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Daten und Variablen

Im Dokument Bildungssysteme und soziale Ungleichheit (Seite 178-187)

Bildungssysteme, intragenerationale Mobilität und Strukturierung sozialen Handelns in sechs Ländern: Hypothesen

5.2 Daten und Variablen

International vergleichende Studien stehen grundsätzlich einer besonderen Schwierigkeit gegen-über: Inwieweit lassen die Daten vergleichende Analysen überhaupt zu? Wurden in allen Ländern die gleichen Variablen erhoben, und wenn, wurden sie auch in gleicher beziehungsweise ver-gleichbarer Weise kodiert? Wenn man gezwungen ist, auf in den verschiedenen Ländern un-abhängig voneinander erstellte Studien zurückgreifen zu müssen, können diese Fragen in aller Regel nicht positiv beschieden werden. Doch glücklicherweise kann die vorliegende Untersuchung eine qualitativ hochwertige, von vornherein auf internationale Vergleiche zielende Studie nutzen.

5.2.1 Der Datensatz

Die in den folgenden Analysen verwendeten Daten entstammen dem International Social Justice Project (ISJP)208. Das ISJP hat eine international vergleichende Untersuchung der subjektiven Wahrnehmung sozialer Gerechtigkeit zum Ziel. Insgesamt liegen Erhebungen aus dreizehn

208 Siehe Kluegel, Mason und Wegener (1995), Alwin und Wegener (1995) und Alwin, Klingel und Dielman (1993).

Ländern vor, von denen hier sechs betrachtet werden: Rußland, Polen und die DDR als Vertreter ehemals sozialistischer Staaten und die USA, Großbritannien und die (alte) Bundesrepublik als (schon immer) kapitalistisch verfaßte Gesellschaften. Obwohl der Schwerpunkt der Studien "auf den politischen, ökonomischen, sozialen und moralischen Gesichtspunkten und Bedingungen empfundener distributiver Gerechtigkeit" (Kleebaur und Wegener 1991:1) liegt, kann diese Datensammlung auch für die hier präsentierten Mobilitätsanalysen genutzt werden, da umfangrei-che Informationen über Bildung, Beruf und wichtige demographisumfangrei-che Merkmale der Befragten vorliegen.209

Die Vergleichbarkeit der Daten hat von Anfang an eine wesentliche Rolle bei der Konzeption und Durchführung der Erhebungen in den einzelnen Ländern gespielt. Sowohl die Formulierungen der Fragen als auch die Abfolge der Items in den Fragebögen sollten möglichst übereinstimmen. Ein obligatorischer master-Fragebogen wurde in englisch erstellt und erst in einem zweiten Schritt in die Landessprachen übersetzt. In den meisten Ländern wurde versucht, eine Kreuzvalidierung durch eine unabhängige Rückübersetzung ins Englische zu erreichen. Abweichungen von der master-Version des Fragebogens sollten sich möglichst auf nicht übersetzbare Redewendungen beschränken.

Ein weiteres wesentliches Arbeitsprinzip des ISJP bestand in der angestrebten Repräsentativität der einzelnen Erhebungen. Alle Stichproben basieren auf mehrstufigen, zum Teil geschichteten Zufallsauswahlen. Erhebungseinheiten sind Haushalte, die in Wählerlisten, Einwohnerverzeich-nissen oder auch PostverzeichEinwohnerverzeich-nissen erfaßt wurden. Alle hier betrachteten Stichproben bis auf die der USA verwendeten mündliche Interviews, die von erfahrenen Interviewern durchgeführt wurden.

Die USA-Stichprobe beruht auf telefonischen Interviews, die Auswahl wurde hier mit Hilfe des Random Digit Dialing - Verfahrens getroffen.

Die Interviews wurden im Laufe des Jahres 1991 durchgeführt. Die genauen Feldzeiten und weiter Angaben über Zielpopulationen, Stichprobengrößen und die Organisationen, die die Erhebungen durchführten, sind in Tabelle 5.2 aufgeführt.210

5.2.2 Die Variablen

Drei Gruppen von Variablen stehen im Mittelpunkt des Interesses. Erstens Variablen, mit deren Hilfe die Struktur der Ungleichheit und die Muster der intragenerationalen Mobilität abgebildet werden sollen. Neben Klassenposition und Bildung werden hierzu auch Prestigevariablen verwen-det. Zweitens werden drei Variablen, die Einstellungen aus unterschiedlichen Bereichen des sozialen Lebens beschreiben, als abhängige Variable herangezogen. Der Einfluß der Bildung auf die Muster der intragenerationalen Mobilität einerseits, der Bildung und der Klassenlage auf die Einstellungsvariablen andererseits bilden die wichtigsten Untersuchungsfelder. Der Einfluß dieser Strukturvariablen wird mit dem Einfluß einer Reihe von Kovariaten verglichen, die subjektive Merkmale der Individuen und Merkmale ihrer Arbeitsmarktsituation erfassen.

209 Einige der für die folgenden Analysen wichtigen Variablen, die Informationen über den ersten Beruf des Befragten enthalten, wurden allerdings in einigen Ländern nicht erhoben, so daß diese von der vorliegenden Studie ausgeschlossen werden mußten.

210 Diese wie die meisten der verwendeten Tabellen befinden sich der besseren Lesbarkeit halber im Anhang. Im Text werden nur wichtige Hypothesen- und Ergebnisübersichten präsentiert.

Klassenposition

Die Operationalisierung der Klassenlage ist gerade in international vergleichenden Untersu-chungen kein leichtes Unterfangenen. Zum einen herrscht durchaus keine Einigkeit darüber, welche Kriterien zur Definition von Klassenpositionen herangezogen werden sollen. Zwar gehen alle neueren Klassenkonzepte davon aus, daß der Beruf eines Individuums dessen

Klassenposition festlegt. Sehr verschieden sind aber die Meinungen, welche Aspektes des Berufs die zentralen Kriterien zur Einstufung des Berufsinhabers in das System der Ungleichheit sind: Die mit dem Beruf verbundene Machtposition (Wright 1979, 1982), die Stellung in der betrieblichen Hierarchie (Wright, Howe und Cho 1989), Arbeitssituation und/ oder Beschäftigungsstatus (Erikson und Goldthorpe 1992), Qualifikationsanforderungen (Wright, Howe und Cho 1989), oder auch ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital, das sich in den Berufspositionen kristallisiert (Bourdieu 1983, 1987). Zum anderen hat man es bei international vergleichenden Untersuchungen immer mit dem Problem zu tun, daß gleichlautende Berufstitel durchaus unterschiedliche

Verfügungsmacht über die einzelnen Ressourcen symbolisieren können. Ganz zu schweigen davon, daß Berufe in national sehr verschiedenen Schemata erfaßt werden, die auch die zu-mindest nominal übereinstimmende Gruppierung der Berufstitel in Klassen erschweren (vgl.

Ganzeboom, Luijkx und Treiman 1989).

Mit den Daten des ISJP befinden wir uns hinsichtlich solcher Probleme in einer vergleichsweise günstigen Situation. Nicht nur wurde bei dieser Erhebung von Anfang an darauf geachtet, daß Berufsinformationen möglichst umfassend und in allen Ländern vergleichbarer Weise erfragt wurden. Der Operationalisierung der Klassenlage kommt insbesondere auch zugute, daß erstmalig auch das sonst nur im deutschen Sprachraum verwendete Schema der beruflichen Stellungen in einer international vergleichenden Studie verwendet wurde. Die beruflichen Stellungen (vgl.

Tabelle 5.3) unterscheiden Berufe nach einer ganzen Reihe der oben genannten Kriterien

gleichzeitig. Nach sozialrechtlichen Kategorien werden Hauptgruppen unterschieden: Selbständige Landwirte, Freie Berufe, Selbständige und Mithelfende, Angestellte, Beamte und Arbeiter.

Innerhalb dieser Hauptgruppen werden Hierarchiestufen je nach den für die Hauptgruppen typischen Kriterien unterschieden: Die Landwirte nach der Größe der Höfe, Selbständige und Freiberufler nach der Zahl ihrer Mitarbeiter, Angestellte, Beamte und Arbeiter nach Kontroll-befugnissen und Qualifikationsanforderungen. Im Stellungsschema werden damit Machtbefugnis-se, Qualifikationsanforderungen, die Stellung in der betrieblichen Hierarchie und vor allem der Beschäftigungsstatus zu klar definierten Kategorien gebündelt. Nicht zuletzt ist zu bedenken, daß die Befragten sich selbst in dieses Schema einordnen - die Kategorisierung also keinesfalls "von außen aufgedrückt" wird.211

Allerdings ist das Schema in seiner ursprünglichen Form für die vorliegende Untersuchung viel zu detailliert. Um einerseits der relativ geringen Fallzahl in den Stichproben gerecht zu werden, und andererseits die Analysen überschaubar zu halten, wurden die Kategorien nach folgendem Schema auf vier Gruppen reduziert:

• Da uns die Auswirkungen des Bildungssystems auf die berufliche Plazierung interessiert wurden in den meisten der folgenden Analysen nur abhängig Beschäftigte berücksichtigt.

Die soziale Lage von Landwirten, Freien Berufen und Selbständigen wird im

Wesentlichen durch vererbtes ökonomisches Kapital definiert; Bildungstitel spielen für sie

211 Das Schema beruflicher Stellungen wurde schon früh als Klassemkonzept verwendet, vgl.

Müller (1977) oder Lepsius (1979). Ein Vergleich des auf dem Stellungsschema beruhenden Müllerschen Klassenkonzepts mit anderen Klassenschemata findet sich in Erbslöh, Hagelstange, Holtman, Singelman und Strasser (1990). Das Stellungsschema erweist sich insbesondere für die Erklärung des Einkommens als nützlich, aber auch seine Erklärungskraft hinsichtlich eines Bewußtseinsindex ist nur unwesentlich kleiner als zum Beispiel das (neueste) Wrightsche Klassenschema.

nur eine untergeordnete Rolle. Auch Angehörige des Militärs oder länderspezifische Codes wurden ausgeschlossen.212

• Die Unterscheidung zwischen Beamten und Angestellten wurde fallengelassen, da sie nur in den beiden deutschen Ländern von Belang ist.

• Beamte und Angestellte wurden in zwei Gruppen zusammengefaßt: "Obere" und

"untere". Die "Oberen" umfassen Angestellte und Beamte, die hauptsächlich

eigenverantwortlich handeln oder Führungsaufgaben erfüllen (Codes 52,53,62 und 64 in Tabelle 5.3), die "Unteren" solche, die Routineaufgaben, höchstens aber wenig

eigenverantwortliche Tätigkeiten ausführen (Codes 50, 51, 60 und 61).

• Die Arbeiter wurden ebenfalls in zwei Gruppen aufgeteilt: Un- und Angelernte (Codes 70 und 71) und Qualifizierte und Vorarbeiter (72, 73).213

Die Klassenposition des Befragten ist für die folgenden Mobilitätsstudien zu zwei verschiedenen Zeitpunkten relevant. Zum einen werden die Befragten nach ihrem derzeitigen Beruf in eine der Stellungsgruppen eingeordnet. In den meisten Fällen werden hierbei nur Befragte berücksichtigt, die zum Zeitpunkt der Befragung in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis stehen. Auf Aus-nahmen von dieser Regel wird explizit hingewiesen. Zum anderen ist natürlich die Klassenlage von Interesse, die sich anhand des ersten Berufes der Befragten ergibt. In credentialistischen

Gesellschaften sollte gerade für die berufliche Erstplazierung Bildung eine besondere Rolle spielen; der Zusammenhang zwischen Bildung und "erster Klasse" ist daher von besonderem Interesse. Zum anderen ist das Ausmaß der Stabilität der Klassenlage im Berufsverlauf ein wichtiger Untersuchungsgegenstand und kann aus der Assoziation des ersten Berufes mit dem aktuellen Beruf erschlossen werden. Die Verteilung dieser beiden Klassenvariablen in den verschiedenen Ländern ist in Tabelle 5.4 dargestellt.214

Es besteht eine enge Verbindung zwischen der beruflichen Stellung und dem Klassenschema nach John Goldthorpe. Für Goldthorpe sind der Beschäftigungsstatus und die Arbeitssituation die zentralen Klassenkriterien (Erikson und Goldthorpe 1992:37), die ja gerade im Stellungsschema erfaßt werden. Zusätzlich zu den beruflichen Stellungen werden aber auch berufliche Tätigkeiten zur Einteilung der Individuen in die Klassen herangezogen. Gordon Marshall entwickelte einen Algorithmus, mit dessen Hilfe Befragte nach ihrer beruflichen Stellung und nach ihrer nach dem ISCO68 klassifizierten beruflichen Tätigkeit in das Klassenschema nach Goldthorpe eingeordnet werden können (Marshall, Burgoyne und Swift 1992). Das Stellungsschema bildet dabei die Basis für diese Einteilung. Einige Fälle gelangen hierbei nach der Meinung Marshalls und seiner Kollegen aber in eine "unpassende" Kategorie und werden daher anhand der Berufstitel umgruppiert.

In Tabelle 5.5 wird die hier verwendete Klasseneinteilung mit dem auf ebenfalls vier Kategorien reduzierten Goldthorpeschema verglichen.215 Wie aus der Tabelle zu ersichtlich ist, gibt es vor allem folgende Unterschiede:

212 Eine ähnliche Vorgehensweise wählen Marshall, Swift und Roberts (1997) für die gleichen Daten.

213 Im Folgenden werden der (sprachlichen) Einfachheit halber die un- und angelernten Arbeiter zusammengenommen als "unqualifizierte Arbeiter" bezeichnet, die qualifizierten Arbeiter und Vorarbeiter als "qualifizierte Arbeiter".

214 In die Klassenschemata werden nur Personen eingeordnet, die zum Befragungszeitpunkt eine Vollzeitstelle innehaben. Die meisten der im Folgenden dargestellten Analysen beschränken sich auf diesen Personenkreis.

215 Kategorie 1 umfaßt das "Salariat", 2 die "Routine Clerical", 4 die "Supervisors" und "Skilled Workers", 4 die "Semiskilled Workers", "Unskilled Workers" und "agricultural Workers".

Selbständige, Freie Berufe und selbständige Landwirte wurden aus dieser Gegenüberstellung ausgeschlossen, da sie in den meisten folgenden Analysen aus den genannten Gründen nicht berücksichtigt werden. Die Zahlen beziehen sich auch nur auf Personen, die zum

Befragungszeitpunkt eine Ganztagsstelle innehaben.

• Das "Salariat" nach Goldthorpe ist wesentlich umfangreicher als die "Oberen

Angestellten". Das beruht auf der Tatsache, daß nach dem Marshallschen Algorithmus schon die Angestellten und Beamten mit nur geringen eigenständigen Tätigkeiten in das Salariat aufgenommen werden. Umgekehrt zählen fast alle oberen Angestellten auch zu Goldthorpes Salariat, so daß hier von einem Inklusionsverhältnis gesprochen werden kann.

• Ebenso ist die Gruppe der "semiskilled workers", "unskilled workers" und der "agricultural workers" in der Goldthorpe-Klassifizierung umfangreicher als die Gruppe der an- und ungelernten Arbeiter im Stellungsschema. Das Goldthorpe-Schema ist offensichtlich restriktiver in der Zuschreibung von Qualifikationsanforderungen. Auch hier sind die nach der beruflichen Stellung an- und ungelernte Arbeiter in der nach dem Goldthorpes Schema an- und unqualifizierten Arbeiter enthalten.

Die beiden Schemata fungieren offensichtlich nach der gleichen Logik, nur daß die beiden

"Extremgruppen" im Goldthorpeschema etwas "großzügiger" definiert werden.216 Umgekehrt ergibt sich durch den Bezug auf die beruflichen Stellungen eine restriktivere Einteilung der Befragten in die "extremen" Gruppen der oberen Angestellten einerseits und der ungelernten Arbeiter

andererseits. Wir können damit sicherer sein, daß innerhalb der oberen Angestellten tatsächlich privilegierte Positionen, innerhalb der unqualifizierten Arbeiter hingegen benachteiligte Positionen zu finden sind.

Prestige

Für die Untersuchung der Muster intragenerationalen Mobilität werden auch Statusattainment-Modelle (Blau und Duncan 1967) verwendet. Drei berufsbezogene Informationen gehen in diese Modelle ein: Der Beruf der Vaters, als der Befragte 15 Jahre alt war, der erste Beruf des Befragten und der aktuelle Beruf des Befragten. Für die Messung aller drei Berufsinformationen wird die Prestigeskala nach Treiman (Treiman 1979) verwendet. Mittelwerte und Streuungen sind in der Tabelle 5.6 aufgeführt.

Bildung

Noch schwieriger als die Einteilung der Befragten in soziale Klassen gestaltet sich die Erhebung der Ausbildung der Befragten. Wie soll man den unterschiedlichen Bildungssystemen gerecht werden, wie die international nach Zahl und Arbeitsmarktrelevanz stark variierenden Bildungs-abschlüsse in ein einheitliches Schema bringen?

Zwei Ansätze sind in der vergleichenden Mobilitätsforschung verbreitet. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, die Befragten nach der Zeit, die sie im Bildungssystem verbracht haben, in eine Skala einzustufen. Dieses Verfahren hat den Vorteil, eine kontinuierliche Bildungsvariable zu liefern, deren Effekte auf andere Variablen leicht zu interpretieren ist. Der Nachteil dieses

Verfahrens besteht aber darin, daß nur der hierarchische Aspekt von Bildungstiteln berücksichtigt

216 Zu beachten ist allerdings, daß ein nicht unerheblicher Teil der unteren Angestellten bei Goldthorpe als unqualifizierte Arbeiter zählt. Dies beruht auf der Tatsache, daß das Goldthorpe-Schema berufliche Tätigkeiten stärker berücksichtigt, während das Stellungsschema dem sozialrechtlichen Aspekt des Berufs mehr Beachtung schenkt.

wird. Unbeachtet bleibt, daß Bildungsabschlüsse, die unter Umständen die gleiche Zeit benötigen, zu völlig unterschiedlichen berufliche Laufbahnen führen können. Insbesondere der Unterschied zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung wird völlig verwischt.

Aus diesem Grunde entwickelten die Mitarbeiter des CASMIN-Projektes eine Kategorisierung von Bildungstiteln, die sowohl hierarchische Unterschiede zwischen den Bildungstiteln als auch qualitative Unterschiede berücksichtigt. Die Rationale dieses Schemas besteht darin, die "funk-tionalen Äquivalenz" der Bildungstitel hinsichtlich ihrer Funktion auf dem Arbeitsmarkt für die Bildung einer Skala zu verwenden: "Betrachtet man Bildungssysteme vor allem in ihrer Funktion als Reproduktionsfaktor von Klassenstufen und sozialer Ungleichheit, erscheint es vor allem notwendig, Bildungsstufen nach ihrer Selektionswirkung abzugrenzen, d.h. die unterschiedlichen Bildungsstufen sollten sowohl möglichst die typischen klassenspezifischen Bildungsbarrieren im Bildungssystem optimal widerspiegeln, als auch die im Hinblick auf die Verwertungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt signifikanten Differenzierungen zur Geltung kommen lassen" (König, Lüttinger und Müller (1987:84). Diese Kategorisierung von Bildungssystemen erscheint für die vorliegende Studie geradezu ideal.217

Die CASMIN-Skala unterscheidet im Wesentlichen drei Ebenen der Bildungszertifikate (1-3), die intern vor allem nach dem Aspekt der allgemeinen vs. beruflichen Bildung weiter untergliedert sind (a-c).218 Die Zuordnung der Bildungsabschlüsse der Befragten zu den einzelnen

CASMIN-Kategorien wurde von den fachkundigen Teams der Länder unternommen, die die Befragung auch durchführten. Dadurch ist gewährleistet, daß die Verkoder die Bildungstitel auch kennen, die sie den unterschiedlichen Kategorien zuweisen. Andererseits kann im einzelnen nicht mehr vollzogen werden, über welchen Bildungsabschluß die Befragten im genau verfügen. Leider wurden die Kategorien 2a und 2b zu einer Gruppe zusammengefaßt, so daß wir gerade im wichtigen mittleren Bildungssegment nicht mehr nach beruflicher und allgemeiner Bildung unterscheiden können.

Zudem ist die resultierende siebenstufige Bildungsvariable für die folgenden Analysen zu detailliert - eine weitere Zusammenfassung zu vier Stufen mußte vorgenommen werden. Die erste dieser vier Kategorien umfaßt die ursprünglichen CASMIN - Kategorien 1a und 1b. Hier wurden also Befragte eingeordnet, die höchstens eine abgeschlossene allgemeine Grundbildung besitzen. Die Kategorie 1c - allgemeine und berufliche Grundausbildung - wurde mit 2a und 2b zusammen-gefaßt. Diese nun sehr heterogene Gruppe umfaßt alle Personen mit beruflicher Grundausbildung und mittlerer beruflicher Bildung. Leider ist in dieser Gruppe ein nicht zu beziffernder Anteil von Personen enthalten, die (nur) über eine mittlere Allgemeinbildung verfügen. Dieser Anteil dürfte aber nicht allzu hoch ausfallen, da in den meisten Ländern entweder eine berufliche Bildung unternommen wird oder aber zumindest die allgemeine Hochschulreife erworben wird - was zur Einstufung in Kategorie 3c führt, die auch die nächste Stufe der reduzierten CASMIN-Variable bildet. Die zweite Kategorie der rekodierten CASMIN-Variable umfaßt damit im Wesentlichen Befragte mit einer Berufsbildung unterhalb der tertiären Ausbildung.

Matura ohne Berufsbildung hat nur in Rußland und in den USA eine eigenständige Bedeutung. Nur hier ist es üblich, ohne weitere Berufsausbildung in das Berufsleben einzutreten. Um diese

wichtige Merkmal dieser beiden Bildungssysteme berücksichtigen zu können, wurde die Kategorie 3a auch als eigenständige Kategorie in der vierstufigen Bildungsskala übernommen. Die

Kategorien 3b und 3c - untere und höhere tertiäre Abschlüsse - wurden wiederum zusammenge-faßt. Die Verteilung der Befragten auf die vier Bildungskategorien (höchstens) Grundbildung, mittlere (allgemeine und) Berufsbildung, Matura und tertiäre Bildung in den einzelnen Ländern ist in

217 Die CASMIN-Klassifizierung von Bildungstiteln wurde 1997 geändert, um Reformbedingten Änderungen von Bildungssystemen in einigen Ländern Rechnung zu tragen (Brauns und

Steinmann 1997). Dies hat natürlich keine Bedeutung mehr für die im ISJP verwendete Kodierung von Bildungstiteln.

218 Die Werte und Bedeutungen der hier verwendeten CASMIN-Variable sowie die Verteilung dieser Variable ist in der Tabelle 5.7 aufgeführt.

Tabelle 5.8 aufgeführt.

Zwar hat die Konstruktion einer kontinuierlichen Bildungsvariable den Nachteil, daß sie die

Unterschiede in der horizontalen Differenzierung der Bildungstitel unberücksichtigt läßt. Der Vorteil einer solchen Variable besteht aber darin, daß sie den hierarchischen Aspekt umso klarer

hervortreten läßt und daß sie den Aufbau sparsamer statistischer Modelle mit einfach zu inter-pretierenden Effekten zuläßt. Gerade die Assoziation der Bildung mit der Klassenlage kann mit der vierstufigen Version der CASMIN-Variable nur bedingt untersucht werden, da die Unterteilung der Stichprobe in 16 Unterstichproben bei den eher kleinen Fallzahlen kaum noch sinnvolle

Parameterschätzungen zuläßt. Zudem beinhaltet die Zusammenfassung der CASMIN-Variable auf nur vier Stufen eine ernsthafte Verschwendung von Informationen, da unter Umständen wichtige Unterschiede durch die Zusammenfassung der Kategorien verloren gehen.

Es wird daher auch eine kontinuierliche Variable verwendet, die die Informationen der ursprüng-lichen CASMIN-Variable insofern nutzt, als daß sie keine mehr oder weniger willkürliche

Zusammenfassungen beinhaltet. Zu diesem Zweck werden den einzelnen Kategorien der CASMIN-Variable - sehr grobe - Schätzungen der Zeit zugeordnet, die zur Erreichung dieser Abschlüsse nötig ist (vgl. Tabelle 5.9). Diese Vorgehensweise hat aber zwei große Schwächen.

Zum einen werden innerhalb eines jeden Landes in den einzelnen CASMIN-Kategorien Bildungs-zertifikate zusammengefaßt, zu deren Erreichung unterschiedlich lange Zeit notwendig ist. Zum anderen kann ein funktional gleichwertiger Bildungstitel in verschiedenen Ländern durchaus unterschiedliche Zeiten benötigen. Die Schätzungen sind daher nur als sehr grobe Näherungen zu verstehen, die unter Umständen systematische Fehler enthalten. Aus diesem Grunde werden zwei Versionen der kontinuierlichen Bildungsvariable verwendet: Zum einen die in Tabelle 5.9

beschriebene, die den CASMIN-Kategorien Bildungszeiten zuordnet. Zum anderen werden den CASMIN-Kategorien einfach die Zahlen 1-7 zugeordnet, so daß wir eine Bildungsskala auf ordinalem Niveau erhalten. Diese ordinale Skala dürfte eine sehr gute Näherung der in der CASMIN-Skala inhärenten Hierarchie darstellen. Zwar sind für einige der folgenden Verfahren ordinale Skalen eigentlich ungeeignet - sie bedürfen Variablen mit metrischen Skalenniveau. Doch ist der Gebrauch ordinaler Skalen innerhalb solcher Verfahren durchaus üblich und liefert in der Regel brauchbare Ergebnisse219. Für unsere Fragestellung sind auch nicht sie absoluten Größen der Parameterschätzungen, die durch solche Skalen mit Sicherheit verzerrt werden, von Interesse.

Vielmehr steht die Rangordnung der Parameter zwischen den Ländern im Vordergrund. Wenn die Rangfolge der Parameter zwischen den Ländern in beiden Metriken dieselbe ist, können wir mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß die relative Bedeutung der Bildung in den Ländern mit einiger Wahrscheinlichkeit erfaßt worden ist. Mittelwerte und Standardabweichungen beider Variablen sind in Tabelle 5.10 zu finden.

Die Kovariaten

Die zentrale These der vorliegenden Arbeitet lautet, daß in den credentialistischen Ländern - also solchen mit standardisierten, stratifizierten und differenzierten Bildungssystemen - Bildungstitel die Plazierung von Personen auf Positionen stärker festlegt als in den nicht-credentialistischen, wo unter Umständen andere Schließungsmerkmale an Bedeutung gewinnen. Zudem sollten in den nicht-credentialistischen Ländern Strukturmerkmale des Arbeitsmarktes eine größere Rolle im

Die zentrale These der vorliegenden Arbeitet lautet, daß in den credentialistischen Ländern - also solchen mit standardisierten, stratifizierten und differenzierten Bildungssystemen - Bildungstitel die Plazierung von Personen auf Positionen stärker festlegt als in den nicht-credentialistischen, wo unter Umständen andere Schließungsmerkmale an Bedeutung gewinnen. Zudem sollten in den nicht-credentialistischen Ländern Strukturmerkmale des Arbeitsmarktes eine größere Rolle im

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