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Beschreibung des Samples

Im Dokument F&E-Kooperationen inJoint-Ventures (Seite 142-145)

Systematisierung praktischen Wissens und empirischen Validierung des theoretischen Kooperationsmodells

3.1.2 Vorgehensweise der Aktionsforschung

3.1.2.2 Beschreibung des Samples

Forschungsgegenstand, welcher als Rahmen für die Aktionsforschung dient, ist eine deutsch-chinesische Venture-Kooperation in der Automobilindustrie. Das Joint-Venture-Unternehmen mit Sitz in Shanghai in der VR China wurde 1988 gegründet von einem deutschen und einem chinesischen Konzern der Automobilindustrie. Mit einer Beteiligung von einem Prozent steigt 2018 ein weiterer deutscher OEM in dieses bereits bestehende Joint-Venture-Unternehmen mit ein und vereinbart, die Serienent-wicklung sowie die Fertigung unterschiedlicher Fahrzeugprojekte in dieses Unter-nehmen ab einem bestimmten Zeitpunkt im PEP zu verlagern. Dies ist für das deutsche Unternehmen eine komplexe Herausforderung, da bislang lediglich die Pro-duktion einiger Bauteile in das chinesische Joint-Venture-Unternehmen verlagert wurde und nicht bereits die Serienentwicklung. Die neuartige Zusammenarbeit erfor-dert das Definieren neuer Arbeitsprozesse und Kommunikationswege zur Gestaltung der Zusammenarbeit in allen Geschäftsbereichen bei beiden Unternehmen. Die Ab-stimmung dieses Zusammenarbeitsmodell erfolgt zwischen Mitarbeitenden beider Unternehmen, die zum größten Teil noch nie zusammengearbeitet haben. An der Entwicklung der Bauteile sind zudem auch zahlreiche Zulieferer beteiligt. Zum Zeit-punkt der ersten qualitativen Datenerhebung ist für zwei von vorerst vier geplanten Fahrzeugprojekten die Zusammenarbeit von beiden Seiten schriftlich vereinbart wor-den (vgl. unternehmensinterne Dokumente). Diejenigen, die an der ersten Interview-schleife teilgenommen haben, setzten sich aus Mitarbeitenden des Unternehmens A zusammen, die aus dem Geschäftsbereich der TE, der Finanz, der Produktion, der Beschaffung, der Baureihe, der Qualitätssicherung, des Rechtsservice sowie des Per-sonalwesens stammen. Im chinesischen Joint-Venture-Unternehmens nehmen Mit-arbeitende aus der TE, der Finanz, der Produktion, der Beschaffung, des Vertriebs und des Produktmanagements teil. Diese Bereiche sind an der Zusammenarbeit be-teiligt und damit für die Gestaltung der Zusammenarbeit relevant. Die nachstehende

Abbildung zeigt die Zusammenstellung der Interviewten entsprechend der Geschäfts-bereiche:

Geschäftsbereiche der Interviewten (Quelle: eigene Darstellung ) Abbildung 22:

Die unternehmensinterne Funktion der Interviewteilnehmenden ist sowohl außerta-riflich, dementsprechend in einer leitenden Funktion mit übergreifendem Verant-wortungsbereich in der Zusammenarbeit, als auch tariflich, demzufolge in einer nichtleitenden Funktion als Sachbearbeitende, welche im Zuge ihrer eher operativen Tätigkeiten überwiegend spezielles Detailwissen und Erfahrung aus der Praxis der Zusammenarbeit mitbringen (nähere Informationen s. Kap. 3.2.2.2). Unter den Teil-nehmenden befinden sich auch sog. „Single Point of Contact“-Personen (SPOCs) – ein Begriff mit häufiger und bedeutungsunterschiedlicher Verwendung. Das Installieren von SPOCs ist ursprünglich eine aus der Compliance notwendige Maßnahme in der Zusammenarbeit mit Dienstleistern, z. B. Entwicklungsdienstleistern (EDL)85. Hier ist der SPOC gesetzlich vorgeschrieben, mit dem Ziel, die nicht im Unternehmen Angestellten und damit i. d. R. weniger gut bezahlten Mitarbeitenden der Dienstleis-terfirma als kostengünstigeren Ersatz für eigenes Personal zu verwenden. In der Zu-sammenarbeit ist aus Compliance-Sicht keine Definition von SPOCs notwendig, dies wurde dennoch vorgenommen, um zweierlei zu erreichen: Zum einen soll vermieden werden, zu viel Arbeitszeit des Personals für das Bearbeiten von Anfragen von Joint-Venture-Mitarbeitenden zu binden. Zum anderen soll verhindert werden, dass unter-nehmenssensible Daten das Unternehmen verlassen. So gibt es offiziell SPOCs in drei Arbeitsbereichen. Für Kompetenzfragen, w. z. B. zur konkreten Arbeitsteilung, gibt einen SPOC für die FBs, für Kostenfragen gibt es einen SPOC in der Baureihe und für die Grundsatzvereinbarung gibt es einen SPOC im für den chinesischen Markt zuständigen Geschäftsbereich.

Vertragliche Grundlage der Zusammenarbeit aller Geschäftsbereiche mit dem chi-nesischen Joint-Venture-Unternehmen stellt die sog. Grundsatzvereinbarung (GSV) dar86. Bis zur beidseitigen finalen Abstimmung dieser GSV findet der fachliche Aus-tausch sowie der AusAus-tausch von technischen Daten ausschließlich über die SPOCs statt. In dieser Phase findet die Bauteilentwicklung noch ausschließlich im deutschen Unternehmen statt. Mit dem GSV-Abschluss kann der direkte Kontakt des Personals mit den Kolleginnen und Kollegen im Joint-Venture-Unternehmen z. B. im Rahmen von Kick-Off-Veranstaltungen oder Übergabeworkshops stattfinden. Nachdem dies erfolgt ist, startet in einer dritten Phase die vollständige Datenübergabe vom

Unter-85 Unter Compliance versteht das deutsche Unternehmen nach eigenen Angaben Folgendes: „Unter Compliance sind zu-kunftsorientierte und präventive Aktivitäten eines jeden einzelnen Mitarbeiters zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit das regelkonforme Verhalten der Organmitglieder und der Mitarbeiter des Unternehmens im Hinblick auf die einschlägigen gesetzlichen Ge- und Verbote sicherstellen sollen. Hierzu gehören auch Maßnahmen, die sicherstellen, dass das unter-nehmerische Handeln mit internen Regularien, selbstverordneten Wertvorstellungen oder Erklärungen an die Öffentlich-keit im Einklang steht. Die Verantwortung für das operative Geschäft und damit für die Einhaltung eines regelgerechten und gesetzeskonformen Verhaltens verbleibt in den jeweiligen Geschäfts- bzw. FBs. Zu den Key Compliance Themen gehören insbesondere (alphabetisch geordnet): Arbeitsrecht (z. B. AGG, Mobbing), Arbeitssicherheit, Beihilferecht, Da-tenschutz, Datensicherheit, Exportkontrolle (z. B. Außenwirtschaftsgesetz), Gewerblicher Rechtsschutz (z. B. Patentver-letzungen), Kapitalmarktrecht (z. B. ad hoc-Meldungen), Kartellrecht, Konzern-Sicherheit, Korruption (Bestechung, Be-stechlichkeit), Produkthaftung, Sponsoring, Spenden, Steuern, Abgaben, Umweltschutz. Die Compliance Themen ergeben sich dabei sowohl aus dem Gesetz, internen Richtlinien als auch anderen Unternehmensentscheidungen. Durch Vorstandsentscheidung können diese Themen jederzeit erweitert bzw. geändert werden.“ (unternehmensinterne Richt-linie des Vorstands 0005: 2017: 2 f.)

86 In der GSV sind „alle wesentlichen Rahmenbedingungen […] für jedes Fahrzeugprojekt (individuell) festgelegt“ (unter-nehmensinternes Dokument). Die GSV beinhaltet u. a. „wesentliche betriebswirtschaftliche Größen des jeweiligen Fahr-zeugprojektes, Terminvereinbarungen mit dem Joint Venture, vereinbarte Job Splits“ (ebd.).

nehmen A an das Unternehmen C, damit die Bauteile vom Unternehmen C weiter-entwickelt werden können. Die Zusammenarbeit kann demnach in drei Phasen – vor GSV, mit dem GSV-Abschluss und nach der GSV – eingeteilt werden.

Im Dokument F&E-Kooperationen inJoint-Ventures (Seite 142-145)