul-zeiten, die Organisation der Schulsysteme und Prüfungsverfahren wurden im Laufe der Zeit weitgehend angeglichen. Da die KMK als Institution aber keine bindende Beschlüsse verabschieden kann die Umsetzungen der Empfehlungen liegen uneingeschränkt in der Hoheit der Länder -ist sie weitgehend auf Konsensbeschlüsse angewiesen. Tiefgreifende Reformen werden dadurch erschwert, so daß die Entwicklung der Bildungssysteme sich nur in kleinen Schritten abspielt.143

Die Bund-Länder-Konferenz wurde 1970 eingerichtet. Sie ähnelte der KMK, nur daß auch die Bundesregierungen in die Beratungen einbezogen war. Da mehrheitlich ausgesprochene Empfeh-lungen keine Durchsetzungschancen hatten, wenn sich einzelne Länder dagegen stellten, führte eine politische Polarisation zur Bedeutungslosigkeit dieses Gremiums.

Der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen war der erste Versuch der Einflußnahme des Bundes auf die Bildungspolitik der Länder. Die unklare Einbindung dieses Gremiums verurteilte es zur Bedeutungslosigkeit: 1953 eingerichtet, wurde es 1965 wieder abgeschafft. Der anschließend gegründete Deutsche Bildungsrat hatte eine bessere institutionelle Grundlage und konnte einige Erfolge mit der Durchsetzung langfristiger Bildungspläne aufweisen, wurde aber 1975 nach zunehmenden politischen Kontroversen eingestellt.

141 Ende der sechziger Jahre wurde eine großangelegt Reform der Curricula in Angriff genommen.

Zunächst sehr zentralistisch ausgerichtete Reformansätze scheiterten am Widerstand der Länder;

die darauf folgenden sehr dezentralen Ansätze mündeten in recht chaotischen Verhältnissen. Über die Jahre bildete sich ein Mittelweg heraus (Baumert und Goldschmidt 1980:1065f).

142 Für die folgenden Ausführungen siehe Baumert und Goldschmidt (1980:1045ff) und Schäfer (1980).

143 Aus diesem Grunde konnte sich die Gesamtschule auch nicht durchsetzen.

Der Wissenschaftsrat gibt seit 1957 Empfehlungen hinsichtlich Planung und Finanzierung der Institutionen höherer Bildung und Forschung. Der Wissenschaftsrat hat sich als recht einflußreich erwiesen. Die eher pragmatische Ausrichtung des Gremiums ließ Impulse zu tiefgreifenden Strukturänderungen kaum zu. Der Einfluß des Wissenschaftsrates manifestiert sich vor allem auch über den Hochschulbau-Planungsausschuß.

Abgesehen von den umfangreichen und recht erfolgreichen Versuchen, die Bildungssysteme zu vereinheitlichen, ist die Kulturhoheit der Länder in einiger Hinsicht zugunsten der zentralen Steuerung durch den Bund auch eingeschränkt:

- Beziehungen zu anderen Staaten werden grundsätzlich durch die Bundesregierung aufgebaut.

Auf alle Außenbeziehungen hat die Bundesregierung weitgehenden Zugriff.

- Die Richtlinien für das System der höheren Bildung werden durch den Bund festgelegt. Seit 1969 begann der Bund mit der Beteiligung an der Finanzierung der Hochschulen Einfluß zu nehmen auf die bis dahin weitgehend autonomen Universitäten. 1976 wird das Hochschulrahmengesetz erlassen, das wichtige Eckpunkte für die Gestaltung des Hochschulwesens festlegt.

- Schließlich liegt die Gestaltung der Berufsbildung weitgehend in der Kompetenz des Bundes.

Zwar unterstehen die Berufsschulen der Gewalt der Länder, aber über Ausbildungsordnungen für die Betriebe und über die Anerkennung von Ausbildungsberufen entscheidet das Bundeswirt-schaftsministerium (Münch 1987:111ff).144

Die allgemeine Bildung beginnt mit der vierjährigen Grundschule.145 Danach können die Schüler wählen zwischen der fünfjährigen Hauptschule, der sechsjährigen Realschule oder dem neunjäh-rigen Gymnasium. Das Gymnasium ist im Wesentlichen als Vorbereitung auf ein Hochschul-studium zu sehen, während Realschule und Hauptschule auf eine weitere Berufsbildung auf der mittleren Ebene in Form einer Lehre abzielen. Die Realschule zeichnet sich gegenüber der Hauptschule durch das Fachlehrerprinzip aus und vermittelt zwei Fremdsprachen. Sie schließt mit der "mittleren Reife" ab. Traditionell schließt sich an die Realschule ein Lehre in kaufmännischen oder anderen nichtmanuellen Berufe an, während die Hauptschule mit einer Lehre im manuellen Bereich fortgesetzt wird, sofern die Schüler nicht unmittelbar als ungelernte Hilfskräfte in das Berufsleben wechseln.

Im Zuge der Bildungsexpansion und unterschiedlicher Strukturreformen sind etliche Änderungen in diesem dreigliedrigen Schulsystem auszumachen:

- Seit 1979 wurden Versuche unternommen, durch die Einführung von Orientierungsstufen in den fünften und sechsten Klassen der weiterführenden Schulen den Selektionszeitpunkt auf eine der drei möglichen Laufbahnen hinauszuzögern.

- Ebenfalls seit den siebziger Jahren wurde in einigen Ländern eine zehnte Hauptschulklasse eingeführt, die den Unterschied zwischen Haupt- und Realschule abmildern sollte.

- Das Gymnasium hat durch die ständig steigenden Schülerzahlen seine exklusive Stellung verloren. Immer mehr Gymnasiasten verzichten auf eine Universitätsstudium und nehmen eine Berufslehre auf.

- Dem selben Trend gehorchend befindet sich die Hauptschule ganz auf dem absteigenden Ast.

Sie gilt nurmehr als Restschule, die für die minder Begabten und für Ausländer vorgesehen ist (Lehmann 1995:348).

144 Allerdings sind in die diesbezüglichen Entscheidungsprozesse in unterschiedlichen Stadien und auf unterschiedlichen Ebenen auch die Länder und Vertreter der Wirtschaft mit einbezogen. Auf lokaler Ebene spielen die Handwerkskammern eine wichtige Rolle.

145 Berlin bildet hier eine Ausnahme: Die Grundschulzeit beträgt hier sechs Jahre.

- Die Einführung von Gesamtschulen sollte die vertikale Differenzierung ganz aufheben. Allerdings hat die Gesamtschule zahlenmäßig nur eine untergeordnete Bedeutung. In den CDU- regierten Ländern wurde das Projekt Gesamtschule grosso modo eingestellt (Lehmann 1995:349).

Eine im internationalen Vergleich besondere Stellung nimmt die Bundesrepublik hinsichtlich ihres Systems der Berufsausbildung ein, das außerordentlich stark ausgebaut ist. Kernstück der Berufsausbildung ist das sogenannte "duale System" (vgl. Münch 1979, 1987), das theoretischen Unterricht in der Berufsschule und praktische Unterweisung am Arbeitsplatz kombiniert. Dieser praktische Unterricht ist umfangreicher als der theoretische und findet in der Regel in einem Betrieb statt,146 mit dem der Auszubildende einen Lehrvertrag abschließt. Da die Lehrlinge auch in der Produktion tätig sind, erhalten sie eine geringe Vergütung. 1971 gab es noch 606

Aus-bildungsberufe, deren Zahl aber stetig reduziert wurde (Schäfer 1980:53, siehe auch Münch 1987:116f). Die Ausbildungszeit beträgt je nach Beruf zwei bis drei Jahre. Der Spezialisierungs-grad der Berufe kann stark variieren, von eng zugeschnittenen Berufsbildern bis zu weiten

Berufsfeldern, in denen mit unterschiedlichen Schwerpunkten ausgebildet wird (Münch 1987:117ff).

Neben dem dualen System gibt es eine ganze Reihe weiterer berufsbildender Einrichtungen.

Münch (1987:162ff) unterscheidet zwischen "berufsqualifizierenden" Einrichtungen, nach deren Abschluß ein Wechseln in das Berufsleben unmittelbar vorgesehen ist, und solchen die nur

"Berechtigungen verleihen" für den Besuch weiterer Schulen. Zum letzten Typ zählen die Berufsaufbauschulen, die Personen ohne Bildungsabschluß oder solchen mit abgeschlossener Lehre zur mittleren Reife führen und damit eine Einrichtung des zweiten Bildungswegs darstellen.

Ihre Bedeutung ist stark rückläufig. Fachoberschulen setzen nach der Realschule an und verleihen in zwei Jahren die Fachhochschulreife. Sie bieten sowohl allgemeine wie berufliche

Ausbildungsgänge an. Berufliche Gymnasien schließen mit dem Abitur ab und bieten darüber hinaus eine Berufsausbildung an. Zahlenmäßig spielen sie nur eine unbedeutende Rolle (zur Entwicklung der Schülerzahlen vgl. Münch 1987).

Zum ersten Typ gehören die Berufsfachschulen, die keine berufliche Praxis voraussetzen und als Vollzeitschulen eine Lehre ersetzen können oder eine Ausbildung anbieten für Berufstätigkeiten, die nicht zu einem ausgewiesenen Lehrberuf gehören. Sie sind nach Eingangsvoraussetzungen, Ausbildungsdauer und den verliehenen Abschlüssen stark verschieden und sind eher als Ergän-zung zum dualen System anzusehen (Münch 1987:165). Fachschulen setzen eine abgeschlossene Lehre oder zumindest ein berufliches Praktikum voraus. Sie bieten eine "vertiefte berufliche

Fachbildung" (Münch 1987:166), variieren in ihren Ausbildungsinhalten aber außerordentlich.

Schließlich kommt der betrieblichen Weiterbildung eine immer stärkeres Gewicht zu (Mahnkopf 1990).

Der tertiäre Bildungsbereich ist in der Bundesrepublik in zwei klar voneinander verschiedenen Sektoren eingeteilt. Auf der einen Seite stehen die Universitäten, Kunst- und Musikhochsschulen, auf der anderen Seite die Fachhochschulen, die sich auf ingenieurwissenschaftliche, wirtschafts-und sozialwissenschaftliche Ausbildungsgänge konzentrieren. Die Eingangsvoraussetzungen der Fachhochschulen sind weniger restriktiv, die Studienzeiten sind kürzer; darüber hinaus zeichnen sie sich durch eine stärkere berufspraktische Orientierung aus. Das Lehrpersonal ist vorwiegend auf die Lehre konzentriert (18 Unterrichtsstunden vs. 8 an den wissenschaftlichen Hochschulen), dafür stehen die Forschungstätigkeiten weit weniger im Vordergrund. Die Fachhochschulen sind weitaus deutlicher der staatlichen Kontrolle unterworfen als die Universitäten und sie reagieren schneller auf Anforderungen aus der Wirtschaft; dies mag ein Grund gewesen sein für ihren relativen Bedeutungsgewinn (Gellert und Rau 1992). Gesamthochschulen bieten Ausbildungs-gänge aus beiden Bereichen der tertiären Bildung an, ihre Bedeutung ist aber relativ gering

146 Kleinere Betriebe sind in der Regel nicht in der Lage, die Lehrlinge in allen Aspekten ihres zukünftigen Berufes zu unterweisen. Daher wurden auch überbetriebliche Ausbildungszentren eingerichtet, die die Mängel der Ausbildung in kleinen Betrieben beheben sollen. Zunehmend werden Lehrlinge in solchen Zentren auch vollständig ausgebildet. Auch in den größeren Betrieben werden betriebseigene Lehrwerkstätten aufgrund der hochgradigen Arbeitsteilung immer wichtiger (Münch 1987:87).

(Lehmann 1995:349).

Alles in allem kann man davon ausgehen, daß das Bildungssystem der Bundesrepublik in hohem Maße zentral verwaltet wird und die Einheitlichkeit der Curricula institutionell weitgehend

abgesichert ist. Daher kann man das Bildungssystem der BRD als hochgradig standardisiert bezeichnen. Die frühe Einteilung der Schüler auf verschiedene Laufbahnen im Bildungssystem und die scharfe Trennung zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung führen zu einer starken

vertikalen Differenzierung.147 Das duale System der Berufsausbildung ist nicht nur quantitativ stark ausgebaut, es liefert auch umfassende, allgemein akzeptierte Ausbildungsgänge für bestimmte Berufe und stellt durch den hohen Anteil praktischer Ausbildung in Betrieben auch die

Verwertbarkeit dieser Kenntnisse im Berufsleben sicher. Daher ist auch die horizontale Differen-zierung ausgesprochen ausgeprägt. Hinsichtlich der StratifiDifferen-zierung ist zu bedenken, daß einerseits im Zuge der Bildungsexpansion der Anteil tertiärer Ausbildungen stark zugenommen hat,

andererseits die traditionell weit verbreitete Berufsbildung im dualen System den Anteil der gering Gebildeten (kein Abschluß oder nur primäre Bildung) schon früh schrumpfen ließ, so das der Grad der Stratifizierung eher gering, im Vergleich mit den anderen Ländern, wie wir noch sehen werden, auf einem mittleren Niveau anzusiedeln ist.

5.1.2 Die USA

Das Bildungssystem der Vereinigten Staaten ist vollkommen dezentral aufgebaut (vgl. Valverde 1995, Buttlar 1992:12ff). Die Bundesregierung hat keine Aufsichtsfunktion gegenüber den

Bildungsinstitutionen, schon gar keinen Einfluß auf die Inhalte der Ausbildungsgänge. Zwar gibt es ein Bildungsministerium, der für die Bundesbildungspolitik verantwortlich ist, der jedoch hinsichtlich der institutionellen Ausgestaltung des Bildungssystems keine starke Stellung innehat. Lediglich die Finanzierung des Bildungssystems wird teilweise übernommen, auf einige Rahmenbedingungen haben Bundesgesetze Auswirkungen.148 Die Kontrolle der Bildungseinrichtungen unterliegt vielmehr den einzelnen Bundesstaaten, die Ihre Aufsichtsfunktion aber ganz unterschiedlich wahrnehmen. Meist werden die Kontrollbefugnisse an "local school boards" übergeben, die die direkte Aufsicht in den 15358 "School Districts" führen. Und diese wiederum sind höchst

unterschiedlich gestaltet: "Local school districts are in some ways so different that it might be said that the United States possesses 15358 distinct school systems " (Valverde 1995:1034).149 Außerdem gibt es noch zahlreiche Privatschulen - häufig in Trägerschaft der katholischen Kirche - die staatlicher Kontrolle weitgehend entzogen sind (Hout, Raftery und Bell 1993:27). Nicht nur die Verwaltung der Schulen ist dezentral geregelt, auch die Curricula variieren zwischen den Distrikten, wenn nicht sogar von Schule zu Schule unterschiedliche Bildungsinhalte vermittelt werden (Valverde 1995:1039, Büchtemann, Schupp und Soloff 1993:509).150

Die institutionelle Gestaltung des allgemeinen Bildungssystems variiert zwischen den Staaten,151 aber die typische Schulform läßt sich folgendermaßen beschreiben: Die Primärbildung wird in einer sechsjährigen Elementarschule vermittelt. Danach wechseln die Schüler auf die "High School", die

147 Vgl. auch Blossfeld (1990): Frühe Entscheidungen legen den Bildungsverlauf in hohem Maße fest.

148 So fiel die Aufhebung der Rassentrennung in den Schulen unter das Bundesrecht.

149 Sogar die Pflichtschulzeit variiert zwischen 8-16 Jahren und 6-18 Jahren.

150 Auch der tertiäre Bildungsbereich entzieht sich jeder zentralen Verwaltung. "Die Colleges und Universitäten bilden kein gemeinsam administrierbares institutionelles System. Das besondere Charakteristikum ihrer Steuerung sind vielmehr Marktsystem und vielfältig verteilte Kontrolle"

(Goldschmid 1991:12).

151 In einigen Staaten ist die Primär- und Sekundärbildung kürzer: Nach vier Jahren Elementarschule folgt eine ebensolange dauernde "Middle School".

teilweise in eine "Junior" und eine "Senior" High School unterteilt wird und sich ebenfalls über sechs Jahre erstreckt. Nach der zwölften Klasse können die Schüler eine Abschlußprüfung ablegen, sie müssen aber nicht.152 Der primäre und sekundäre Bildungsbereich ist damit sehr

teilweise in eine "Junior" und eine "Senior" High School unterteilt wird und sich ebenfalls über sechs Jahre erstreckt. Nach der zwölften Klasse können die Schüler eine Abschlußprüfung ablegen, sie müssen aber nicht.152 Der primäre und sekundäre Bildungsbereich ist damit sehr

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