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Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten

I. Vorbemerkungen

5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten

Für Österreich hatte sich der Umgang mit den beiden deutschen Staaten ab 1972 grundlegend verändert. Obwohl die Bundesrepublik aufgrund von Außenhandel, Arbeitsmarkt, Fremdenverkehr und Unternehmenskooperationen – um nur die wirtschaftlichen Komponenten zu benennen  – der bevorzugte und wichtigere Partner blieb, begann Österreich zunehmend eine eigenständige Politik gegen-über der DDR zu entwickeln.106 Zumindest in den ersten Jahren nach der An-erkennung bestand allerdings eine enge Abstimmung – insbesondere zwischen den beiden sozialdemokratischen Regierungschefs Bruno Kreisky und Willy Brandt – fort. Dennoch nahmen die Beziehungen zur DDR rasch Fahrt auf, was nach dem Rücktritt Brandts 1974 auch zu Konflikten mit Bonn führen konnte.

Dies lag daran, dass Österreich die DDR, trotz der aus der deutschen Zweistaat-lichkeit resultierenden Besonderheiten, wie alle anderen sozialistischen Staaten behandelte,107 gegenüber denen man im Rahmen des Möglichen im Sinne der

105 Auszug aus dem Vortag von Bundesminister Dr. Kirchschläger zum Thema „Österreichische Außenpolitik  – Rückblick und Ausblick“ am 6. Dezember 1972, in: ÖStA, AdR, BMAA, II-Pol 1972, DDR 2, [o. Gr.Zl., o. GZ.], Karton Pol-72–15.

106 Hierzu mit Fokus auf die Rolle Kreiskys: Michael Gehler, Bruno Kreisky, Italien und die Deutsche Frage, in: Michael Gehler / Maddalena Guiotto (Hg.), Italien, Österreich und die Bundesrepublik Deutschland in Europa. Ein Dreiecksverhältnis in seinen wechselseitigen Beziehungen und Wahrnehmungen von 1945/49 bis zur Gegenwart, Wien / Köln / Weimar 2012, S. 173–208.

107 Hierzu und dies gegen die bisherigen Darstellungen: Maximilian Graf, Ein verdrängtes bi-laterales Verhältnis: Österreich und die DDR 1949–1989/90, in: Zeitgeschichte 39 (2012) 2, S. 75–97, hier S. 88.

sogenannten „aktiven Neutralitätspolitik“ eine Politik der Entspannung und der

„guten Nachbarschaft“ zu betreiben trachtete.108 Der Erfolg stellte sich nicht mit allen Nachbarstaaten gleichermaßen ein. Während sich die Beziehungen zwi-schen Österreich und Ungarn ab Mitte der 1960er-Jahre sukzessive zu einem Musterbeispiel der europäischen Entspannung im Kalten Krieg entwickelten,109 blieb das Verhältnis zur Tschechoslowakei für die gesamte Dauer des Kalten Krie-ges zumindest konjunkturell belastet.110 Zurück aber zum Umgang Österreichs mit der deutschen Frage nach der Anerkennung der DDR.

Offiziell hatte Österreich auch nach der Anerkennung der DDR an der deut-schen Einheit als einem der Friedensziele am europäideut-schen Kontinent festgehalten.

Es ist allerdings zu bezweifeln, ob man diese auch für möglich hielt. Tief blicken lässt beispielsweise das Protokoll des Gesprächs von Außenminister

Kirchschlä-108 Zur österreichischen „Ostpolitik“ siehe als komplettesten Überblick in Form eines Sam-melbandes: Arnold Suppan / Wolfgang Mueller (Hg.), Peaceful Coexistence or Iron Curtain?

Austria, Neutrality, and Eastern Europe in the Cold War and Détente (Europa Orientalis 7), 1955–1989, Wien 2009.

109 Maximilian Graf, Ein Musterbeispiel der europäischen Entspannung? Die österreichisch-ungarischen Beziehungen von 1964 bis 1989, in: Csaba Szabó (Hg.), Österreich und Un-garn im 20. Jahrhundert, Wien 2014, S. 261–280; Tamás Baranyi / Maximilian Graf / Melinda Krajczar / Isabella Lehner, A Masterpiece of European Détente? Austrian-Hungarian Rela-tions from 1964 until the Peaceful End of the Cold War, in: Zeitgeschichte 41 (2014) 5, S. 311–338. Darin jeweils weiterführende Literaturverweise. Siehe zudem: Andreas Gémes, Austrian-Hungarian Relations, 1945–1989, in: Arnold Suppan / Wolfgang Mueller (Hg.), Peaceful Coexistence or Iron Curtain? Austria, Neutrality, and Eastern Europe in the Cold War and Détente, 1955–1989 (Europa Orientalis 7), Wien 2009, S. 310–336.

110 Zu den österreichisch-tschechoslowakischen Beziehungen siehe: Paul Ullmann, Eine schwie-rige Nachbarschaft. Die Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und der Tschechoslowakei 1945–1968, Wien 2006; Martin David, Österreichisch-tschecho-slowakische Beziehungen 1945 bis 1974 unter besonderer Berücksichtigung aktueller Themen, Dissertation Wien 2002. Für den Zeitraum nach 1968 liegen bisher kaum quellengestützte Forschungen vor. Zur Ära Kreisky existiert eine Darstellung basierend auf der zeitgenössi-schen Medienberichterstattung: Alexander Jehn, Nachbarschaftspolitik im Donauraum. Die besonderen Beziehungen Österreichs zur Tschechoslowakei, zu Ungarn und zu Jugoslawien in der Ära Kreisky 1970–1983, Dissertation Würzburg 1996, S. 373–480. Zu den gegenseitigen Wahrnehmungen von den 1960er-Jahren bis Anfang der 1990er-Jahre siehe: Karl Peterlik, Komplexe Beziehungen. ČSSR, in: Oliver Rathkolb / Otto M. Maschke / Stefan August Lütge-nau (Hg.), Mit anderen Augen gesehen. Internationale Perzeptionen Österreichs 1955–1990 (Österreichische Nationalgeschichte nach 1945 2), Wien / Köln / Weimar 2002, S. 611–645.

Siehe zudem den kenntnisreichen Ausblick bei: Ullmann, Nachbarschaft, S. 223–234. Zu den Wirtschaftsbeziehungen siehe: Maximilian Graf, Die Wirtschaftsbeziehungen in der Ära-Kreisky. Entwicklung und Probleme des österreichischen Osthandels mit der ČSSR 1970–1983, in: Prague Papers on the History of International Relations (2016) 2, S. 98–120. Zu den Beziehungen am Ende der 1980er-Jahre siehe: Miroslav Kunštát, Die Tschechoslowakei und Österreich vor dem Umbruch 1989/90, in: Andrea Brait / Michael Gehler (Hg.), Grenz-öffnung 1989: Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich, Wien 2014, S. 367–384.

ger mit dem chinesischen Premierminister Zhou Enlai am 6. April 1974. Als diese in der Diskussion über die Frage der „Unvermeidbarkeit des Krieges“ an einem toten Punkt angelangt waren, fragte Zhou sein Gegenüber unvermittelt, ob er glaube, dass die Deutschen „eine Einheit wollen“? Kirschschläger erwiderte, „er glaube, dass die einen Deutschen mit dem Wirtschaftswunder und die anderen mit ihrer Kapazitaet zufrieden seien“. Während Zhou angab, an die Revolution in Deutschland zu glauben, warf der österreichische Außenminister ein, „dass er nicht an die Deutsche Einheit glaube“.111

Bereits 1974 hatte die westdeutsche Botschaft in Wien ein gesteigertes Bemü-hen Österreichs zu einer Intensivierung der Beziehungen zur DDR registriert.112 1975 wurde sehr zum Missfallen der Bundesrepublik ein Konsularvertrag ge-schlossen, der ausdrücklich die DDR-Staatsbürgerschaft anerkannte. Dies hatte im Vorfeld der Unterzeichnung auch zu öffentlich ausgetragenen Kontroversen geführt. Österreichs erstem Botschafter in der DDR, Friedrich Bauer, dem wir Ende der 1980er-Jahre in Bonn wieder begegnen werden, ist es zu verdanken, dass der Abschluss des Konsularvertrags an entsprechende humanitäre Konzessionen der DDR gekoppelt wurde.113

Der weitere Ausbau der Vertragsbeziehungen wurde von Bonn aufmerksam verfolgt. Die Einschätzungen in der Berichterstattung über das österreichisch- ostdeutsche Verhältnis blieben aber besonnen.114 Österreich übernahm in wei-terer Folge sukzessive eine besuchsdiplomatische Vorreiterrolle für die DDR, die von Ost-Berlin mit Großaufträgen für die verstaatlichte Industrie und Konzes-sionen in humanitären Angelegenheiten honoriert wurde. Bundeskanzler Bruno Kreisky besuchte vom 30. März bis 1. April 1978 als erster westlicher Regierungs-chef offiziell die DDR.115 Der ostdeutsche Staats- und Parteichef Erich Honecker absolvierte seinen ersten offiziellen Besuch im Westen vom 10. bis 13. November 1980 – wenig überraschend – in Österreich. Diese Visite fand bereits inmitten der letzten Hochphase des Kalten Kriegs und zu einem Zeitpunkt statt, als sich auch das deutsch-deutsche Verhältnis eingetrübt hatte. Zu allem Überdruss von Bonn vergab Honecker im Rahmen des Besuchs einen Milliardenauftrag an

111 Gespräch Kirchschläger – Zhou Enlai, Peking, 6. April 1974, ÖStA, AdR, BMAA, II-Pol 1974, GZ. 502.03.19/42–6/74.

112 Politischer Jahresbericht der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Wien 1974, PA / AA, Zwischenarchiv, Bd. 109.208.

113 Zum Konsularvertrag ausführlich siehe: Enrico Seewald, Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und Österreich, in: Jochen Staadt (Hg.), Schwierige Dreier-beziehung. Österreich und die beiden deutschen Staaten (Studien des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin 18), Frankfurt am Main 2013, S. 81–136, hier S. 101–118; Graf, Österreich und die DDR, S. 346–369.

114 Jahresbericht der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Wien 1976, PA / AA, Zwischen-archiv, Bd. 115.670.

115 Friedrich Bauer / Enrico Seewald, Bruno Kreisky in Ost-Berlin. Ein Besuch der besonderen Art, Innsbruck / Wien / Bozen 2011.

Österreichs verstaatlichte Industrie, den westdeutsche Unternehmen bereits un-ter Dach und Fach geglaubt hatten.116

Während der Kreisky-Aufenthalt in der DDR 1978 seitens des Bonner Aus-wärtigen Amts noch sehr positiv bewertet wurde,117 kamen anlässlich des Hone-cker-Besuchs in Wien Zweifel an der österreichischen und insbesondere Kreiskys Standfestigkeit in der Deutschlandfrage auf.118 Bald aber schwenkten westdeut-sche Beobachter wieder auf eine wohlwollendere Bewertung der Beziehungen zwischen Österreich und der DDR um.119

Kreisky war der Auffassung, dass die deutsche Teilung aufgrund der Weichen-stellungen der Nachkriegszeit trotz aller deklaratorischen und rhetorischen Lip-penbekenntnisse noch lange anhalten würde, zumal sich die beiden Staaten auf-grund ihrer Unterschiedlichkeit wechselseitig in ihrer Existenz bedingten, aber auch aufgrund des wirtschaftlichen Wohlstands der Bundesrepublik. Er hatte bei seinem Besuch des Vereinigten Königreichs auf Nachfrage keinen Zweifel an der geringen Aussicht auf eine deutsche Einigung gelassen, was er auf die Grundsatz-entscheidung des bundesdeutschen Kanzlers Konrad Adenauer aus den 1950er-Jahren zurückführte. Im Jahr 1978 brachte Kreisky seine Erinnerungen an ver-trauliche Gespräche mit Adenauer dem britischen Premier James Callaghan nahe, als dieser ihn gefragt hatte, was denn die westliche Haltung sein sollte, „if the two Germanys revived the issue of reunification“. Österreichs Bundeskanzler antwortete:

„As a Catholic, Adenauer had never favoured reunification since he knew that a Cath-olic majority would be unobtainable in a united Germany. For years everybody had talked about unification but very few really believed in it. If it became a real issue, the German people might rally to it; but it was unlikely to figure as an issue at, for example, the next General Election in the FRG. The FRG was now richer and more influential than ever before and had no reason to wish for change.“120

Adenauer hatte nach Kreiskys Einschätzung auch ein konfessionelles, parteipoli-tisches und wahltakparteipoli-tisches Motiv, basierend auf seinen historischen, kulturellen

116 Für den ostdeutschen Besuchsbericht siehe: Bericht über den Staatsbesuch des General-sekretärs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen E. Honecker, vom 10. bis 13. November 1980 in der Republik Österreich, Berichterstatter Erich Honecker, in: Arbeitsprotokoll der Sitzung des SED-Politbüros vom 18. November 1980 (= Protokoll Nr. 46/80), SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/1866, Bl. 15–28.

117 Bauer / Seewald, Bruno Kreisky in Ost-Berlin, insbesondere S. 44–46.

118 Vorlage für den Staatssekretär. Staatsbesuch Honeckers in Österreich vom 10.–13.11.1980, ge-zeichnet Kastrup, Bonn, 21. November 1980, PA / AA, B 38–210, Zwischenarchiv, Bd. 132.449.

Dazu mehr bei Graf, Österreich und die DDR, S. 456–458.

119 Sachstand. Beziehungen Österreich-DDR, 18. August 1982, Bundesarchiv Koblenz, B 136/

20334. Ausführlicher dazu: Graf, Österreich und die DDR, S. 472–475, 485–490

120 Confidential Record of the Prime Minister’s discussion with the Chancellor Kreisky of Aus-tria, in plenary session at 10 Downing Street on 4 July 1978, AT 1725. The National Archives of the United Kingdom (TNA), London-Kew, Visit of Dr. Kreisky, Chancellor of Austria, to UK, July 1978, FCO 33/3367.

und religiösen Prägungen im Zeichen eines rheinischen Katholizismus und ent-sprechender Differenzen mit dem protestantischen Osten Deutschlands: Viele der Stammgebiete der SPD-Wähler befanden sich in der DDR. Mit der „Sowjetzone“

wäre Gesamtdeutschland, wenn nicht sozialdemokratischer, so doch stärker pro-testantischer geworden als die rheinisch-katholische Bundesrepublik. Das war ein kaum von der Hand zu weisendes Argument, das jedenfalls Kreisky sehr einleuchtete.

Zahlreiche weitere österreichisch-ostdeutsche Begegnungen auf höchster di-plomatischer Ebene sollten folgen. Insbesondere die heikle Berlin-Frage konnte dabei für Missstimmungen sorgen. 1982 hatte Österreichs Bundespräsident Ru-dolf Kirchschläger die Bundesrepublik besucht. Seine Weigerung, den Besuch mit einer Visite in West-Berlin zu verbinden, wurde von den westdeutschen Medien negativ aufgenommen. Der Grund dafür wurde nicht zuletzt in den Beziehungen Österreichs zur DDR gesehen. Kirchschläger wurde kritisch vorgehalten, wohl kaum bei seinem DDR-Besuch im Jahr darauf einen Bogen um Ost-Berlin machen zu wollen. Die Lage Berlins war belastet und sensibel geblieben.121 Im Vorfeld seines DDR-Besuchs im Jahr 1983 war Kirchschläger daher darauf eingestellt, dass Angriffe wegen seiner Präsenz in der „DDR-Hauptstadt“ erfolgen würden. Ende September erklärte er gegenüber einer Journalistengruppe aus der DDR, schon Protestbriefe erhalten zu haben, aber damit „leben“ zu müssen.122 Derartige Epi-soden waren kein Einzelfall, sondern eher die Regel.

Mit der intensivierten Besuchsdiplomatie, im Rahmen derer 1984 mit Fred Sinowatz ein weiterer österreichischer Kanzler die DDR besuchte, ging eine ve-ritable Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen einher. Die österreichische Han-delsbilanz mit der DDR war immer deutlich aktiv. In den 1980er-Jahren wurde die Unterzeichnung jährlicher Wirtschaftsabkommen die Regel. Sie kamen den österreichischen Exportwünschen stark entgegen. Die Handelsbeziehungen wur-den zur tragenwur-den Säule im österreichisch-ostdeutschen Verhältnis. Die öster-reichischen Kredite trugen insbesondere im Jahr 1982 erheblich zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit der DDR bei. Österreich garantierte zu dieser Zeit 20 % der De-visenschulden Ost-Berlins. Damals wurden auch Öltransitgeschäfte der VÖEST Handelsgesellschaft „Intertrading“ durch staatlich garantierte Kredite finanziert;

die aus ebendiesen „Operationen“ resultierenden Verluste hatten einen Löwen-anteil am 1985 offenkundig werdenden „VÖEST-Debakel“. Das österreichische Streben nach einer Ausweitung des Handels mit der DDR dauerte bis ins Jahr 1990 an. Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen können spätestens ab Ende der 1970er-Jahre nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Im Gefolge der Milliardenkredite, die der bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß der DDR 1983/84 vermittelte, gab es jedoch einen Rückschlag in den Wirtschafts-beziehungen zwischen Österreich und der DDR. Wien sah sich – zuvor noch

be-121 Washietl, Österreich und die Deutschen, S. 147–150.

122 Telegramm von Botschafter Grunert an Honecker, Axen, Herrmann und Fischer, Wien, 28. September 1983, SAPMO-BArch, DY 30/13652.

vorzugter Partner – nun zeitweise hinter die Bundesrepublik zurückversetzt.123 In jener Zeit reduzierte sich auch die Zahl der politischen Spitzenkontakte. Gegen Ende der 1980er-Jahre stieg das bilaterale Handelsvolumen aber wieder an – nicht zuletzt da die marode DDR massiv Strom importieren musste.124 Trotz des leicht veränderten Charakters der Beziehungen fand ein regelmäßiger diplomatischer Austausch statt125 und auch die Besuchsdiplomatie lebte gegen Ende der 1980er-Jahre wieder verstärkt auf.

Im Mai 1988 kam DDR-Außenminister Oskar Fischer zum wiederholten Male zu einem offiziellen Besuch nach Wien.126 Im Juni 1988 hatte mit Franz Vranitzky (SPÖ) bereits der dritte österreichische Bundeskanzler der DDR einen stark wirt-schaftspolitisch motivierten offiziellen Besuch abgestattet.127 Auch der weitere Besuchsaustauch wurde bis 1989 ungestört fortgesetzt.128 Österreich zeigte vor dem Hintergrund der sich wieder intensivierenden Beziehungen sogar verstärk-tes Interesse am SED-Abrüstungsdialog.129 Dieser war auf westlicher Seite vor allem der sogenannten „Nebenaußenpolitik“ der SPD zuzurechnen.130 Die Ver-besserung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und der DDR führte die österreichische Diplomatie im Frühjahr 1987 vor allem auf die Entspannung zwischen Bonn und Moskau zurück.131 Nachdem die Sowjetunion Honeckers Besuchsabsichten in der Bundesrepublik in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre zu seiner großen Enttäuschung mehrfach durchkreuzt hatte, stand die Ampel im Sommer 1987 auf Grün.132 Honeckers Staatsbesuch im Westen schien die deut-sche Teilung zementiert zu haben, doch hatten beide Seiten ihre grundsätzlichen Positionen in der deutschen Frage beibehalten. Die Westabteilung des Ballhaus-platzes, dem historischen und seinerzeitigen Sitz des österreichischen

Außen-123 Zur Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und der DDR siehe: Graf, Österreich und die DDR, S. 381–404, 425–433, 459–470, 497–528, 535–547; sowie als weitere Überblicke: Christoph Boyer, Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und der So-wjetischen Besatzungszone in Deutschland (SBZ) bzw. der Deutschen Demokratischen Repu-blik (DDR) (1945–1989/90), in: Gertrude Enderle-Burcel / Dieter Stiefel / Alice Teichova (Hg.),

„Zarte Bande“. Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder  – „Delicate Relationships“. Austria and Europe’s Planned Economies (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderband 9), Wien 2006, 165–183. Zur Entwicklung des Handelsvolumens in tabellarischer Form siehe: Andrea Rögner-Francke, Die Beziehungen zwischen der DDR und Österreich, in: Hans-Joachim Veen / Peter R. Weilemann (Hg.), Die Westpolitik der DDR.

Beziehungen der DDR zu ausgewählten westlichen Industriestaaten in den 70er und 80er Jahren, Melle 1989, S. 133–189, hier S. 170.

124 Siehe Dok. 1 und 7.

125 Siehe Dok. 18 und 19.

126 Siehe Dok. 21.

127 Siehe Dok. 22–23

128 1988 reiste u. a. auch noch SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer in die DDR. Siehe Dok. 25.

129 Siehe Dok. 24.

130 Frank Fischer, „Im deutschen Interesse“. Die Ostpolitik der SPD von 1969 bis 1989, Husum 2001.

131 Siehe Dok. 6.

132 Siehe Dok. 8.

ministeriums, sah ihn als „Beitrag zur weiteren Ost-West-Entspannung und so-mit zur Friedenssicherung“.133 Für die DDR standen jedenfalls die Beibehaltung der Zweistaatlichkeit und ihre Bündniszugehörigkeit im Vordergrund.134 Daran änderte sich auch Anfang 1988 nichts, als anlässlich der „Kampfdemonstration zu Ehren Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts“ oppositionelle Regungen sichtbar wurden und das SED-Regime mit Verfahren und der Abschiebung einiger De-monstranten reagierte.135

III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990