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Didaktische Einbindung anhand der Bildungsgang-

3. Berufliche Bildung und die Lebenswelt der Heimerziehung als

3.1 Berufliche Bildung

3.1.1 Didaktische Einbindung anhand der Bildungsgang-

Die didaktische Ausrichtung in dieser Arbeit vereint Elemente aus der Bil-dungsgangdidaktik, die unter anderem von Meinert A. Meyer, Andrea Rein-artz, Ralf Schmidt, Arno Combe, Uwe Hericks und Werner Helsper vertreten wird, und der Ermöglichungsdidaktik von Rolf Arnold. Aus der Bildungs-gangdidaktik werden dabei vor allem die Elemente „Arbeitsbündnis“ und

„Entwicklungsaufgabe“, aus der Ermöglichungsdidaktik das Element „Deu-tungsmuster“ in ein zu konzipierendes neues Handlungsmodell des fallba-sierten Unterrichtens (s. Kap. 6) integriert. Hierzu erfolgt der Hinweis, dass in der Bildungsgangdidaktik das Thema der Sinnkonstruktion ein zentrales Gütekriterium darstellt (vgl. Meinert A. Meyer, 2009, S. 123). Die Anbin-dung an die Ermöglichungsdidaktik erfolgt aus dem Grund, weil sie betont, dass sich das Lernen von Erwachsenen im Zuge des Deutens vollzieht (vgl.

Arnold, 2007), womit sich ein direkter Bezug zur Zielgruppe der Studieren-den in dieser Arbeit herstellen lässt.

Erwachsene sind von den Vernetzungen ihrer gespürten Identität und Plausi-bilität getragen, weshalb ein wirklich nachhaltiges Lernen nur gelingen kann, wenn die Lernenden zu dichten emotionalen Prozessen des (Er-)Spürens, des Selbsterlebens und der Selbstveränderung bewegt werden können. Die Trans-formation und Reifung von Kompetenzen bedarf deshalb nicht der Didakti-sierung, sondern vielmehr der Emotionalisierung der Lerninhalte. (Arnold, 2007, S. 5)

Meinert A. Meyer (2009) weist darauf hin, dass die Bildungsgangdidaktik auf drei zentralen Fragestellungen beruht:

1) Sie ist zunächst eine Theorie des Lehrens und Lernens.

2) Sie fragt, was Bildung der nachwachsenden Generation als Zielsetzung von Erziehung, Schule und Unterricht heute bieten kann.

3) Sie begreift Bildung als einen biografischen Prozess.

In der Bildungsgangdidaktik kommt den Akteuren, also den Lernenden und Lehrenden, die zentrale Bedeutung zu. Die Lehrenden als (Unterrichts-)Kon-strukteure und Experten verfügen über die professionellen Kompetenzen, zum Beispiel, wie das Angebot, das die Lernenden nutzen sollen, didaktisch-methodisch zu vermitteln ist, um die gewünschte Lernwirkung zu erzielen.

Die Lernenden tragen ihr „biografisches Gepäck“ (Meinert A. Meyer, 2009, S. 1), in dem sich ihr gesamtes „tacit knowledge“ in Form von Erfahrungen, persönlichen Theorien, Ansichten, Haltungen, Wissen und anderes mehr be-findet (vgl. die Auflistung in Meinert A. Meyer, ebd.). Beide Akteursgrup-pen begegnen sich im Prozess des Unterrichtsverlaufs. In dem Moment die-ser Begegnung schließen beide Seiten ein Arbeitsbündnis. Für den Bildungs-gangforscher stehen dabei folgende Interessenlagen im Vordergrund:

Uns interessiert Bildung als ein sozialisatorischer Prozess, in dem sich das Selbst entwickelt, mit Krisen, Regressionen, Brüchen, Entwicklungsschüben und Aufbrüchen.

Uns interessieren die Perspektiven, die sich für die Selbstregulation des Ler-nens unter der Bedingung institutionalisierter Lehre eröffnen.

Uns interessiert, wie sich Heranwachsende in diesen Lehr-Lern-Situationen verhalten, wie sie ihre Lernaufgaben deuten und welche Sinnkonstruktionen sie mit dem Unterricht verbinden.

Uns interessiert, ob und wie die Heranwachsenden Entwicklungsaufgaben, die gesellschaftliche Anforderungen und Beschränkungen mit individuellen Bedürfnissen, Interessen und Fähigkeiten vermitteln, wahrnehmen und bear-beiten.

Uns interessiert, wie die Heranwachsenden nicht nur Wissen und Können, sondern zugleich auch die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und zu verant-wortlichem Handeln für eine Welt entwickeln, die zunehmend komplexer und schwieriger wird. (Meinert A. Meyer, 2009, S. 1; Hervorhebungen im Original)

Arnold hat das Deutungsmusterkonzept auf das Arbeitsfeld der Berufs- und Erwachsenenpädagogik transferiert und dafür die Ermöglichungsdidaktik

konzipiert. In dieser arrangiert der Lehrende weiterhin die Lernsituation, doch gestaltet er den Lernprozess weniger in Form von Impulsen oder Vor-trägen, sondern mehr durch Lernfragen, Aufgabenstellungen, Hilfen und Be-ratung. Er schafft, so Arnold, somit die Bedingungen für die Selbstorganisa-tion der Lernenden (vgl. Arnold, 1993, S. 53). Die Übertragung des Deu-tungsmusterkonzepts auf das Arbeitsfeld der Berufs- und Erwachsenenpäda-gogik begründet Arnold damit, dass sich das Lernen in der beruflichen Bil-dung und Erwachsenenpädagogik größtenteils im Kontext des Deutens voll-zieht bzw. dass Erwachsene im „Modus der Auslegung“ bzw. im „Modus der Deutung“ lernen (ebd.).

Dadurch werden die durch Vorerfahrungen – die als Lösungsschemata ähnlicher Problem- und Handlungssituationen fest verankerten Reaktions-muster – reguliert. Die Vorerfahrungen sind also das entscheidende Element.

Sie sind streng individuell, das heißt, sie sind weder objektiv noch besitzen sie für unterschiedliche Personen die gleiche Relevanz (vgl. Arnold, 1993, S. 2 f.).

Das erfahrungsgeprägte lebensweltliche Alltagswissen der Lernenden dient Arnold als Anknüpfungspunkt für die Gestaltung eines teilnehmerori-entierten Lernens in der Erwachsenenbildung. Ausgangspunkt für die Lern-prozesse ist dabei das Individuum mit seinen alltäglichen Erfahrungen und Entwicklungsbedürfnissen, was Arnold mit dem Begriff der Subjektorientie-rung umschreibt und damit die prägenden Einflüsse der Gesellschaft und ih-rer Gruppen auf die Denk-, Wahrnehmungs-, Gefühls- und Bewusstseins-strukturen des Individuums in den Blick nimmt.

Das entscheidende Charakteristikum aller Lernprozesse ist die subjektive Be-deutsamkeitszuschreibung. Die Logik der Aneignung ist das substanzielle Element subjektiver Veränderungsprozesse. (Arnold, 2012, S. 3)

Zentrales Anliegen der Ermöglichungsdidaktik ist es, Rahmenbedingungen und Gelegenheiten für ein selbstorganisiertes Lernen zu schaffen. Dadurch, dass Angebote für den Erwerb von Lernprozessen gemacht werden, wird der Lernprozess zu einem aktiven, selbstgesteuerten Aneignungsprozess. Die Rolle der Lehrenden besteht hierbei darin, als Ermöglicher Räume für anre-gende Lernbedingungen zu schaffen. Sie stellen den Lernenden Konzepte, Materialien und Ideen im Sinne eines Lernarrangements zur Verfügung und begleiten die Lerngruppen bei der Bearbeitung in den Lernsituationen. Für

den kompetenzorientierten Unterricht in der beruflichen Bildung (und im Kontext dieser Arbeit) bedeutet das: Die Funktion des Lehrenden besteht in diesem Setting darin, die Lehr- und Lernprozesse im Unterricht so zu arran-gieren, dass Lernende die notwendigen Handlungskompetenzen für die spä-tere Berufspraxis erwerben können. Das zeigt, „dass die Berufs- und Er-wachsenenpädagogik sich in eine Richtung entwickelt, in der das Lernsub-jekt mit seinen ‚Dispositionen für ein selbstorganisiertes Handeln‘ (vgl. Er-penbeck 2010, 11–13) stärker im Fokus steht. Gleichzeitig verabschiedet man sich von einigen Illusionen der Fachorientierung und Lehrorientierung, beginnt zu verstehen, dass Lernen nicht ‚vermittelt‘, sondern lediglich er-möglicht und gefördert werden kann und bemüht sich um die Verlagerung der curricularen Präzision von Input zum Outcome“ (Arnold, 2012, S. 45 f.).

Dazu bedarf es nach Arnolds Auffassung solcher Methoden, die sich von den bekannten Vermittlungsmethoden der mechanischen Didaktik abgren-zen und die stattdessen auf Selbsterschließung, Vernetzung und Kooperation ausgerichtet sind. Dadurch wird der Weg frei für eine nicht-trivialisierende Konzeption von Lernen, Bildung und Erziehung (vgl. Arnold, 2012, S. 48).

Menschen lernen zwar in Lehr-Lern-Veranstaltungen, doch folgt dieses Ler-nen einer eigeLer-nen, biografisch-systemischen Logik. Man kann zwar „beleh-ren“, doch folgt ihre Aneignungsbewegung ihren eigenen bzw. „eigensinni-gen“ Mustern in Kognition und Emotion. (Arnold, 2012, S. 46)

Der grundlegende Anspruch der Ermöglichungsdidaktik besteht für Arnold deshalb darin, dass der Lehrende versuchen soll, die Motivation des Gegen-übers zu entdecken und zu verstehen, und dass er nachvollziehen soll, wie das Gegenüber aufgrund seiner Motivation handelt (bzw. welche Handlungs-orientierungen es daraus ableitet), um dann dafür entsprechende Lernarran-gements zu entwickeln.

3.1.2 Konzepte der beruflichen Bildung und ihre Bedeutung für die