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Allokations- und Verteilungsprinzip in internen Arbeitsmärkten

Systeme offener und geschlossener Positionen: Allokations- und Verteilungsmechanismen auf dem Arbeitsmarkt

3.3 Allokations- und Verteilungsprinzip in internen Arbeitsmärkten

Nachdem die wichtigsten Arbeitsmarktkonzepte vorgestellt und die Ursachen der Herausbildung von Teilarbeitsmärkten diskutiert wurden, steht im Folgenden die am meisten interessierende Frage im Vordergrund: Welche Konsequenzen haben Arbeitsmarktsegmente für die Implementie-rung von Allokations- und Verteilungsprinzipien?

3.3.1 Schutz vor Konkurrenz als zentrales Element

Eine der wichtigsten Konsequenzen der Unterteilung des Arbeitsmarktes in unterschiedliche Segmente ist der Schutz vor Konkurrenz, der Arbeitnehmern auf den begünstigten Markt-segmenten - den internen Arbeitsmärkten, den primären Segmenten - eingeräumt wird. Genau-genommen handelt es sich bei diesem Schutzmechanismus weniger um eine Konsequenz als ein Definitionskriterium von Teilarbeitsmärkten selbst: die Aussetzung des Marktmechanismus durch alternative Allokationsmechanismen.62 "Arbeitsplatzsicherheit", "Stabilität der Beschäftigungs-verhältnisse" usw. sind nur Umschreibungen des zentralen Gedankens des Ausschlusses von potentiellen Konkurrenten vom Wettbewerb.

Jobsicherheit ist nötig, um den Anreiz zur Ausbildung von Kollegen durch Kollegen sicherzustellen.

Die Erwartung eines geregelten Aufstiegs nach der Senioritätsregel ermöglicht erst den

Interne Arbeitsmärkte sollen alle drei Handlungsstrategien "Shirking", Kündigung und Streik -verhindern.

60 Entgegengesetzte Interessen können auch durch kooperative Handlungsstrategien zum Ausgleich gebracht werden, vgl. Sengenberger 1987:83ff).

61 Aus diesem Grunde werden oft auch Gewerkschaften als eine Ursache interner Arbeitsmärkte angesehen: Sie stärken die Forderungen der Arbeitnehmer nach besseren Arbeitsbedingungen und sicheren Jobs, was die Ausbildung interner Arbeitsmärkte begünstigt. Pfeffer und Cohen (1984) finden allerdings in ihrer Studie, daß die Existenz gewerkschaftlicher Vertretungen in Betrieben die Ausbildung interner Arbeitsmärkte eher behindert. Sie erklären dies dadurch, daß die Einrichtung interner Arbeitsmärkte eine Strategie der Unternehmen darstellt, die Etablierung von Gewerkschaften zu verhindern.

62 Zum Beispiel Stinchcombe (1979:217): "By labor market segments we mean bounded areas within the labor market such that people within those boundarys do not compete with people outside to more than a limited extent".

Lohnverzicht, der mit dem Einstieg in eine Karriereleiter verbunden sein kann. Die Rationierung der verfügbaren Stellen in internen Arbeitsmärkten und die Restriktionen des Zutritts zu den "entry-ports" schließen potentielle Konkurrenten vom Zugang zu den Positionen des besseren

Teilarbeitsmarktes aus und erhöhen damit die Sicherheit der Jobs im internen beziehungsweise primären Arbeitsmarkt.

Dieser Schutz vor Konkurrenz ist die Grundlage für alle anderen Konsequenzen, die sich aus der Segmentierung des Arbeitsmarktes für die Strukturierung der sozialen Ungleichheit ergeben und die im Folgenden diskutiert werden.

3.3.2 Allokationsmechanismen im internen Arbeitsmarkt

Die Forschungen bezüglich der Strukturierungen des Arbeitsmarktes befassen sich ausführlich mit den Mustern intragenerationaler sozialer Mobilität. Die Einrichtung von Karriereleitern - das wesentliche Merkmal interner Arbeitsmärkte - bedeutet definitionsgemäß die Einflußnahme auf intragenerationale Mobilitätsverläufe. Die Abschottung von Teilarbeitsmärkten impliziert die

Errichtung von Mobilitätsbarrieren. Die Betrachtung von internen Arbeitsmärkten einerseits und von Arbeitsmarktsegmenten andererseits eröffnen zwei Perspektiven auf die Muster der

in-tragenerationalen sozialen Mobilität, auf die die bislang vorgestellten makrosoziologischen Konzepte keinen Zugriff erlauben.

Merkmale des Mobilitätsprozesses

Interne Arbeitsmärkte zeichnen sich durch zu dem Marktmechanismus alternative Allokations-mechanismen aus. Die "ports of entry" unterliegen einem Wettbewerbsprozeß, an dem auch Mitglieder des sekundären Arbeitsmarktes teilnehmen können. Alle weitere Stellen in der Karriereleiter oberhalb der "ports of entry" sind vom Wettbewerb mit "externen" Bewerbern ausgenommen. Sie sind für die Individuen reserviert, die die Stelle unterhalb der Karriereleiter besetzen.63 Die Zuweisung von Personen auf Arbeitsstellen erfolgt nach institutionalisierten Regeln, die sich keineswegs nach Markterfordernissen richten müssen. Daraus ergeben sich wichtige Konsequenzen für das Ausmaß sozialer Mobilität und die Determinanten des Mobilitäts-prozesses.

(i) Strukturelle Faktoren treten als Determinanten des Mobilitätsprozesses in den Vordergrund.

Wenn Besetzungen intern für klar definierte Stellen in einer Karriereleiter vorgenommen werden, dann ist die Zahl vakanter Positionen von entscheidender Bedeutung für die Karrierechancen. Die Zahl der Vakanzen wiederum hängt von organisationsdemographischen Merkmalen ab: Die Form der Organisation, Austrittsraten, Wachstum und Schrumpfung von Organisationen spielen eine entscheidende Rolle. Organisationsdemographische Modelle (Preisendörfer 1987:213 ff.) zeigen, daß solche Parameter die Zahl offener Stellen in internen Arbeitsmärkten festlegen und die Geschwindigkeit beeinflussen, mit der Individuen durch die Karriereleitern geschleust werden (vgl.

Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1991, DiPrete 1993).64

63 Das gilt insbesondere für geschlossene interne Arbeitsmärkte. Bei offenen internen

Arbeitsmärkte solche mit relativ vielen Eingangsstellen und weit definierten Eingangskriterien -ähnelt die Allokationsprozedur den von der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie erwarteten Mustern (Doeringer und Piore 1985:43).

64 Für eine Übersicht über Studien, die sich mit organisationalen Modellen der Karrieremobilität befassen siehe neben Preisendörfer (1987) auch Carroll, Haveman und Swaminathan (1990).

Letztere machen auch auf die Bedeutung des Umfeldes aufmerksam, in das Organisationen eingebunden sind.

Für den Einfluß der Form der Verteilung auf die Mobilitätschancen wird oft der "Pyramiden-imperativ" (Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1991: 370) angenommen: Die Aufstiegschancen sinken mit wachsender Hierarchiestufe.65 Neben der Verteilung der Position in der Organisation sind Wachstum und Schrumpfung wichtige Determinanten intragenerationaler Mobilität, da durch diese Prozesse Vakanzen entstehen oder umgekehrt Positionen abgebaut werden. Darüber hinaus interagieren individuelle Charakteristiken mit den Strukturparametern. So finden Brüderl,

Preisendörfer und Ziegler, daß in dem von Ihnen untersuchten Betrieb die Aufstiegs-chancen von Ausländern mit der Hierarchiestufe abnehmen. In einer Kontraktionsphase des Betriebes nivel-lierten sich Chancenunterschiede zwischen den Geschlechtern, während die Chancen der Aus-länder im Vergleich zu den Deutschen sich sogar noch verschlechterten. Ein weiterer Indikator, der den Struktureinfluß auf Mobilitätschancen zum Ausdruck bringt, ist die Kohortenzugehörigkeit der Arbeitnehmer: Die Angehörigen umfangreicher Kohorten haben schlechtere Mobilitätschancen, da Sie mit einer größeren Zahl von Konkurrenten eine Warte-schlange für die gleiche Zahl

geschlossener Positionen bilden. Auch dieser Effekt konnte von Brüderl, Preisendörfer und Ziegler nachgewiesen werden.

Die Schrumpfung von Organisationen durch den Abbau von Stellen und damit potentiellen Vakanzen reduziert aber nicht einfach das Ausmaß intragenerationaler Mobilität. Vielmehr kann der Abbau von Positionen umfangreiche Reorganisationsmaßnahmen nach sich ziehen, die Mobilität induzieren (DiPrete 1993:84). Typisch für firmeninterne Arbeitsmärkte, in denen Seniorität als Allokationsprinzip dominiert, ist das "bumping": Wenn an der Spitze der Karriereleiter eine Position wegfällt, dann wird der Positionsinhaber - der ja der Logik des Senioritätsprinzips nach der Dienstälteste ist - nicht entlassen, sondern auf die nächstuntere Stufe umgesetzt. Der Inhaber dieser Position muß dann nach unten ausweichen, bis dann ganz am unteren Ende der Kette der Arbeiter mit den geringsten Senioritätsansprüchen entlassen wird.66

Sogenannte Tourniermodelle (Rosenbaum 1979) arbeiten den Wettbewerbscharakter von Karriereprozessen heraus. Sie betonen den Anreizeffekt, der durch die Anordnung von Jobs in Karriereleitern gegeben ist: Wenn Beförderungsregeln mehr auf Fähigkeit wert legen und weniger auf Seniorität, dann stehen potentielle Kandidaten für eine Beförderung in einem

Konkurrenzverhältnis. Jeder muß beweisen, daß er der bessere ist. Karrieren sind unter diesem Aspekt als eine Serie impliziter Wettbewerbe aufzufassen, in dem sich die fähigen Kandidaten durchsetzen. Wettbewerbsmodelle berücksichtigen den Pfad, auf dem Individuen auf eine

bestimmte Stelle gelangen - die Chancen "derjenigen [sind] besser, die im Haupttournier und nicht in einem der Nebentourniere auf Stufe i gelangt sind" (Preisendörfer 1987:216). Auch der Zeitpunkt von Aufstiegen beeinflußt zukünftige Karrierechancen: eine frühe Beförderung gilt als Signal, daß der Kandidat besonders befähigt ist.67

65 Das muß aber nicht immer gelten. "Entscheidend für die Aufstiegschancen auf einer bestimmten Stufe i ist in der Regel das Verhältnis der Besetzungszahlen auf der Stufe i und der nächsthöheren Stufe i+1" (Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1991: 370).

66 DiPrete (1993) versucht in dieser Studie nachzuzeichnen, welchen Einfluß die Umstrukturierung der amerikanischen Industrielandschaft während der achtziger Jahre auf die intragenerationale Mobilität der Arbeitnehmer hatte. Neben dem Wachstum und der Schrumpfung der einzelnen Organisationen, aus denen die Industrien bestehen, müssen hierbei auch

Organisationsneugründungen und -auflösungen berücksichtigt werden. DiPrete findet, daß die Veränderungen auf dem industriellen Sektor in den USA umfangreiche Mobilitätsströme induziert hat. Die Turbulenzen auf dem Arbeitsmarkt waren sogar so stark, daß selbst die geschützten Arbeitnehmer der internen beziehungsweise primären Arbeitsmärkte von erzwungenen Anpassungsprozessen nicht verschont blieben, wenn sich auch Unterschiede zu den benachteiligten Arbeitsmarktsegmenten zeigten.

67 Die empirische Überprüfung von Organisationsdemographischen beziehungsweise Tourniermodellen stößt auf die Schwierigkeit, daß entsprechende Untersuchungen nur als Fallstudien angesetzt werden können. Das läßt zum einen die Generalisierbarkeit der Ergebnisse fraglich erscheinen, zum anderen variieren die Studien stark hinsichtlich der unabhängigen und abhängigen Variablen. Für eine Übersicht siehe Preisendörfer (1987:220f).

Das zunehmende Interesse an strukturellen Determinanten sozialer Ungleichheit kommt auch durch die Aufnahme "struktureller" Variablen in herkömmliche Statusattainment- und Hum-ankapitalmodelle zum Ausdruck. Der einfache "additive Strukturalismus" (Preisendörfer 1987:212) fügt den dort üblichen Regressionsgleichungen Variablen hinzu, die Arbeitsmarktstrukturen erfassen sollen.68 Neben unterschiedlichen Formen von Arbeitsmarktsegmenten ist vor allem die Organisationsgröße eine beliebte Variable in Modellen der sozialen Mobilität (aber auch der Einkommensgenerierung), da sie als Proxi für sehr verschiedene Strukturmerkmale gilt: Große Organisationen gehören dem Core-Sektor an, bilden eher interne Arbeitsmärkte aus69, verfügen über größere Marktmacht usw. Auch Indikatoren für Produktionstechnologien, für das Einwirken von Gewerkschaften auf Allokation und Entlohnung und eine Vielzahl weiterer "Strukturvariablen"

wurden berücksichtigt (vgl. Preisendörfer 1987:218f.)70.

Eine zweite Variante des additiven Strukturalismus beschäftigt sich mit Interaktionseffekten von individuellen mit strukturellen Variablen. Die grundlegende Idee hierzu ist, daß strukturelle

Variablen nicht nur einen eigenständigen, additiven Beitrag zur Statuserreichung (beziehungsweise zum Einkommen) leisten, sondern daß die unterschiedlichen Funktionsweisen der

Teilar-beitsmärkte auch die Auswirkung der individuellen Variablen überformen. So wird häufig

angenommen, daß Bildungsreturns in primären beziehungsweise internen Arbeitsmärkten größer ausfallen als in sekundären oder externen Arbeitsmärkten.71

68 Allerdings wurden nicht nur Charakteristiken von Firmen oder Arbeitsmarktsegmenten, die als Operationalisierung von "Struktur" auf der Mesoebene verstanden werden können, als Indikatoren sozialer Strukturen verwendet. Der "neue Strukturalismus" bezog auch Strukturen auf der

Makroebene, wie Klassen- und Berufsstrukturen mit ein (Für eine Übersicht der verwendeten Strukturkonzepte auf verschiedenen Ebenen vgl. Baron und Bielby 1980). Damit kommen

altbekannte Variablen unter neuer Flagge wieder ins Spiel. Das Neue am "neuen Strukturalismus"

war die Erweiterung der Strukturkonzepte um die Arbeitsmarktkonzepte und die gleichzeitige Betrachtung von Strukturvariablen auf verschiedenen Ebenen einerseits und Individuenvariablen andererseits.

69 Vgl. hierzu Pfeffer und Cohen (1984), die zeigen können, daß der Grad der Etablierung interner Arbeitsmärkte mit der Organisationsgröße steigt. Der Effekt vermindert sich allerdings, wenn nach dem Ausmaß des durchgeführten spezifischen Trainings, der Technologie und dem Vorhandensein von Gewerkschaften und einer Personalabteilung kontrolliert wird. Ersteres macht die Funktion interner Arbeitsmärkte als Ausbildungsinstrument für spezifische Technologien deutlich. Letzteres hebt die Bedeutung organisationaler Arrangements für interne Arbeitsmärkte hervor.

70 Es ist allerdings fraglich, ob in solchen Modelle die theoretisch angenommenen Einflüsse der sozialen Struktur auf die abhängigen Variablen auch immer richtig modelliert wurden. Sørensen (1983b:263-268) diskutiert zum Beispiel häufig anzutreffende Fehlspezifikationen von

Einkommensgleichungen, die "strukturelle" Variablen enthalten. Wie erwähnt, behaupten Lang und Dickens (1994), daß bei vollem Wettbewerb "Angebotsvariablen" durchaus genügen, um zum Beispiel Einkommen zu erklären, da im Gleichgewicht Angebotsänderungen sofort in

Nachfrageänderungen nach sich ziehen. Allerdings müssen die Angebotscharakteristiken vollständig erfaßt sein, andernfalls korrelieren die Nachfragevariablen mit den Fehlern im

Regressionsmodell. Dann aber ist es verständlich, warum Nachfragevariablen Effekte zeigen. Mit anderen Worten: Strukturvariablen zeigen nur deshalb Effekte, weil individuelle Charakteristiken nicht vollständig erfaßt werden.

71 So zum Beispiel DiTomaso (1994) oder Tigges (1994). Beck und Colclough (1994) finden deutliche regionale Unterschiede in den "returns" zu Humankapitalvariablen, die teilweise durch regionale Differenzen in Angebots- und Nachfragedimensionen erklärt werden können. Sakamato und Chen (1991) entdecken allerdings keine unterschiedlichen Bildungsreturns im primären und sekundären Arbeitsmarkt. Baron und Bielby (1980:741) weisen darauf hin, daß

Segmentationsansätze Unterschiede in den Bildungsreturns verwischen können, wenn Sie nicht zwischen guten und schlechten Jobs innerhalb einer Firma differenzieren. Man beachte auch Granovetters Kritik an der Verwendung von Interaktionseffekten, daß diese die Effekte der Struktur nur unzureichend modellieren (Granovetter 1981:16). Siehe auch Sørensens Kritik am additiven und interaktiven Strukturalismus (Sørensen 1987:87).

Eine neuere Variante von Mobilitätsstudien beschäftigt sich mit Lebensverlaufsdaten. Ereignis-analysen erfassen jeden einzelnen Mobilitätsschritt, den ein Individuum unternimmt. Wechselraten zwischen Jobs beziehungsweise Verweildauern in Jobs werden hier untersucht. Aufgrund der Berücksichtigung der zeitlichen Reihenfolge einzelner Mobilitätsschritte können solche Modelle weit eher kausale Erklärungen sozialer Mobilität liefern als die statischen herkömmlichen Modelle, deren Erklärungsanspruch sich auf korrelative Assoziationen beschränkt. Der kausale Beitrag struktureller Variablen auf den Verlauf intragenerationaler Mobilität wird erst in solchen Modellen deutlich (zum Beispiel Carroll und Mayer 1986).

(ii) Nur im Rahmen interner Arbeitsmärkte kann "Ascription" als Allokationsprinzip zum Zuge kommen. Im "neoklassischen" Arbeitsmarkt regiert der Markt. Und das Marktprinzip sorgt dafür, daß Qualifikation, Leistung und Motivation der Arbeitnehmer für deren Fortkommen ausschlag-gebend sind. Die institutionalisierten Allokationskriterien des internen Arbeitsmarktes für die Besetzung der "ports of entry"72 wie für die Beförderung in den Karriereleitern können sich zwar auch nach Leistungskriterien richten, müssen dies aber nicht tun. Der Schutz vor Konkurrenz, den interne Arbeitsmärkte bieten, können die Anwendung von Qualifikations- und Leistungskriterien erschweren beziehungsweise verhindern. Die Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb zwecks Vermeidung von Trainings-, Rekrutierungs- und Evaluationskosten mag im Vordergrund stehen, so daß die Bewertung des aktuellen Arbeitseinsatzes zurücksteht. Kontrollabsichten zwecks

Sicherung der Loyalität der Mitarbeiter können zu den gleichen Resultaten führen. Schließlich können Arbeitnehmer Besetzungs- und Beförderungskriterien durchsetzen, die das Achievement-Prinzip weitgehend außer Kraft setzen. Ein besonders eindrückliches Beispiel hierfür stellt das Senioritätsprinzip dar: Nach einer gewissen Zeit haben die Stelleninhaber das Anrecht auf Beförderung erworben, unabhängig von ihren Leistungen.73

(iii) Interne Arbeitsmärkte verringern das Ausmaß zwischenbetrieblicher Mobilität, während sie Mobilität innerhalb der Betriebe eher vergrößern. Die Existenz interner Arbeitsmärkte sollte die Mobilität in Firmen erhöhen, da die Karriereleitern gerade zu dem Zweck erschaffen werden, Arbeiter durch eine Sequenz hierarchischer Jobs zu schleusen. Hingegen sollte die Mobilität zwischen Unternehmen reduziert werden, da die Bindung von Arbeitern mit spezifischer Aus-bildung an die Organisation eine Zielstellung interner Arbeitsmärkte ist.

Der Einfluß interner Arbeitsmärkte auf das Ausmaß inner- beziehungsweise zwischenbetrieblicher Mobilität gehört zu den meistuntersuchten Fragestellungen. Die hier dargestellte "Basishypothese"

konnte oft bestätigt werden. Beispielsweise finden DiPrete (1993) sowie Carroll und Mayer (1986), daß das Ausmaß innerbetrieblicher Jobwechsel mit der Größe der Firma (die als Indikator für das Vorhandensein interner Arbeitsmärkte gilt) steigt, das Ausmaß der zwischenbetrieblichen

Firmenwechsel wird kleiner. Stinchcombe (1979) stellt fest, daß in Industrien mit bürokratischen Allokationsmustern erhöhte Bindungen der Arbeitnehmer an den Betrieb aufweisen. Althauser und Kalleberg (1990) finden allerdings, daß die innerbetriebliche Jobwechselrate nur dann mit der Zeit größer wird (was dem Modell der erhöhten innerbetrieblichen Mobilität entspricht), wenn die Aufwärtsmobilität mit Ausbildungsprozessen "On-the-Job" verbunden sind. Hachen (1992) entdeckt Effekte der Organisationsgröße auf die Karrieremobilität, die allerdings mit den Einkommenslevels unterschiedlicher Industrien interagieren. Er kommt zum Schluß, daß Aufstiegsmöglichkeiten in

72 Die "ports of entry" unterliegen grundsätzlich mehr dem freien Wettbewerb als die Stellen innerhalb einer Karriereleiter. Aber auch hier können Achievement-Kriterien unterlaufen werden (vgl. Sakamato und Chen 1991).

73 Andererseits können Karriereleitern selbst als Instrument des Leistungsanreizes fungieren. Dies betont das "Wettbewerbsmodell" (Rosenbaum 1979, Preisendörfer 1987:215) des sozialen Aufstiegs: Kandidaten innerhalb einer Karriereleiter bewerben sich um den Posten der nächsthöheren Stufe und versuchen, ihren Anspruch durch Übertrumpfen ihrer Mitbewerber durchzusetzen. Allerdings wird die Auswahl von Bewerbern nach Performanzkriterien

problematisch, wenn es um die Besetzung von Stellen geht, bei denen es abzusehen ist, daß die erfolgreichen Kandidaten diese Stelle für lange Zeit innehaben werden. Entscheidend ist nicht die aktuelle, sondern die zukünftige Leistung - und dies zieht einige Probleme für die

Kandidatenauswahl nach sich. Mit diesem Problem werden wir uns noch ausführlich befassen.

internen Arbeitsmärkten und hohe Einkommenslevels alternative Wege zur Bindung von

Arbeitnehmern an den Betrieb darstellen: Interne Arbeitsmärkte bieten sich als "retention-Strategie"

an, wenn vergleichsweise niedrige Löhne gezahlt werden sollen (Hachen 1992: 53).

Mobilitätsbarrieren und Diskriminierung sozialer Gruppen

Eine wichtige Implikation aus den Segmentationsansätzen für die Prozesse intragenerationaler Mobilität liegt auf der Hand: Die Grenzen, die die Segmente abstecken, stellen Mobilitätsbarrieren dar. Mobilität findet vor allem innerhalb der Segmente statt, Bewegungen über die

Segmentgrenzen hinweg sind vergleichsweise selten. "The two aspects to the notion of segmen-tation are important to distinguish: (1) internal homogeneity and (2) identifiable boundaries" (Jacobs und Breiger 1994: 46).74 Die "besseren" Arbeitsmarktsegmente wie der primäre Arbeitsmarkt enthalten die besseren Jobs - diejenigen, die Sicherheit, gute Arbeitsmarktbedingungen, hohe Löhne etc. bieten, während sich im sekundären Arbeitsmarkt die unsicheren, schlecht bezahlten Jobs mit schlechten Arbeitsbedingungen befinden. Wenn diese Unterschiede auf Strukturmerkmale des Arbeitsmarktes beruhen, dann müssen die Jobs des primären Arbeitsmarktes rationiert sein.

Wenn sie in beliebiger Anzahl zur Verfügung stünden, würden alle potentielle Bewerber in dieses Segment strömen - bis jeder qualifizierte Bewerber eine gute Stelle hat. Die schlechten Jobs würden dann nur von unqualifizierten Bewerbern besetzt.75 Dies impliziert, daß die im sekundären Arbeitsmarkt festgehaltenen qualifizierten Arbeitskräfte unterbeschäftigt werden. Obwohl sie fähig und motiviert sein mögen, anspruchsvolle und höher bezahlte Tätigkeiten auszuführen, werden sie an der Besetzung entsprechender Arbeitsstellen gehindert. "...workers are barred from leaving this sector primarily because of institutional constraints and by a lack of good jobs. Therefore, workers in the secondary sector experience underemployment, and attempts to alleviate this problem must focus on the creation of jobs rather than on giving workers more skills and training" (Kalleberg und Sørensen 1979:357).

Insoweit bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern - Frauen oder ethnische Minoritäten - vom primären Arbeitsmarkt ferngehalten werden, spricht man von Diskriminierung. Nicht adäquat ausgebildete Arbeiter, solche mit erratischen Beschäftigungsverläufen oder ungenügender Berufserfahrung werden ebenfalls von den guten Jobs des primären Arbeitsmarktes ferngehalten, weil solche Merkmale als Zeichen unzuverlässiger Persönlichkeiten gelten (Wallace und Kalleberg 1981:89)76. Auch Bildung ist ein Merkmal, an dem sich Diskriminierung festmachen kann: Der Zugang zum primären Arbeitsmarkt wird durch den Besitz von Credentials gesteuert.77

Der Erklärungsansatz der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie für die Existenz von Teilarbeits-märkten mit Jobs unterschiedlicher Qualität sieht ganz anders aus: Auf die schlechten Stellen kommen nur die Arbeitnehmer, die die guten Jobs aufgrund persönlicher Defizite nicht erreichen können. Das Vorkommen von Arbeitnehmern mit hohen Qualifikationen im sekundären Arbeits-markt läßt sich durch das Prinzip der "differentiellen Kompensation" erklären: Die eher materiellen Nachteile der Arbeitsplätze im sekundären Arbeitsmarkt können durch eher psychologische

74 Aus der Perspektive interner Arbeitsmärkte bedeutet das vor allem, daß Jobwechsel innerhalb von Firmen häufiger sein sollten als Jobwechsel zwischen verschiedenen Unternehmen.

75 Für eine ausführliche Diskussion der Implikation von Mobilitätsbarrieren, die durch Segmentationsansätze herausgearbeitet werden, siehe Jacobs und Breiger (1994).

76 Diskriminierung kann zu rekursiven Verstärkungsprozessen führen: Arbeiter werden aufgrund unsteter Beschäftigungsverläufe vom primären Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Die instabilen Beschäftigungsverhältnisse auf dem sekundären Arbeitsmarkt tragen wiederum zu dem

erratischen Beschäftigungsverlauf bei, was den Zugang zum primären Arbeitsmarkt erschwert usw.

77 Auch hier gilt, daß das gleiche Phänomen aus zwei gegensätzlichen Perspektiven erklärt werden kann: Für die Segmentationsansätze sind Bildungszertifikate Credentials und das Fernhalten von Individuen ohne Credentials vom primären Arbeitsmarkt ist Diskriminierung. Für Vertreter

neoklassischer Arbeitsmarkttheorien verbürgt Bildung Qualifikation. Ganz in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Marktes erhalten Qualifikationsbesitzer die Stellen des primären Arbeitsmarktes,

neoklassischer Arbeitsmarkttheorien verbürgt Bildung Qualifikation. Ganz in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Marktes erhalten Qualifikationsbesitzer die Stellen des primären Arbeitsmarktes,