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Der Codierleitfaden

Im Dokument F&E-Kooperationen inJoint-Ventures (Seite 173-178)

Systematisierung praktischen Wissens und empirischen Validierung des theoretischen Kooperationsmodells

3.2 Problemzentrierte Interviews und das Anfertigen eines Forschungstagebuchs als Erhebungsmethode

3.3.2 Durchführung der Datenanalyse

3.3.2.3 Der Codierleitfaden

Die Codierung des Interviewmaterials erfolgt weitgehend nach der oben genannten Operationalisierung der Forschungsfrage. Lediglich die Kategorien politischer Einfluss auf die Zusammenarbeit und fachspezifische kulturelle Differenzen sind induktiv gebildet, da zu diesen beiden Themen einige Segmente vorhanden sind. Die Textsegmente wurden erst einer Kategorie zugeordnet, wenn der Kontext den Codierregeln entspricht

92 http://www.atlasti.de/

93 http://www.maxqda.de Genaueres zur Software MAXQDA ist bei Kuckartz et al. 2016 nachzulesen.

94 https://amberscript.com AmberScript konvertiert Audio oder auch Video zu Text mithilfe einer Spracherkennungssoft-ware. Diese Spracherkennungssoftware erkennt langsam und deutlich in Hochdeutsch Gesprochenes sehr gut, bei Dia-lekt oder Akzent ist das Ergebnis aus der Erfahrung der Autorin äußerst unvollständig und muss deshalb Wort für Wort überarbeitet werden. Dennoch erspart diese Dienstleistung Zeit im aufwendigen Prozess des Transkribierens und ermög-lichte somit das Transkribieren einer größeren Datenmenge, als es ohne diese möglich gewesen wäre.

(vgl. ebd.). Die Nennung eines Schlagwortes reichte zur entsprechenden Codierung nicht aus.

Im Folgenden werden die Bezeichnungen der (Unter-)Kategorien des Codierleit-fadens genannt:

• Fachspezifische, kulturelle Differenzen

• Politischer Einfluss auf die Zusammenarbeit

• Schnittmenge der Arbeitsaufgaben: Inhalte der Zusammenarbeit

• Stellenwert der Joint-Venture-Kooperation

• Kommunikation und Verständnis – Charakter der Zusammenarbeit

• Zusammenarbeitsziele

– Meinungen zum Geschäftsmodell und deren Auswirkungen auf die Zusam-menarbeit

• Lernbereitschaft

– Was läuft besser im Joint-Venture-Unternehmen?/Was läuft besser im deut-schen Kooperationsunternehmen (zwei unterschiedliche Kategorien, je nach Unternehmenszugehörigkeit der befragten Person)

– Herausforderungen, deren Gründe und Lösungswege

• Koordination der Zusammenarbeit

– Unterschiede zum Mutterkonzern (Kategorie nur für Befragte des deut-schen Unternehmens)

– Unterschiede zur anderen Joint-Venture-Kooperation des deutschen Unter-nehmens

• Rahmenbedingungen für gute Zusammenarbeit

– Compliance, Kartellrecht und andere rechtliche Bestimmungen 3.3.2.4 Validierung der Ergebnisse

Mayring versteht unter der kommunikativen Validierung ein Gütekriterium der quali-tativen Forschung, welches durch das Zurückspielen der Ergebnisse einer Untersu-chung an die befragten Personen und die dadurch überprüfte Relevanz und Gültigkeit der Ergebnisse erfüllt ist (vgl. Mayring 2016: 147). In dieser Forschungsarbeit wird für die Ergebnisvalidierung zunächst eine Zusammenfassung derer angefertigt. Zur kommunikativen Validierung wird nach der Befragung allen Teilnehmenden diese Zusammenfassung der Ergebnisse per Mail verschickt. Die Formulierung dieser Mail erfolgt in Anlehnung an die von Richter empfohlene Vorgehensweise (vgl. Richter 1979: 148 f.) und erbittet mit diesem Wortlaut ein Feedback von den Teilnehmenden:

Aufbau personalisiertes Anschreiben Tabelle 8:

Wortlaut der Mail Empfehlungen Richters

(1979: 148 f.)

„Hallo liebe Interviewpartnerinnen und -partner, vielen Dank für deine/

Ihre Bereitschaft, an der oben genannten Studie teilzunehmen. Es sind sehr viele Seiten anonymisiertes Datenmaterial dabei herausgekommen, welche ich nach einer intensiven Zeit der Datenauswertung nun in einer prägnanten Zusammenfassung verdichtet habe.

Eine teilpersönliche Anrede sowie ein Einleitungssatz sol-len das Interesse für das An-liegen wecken.

(Fortsetzung Tabelle 8)

Wortlaut der Mail Empfehlungen Richters

(1979: 148 f.) Anbei schicke ich dir/Ihnen diese Zusammenfassung der

Erhebungser-gebnisse mit der Bitte, eine Rückmeldung zu geben, ob die dargestellten Diagramme auch deiner/Ihrer Wahrnehmung im jeweiligen Geschäftsbe-reich und Abteilung entsprechen.

Im Anschreiben ist Ziel und Verwendungszweck der Befra-gung genannt.

Wenn es Fragen zu den Ergebnissen, deren Hintergründen oder dem Aus-wertungsverfahren gibt, kann sich gerne telefonisch oder schriftlich bei mir gemeldet werden. Auf Wunsch schicke ich den ausführlicheren For-schungsbericht zu.

Mit freundlichen Grüßen“ – Name

Durch die Verabschiedung am Schluss wird deutlich, wer für die Befragung verantwortlich ist.

Die Antworten der befragten Personen sind in die Ergebnisdarstellung mit aufge-nommen.

Nachdem die theoretischen Voraussetzungen diskutiert wurden, werden die Ergeb-nisse der empirischen Erhebungen dargestellt, damit möglichst valide ErgebErgeb-nisse zur Gestaltung der Koordinations- und Zusammenarbeitsphase generiert werden kön-nen. Da in das Forschungstagebuch auch unternehmensinterne Dokumente Eingang gefunden haben, ergänzen sich hier die Unternehmensperspektive und die Perspek-tive der Mitarbeitenden. Die Triangulation der Mehrperspektivität wird vervollständigt durch den Blick der Autorin, welche als Beobachterin den analytischen Blick von au-ßen auf die Kooperation einflieau-ßen lässt.

Vor der Durchführung der Interviews wurden zusammen mit einer für die Joint-Venture-Kooperation zuständigen Führungskraft geeignete Mitarbeitende ausfindig gemacht. Dies erfolgt nach der Tätigkeit und dem Aufgabenbereich der Mitarbeiten-den sowie nach der Abteilung und dem Geschäftsbereich, in welchen diese tätig sind.

Die Anzahl der Mitarbeitenden, welche sich für ein Interview bereit erklärten und daran dann auch teilnahmen, war zufriedenstellend hoch. Folgende Tabelle zeigt die Teilnahme der Mitarbeitenden an den Interviews in Gegenüberstellung zu den in-frage kommenden Mitarbeitenden in Prozent:

Teilnahmebereitschaft der Mitarbeitenden an den Interviews Tabelle 9:

Unternehmen A Unternehmen C

Teilnahmebereitschaft: 71 % 77 %

Zunächst wurden 73 Interviews mit 79 Teilnehmenden vom Unternehmen A und vom Unternehmen C aus allen Geschäftsbereichen durchgeführt mit dem Ziel, den Status quo der Zusammenarbeit zu erfassen. Insbesondere richtetet sich die Fragestellung nach der Koordination der Arbeitsteilung, der Kommunikation sowie Herausforde-rungen und Rahmenbedingungen innerhalb der unternehmensübergreifenden Zu-sammenarbeit. In dieser Form konnten 36 Stunden Audiomaterial gesammelt wer-den. Darüber hinaus wurden weitere elf Interviews mit elf Befragungsteilnehmenden zu politischem Einfluss auf die Zusammenarbeit geführt. Des Weiteren stehen Ein-träge im Forschungstagebuch, das über fast drei Jahre hinweg geführt wurde (vom Zeitpunkt der Beteiligung des Unternehmens A an dem Joint-Venture-Unterneh-men C bis zum SOP des ersten Fahrzeugprojektes) sowie unternehJoint-Venture-Unterneh-mensinterne Do-kumente zur Verfügung, die zur Beschreibung und Erklärung der neu gegründeten Kooperation angefertigt wurden. Die Ergebnisse der Datenauswertung werden in die-sem Kapitel dargestellt. Die Auswertung der Daten erfolgte nach den in den Inter-views gestellten Fragen, dabei entsprechen die Hauptkategorien für das Kategorien-system den Hauptfragen der Interviewleitfäden.

Die Darstellung der Ergebnisse löst sich allerdings von dieser Systematik, um deutlich zu machen, in welchem Spannungsfeld sich die Kooperationsagierenden be-wegen. In den Gesprächen wird deutlich, dass die Agierenden mit den an sie gestell-ten Anforderungen unterschiedlich umgehen und dafür unterschiedliche Deutungs-muster entwickelt haben. Das häufigste Thema der problemzentrierten Interviews beider Unternehmen waren die Herausforderungen in der Zusammenarbeit und de-ren Gründe: Die Abschnitte dazu machen 19,35 % des codierten Textes der Befra-gungsteilnehmenden des Unternehmens A und 7,21 % der des Unternehmens C aus.

Um darzulegen, wie die Agierenden mit den Herausforderungen umgehen, denen sie sich gegenübersehen, werden deren unterschiedliche Deutungsmuster aufgezeigt.

Diese werden in Deutungsmustern zusammengefasst im Folgenden dargestellt.

Unter Deutungsmuster wird dabei eine Form kollektiven Wissens verstanden, welche im Individuum wirksam wird, von ihm i. d. R. nicht hinterfragt wird und sich von anderen Wissensbeständen unterscheidet (vgl. Bögelein; Vetter 2019: 14). Durch die Verwendung des Deutungsmusteransatzes bei der Darstellung der Ergebnisse kann die Interpretation der Interviewten aufgezeigt werden. Deutungsmuster bieten den Agierenden eine Handlungs- und Bewertungsorientierung für herausfordernde Situationen und werden entweder bewusst, meistens jedoch unbewusst und unhin-terfragt aus dem „gesellschaftlichen Wissensvorrat“ (Keller 2011: 108) gezogen. Über eine qualitative Analyse können individuelle Deutungen erschlossen werden. Deu-tungsmuster können sich wandeln, allerdings besteht auch eine hohe situationsüber-greifende Stabilität. Der Deutungsmusteransatz95 wird zur Darstellung der Ergeb-nisse eingesetzt, weil Deutungsmuster rekonstruktiv und damit mehr als nur eine Beschreibung von Konzepten sind. Sie bieten sich für „gesellschaftliche Tiefenstruk-turen“ oder „soziale[...] Gesetzmäßigkeiten“ (Kelle; Kluge 2010: 17 f.) an und kommen deshalb in dieser Arbeit zum Einsatz. Wenn sich die Orientierung der Agierenden nicht nur an individualistisch geprägten Konzepten ausrichtet, sondern auch an der gesellschaftlichen und kulturellen Voraussetzung dieser Orientierung, kann der Deu-tungsmusteransatz diese aufzeigen (vgl. Bögelein; Vetter 2019: 14).

In den folgenden Kapiteln wird zunächst das Forschungsfeld selbst dargestellt (vgl. Kap. 4.1). Anschließend wird beschrieben, mit welchen Deutungsmustern die Agierenden der beiden Unternehmen den Herausforderungen begegnen, welche eine neue Kooperation mit sich bringen. Hier sind zwei unterschiedliche Deutungsmuster zu erkennen. In Kap. 4.2.1 wird ein Deutungsmuster einer Gruppe dargestellt, in wel-chem die Interviewten mit den rechtlichen Rahmenbedingungen argumentieren (vgl.

Kap. 4.2.1.1) und den Know-how-Schutz über den Prozess der Arbeitsteilung stellen

95 Die Geschichte des Deutungsmusteransatzes geht auf Lepsius’ Habilitationsschrift (vgl. 2009) zurück, in welcher der Autor kulturelle Dimensionen sozialer Schichten fokussiert und eine Gesamtkultur mit kleineren sozialen Einheiten ver-glich. Nach Lepsius stellen Deutungsmuster eine „gedachte Ordnung“ (Oevermann 2001a: 37) dar. Oevermann führte den heutigen Deutungsmusteransatz in den deutschsprachigen soziologischen Diskurs ein und entwickelt dazu den Forschungsansatz der objektiven Hermeneutik. Mit der Kritik an der quantitativ ausgerichteten Forschung führte er da-durch qualitative Ansätze ein. Nach Lüders und Meuser (vgl. 1997: 59) ist der Deutungsmusteransatz eine vermittelnde Ebene zwischen objektiven gesellschaftlichen Handlungsproblemen und deren subjektiver Bewältigung. Erst im Jahr 2001 wird die Projektskizze von Lepsius zu dem Ansatz zusammen mit einem Kommentar von Oevermann veröffentlicht (vgl.

Oevermann 2001b: 35). Danach wurde eine grundlegende Konzeptualisierung von Deutungsmustern sowie empirische Deutungsmusteranalyse erarbeitet (vgl. u. a. Dewe; Ferchhoff 1984).

(vgl. Kap. 4.2.1.2). In diesem Deutungsmuster wird das jeweils andere Unternehmen als Wettbewerber betrachtet und somit eine Konkurrenzhaltung eingekommen. Die-ses Deutungsmuster wird im Fließtext aus Gründen der besseren Lesbarkeit mit

„Konkurrenzhaltung einnehmen“ abgekürzt. Eine andere Gruppe der Befragungsteil-nehmenden lässt sich unter dem Deutungsmuster „Fokussierung auf die Chancen einer Zusammenarbeit“ (vgl. Kap. 4.2.2) subsumieren. Dieses Deutungsmuster wird im Fließtext zur besseren Lesbarkeit „Zusammenarbeitshaltung einnehmen“ ge-nannt. Interviewte mit diesem Muster sehen eine Chance in der Innovationskraft des Unternehmens C (vgl. Kap. 4.2.2.1) sowie die Notwendigkeit einer gelingenden Koor-dination der Arbeitsteilung (vgl. Kap. 4.2.2.2).

Für Probleme in der Zusammenarbeit finden manche Befragungsteilnehmende bestimmte Personengruppen, welche für die Schwierigkeiten verantwortlich gemacht werden, wie beispielsweise das Management (vgl. Kap. 4.3.1), die chinesische Politik und deren Gesetze (vgl. Kap. 4.3.2) oder ein von ihnen empfundener geringer Stellen-wert der Kooperation im Unternehmen A (vgl. Kap. 4.3.3). Das Deutungsmuster

„Sündenböcke finden und verantwortlich machen“ (vgl. Kap. 4.3) wird im Folgenden nur als „Sündenböcke finden“ bezeichnet. In Kap. 4.4 werden zwei Lager beschrieben:

Manche Befragungsteilnehmenden haben das Deutungsmuster, dass die Zusammen-arbeit vorbelastet und „historisch“ geprägt sei. Dieses Deutungsmuster wird im Fol-genden „Historische Prägung“ genannt (vgl. Kap. 4.4.1). Eine andere Gruppe der Inter-viewten hat das Deutungsmuster „Lessons learned sind möglich“ (kurz: „Lessons learned“) und geht davon aus, dass voneinander zu lernen möglich und notwendig sei (vgl. Kap. 4.4.2). In der Analyse der Interviews können ein gegenseitiges Verständnis und eine funktionierende Kommunikation – sowohl sprachlich als auch inhaltlich – festgestellt werden (vgl. Kap. 4.5). Dies wird als kooperationsförderlicher Faktor ver-standen. Dennoch werden von einigen Schwierigkeiten berichtet, welche zu Störun-gen in der Zusammenarbeit führen. Die Interviewteilnehmenden nehmen in ihren Erzählungen ein nationalstaatliches Kulturverständnis an und beschreiben, inwiefern sich eine chinesische von einer deutschen Kultur unterscheide und welchen Einfluss dies auf die Zusammenarbeit hätte (vgl. Kap. 4.6). In Kapitel 4.7 werden abschließend die Limitationen dieser empirischen Erhebung dargestellt.

Im Dokument F&E-Kooperationen inJoint-Ventures (Seite 173-178)