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Abgrenzung unterschiedlicher Kulturbegriffe

Im Dokument F&E-Kooperationen inJoint-Ventures (Seite 96-101)

chinesischer Joint-Venture-Kooperation unter dem Aspekt der Koordination

2.4 Die kulturelle Überformung von Kooperation, deren Koordination und KommunikationKoordination und Kommunikation

2.4.1.1 Abgrenzung unterschiedlicher Kulturbegriffe

Es existieren grundsätzlich ganz differente Kulturperspektiven und -begriffe. Hier wird die Differenzierung in den engen und den erweiterten Kulturbegriff herangezo-gen, wie diese u. a. Bolten48 vornimmt, um die unterschiedlichen Perspektiven auf das Phänomen Kultur zu erörtern und deren Auswirkungen herauszuarbeiten. Anhand dieser Differenzierung werden der ethnizistische und der kollektive Kulturbegriff dar-gestellt. Der erweiterte Kulturbegriff, welchem der offene, soziale Kulturbegriff zuge-ordnet werden kann, entspricht dem Stand der Kulturbegriffsdiskussion, denn er er-weitert den ethnizistischen Kulturbegriff.

Bolten bezeichnet den Kulturbegriff, welcher der Forschungsperspektive der Kul-turstandardforschung oder auch der Cross-Cultural Psychologie zugrunde liegt, als den engen Kulturbegriff. Der enge Kulturbegriff zielt auf Hochkultur ab und lässt sich nur aufrechterhalten, wenn auch das Gegenteil Nicht-Kultiviertheit oder Unkultur existiert (vgl. 2007a ebd.: 12). Die Vorstellung, dass eine Entwicklung des Geistes und der Umgangsformen durch beispielsweise Bildung, die Künste, Musik, Kunst, Litera-tur, Religion oder Wissenschaft lediglich einer Gruppe von Menschen durch Kulti-viertheit zuteilwird, welche sich dadurch von der breiten Maße absetzen, prägt den ältesten Kulturbegriff. Der enge Kulturbegriff beinhaltet Konzepte wie Kultiviertheit, Zivilisiertheit und Kultur als Gegensatz zur Natur. Als bekannteste Vertreter des Ver-ständnisses von Kultur als Zivilisiertheit sind Kant (1979); Arnold (1869) und Leavis (1930) zu nennen. Im Europa des 18. und frühen 19. Jahrhunderts entstand dieses Kulturverständnis und spiegelte sich in der Beziehung der Imperial-Mächte gegen-über ihren Kolonien wider. Diese Perspektive von Kultur bringt stets den Schluss mit sich, dass Werte, Verhaltensweisen, Auffassungen oder Bräuche in irgendeiner Weise besser seien als andere. Noch heute ist dieser Kulturbegriff als Synonym für Kunst oder eine höhere, bessere Art zu leben in wissenschaftlichen Analysen gebräuchlich (vgl. u. a. Irvine 1994: 23; Hofstede 1997: 4 f.; Flechsig 2000; Jandt 2007: 6). Der enge Kulturbegriff ist umstritten, da er einerseits ein „erhebliches Machtpotenzial der ‚Se-henden‘ gegenüber den ‚Blinden‘“ (Bolten 2007a: 12) unterstellt, „weil erstere beliebig festlegen können, was ‚Kultur‘ ist und was nicht. Zum anderen ist er unhistorisch und damit undynamisch, weil die philosophischen Ideen, denen er sich verschreibt ‚ewig‘

und unwandelbar sind“ (ebd.). Dass es in der Geschichte unzählige Male zu Diffamie-rungen und Konflikten kam, ist eine „Erfahrungstatsache“ (ebd.), jedoch führt dieses enge Kulturverständnis nicht nur auf der kulturellen Makroebene (z. B. auf nationaler Ebene) zu Ungerechtigkeiten, sondern auch auf der Mikroebene (z. B. auf Unterneh-mensebene).

Ende des 18. und im 19. Jahrhunderts entwickelt sich ein Kulturbegriff, welcher Kultur erstmalig als „eine konkrete Menschenmenge, die sich als Einheit von territo-rialen, ethnischen, mentalen und linguistischen Kriterien bestimmen lässt“ (Flechsig 2000), versteht. Dieses Kulturverständnis entspricht dem ethnozentrischen,

natio-48 Jürgen Bolten ist Professor für Interkulturelle Wirtschaftskommunikation und Leiter des gleichnamigen Instituts an der Universität Jena sowie Gastprofessor an der Foreign Studies University in Beijing. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Ganzheitlichen Interkulturellen Personal- und Organisationsentwicklung, im internetbasierten Interkulturellem Lernen, in mehrwertigen Kultur-/Akteursfeldtheorien sowie in der Kommunikation als Faktor nachhaltigen Handelns.

nalstaatlichen Kulturbegriff. In diesem Kulturbegriff sind Kulturen immer noch voneinander abgrenzbar und die Bevölkerung einer Nation wird fälschlicherweise pauschalisierend als homogen verstanden49. Als Begründer des Ethnozentrismuskon-zeptes gilt der US-amerikanische Soziologe William Graham Sumner, der Ethnozen-trismus definiert als „the technical name for this view of things in which one’s group is the center of everything, and all others are scaled and rated with reference to it“

(Sumner 1906: 13). Als ethnozentristische Kulturverständnis nennt Bolten den erwei-terten Kulturbegriff, der alle Lebensbereiche, wie „Religion, Ethik, Recht, Technik, Bil-dungssysteme“ sowie „materielle und immaterielle Produktion“ (Bolten 2007a: 13) umfasst, Natur nicht mehr als Gegensatz von Kultur versteht und daher auch als „le-bensweltlich orientierte[r] Kulturbegriff“ (ebd.) bezeichnet werden kann.

Wenn Kultur als „Lebenswelt“ (ebd.) verstanden wird, welche durch eine Organi-siertheit charakterisiert ist und in „Wechselwirkung mit der natürlichen Umwelt“

(ebd.) geschieht, dann schließt dieser Begriff im Gegensatz zu dem engen Kulturbe-griff nicht aus, sondern „integriert“ (ebd.), er ist nicht ahistorisch und starr, sondern historisch sowie dynamisch und darüber hinaus ist er nicht wertend (vgl. ebd.). Damit erfüllt dieser Begriff „wesentliche Voraussetzungen, die erbracht werden müssen, um Prozesse kulturübergreifenden Handelns ohne Wertungsbedürfnis beginnen und mitgestalten zu können“ (ebd.). Bolten schließt daraus, dass eine Gesellschaft keine Kultur hat, sondern eine Kultur ist (vgl. ebd.). Das Problem mit diesem Kulturbegriff ist allerdings, dass Kulturen fälschlicherweise als Einheiten dargestellt werden, sie können so von anderen Einheiten abgegrenzt werden und durch diese Abgrenzung und Reduzierung des Kulturkonzeptes auf eine geografische und politische Einheit kann allerlei Übel veranlasst werden. U. a. ist die Gefahr von falschen Pauschalturtei-len gegeben und kann nur umgangen werden, wenn Aussagen lediglich den „Über-bau“ (Hansen 2009b) betreffen (vgl. Kap. 2.4.1.2). In der Mitte der 1990er-Jahren geriet deshalb dieser ethnozentrische Kulturbegriff stark in Kritik. Lebenswelten50 können nicht „containerartig“ (Bolten 2007b: 47) eingegrenzt werden, nicht nur aufgrund

„jahrtausendlanger Migrationsbewegungen und Kommunikationsprozesse“ (ebd.: 45) welche eine Isolation einzelner Lebenswelten nahezu unmöglich machten. U. a. auf-grund dieser Migrationsbewegungen, aber auch aufauf-grund von Globalisierungsprozes-sen, Innovation und Diffusion dürfen Nationen nicht homogenisiert werden, denn eine Nation beheimatet viele verschiedene Regionen, Ethnien, Religionen usw.; eben Subkulturen. Es ist also eine kulturelle Diversität vorherrschend. Unter Innovation verstehen Samovar und Porter Veränderungen innerhalb von Kulturen und von der kulturellen Umwelt durch Erneuerung, wie Erfindung (vgl. auch Laube; Rossé 2009:

30): „Innovation is usually as the discovery of new practices, tools, or concepts that many members of the culture eventually accept and that may produce slight changes in social habits and behaviors“ (Samovar; Porter 1995: 54). Während es sich bei Inno-vation um einen inneren Einfluss handelt, stellt Diffusion einen äußeren dar und

49 Die VR China beheimatet beispielsweise über 50 nationale Minderheiten und stellt damit ein komplexes soziales Gebilde dar, weshalb von einer gewissen Heterogenität ausgegangen werden kann.

50 Näheres zum Konzept der Lebenswelten ist bei Hitzler (1999: 239 ff.) nachzulesen.

wird von Samovar und Porter folgendermaßen beschrieben: „Diffusion is the borrow-ing by one culture from another, and another way in which change accurs. Because cultures want to endure, they usually adopt only those elements that are compatible with their values and beliefs or that can be modified without major disruption“ (ebd.).

Eine Diffusion kann sowohl friedlich als auch gewaltsam erfolgen. Während bei einer friedlichen Diffusion Kulturträger freiwillig etwas von einer anderen Kultur überneh-men, werden bei einer gewaltsamen Übernahme kulturelle Artefakte von anderen ge-raubt bzw. wird Angehörigen einer anderen Kultur etwas von der eigen aufgezwun-gen (Akkulturation). Diese kulturelle Anpassungsfähigkeit verleiht Kulturen eine Dynamik, Funktions- und Adaptionsfähigkeit (vgl. Warthun 1997: 9).

Neben einer fälschlichen Homogenisierung von Nationen wird Kultur, bei einer nationalen Eingrenzung auf Nationen, „synchronisch“ verstanden und nicht „dia-chronisch“. Dies bedeutet, dass Kulturen mit Nationalstaaten gleichgesetzt und somit qua Gesetz entstehen und vergehen könnten. Eine länderregionale Eingrenzung von Kultur ist stark perspektivisch und ebenso von formalen Bestimmungen abhängig.

Wenn Kultur als Container (vgl. Bolten 2007b), ergo als geschlossenes Produkt be-trachtet wird, besteht stets die Gefahr von Determinismus, Übergeneralisierung so-wie einer ahistorischen Perspektive, da eigenständige Gruppenentwicklungen nicht mit bedacht werden. Es findet entweder auf politischer, geografischer, sprachlicher oder i. w. S. geistesgeschichtlicher Ebene eine Eingrenzung auf die Nation, die Länder-region, die Sprache oder auf die Ideen- und Religionsgeschichte statt. Sobald Kultur geografisch eingegrenzt wird, kann diese auch von anderen Kulturkreisen abgegrenzt werden, das birgt Konfliktpotenzial. Ein Beispiel dafür sind Koloniebildungen. Eine ideen- und religionsgeschichtliche Eingrenzung lässt auf ein undifferenziertes Kul-turverständnis schließen, welches wiederum eine eigenständige Gruppenentwick-lung außer Acht lässt und die Gefahr der Übergeneralisierung birgt (vgl. ebd.: 47 f.).

Der geschlossene erweiterte Kulturbegriff findet jedoch auch heute noch Anwendung, obwohl dieser eine containerartige Eingrenzung durch Fixierung auf räumliche As-pekte und damit ein äußerst fragwürdiges homogenes Kulturverständnis mit sich bringt. Um „Culture Studies“ oder „Kulturkunde“ durchführbar zu machen, welche bestimmte Charakteristika einzelner Gruppen oder Ethnien beschreiben und erklä-ren, nahmen Wissenschaftler:innen in Kauf, Kultur als in sich geschlossenes Produkt zu betrachten. Darin liegt nach Bolten der „größte Wiederspruch der interkulturellen Kommunikationsforschung“ (ebd.: 48).

Zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts ent-wickelt sich in der angloamerikanischen Ethnologie bzw. in der Kulturanthropologie51

51 In Deutschland, Frankreich und Großbritannien setzt sich der Ethnologiebegriff durch und bezeichnet die Wissenschaft von dem kulturell Andersartigen (vgl. Kohl 2000: 16). In anderen Ländern sind andere Begriffe gebräuchlicher, allerdings bei ähnlichen oder gleichen Forschungsfragen. Lediglich die Schwerpunktsetzung unterscheidet sich teilweise. So hat sich in den 30er-Jahren des 20. Jahrhundert in den USA der Begriff der Kulturanthropologie (cultural anthropology) durch-gesetzt, die Sozialanthropologie ist in Frankreich, Großbritannien und in den skandinavischen Ländern gebräuchlich.

Ethnografie heißt die Wissenschaftsdisziplin in der ehemaligen DDR, GUS und im osteuropäischen Raum (vgl. ebd.: 14).

Nach Girtler (2006: 239 ff.) vereint die cultural anthropology in den USA ethnologische Ansätze mit der (Sozial-)Psycholo-gie, Soziolo(Sozial-)Psycholo-gie, Linguistik sowie Anthropologie und kreiert eine neue Wissenschaft. In dieser Arbeit wird der Begriff Eth-nologie verwendet.

ein Kulturverständnis, das auf der Evolutionstheorie basiert und diese ergänzt (Grund-annahme: Kultur ist die menschliche Methode der Anpassung an die Welt), sich auf den Kulturträgern zugrunde liegende Muster bezieht und von Taylor in seinem sog.

primitiven Kulturbegriff folgendermaßen definiert wird: „Culture, or civilisation, taken in its wide ethnographic sense, is that complex whole which includes knowledge, be-lief, art, morals, law, customs, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society“ (Taylor 1871: 1). Die kulturanthropologischen Vertreter:innen betrachten folglich Kultur als ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellun-gen und WertorientierunEinstellun-gen, welche im menschlichen Verhalten und Handeln sowie in geistigen und materiellen Produkten evident werden (vgl. Maletzke 1996: 16). Die-ses System ist symbolischer Natur, dient der Anpassung des Menschen an dessen Umwelt und kann sich lokal betrachtet voneinander unterscheiden. Kulturen werden folglich durch verschiedene Systeme definiert oder konventionelle Bedeutungs- oder Handlungsmuster, wie Rituale, Habitus (symbolische Kultur) oder Werkzeuge, Dorf-planung (materielle Kultur). Die Interpretative Ethnologie beschäftigt sich mit dieser Rolle von Symbolen innerhalb einer Gesellschaft und stellt in das Zentrum des Er-kenntnisinteresses die Bedeutung sozialer Lebenswelten aus der Perspektive der in ihr lebenden Personen. Clifford Geertz ist der bedeutendste Vertreter der Interpretati-ven Ethnologie, die wiederum das einflussreichste Paradigma der amerikanischen Kulturanthropologie darstellt, interdisziplinär arbeitet und sich von Analytischer Eth-nologie abgrenzt. Die Interpretative EthEth-nologie nach Geertz basiert auf der Annahme, dass jeder Kultur ein spezifisches Symbolsystem mit Vorstellungsstrukturen zu-grunde liegt, welches die Deutung und Kommunikation von Erfahrungen beeinflusst (vgl. Geertz 2003: 3 ff.). Diese Auffassung impliziert immer noch, dass Kultur durch ihre Gesellschaft eingrenzbar, deswegen auch abgrenzbar ist und in ihrer Gänze ana-lysiert werden müsste.

Den Kulturanthropologen gegenübergestellt werden können die kognitiven Anthropologen mit deren Begründer Ward Goodenough und Mitbegründer Roy Goodwin D’Andrade, der sich insbesondere mit dem Zusammenhang der Gesell-schaft mit dem menschlichen Denken beschäftigt52. Die kognitive Anthropologie nimmt ein kognitives Kulturverständnis ein und versteht demnach Kultur als ein ko-gnitives Orientierungssystem, wie Wissensvorräte, Theorien, Prinzipien, (Verhal-tens-)Regeln, die in den Köpfen der Kulturträger manifestiert sowie historisch ent-standen sind und regelkonformes, kulturell akzeptiertes Handeln abstecken. Kultur ist folglich kein materielles Phänomen (vgl. Goodenough 1967: 3653; Müller 2003: 27).

Nach Knapp ist zu beachten, „dass dieses Wissen nur im sozialen Verkehr der Gesell-schaftsmitglieder untereinander als öffentlicher Vollzug von symbolischem Handeln manifestiert wird und nur dadurch als überindividuelles, als kulturelles Wissen

exis-52 „Cognitive anthropology is the study of the relation between human society and human thought. The cognitive anthropo-logist studies how people in social groups conceive of and think about the objects and events which make up their world – including everything from physical objects like wild plants to abstract events like social justice“ (D’Andrade 1995: 1).

53 Kultur „does not consist of things, people, behavior, or emotions. It is rather an organization of these things. It is the form of things that people have in mind, their models for perceiving, and otherwise interpreting them. As such, the things people say or do, their social arrangements and events, are products or by-products of their culture as they apply it to the task of perceiving and dealing with their circumstances“ (Goodenough 1967: 36).

tiert“ (Knapp 1995: 10 f.). Kluckhohn und Kelly differenzieren zwischen deskriptiven und explikativen Kulturkonzepten. Während unter deskriptiven Kulturkonzepten ma-terielle kulturelle Artefakte (z. B. Verhaltensergebnisse wie Werkzeuge oder Architek-tur) und immaterielle kulturelle Artefakte (z. B. Verhalten wie Sprache und Gebräu-che) subsumiert werden können, sind mit explikativen Kulturkonzepten nicht beobachtbare kulturelle Artefakte wie Verhaltensursachen (z. B. Werthaltungen, Ein-stellungen, Verhaltensnormen) gemeint (vgl. Kluckhohn; Kelly 1972: 73).

Bolten nennt den Kulturbegriff den erweiterten, offenen oder sozialen Kulturbe-griff und grenzt diesen vom nationalstaatlichen KulturbeKulturbe-griff ab. Der soziale Kultur-begriff nach Bolten fußt auf der Annahme, dass heute Lebenswelten nicht mehr räumlich eingegrenzt, sondern „multipel und räumlich entgrenzt“ (Bolten 2007a: 50) sind, weswegen er den Begriff der Lebensgeschichten durch den der Lebensprozesse ablösen will (vgl. ebd.)54. Bolten geht weiter davon aus, dass Subjekte mit individuel-len Identitäten häufig ihre Gruppenzugehörigkeit oder „Reziprozitätsverhältnisse“

(ebd.) wechseln und daher ihre Lebenswelten bzw. ihre kulturelle Zugehörigkeit plu-ralistisch zu verstehen ist sowie prozessual gedacht werden muss. Wenn dies über die Mikroebene der einzelnen Individuen hinaus gilt, dann müssen auch internationale Unternehmen nicht mehr kohärent (zusammenhängend), sondern kohäsiv (zusam-menhaltend) gedacht werden. Als Beispiel nennt Bolten eine immer geringer wer-dende nationale Bindung, „dass ein Markenzeichen wie Made in Germany längst ab-gelöst ist von Made by Volkswagen oder inzwischen sogar Made for Volkswagen“

(ebd.: 51). Bei dem offenen Kulturbegriff ist nicht die Substanz der Kultur, sondern die Beziehung innerhalb der Kultur entscheidend. Die nachstehende Abbildung gibt eine Übersicht über die differenten Kulturbegriffe, wie diese oben beschrieben werden:

Differenzierung des Kulturbegriffs (Quelle: eigene Darstellung nach Bolten 2007a: 15) Abbildung 11:

54 Bolten unterteilt den erweiterten Kulturbegriff in zwei Varianten: den geschlossenen erweiterten (ethnozentrischen, natio-nalstaatlichen), dessen Kritik bereits erörtert ist, und den offenen erweiterten (sozialen) Kulturbegriff.

Der Begriff Kultur wird dann in seinem anthropologischen Sinne verstanden, wenn er die „Lebensweise einer sozialen Gruppe: ihre Art zu empfinden, zu handeln zu den-ken, ihre Beziehung zur Natur, zum Menschen, zur Technik und zur Kunst“ (Ladmi-ral; Lipiansky 2000: 18) beschreibt. In diesem Begriffsverständnis schließt der Kultur-begriff „die tatsächlichen Verhaltensweisen, die sozialen Vorstellungen wie auch die Modelle ein, nach denen sich diese ausrichten (Wertsysteme, Ideologien, soziale Nor-men etc.)“ (ebd.). Der offene, soziale Kulturbegriff dient dieser Arbeit als Arbeits-grundlage. Diese Ausarbeitung wird aus oben genannten Gründen zugrunde gelegt und in Kapitel 4 dargelegt, inwiefern auch die befragten Personen dieses Kulturver-ständnis einnehmen. Was aber bedeutet dieser soziale Kulturbegriff für das hier ein-genommene Kulturverständnis? Dies wird im folgenden Kapitel beantwortet.

2.4.1.2 Der kollektive Kulturbegriff und dessen Auswirkungen auf Pauschalurteile

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