• Keine Ergebnisse gefunden

Deutungsmuster „Konkurrenzhaltung einnehmen“

Im Dokument F&E-Kooperationen inJoint-Ventures (Seite 185-192)

Systematisierung praktischen Wissens und empirischen Validierung des theoretischen Kooperationsmodells

4.2 Zwischen Kooperation und Konkurrenz

4.2.1 Deutungsmuster „Konkurrenzhaltung einnehmen“

Die untersuchte Kooperation stellt nicht für alle Mitarbeitenden eine Zusammen-arbeit im eigentlichen Sinne dar. Ein Interviewter beschreibt, dass bis zur GSV von Zusammenarbeit nicht die Rede sein könne, sondern die gemeinsamen Tätigkeiten von „harten Verhandlungen“ (B 9, 29) geprägt seien. In den Interviews wird deutlich, dass die beiden Unternehmen durch die gemeinsame Zusammenarbeit zwar die glei-chen Ziele verfolgten, jedoch – im wahrsten Sinne – auf Kosten des Kooperationsun-ternehmens: „Jeder will Geld verdienen – möglichst viel“ (B 2, 108). Nach dem For-schungstagebuch sei das übergeordnete Ziel der beiden Unternehmen A und C, Gewinn zu erwirtschaften: „Was nichts kostet, ist nichts wert“ (Forschungstagebuch, 30.11.2020), so drückt es ein Mitarbeitender im Unternehmen A aus, der damit die von ihm empfundene Einstellung der Mitarbeitenden im Unternehmen C beschreibt.

Dabei sei aus Sicht der Befragungsteilnehmenden das Unternehmen A auf das Unter-nehmen C angewiesen, u. a., weil dieses die wichtigen Kontakte zu der politischen Vertretung in der VR China aufbauen könne, welche für wichtige Abläufe (u. a. Ver-trieb, Homologation und (Bauteil-)Freigaben) notwendig seien (vgl. Forschungstage-buch, 29.01.2019) oder sich bei örtlicher Gesetzgebung und Behördenzuständigkeiten besser auskenne (vgl. Forschungstagebuch, 31.01.2019). Umgekehrt sei zudem das Unternehmen C auf A angewiesen, weil dieses mit deren Hilfe das Produktportfolio erweitern wolle. Beide Unternehmen gingen folglich u. a. deshalb eine Kooperation

miteinander ein, um ihre Ziele zu erreichen, wobei eine Zusammenarbeit im Sinne einer gemeinsamen Tätigkeit kein Unternehmensziel darstelle – weder für das Unter-nehmen A noch für das UnterUnter-nehmen C.

In dem Deutungsmuster „Konkurrenzhaltung einnehmen“ betrachten sich die Befragungsteilnehmenden der beiden Unternehmen als Konkurrenten. Manche In-terviewten des Unternehmens A betrachten die Zusammenarbeit laut dem For-schungstagebuch nicht als partnerschaftlich und hegen Misstrauen gegenüber dem Unternehmen C (vgl. Forschungstagebuch 04.11.2019): Der Charakter der Zusam-menarbeit sei „nicht wirklich partnerschaftlich“ (B 37, 27), es gäbe „ein großes Miss-trauen“ und „irgendwelche Ängste“ (B 4, 16) vor zu vielen Terminen oder Anforderun-gen im Zuge des Zusammenarbeitsmodells bei der Belegschaft des Unternehmens C (vgl. auch B 1, 6–8). Ein Beispiel aus dem Forschungstagebuch, welches die Auswir-kung des Misstrauens auf den Arbeitsalltag greifbar machen kann, ist der Mitarbei-tende des Unternehmens A, welcher Chinesisch gelernt hat und sich – obwohl nicht eingeladen – zu einer Videokonferenz hinzusetzt, von den anderen Konferenzteil-nehmenden im Unternehmen C unbemerkt, da außerhalb des Sichtfelds. Dort über-setzt dieser für die deutschen Teilnehmenden die chinesisch gesprochenen Passagen.

Die chinesische Belegschaft tauscht sich gerne nach einem offiziellen Agendapunkt auf Chinesisch aus mit der Annahme, die deutsche Belegschaft verstünde sie dabei nicht. In diesen Besprechungen würden die Aussagen der deutschen Belegschaft be-wertet und eine Strategie für die weitere Verhandlungsweise entwickelt. Durch die Übersetzung hören die Mitarbeitenden des Unternehmens A die Argumentations-kette ihrer chinesischen Kolleginnen und Kollegen und erhofften sich dadurch Er-kenntnisse über deren Denkweise (vgl. Forschungstagebuch, 20.09.2019).

Nicht nur unterschiedliche Kooperationsziele und Misstrauen zwischen den Mit-arbeitenden der beiden Unternehmen sind bei den Befragungsteilnehmenden mit diesem Deutungsmuster „Konkurrenzhaltung einnehmen“ zentrales Thema. Im For-schungstagebuch ist eine Ausdrucksweise von Mitarbeitenden des Unternehmens A zu finden, welche deren nicht-wertschätzende Einstellung gegenüber den Mitarbei-tenden des Unternehmens C evident werden lässt: „Ganz blöd sind die Chinesen ja auch nicht!“ (Forschungstagebuch, 25.03.2020); das Unternehmen C solle „dazu erzo-gen werden“ (Forschungstagebuch, 07.04.2020), nach dem Willen des Unternehmens A zu handeln. Derartige Aussagen deuten darauf hin, dass nicht auf Augenhöhe zu-sammengearbeitet wird, sondern von oben herab eine Machtposition geltend ge-macht werden soll. Dabei versucht das Unternehmen A, seinen Willen durchzudrü-cken, wie folgender Dialog zeigt:

Interviewer: „[…] ist es da eher so, dass [das Unternehmen A] auf das [Unternehmen C]

zugeht und…“.

B 37, 19: „Nein! Überhaupt nicht, […]“

„Die spielen uns gegeneinander aus“

Manche Interviewte des Unternehmens A beschreiben die Mitarbeitenden des Unter-nehmens C als sehr fordernd (vgl. B 29, 29), die Zusammenarbeit sei „unangenehm einseitig“ (B 13, 197), es würde „viel Druck“ (B 54, 4) durch „Deadline-Setzen“ (B 54, 26) ausgeübt und sich „aggressiv“ (ebd.) verhalten. Ferner sei zu wenig Vertrauen da, wie die folgende Aussage untermauert:

„[…] dass es bei [Unternehmen B] ein latentes Misstrauen gegenüber dem Joint-Venture-Kooperationspartner gibt und das spiegelt sich schon auch in der Zusammenarbeit und Arbeitsweise wider. Wenn man ein Projekt auf die Straße bringen will, ist Zusammen-arbeit notwendig und für ZusammenZusammen-arbeit gehört halt auch ein gewisses Vertrauen dazu […] und was man halt jetzt schon an verschiedenen Projekten merkt, dass dieses Vertrauen nicht da ist“ (B 1, 6–8).

Weiter drückt der Interviewte die Wahrnehmung einer Wettbewerbssituation folgen-dermaßen aus: „Wir schenken ihnen nichts, und die schenken uns nichts“ (B1, 58).

Während ein Teil der Befragungsteilnehmenden beschreibt, wie das Unternehmen A dem Unternehmen C den eigenen Willen aufzudrängen versucht, sehen andere eher die Gefahr, dass nur das Unternehmen C seine Ziele erreicht und das Unterneh-men A leer ausgeht. Ein Befragter des UnternehUnterneh-mens A beschreibt ausführlich, in-wiefern die Mitarbeitenden des Unternehmens C in ihrer Arbeitsweise denen des Un-ternehmens A überlegen seien. Dies hat zur Folge, dass das Unternehmen C alle Ziele zu erreichen scheint. Von Partnerschaft und gemeinsamer Zielerreichung scheint die Kooperation nicht geprägt zu sein, wie das folgende Zitat zeigt:

„Handlungsbedarf besteht in erster Linie in der Abstimmung zwischen den einzelnen Bereichen [des Unternehmens A]. [Das Unternehmen C] tut das und spielt uns auch im-mer wieder gegeneinander aus. Das ist ein wichtiger Punkt. Des Weiteren stelle ich fest, dass die Kollegen [des Unternehmens C] in der Positionierung ihrer Verhandlungspartner einfach mehr Know-how aufweisen als [diejenigen des Unternehmens A]. […]. Als Nächs-tes stelle ich fest, dass [das Unternehmen C] wesentlich stärker kostenoptimiert und kos-tenorientiert arbeitet als [das Unternehmen A]. Des Weiteren stelle ich fest, dass [das Un-ternehmen C], was die Verhandlungen angeht, wesentlich geschickter zu agieren scheint.

Das heißt, fast alle Wünsche, die [das Unternehmen A] geäußert hat, wurden eigentlich komplett abgeschmettert. Zumindest im Bereich, den ich überblicken kann. Die Ziele, die wir uns gesteckt haben, wurden nicht erfüllt, zum größten Teil nicht erfüllt. Ich habe den Eindruck, [das Unternehmen C] hat seine Ziele fast vollständig erfüllt. Was kann ich da noch sagen“ (B 26, 1–13).

Dieser Interviewte sieht die Kooperationsziele seines Unternehmens nicht erfüllt und sieht die Gefahr, dass durch die geschicktere Verhandlungstaktik des Unternehmens C gegeneinander ausgespielt wird. Die Mitarbeitenden des Unternehmens C stellten

„sehr viele Forderungen“ (B 19, 101), verhandelten „geschickter“ (B 26, 23) als die einen Mitarbeiter:ineinen (vgl. ebd.; B 26, 31), es würde „Drohpotenzial“ (B 19, 121) ge-sucht und gefunden sowie verge-sucht, sich gegenseitig „weh“ (B 19, 95) zu tun (vgl. B 19, 92–109, 116–125). Dabei dürfe der deutsche Gesprächspartner „das Gesicht verlieren, der Chinese darf es aber nicht“ (B 19, 91; vgl. B 19, 165). Die Verhandlungen seien so schwierig, da beide Parteien unterschiedliche Interessen verfolgten (vgl. B 11, 71).

4.2.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen als Ursache für Wettbewerbscharakter Eine Gruppe der Befragungsteilnehmenden sieht ihre Argumentation, das Joint-Ven-ture-Unternehmen sei wie ein Mitbewerber zu behandeln, durch die geltenden recht-lichen Rahmenbedingungen untermauert. In Informationsdokumenten für die Mit-arbeitenden des Unternehmens A ist Folgendes nachzulesen:

„Es besteht keine Konzernstruktur zwischen [Unternehmen A] und [Unternehmen C].

Das [Unternehmen C] steht im Wettbewerb mit [Unternehmen A] und [Unternehmen B], beide chinesische Joint Ventures [Unternehmen C und D] stehen untereinander im Wett-bewerb. Deshalb ist das Joint Venture als Dritter analog zu anderen OEMs anzusehen“

(unternehmensinternes Dokument).

Zeitgleich – und das wird an dieser Stelle im Dokument nicht genannt – soll jedoch zusammen ein Kooperationsziel erreicht werden: Fahrzeuge sollen auf die Straße ge-bracht werden, d. h. nach vorgegebenen Prämissen entwickelt, produziert und vertrie-ben werden. Dazu braucht es Arbeitsteilung und für Arbeitsteilung braucht es eine Datenübergabe. Dass das Joint-Venture-Unternehmen wie andere OEMs zu behan-deln sei, stellt allerdings einen Satz dar, der in diversen Zusammenhängen von den Mitarbeitenden des Unternehmens A wiederholt wird, und impliziert, dass das Joint-Venture-Unternehmen C als Konkurrenz zu behandeln sei und weniger als Koopera-tionsunternehmen.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden als Grund dafür genannt, warum manche Mitarbeitenden des Unternehmens A der Überzeugung sind, das Unterneh-men C sei als KonkurrenzunternehUnterneh-men zu betrachten. Eine ZusamUnterneh-menarbeit mit einem chinesischen Joint-Venture-Unternehmen ist kartellrechtlich relevant und muss, um nach rechtlichen Gesichtspunkten korrekt ablaufen zu können, entspre-chend koordiniert werden. Auswirkungen haben diese gesetzlichen Rahmenbedin-gungen vorwiegend deshalb, weil diese laut den Befragungsteilnehmenden nicht bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekannt seien. Die Unwissenheit und Un-sicherheit der Mitarbeiter:innen zu Compliance-, Kartellrecht und Know-how-Schutz-Themen beklagen überwiegend die Mitarbeitenden des Unternehmens C, da diese auf eine Datenübergabe angewiesen seien, um an der Bauteilentwicklung weiterar-beiten zu können. Sind sich jedoch die Mitarweiterar-beitenden des Unternehmens A nicht einig darüber, ob es rechtlich in Ordnung sei, Daten zu übergeben, verzögere sich die Datenübergabe. 13 % aller Befragungsteilnehmenden nennen explizit die Unwissen-heit bzgl. dieser Themen als Grund für die zögernde Datenübergabe. Über die verzö-gerte Datenübergabe beklagen sich v. a. die Mitarbeitenden des Unternehmens C. Die folgende Abbildung zeigt die Argumentationskette mit Zitaten, die überwiegend von diesen Mitarbeitenden stammen und den Umgang der Agierenden mit dem Informa-tionsmangel zu Compliance-Themen darstellen. Bei Unsicherheit reagierten diejeni-gen Mitarbeitenden mit dem Deutungsmuster „Konkurrenzhaltung einnehmen“ mit Vorsicht und würden keine Daten übergeben. Diese Vorsicht wirkte sich jedoch nicht nur auf den Datentransfer aus, sondern auch auf die Koordination im Allgemeinen.

So umfasse sie auch das Abstimmen von Terminen, die Weitergabe von

Informatio-nen zu Organigrammen oder des PEP-Aufbaus oder andere Dokumente, die elemen-tar für eine gelingende Zusammenarbeit seien.

Aussagen zu den Auswirkungen von Compliance und Kartellrecht (Quelle: eigene Darstellung nach Inhalten aus den Interviews)

Abbildung 33:

Bereits das Zustandekommen der Kooperation ist nicht frei von rechtlichen Bestim-mungen, wie das folgende Zitat aus der Perspektive eines Mitarbeitenden im Unter-nehmen A zeigt:

B 19, 105–107: „Die brauchen uns genauso wenig. Wenn das Gesetz nicht wäre, würden wir sie ja auch nicht brauchen. Wir können auch selbst Autos bauen. [Das Unterneh-men C] kann selbstständig Autos bauen und brauchen das nicht.“

Interviewerin: „Das ist also eine gesetzlich geschaffene, gezwungene Zusammenarbeit und nicht wirklich freiwillig oder frei gewählt?“

B 19, 111: „Nein, genau.“

Die Kooperation ist also aufgrund von rechtlichen Bestimmungen zustande gekom-men; eine Partnerwahl aufgrund von unternehmensspezifischen Eigenschaften hat demnach nicht stattgefunden, die Kooperation wurde vielmehr von oben vorgegeben und ist ein Mittel zum Zweck: Es müssten zusammen mit dem Unternehmen C Fahr-zeuge gebaut werden, weil sonst der Zugriff auf den chinesischen Markt verwehrt bliebe99.

4.2.1.2 „Know-how-Schutz“ oder Arbeitsteilung?

Befragungsteilnehmende mit dem Deutungsmuster „Konkurrenzhaltung einneh-men“ stehen einer Datenübergabe im Zuge der Arbeitsteilung äußerst kritisch gegen-über und sind von der Vorstellung, wertvolle, Know-how-haltige Daten an die Konkur-renz zu schicken, nicht begeistert. Diese Interviewten setzen sich für Know-how-Schutz ein. Die Positionierung der Befragungsteilnehmenden des Unternehmens zwischen Konkurrenz und Kooperation spiegelt sich hier wider: Soll kooperiert wer-den, wird auch eine Datenübergabe notwendig; wird das Unternehmen C als Konkur-renzunternehmen betrachtet, sollen aufgrund des Know-how-Schutzes so wenig Da-ten wie möglich übergeben werden. Über eine Lücke im Know-how-Schutz durch den Transfer von technischen Daten wird sich empört geäußert (vgl. u. a. B 2, 118). Die Interviewteilnehmenden erzählen von unterschiedlichen Gründen für die Verzöge-rung der Datenbereitstellung: Ein Grund scheint zu sein, dass die Mitarbeitenden des Unternehmens A es aus der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen D anders

ge-99 Bis 2021 dürfen ausländische OEMs nur in Joint Ventures in der VR China produzieren (Joint-Venture-Zwang). Von der chinesischen Regierung wurde die Pflicht eingeführt, um die inländische Automobilindustrie mithilfe des ausländischen Kapitals und Know-hows zu fördern. Der Zwang zur Kooperation mit einem chinesischen Partnerunternehmen ist dabei eine Maßnahme gewesen (vgl. Kaspersk et al. 2006: 33 ff.). Das neue Investitionsgesetz für sino-ausländische Unterneh-menskooperationen wurde am 15. März 2019 verabschiedet, trat am 01.01.2020 in Kraft und stellt das neue Leitdokument für die Regelung der Aktivitäten ausländischer Investitionen in China dar. Dabei ersetzt es die zuvor gültigen Gesetzge-bungen des Wholly Foreign-Owned Enterprises Law (WFOEs), des Foreign Equity Joint Ventures Law (EJV) und des Sino-Foreign Contractual Joint Ventures Law (CJV). Dieses Investitionsgesetz bringt weiterhin einige weitreichende Änderungen der Organisationsform ausländischer Unternehmenskooperationen in China mit sich. Artikel 42 legt weiterhin fest, dass mit Inkrafttreten des neuen Investitionsgesetzes am 01.01.2020 die alten Joint-Venture-Gesetzgebungen gleichzeitig auf-gehoben werden (vgl. Koty 2019).

wohnt seien (vgl. u. a. B1, 14 ff.). Die Verwendungsbeschränkung der Lieferanten100 sei zudem ein Grund (vgl. u. a. B56, 10; B5, 105; B25, 187; B29, 23), genauso wie der ge-ringe Stellenwert der Kooperation mit dem Unternehmen C im Unternehmen A (vgl.

B 25, 278–313; B 7, 17; vgl. Kap. 4.3.3). Die Aufbereitung der Daten zu dem Zweck des Know-how-Schutzes kostete ebenfalls Zeit (vgl. u. a. B5, 101).

In den Interviews wird deutlich, dass bei der Datenübergabe sowohl die Zeit bis zur Datenübergabe als auch die Qualität der Daten bei der Datenübergabe eine wich-tige Rolle für das Vertrauen zwischen den Kooperationsunternehmen spielt (vgl. B 19, 192–199; B1, 114–116; B20, 124–141) – so argumentieren die Befürworter:innen der Da-tenübergabe. Vertrauen wiederum stelle die Basis für die Zusammenarbeit dar (vgl.

u. a. B 1, 6–8; B 41, 163, 178–185; B 44, 71; B 2, 37–42). Interviewte der Gegenposition sind der Meinung, die Datenübergabe solle koordiniert erfolgen, anderenfalls be-stünde die Gefahr der Weitergabe von sensiblen Daten auf Anfrage von Mitarbeiten-den des Unternehmens C. Im Rahmen des Datenbereitstellungsprozesses sei es be-deutend, das technische und das prozessuale Know-how des Unternehmens A nicht dem Unternehmen C preiszugeben. Bauteilumfänge könnten zwischen technischen Bauteilen und deren Funktion unterschieden werden – geschützt werden sollten v. a.

die Bauteile mit Funktionen sowie die Tools, mit welchen Prozesse umgesetzt wer-den. An dieser Stelle treffen zwei Argumentationsketten aufeinander, bei welchen auf der einen Seite der Know-how-Schutz steht und auf der anderen Seite das Interesse, zusammen eine Fahrzeugentwicklung zu verwirklichen. Die Hauptgegnerin im Kampf um den Know-how-Schutz scheint nach Meinung einiger Befragungsteilneh-menden die regierende chinesische Partei zu sein, welche die Joint-Venture-Firmen auffordere, Know-how „abzuschöpfen“ (vgl. Kap. 4.2.1.2). Laut dem Forschungstage-buch wird die Frage nicht diskutiert, ob das Unternehmen A auch Know-how vom Unternehmen C abschöpfen könnte (vgl. Forschungstagebuch, 31.01.2019).

Die Argumentation für oder gegen eine Datenübergabe bewegt sich zwischen den beiden Prämissen des Know-how-Schutzes auf der einen Seite, um das eigene Geschäftsmodell101 zu bewahren, und auf der anderen Seite des Need-to-know-Prin-zips102, das überhaupt erst eine Fahrzeugentwicklung möglich macht. Während man-che Befragungsteilnehmer:innen im Deutungsmuster „Konkurrenzhaltung einneh-men“ mit dem Know-how-Schutz argumentieren, sehen andere keine Gefahr, wie das folgende Zitat zeigt:

„[Manche sagen:] ‚Die wollen doch nur unser Know-how‘ – aus meiner Sicht: Nee, weil wir haben fast kein Know-how mehr, das die nicht schon haben oder selbst produzieren kön-nen […], die brauchen nicht mehr unser technisches Know-how […] selbst eine Matrix […]

100 An der Entwicklung der Bauteile sind zahlreiche Zulieferer beteiligt, welche z. T. eine Verwendungsbeschränkung auf den Produktdaten ihrer Entwicklungsbauteile haben. Das bedeutet, diese Daten dürfen nicht an Dritte, in diesem Fall das Joint-Venture-Unternehmen, herausgegeben werden.

101 Das Geschäftsmodell stellt eine unternehmenssensible Strategie dar und ist zudem für den Kontext nicht weiter rele-vant, weshalb es im Folgenden nicht näher erläutert wird.

102 Unter dem Need-to-know-Prinzip verstehen die Agierenden im Unternehmen A den Datenaustausch derjenigen Daten, welche für die Erfüllung der Aufgaben gebraucht werden, wobei möglichst kein Austausch von wettbewerbsrelevanten Informationen mit dem Joint-Venture-Unternehmen geschehen sollte: „[…] es werden nur Informationen weitergegeben, die für eine Weiterentwicklung durch den Joint-Venture-Partner notwendig sind“ (unternehmensinterne Dokumente).

können die auch lokal machen, ob sie ihn in 100 % der Qualität und Präzision können oder nur in 98 % der Qualität und Präzision, darüber kann man trefflich streiten. Aber der Zug ist abgefahren.“ (B 9, 250)

Dieser Interviewte ist folglich der Überzeugung, dass Know-how-Schutz nicht mehr nötig sei, da die Joint-Venture-Mitarbeitenden bereits notwendiges technisches Wis-sen angesammelt hätten, welches sie zur Bauteilentwicklung befähige. Dennoch geht der Interviewte davon aus, dass dies nicht ganz mit der vermeintlich hohen Qualität des Unternehmens A übereinstimmen könne.

Im Dokument F&E-Kooperationen inJoint-Ventures (Seite 185-192)