• Keine Ergebnisse gefunden

Betrachtung von Kultur

Im Dokument F&E-Kooperationen inJoint-Ventures (Seite 108-112)

chinesischer Joint-Venture-Kooperation unter dem Aspekt der Koordination

2.4 Die kulturelle Überformung von Kooperation, deren Koordination und KommunikationKoordination und Kommunikation

2.4.2 Kulturelle Überformung

2.4.2.1 Betrachtung von Kultur

Wie kann jedoch kulturelle Überformung greifbar gemacht werden? Soll sich mit dem Kulturphänomen empirisch auseinandergesetzt werden, ist es unabdingbar, sich zu-nächst unterschiedliche Ansätze zur Betrachtung von Kultur zu widmen. Wie bereits zuvor erörtert wird, durchläuft der Kulturbegriff eine historische Entwicklung, ebenso wie diverse Kulturkonzepte. Eines ist an dieser Stelle festzuhalten: Obwohl der natio-nalstaatliche Kulturbegriff sowie der Cross-Cultural-Ansatz in der Kulturwissenschaft systematisch kritisiert werden (vgl. Kap. 2.4.1.1), finden diese dennoch bis heute in empirischen Erhebungen als theoretische Grundlage Anwendung – auch aus Mangel an praktikablen Alternativen. Aus diesem Grund wird im Folgenden auch auf die Kul-turdimensionen von Hofstede sowie Freimuth und Kolleginnen eingegangen. Grund-sätzlich kann festgehalten werden, dass vom Kulturphänomen nur das sichtbar und damit erforschbar ist, was Kulturträger in individuelle Weise umsetzen, w. z. B. in Tex-ten, Verhaltensweisen, Denkweisen, Kunstwerken, Werten und Normen o. Ä. (vgl.

Janzer 2007: 27), wobei es äußerst schwierig ist, die Denkweise von Kulturträgern zu erheben.

Wenn Kultur empirisch untersucht werden soll, wird häufig an Nationalkultur oder die Kultur anderer ethnischer Kollektive gedacht (vgl. u. a. Hansen 2009a: 94).

Dies begann seit den Anfängen des 20. Jahrhunderts, der Geburtsstunde der Ethnolo-gie, und hat sich bis heute kaum geändert (vgl. Haas 2009: 43 ff.). In derartiger For-schung werden zwar differente Methoden angewendet, doch stets mit dem Ziel, Eth-nien oder Nationen durch bestimmte Merkmale voneinander abzugrenzen. Um die einer Ethnie oder Nation gemeinsamen Merkmale zu ermitteln, fokussiert sich bei-spielsweise die Kulturstandardforschung auf die Analyse der sog. „critical incidents“

(Loch; Seidel 2007: 314), die Cross-Cultural Psychologie untersucht diese mithilfe von standardisierten Befragungen. An diesem Ansatz können die verallgemeinerten

Aus-64 „A common begining, anatomy, gender, age, culture, and the like may bind us, but our isolated minds and unique experi-ences keep us apart“ (Samovar; Porter 1995: 41).

sagen kritisiert werden, die aus diesen Analysen zu gewinnen versucht werden. Die Vorannahmen der kulturvergleichenden Studien beziehen sich darauf, dass Angehö-rige gleicher Kultur ähnliche Deutungsmuster verwenden und somit ähnliche men-tale Prozesse durchleben65.

Ab den 1980 kam es, angefangen durch die Renaissance des Kulturbegriffs, zu einem Paradigmenwechsel in der Kulturwissenschaft (vgl. Hansen 2009a: 7). Im Fo-kus steht nun die Frage nach dem, was Nation ausmacht (vgl. Bolten 2004: 45; Haas 2009: 10; Hansen 2011: 15; Roth 2013: 191). Die Annahme der Initiierenden dieses Pa-radigmenwechsels stützen sich darauf, dass in Zeiten von Globalisierung, durchlässi-gen Grenzen und komplexen modernen Staaten, geografische und formale Grenzen nicht mit kulturellen Gegebenheiten übereinstimmen können (vgl. u. a. Bolten 2007b:

47; Baskerville 2003: 6; zu der historischen Entwicklung unterschiedlicher Kulturbe-griffe vgl. Kap. 2.4.1.1). Werden Subkulturen mitgedacht – bestehend aus allen denk-baren intranationalen Gruppierungen, w. z. B. Alters-, Interessens- oder Berufsgrup-pen –, können Nationen nicht länger als kulturell homogen betrachtet werden und es zwingt sich die Frage auf nach dem Grad der Heterogenität und Homogenität einer Nation sowie nach der Rolle und Art von Subkulturen (nationale oder autonome Sub-kulturen) (vgl. u. a. Orlovius; Zeutschel 1991: 172 f.; Reisch 1991: 77 f.). Insbesondere Hofstede ist ein bekannter Vertreter des geschlossenen Kulturbegriffs (vgl. Kap. .2) und der Forschungsrichtung der Cross-Cultural Psychologie. In Hofstedes Kulturdefi-nition lässt sich dies erkennen: „In this book I treat culture as the collective pro-gramming of the mind which distinguishes the members of one human group from another“ (Hofstede 1991: 21). Bei Hofstede wird der Begriff Kultur für Gesellschaften verwendet, welche wiederum identisch für Nationen stehen, daher ist bei ihm auch die Rede von nationalen Kulturen. Auf dieser Vorannahme baut Hofstede sein Kon-zept der Kulturdimensionen aus Werten („a broad tendency to prefer states of affairs over others“ (ebd.: 18)) auf. Um Kultur empirisch betrachten zu können, geht er von vier Dimensionen als dominante Dimensionen (Machtdistanz, Unsicherheitsvermei-dung, Individualismus und Maskulinität) aus und teilt jede Nation entlang dieser Di-mensionen ein. Diese Einteilung auf die DiDi-mensionen, welche mit gegensätzlichen Attributen versehen werden, kann helfen, mit Problemen der Kultur entsprechend umzugehen: Hofstede geht davon aus, dass jeder Mensch mit den gleichen Proble-men konfrontiert ist (vgl. ebd.: 212). Hofstede beschreibt folglich in einem geschlosse-nen Kulturverständnis den Standpunkt nationaler Gesellschaften zu vier seiner Meinung nach zentralen Werten. Die Position zu diesen Wert-Dimensionen der ein-zelnen Nationen zeigt an, wie bei Problemen gehandelt werden kann. In einer späte-ren Arbeit ergänzt Hofstede eine weitere Dimension, die der Long Term Orientation.

65 So wird – von Vertreterinnen und Vertretern der Cross-Cultural Psychologie postuliert – exemplarisch nachstehende Aus-sage getroffen: Im internationalen Vergleich zeichnen sich die acht Mio. Österreicher durch ihre geringe Akzeptanz von ungleichen Machtverhältnissen aus (vgl. Hofstede 2009: 87). Etwas absurder wirkt die folgende Aussage, welche aus der Kulturstandardforschung stammt: 80 Mio. Deutsche charakterisieren sich durch eine direkte und explizite Kommunikati-onsweise sowie durch eine starke Regel- und Stabilitätsorientierung (vgl. Schroll-Machl. 2007a: 73). Derartige Aussagen werden auch über die USA getroffen, mit welchen dann fast 330 Mio. Menschen bewertet werden.

Dieser Wert dient zur Erweiterung des westlich geprägten Konzeptes um einen Kon-fuzianischen Wert (vgl. Lübcke 2009: 75).

Seine Erkenntnisse zieht Hofstede aus einer Datenerhebung in der Firma IBM, in welcher zwischen 1967 und 1973 eine internationale Umfrage unter den Mitarbei-tenden durchgeführt wurde. In zwei Befragungsrunden konnten mehr als 160.000 Fragebögen aus 72 Ländern und in 20 Sprachen gesammelt werden (vgl. Hofstede 2009: 41). Das Konzept der Kulturdimensionen war nicht die Erfindung Hofstedes, sondern wurde bereits von Edward T. Hall in den 1950er-Jahren initiiert. Halls Theorie ist das erste Konzept, welches Dimensionen als interkulturelle Vergleichsmaßstäbe beinhaltet. Er verwendet Dimensionen der Proxemik, wobei sich Proxemik als ein Aspekt nonverbaler Kommunikation verstehen lässt (vgl. Hall 1969: 1). Diese Dimen-sion baut auf der Annahme auf, dass Menschen unterschiedlicher Nationalkultur räumliche Nähe und Distanz unterschiedlich verstehen und regeln (ebd.: 3). Neben der Proxemikdimension entwickelt Hall die Dimension des starken und schwachen Kontextes (vgl. Hall 1976), der Chronemik (vgl. Hall 1983) und die der Informationsge-schwindigkeit (vgl. Hall; Hall 1990a).

Hofstedes Dimensionsmodell „hat extreme Resonanzen hervorgerufen, im posi-tiven wie im negaposi-tiven Sinne. Es wird außerordentlich häufig angewandt, jedoch auch hart verurteilt. In jedem Fall ist es unter Kulturwissenschaftlern allseits bekannt“

(Schmitz 2015: 15)66. Die Kritik bezieht sich sowohl auf sein Kulturverständnis, aber auch auf sein Betrachtungskonzept der Kulturdimensionen im Allgemeinen sowie der Dimensionen im Konkreten und drittens auf sein methodisches Vorgehen67.

Kulturdimensionen können als Kategorie zur Beschreibung von Kultur dienen.

Freimuth und Kolleginnen (2005: 163 ff., aber auch Schein 1995 und Trompenaars 1993) differenzieren zwischen drei Kulturdimensionen68.

• Die erste Dimension ist die der Artefakte: die Dimension der Artefakte, des Sicht-baren, der Verhaltensweisen. Mit der ersten kulturellen Ebene werden diejenigen Verhaltensweisen beschrieben, welche auf Kultur zurückzuführen sind. Z. B.

kann eine strenge Befolgung von Regeln als Ausdruck von Moral sichtbar wer-den. Diese Verhaltensweisen können bei Mitgliedern eines anderen Kulturkrei-ses auf Unverständnis stoßen oder als unmoralisch angesehen werden.

• Die zweite Dimension ist die der Regeln, Normen und Werte: Mit der zweiten kulturellen Ebene werden die Normen oder Werte, auf welchen diese

Verhaltens-66 Er selbst bezeichnet sein Hauptwerk (Culture’s Consequences. Comparing Values, Behaviors, Institutions, and Organiza-tions Across NaOrganiza-tions 1980) als Klassiker (vgl. Hofstede 2009: xvii). Diese Auflage ist in 17 Sprachen übersetzt worden und der Social-Science-Citation-Index verzeichnet 1036 Zitate zwischen 1980 und 1996. Sein bekanntester Kritiker ist der Fi-nanzwissenschaftler Brendan McSweeney, der eine mangelnde kritische Reflexion dessen Paradigmas moniert (vgl.

McSweeney 2002: 112).

67 Schmitz erörtert ausführlich die an Hofstede geübte Kritik bezüglich dieser drei Aspekte (vgl. Schmitz 2015: 26 ff.). Sie unterscheidet dabei die Kritik am ethnizistischen Kulturbegriff und dessen Prämissen, dass Kultur auf nationaler Ebene existiert (vgl. ebd.: 27 ff.), dass es eine geografische Trennungslinie zwischen den einzelnen Kulturen gibt (vgl. ebd.: 30 ff.), die intranationale Kultur homogen ist (vgl. ebd.: 32 ff.), allen Menschen dieses Kulturkreises determiniert ist (vgl. ebd.:

37 ff.) und dass es nationalkulturelle Werte gibt, welche zum einen kohärent und zum anderen statisch sind (vgl. ebd.:

39 ff.). Des Weiteren beschreibt sie die Kritik an dem Konzept der Kulturdimensionen auf kulturtheoretischer (vgl. ebd.:

46 ff.) und methodischer (vgl. ebd.: 51 ff.) Ebene. Auch die empirische Methode bzgl. der methodologischen Äquivalenz (vgl. ebd.: 65 ff.) und der Validität des Fragebogens (vgl. ebd.: 76 ff.) wird kritisiert.

68 Eine Bewertung und Kritik an Kulturdimensionen sind bereits in Kap. und 2.4.1.1 vorgenommen worden.

weisen basieren, aufgezeigt. Normen und Wertvorstellungen kommen i. w. S. in jeglichem Kulturkreis vor, sie bestimmen das Handeln und Verhalten der Agie-renden und können sich von Kulturkreis zu Kulturkreis unterscheiden.

• Und drittens die Dimension der Grundannahmen: Mit der dritten Ebene werden die den Verhaltensweisen sowie Werten zugrunde liegenden Grundannahmen, Denkfiguren oder Vorannahmen (vgl. Wehner et al. 1996: 45) beschrieben.

Die beiden US-amerikanischen Kulturanthropologen Stewart und Bennett betrachten die Elemente von Kultur, welche dieses Phänomen ausmachen und differenzieren, zwischen objektiver und subjektiver Kultur (Stewart; Bennett 1991: 2). Während die objektive Kultur für Untersuchungen leicht zugänglich ist und u. a. Kulturinstitutio-nen und -artefakte, w. z. B. Wirtschaftssysteme, politische Strukturen und Prozesse, soziale Bräuche, Musik, Kunst, Handwerk oder Literatur, umfasst, beinhaltet subjek-tive Kultur für Analysen eher schwer bis kaum zugängliche Inhalte, wie unbewusste Wahrnehmungsprozesse, das Denken oder persönliches Wissen sowie Werte, Wert-haltungen, Normen, Absichten und Überzeugungen.

Der subjektiven Kultur zugeordnete Werte69 sind historisch gewachsene, zu-grunde liegende, unsichtbare, damit schwer fassbare oder mindestens aufwendig ana-lysierbare Fundamente von Kultur (vgl. Hofstede 2001: 10), nicht rational, sondern unbewusst und normativ. Werte bestimmen, was Subjekte als rational empfinden (vgl.

ebd.: 6), und haben erheblichen Einfluss auf Haltung und Verhalten von Personen, u. a. da sie bereits frühen Alters erlernt werden und weil sie das Fühlen, Empfinden, Handeln und Denken beeinflussen. Deshalb können Werte als „abstrakte Orientie-rung“ (Gerhards; Hölscher 2006: 21) bezeichnet werden. Differenziert werden können sie in persönliche und kulturelle Werte, wobei ein Subjekt über beide Wertearten ver-fügt. Individuelle Werte entsprechen Überzeugen und dienen der „Deutung und Be-wertung der sozialen Umwelt und der eigenen Person und strukturieren Handlungs-ziele und darauf bezogenes Verhalten“ (Trommsdorff 1989: 97). Im Gegensatz zu persönlichen Werten, werden kulturelle Werte von einer größeren Gruppe an Subjek-ten, einer Gesellschaft, geteilt, wobei es wichtigere und weniger wichtige Werte gibt.

Im Zuge einschneidender Erlebnisse oder sich ändernder gesellschaftlicher Rahmen-bedingungen kann ein Wertewandel einsetzen (vgl. Rhein 2006: 60 f.)70. Gemeinsame Werthaltungen können verbindend innerhalb einer Gesellschaft wirken und den ge-meinsamen Umgang erleichtern, da diese Verhaltenstendenzen geben und dadurch Verhalten antizipierbar machen können. Trotz gemeinsamer Werte gilt es, indivi-duelle Persönlichkeiten zu berücksichtigen, welche Verhalten und Handlungen nie in Gänze antizipieren lassen (vgl. LeVine 2007: 5 f.).

Die ebenso der subjektiven Kultur subsumierten Normen sind starke Verhaltens-einflussfaktoren, stellen den Maßstab für Werte, beschreiben für spezielle Situationen

69 Schäfer definiert Werte als „Vorstellungen vom Wünschenswerten, kulturelle und religiöse, ethische und soziale Leitbilder, die die gegebene Handlungssituation sowohl steuern als auch transzendieren. Die in einer Gesellschaft vorherrschenden Wertorientierungen sind das Grundgerüst der Kultur“ (Schäfer 2010: 37).

70 Mehr zu Wertewandel im Allgemeinen ist bei Inglehart (1997) oder auch Koch (2005) nachzulesen. Mehr zu Wertewandel in der chinesischen Gesellschaft ist bei Ma und Becker (2013; 2015) nachzulesen.

einen Sollzustand und äußern sich in unterschiedlich standardisierten, generalisier-ten Verhalgeneralisier-tensweisen und -mustern. Aus Normen entstehen Erwartungshaltungen bzgl. des Verhaltens des Gegenübers. Zur Durchsetzung von Normen werden Sank-tionen eingesetzt als positive oder negative Reaktion auf das Verhalten und zum Dienst an der Konformität, Orientierung, Ordnung und sozialen Organisation (vgl.

Lichtenberger 1992: 20; Schäfer 2010: 33 ff.).

Im Dokument F&E-Kooperationen inJoint-Ventures (Seite 108-112)