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Bereits vor der Corona-Pandemie erwiesen sich Strategien mit mehrjährigen, aber begrenzten Umsetzungs- und Aktionsplänen als nicht mehr hinreichend. Ihnen gelingt es nicht, der zuneh-menden Veränderungsdynamik und Komplexität im Tourismus Rechnung zu tragen. Mit den durch die Corona-Pandemie ausgelösten weitreichenden Veränderungen funktionieren Mehr-jahrespläne erst recht nicht mehr. Dies gilt umso mehr, wenn ihr strategisches Fundament, die Ziele und Handlungsfelder, vor der Pandemie entwickelt wurden.

Diese Veränderungen führen zwingend dazu, den Gedanken eines Aktionsplans im Sinne ei-ner mehrjährigen begrenzten Umsetzungsplanung hinter sich zu lassen. Vielmehr wird es in den kommenden Jahren darum gehen, die Ausrichtung der Tourismuspolitik und die Umset-zung des Aktionsplans kontinuierlich weiterzuentwickeln und im Sinne eines UmsetUmset-zungs- und Relexionsprozesses zu gestalten.

Mit dem vorliegenden Ausblick geben Dr. Fried & Partner GmbH und PROJECT M GmbH Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Tourismuspolitik auf Grundlage der 2019 beschlos-senen „Eckpunkte der Bundesregierung – Orientierungsrahmen für eine nationale Touris-musstrategie“ und des vorliegenden Aktionsplans. Diese sollen einen wichtigen Impuls zur Umsetzung des Aktionsplans und für die dauerhafte Weiterentwicklung einer starken und nachhaltig wirtschaftenden Tourismusbranche in Deutschland setzen. Hierzu werden drei grundsätzliche Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Tourismuspolitik und des Aktions-plans formuliert:

▪ Empfehlung 1: Überführung des Aktionsplans in einen dauerhaften Umsetzungs- und Reflexionsprozess

▪ Empfehlung 2: Mittelfristige Veränderungen in Folge der Corona-Pandemie gestalten

▪ Empfehlung 3: Langfristige Veränderungen des Systems Tourismus beachten

D 2. Empfehlung 1: Überführung des Aktionsplans in einen dauerhaften Umsetzungs- und Reflexionsprozess

Die vorliegenden Vorschläge zum Aktionsplan basieren auf den sechs strategischen Zielen und den neun Handlungsfeldern der vom Bundeskabinett am 30. April 2019 beschlossenen programmatischen Eckpunkte für eine nationale Tourismusstrategie. Die Ziele und Handlungs-felder wurden somit vor der Konsultation und Diskussion mit der Branche festgelegt. Das Kon-sortium, das diese Studie bearbeitet, hatte den Auftrag einen Aktionsplan zu entwickeln, der die festgelegten Ziele und Handlungsfelder der Bundesregierung mit Maßnahmenvorschlägen und -plänen unterlegen soll.

In der vorliegenden Ausarbeitung werden diese strategisch relevanten Aspekte aufgenommen und einer kritischen Würdigung unterzogen beziehungsweise in strategische Maßnahmen und Handlungsempfehlungen überführt. Sowohl die Verlinkung dieser strategischen Maßnahmen, als auch die umfassende Berücksichtigung der aktuellen strategischen Ausgangssituation, kann mit der vorliegenden Ausarbeitung nur zu einem Teil erreicht werden. Eine abschlie-ßende Berücksichtigung von Ausgangslage und erforderlichen Maßnahmen erfordert eine kri-tische Reflexion und gegebenenfalls Adaption nach Abklingen der Corona-Krise.

Umgang mit der Corona-Pandemie und ihren Folgen

Die derzeitige durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen ausgelöste schwere Krise hat zu vielfältigen Herausforderungen der Tourismusbranche geführt. Manche Probleme, die bereits vor der Pandemie bestanden, wurden offengelegt. Dies führt an vielen Stellen dazu, dass die vor der Krise bestehenden Herausforderungen nicht mehr zum alleinigen Maßstab des Han-delns gemacht werden können und neue Prioritäten gesetzt werden müssen. Einige Beispiele machen dies deutlich:

Vor der Corona-Pandemie wurde der ländliche Raum als eine der größten Herausforderungen im Deutschlandtourismus gesehen. Inzwischen wird deutlich, dass der Städtetourismus sich in den kommenden Jahren in vergleichbarem Maße mit schwerwiegenden Problemen konfron-tiert sieht. Der Incoming-Tourismus, ein langjähriger, verlässlicher Wachstumstreiber, wird Jahre brauchen, um wieder zu alter Stärke zurück zu finden. Im Reiseveranstaltermarkt sind neue Geschäftsmodelle gefordert. Das Verbraucherrecht bedarf einer Überarbeitung. Bei den angeführten Beispielen handelt es sich nur um eine unvollständige, nicht gewichtete Auswahl.

Angesichts der Dynamik der Corona-Pandemie und ihrer Folgen sind die vorliegenden Vor-schläge zum Aktionsplan als eine Momentaufnahme zu verstehen. Die Bundesregierung sollte diese Handlungsempfehlungen auswerten und für sich mit Prioritäten versehen. Diese Priori-täten ergeben sich dabei aus politischen Überlegungen, aber auch aus den Erfordernissen im Umgang mit den Folgen der Corona-Pandemie. Der Aktionsplan kann auf dieser Basis weiter-entwickelt und fortgeschrieben werden.

Ausgerichtet an den in einschlägigen Modellen definierten Erholungsphasen während und nach der Corona-Krise sollte der Aktionsplan in diesem Kontext in einen Umsetzungs- und Relexionsprozess überführt werden. Die Phasen werden beschrieben als „Lockdown“, „Vitali-sierung“ und „Normali„Vitali-sierung“.

Während Teil B die erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Lockdown-Phase umfas-send skizziert, beziehen sich die in Teil C beschriebenen strategischen Maßnahmen insbe-sondere auf eine mögliche Ausgangssituation der Reisewirtschaft nach Überwindung der CO-VID-19-Krise. Die heute nicht vorhersehbaren Veränderungen der Branche in der Vitalisie-rungs- und Normalisierungsphase und die daraus bedingten Auswirkungen werden mehr oder weniger große Effekte auf den Aktionsplan haben. Einen besonders hohen Grad der Verän-derung werden nach aktuellem Wissensstand die Marktstrukturen im touristischen Anbieter- und Vertriebsumfeld, der Geschäftsreiseverkehr inklusive dem MICE-Segment sowie in direk-ter Folge auch der Städtetourismus erfahren.

Es wird daher empfohlen einen Umsetzungs- und Reflexionsprozess zu initiieren, um die zu erwartenden Diskontinuitäten in der Entwicklung der Tourismuswirtschaft fortlaufend zu iden-tifizieren und die strategische Zieldefinition, vor allem aber den strategischen Entwicklungs-prozess den identifizierten Erfordernissen entsprechend anzupassen.

Entscheidend für diese Empfehlung ist das zu erwartende schwierige „Hochfahren“ der Tou-rismuswirtschaft. Insbesondere in der Vitalisierungsphase bedarf es zum einen einer gewissen Planungssicherheit für die Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer. Zum anderen wird es immer wieder Verwerfungen geben, die eine Anpassung der empfohlenen Maßnahmen erfordert.

Konkret sollte sich hierbei der Umsetzungs- und Reflexionsprozess an einem Phasenmodell orientieren, das auf eine regelmäßige Überprüfung und Adaption relevanter Entscheidungen und Maßnahmen fokussiert:

Abbildung 36: Umsetzungs- und Reflexionsprozess (eigene Darstellung)

Die Phasen des vorgeschlagenen Umsetzungs- und Reflexionsprozesses umfassen, ausge-hend vom Aktionsplan, die Phasen der Umsetzung, der Beurteilung der Umsetzungserfolge und der Adaption beziehungsweise Weiterentwicklung.

Mit der Umsetzung des Aktionsplans ist die Akzeptanz auf Seiten der Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern sowie die Erreichung der strategischen Ziele zu überprüfen. Dies sollte be-vorzugt im Rahmen einer strukturierten Wirkungsanalyse bei gleichzeitig fortlaufender

Überprüfung der Steuerungsinstrumente erfolgen. Mit der Analyse und Dokumentation der Ab-weichungsursachen ist die Grundlage für die nachfolgende Beurteilung zu schaffen.

Umsetzung und „Quick Wins“ durch mögliche Starterprojekte

Im Rahmen des Konsultationsprozesses zum Projekt konnten mögliche Starterprojekte zur Initialisierung, Umsetzung und Unterstützung des Aktionsplans durch Branchenakteurinnen und -akteure identifiziert werden. Diese könnten zeitnah umgesetzt werden und liegen in den Händen der Tourismusakteurinnen und -akteure. Sie könnten den Umsetzungsprozess zum Aktionsplan initialisieren und durch Sichtbarkeit und schnelle Erfolge wichtige „Quick Wins“ für den Umsetzungsprozess erzielen. Dabei zahlen die Starterprojekte direkt auf die Handlungs-felder des Aktionsplans ein.

Starterprojekt Information Handlungsfeld

Reaktivierung Reiseströme

Aufsetzen einer Task Force zur Steuerung der in Teil B vorgeschlagenen Recovery-Maßnahmen, um die Si-cherheit des Reisens zu gewährleisten und das Ver-trauen bei Marktakteurinnen und -akteuren sowie Gästen zurückzugewinnen

Kurz- und mittelfristige Reaktivierung der Reiseströme Outbound wie Inbound (Fokus Reisekorridore, Reise-warnung, Einreiseverbote, Teststrategie)

Corona-Recovery

Masterplan für mit-tel- bis langfristig betroffene Bereiche

Erarbeitung einer Grundlagenstudie inklusive Hand-lungsempfehlungen zum Umgang mit besonders be-troffenen Bereichen, deren Recovery voraussichtlich keine 100 Prozent erreichen wird beziehungsweise eine sehr langsame Wiederherstellung erfahren wird (wie beispielsweise der Geschäftsreisebereich, MICE, Städtetourismus)

Aufzeigen von Strukturveränderungen in der deut-schen Outbound-Touristik und den Auswirkungen

Ausblick auf die Vertriebs- und Veranstalterlandschaft 2030

Entwicklung eines mittel- bis langfristigen Masterplans zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Pro-duktion und Vertrieb von Reiseleistungen

1

Digitaler Vertrieb lokaler Aktivitäten im Hotelumfeld

Etablierung eines Hubs für touristische Start-ups

Entwicklung von Reiseveranstalter-/Reisebüro-Labs 1

Vermarktung des Reiselands Deutschland auf Grund-lage einer relevanten Datenbasis

Bündelung sowie freie und gemeinwohlorientierte Be-reitstellung von touristischen Stammdaten und dyna-mischen Daten in den Destinationen (Open Data)

2

der Tourismusbran-che übertragen“)

Knowledge Graph als Ansatz zur Initialisierung von Open Data im deutschen Tourismus

Vorschlag 2.2 „För-derkulisse für digi-tale Innovationen weiterentwickeln“

Schaffung von Investitionsanreizen für digitale Tech-nologien mithilfe der Verbesserung von Abschrei-bungsbedingungen für digitale Wirtschaftsgüter

Bereitstellung erfolgsunabhängiger Innovationsbud-gets für Betriebe, insbesondere gezielte und einfache Digitalförderprogramme für KMU

Definition einer bundesweit einheitlichen Registrierung im Beherbergungsbereich

Anpassung der Meldepflicht an die Plattformökonomie

Personenbezogene Daten, die im Zuge von Bu-chungsprozessen erfasst werden, als ausreichend im Sinne der Meldepflicht einstufen

Vermeidung unklarer Regelungen bei Geschäftsrei-senden, zum Beispiel digitale Anpassung der Melde-pflicht von Geschäftsreisen sowie Regelungen für be-leglose Reisekostenabrechnungen

Entwicklung eines City-Hub-Konzepts zur Verknüp-fung unterschiedlicher Verkehrsträger wie Bahn und Bus im Sinne eines intermodalen Verkehrsknoten-punktes

Ergänzend hierzu Entwicklung einer digitalen Platt-form zur Verknüpfung der Reiseangebote eines City Hubs sowie Reduzierung von Nutzungsbarrieren

4

Ausrichtung zukunftsorientierter und auf den Gesund-heitsschutz ausgerichteter Bodenprozesse im Luftver-kehr (Einsatz einheitlicher und moderner Sicherheits-kontrollsysteme, Standardisierung der Abläufe auch im Rahmen eines „Touchless Travel“, ausreichend Personal, Klärung Kompetenzübertragung)

Konnektivität der Verkehrsträger Flug und Bahn; Bahn und Bus; Flug und Bus

Entwicklung und Umsetzung gemeinsamer Leitlinien zur Fach- und Arbeitskräftesicherung für die gesamte Tourismusbranche auf Grundlage des 10-Punkte-Plans zur Fachkräftesicherung im Gastgewerbe

Bündelung und ergänzende Förderung bestehender Ressourcen zur Fach- und Arbeitskräftegewinnung und -sicherung auf Bundesebene

5

Abstimmung und Vernetzung der vielzähligen Image-kampagnen der Tourismusbranche durch die Bran-chenverbände und Sozialpartner auf nationaler Ebene

Steigerung der Zielgruppenrelevanz und Erhöhung der Sichtbarkeit zur Sicherstellung eines effizienten und effektiven Ressourceneinsatzes

5

Vorschlag 1.1.

Harmonisierung und Abstimmungtouristischer und tourismusrelevanter Förderinstrumente für ländliche und strukturschwache Räume im Kontext der Ergeb-nisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhält-nisse“

Bundeseinheitliche Kennzeichnung nachhaltiger An-gebote auf der Basis bestehender Zertifizierungssys-teme

Entwicklung eines Indikatoren- und Monitoringsys-tems zur Ermittlung der Wirkung des Tourismus auf die nachhaltige Entwicklung

Systematische Überprüfung, Abstimmung, Weiterent-wicklung und Bündelung sämtlicher Fördermechanis-men im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte als Vo-raussetzung für die Gewährung von Fördermitteln

7

Potenzialanalyse von touristischen Produkten für staatliche Institutionen der Zielgebiete in Bezug auf den deutschen Quellmarkt

Touristische Netzwerkbildung und Interessenvertre-tung der relevanten Protagonisten, vor allem in den tourismuspolitischen (Bundestag) als auch in den mi-nisteriellen Raum

Unterstützung ausgewählter Zielgebiete beim Recovery mit Unterstützung deutscher Tourismus-partner

Gründung eines Think Tanks unter der Ägide des BMWi mit Tourismusexpertinnen und -experten und branchenübergreifenden Expertinnen und Experten aus den Bereichen Data Science, FinTech und Zu-kunftsforschung

Aufgabe des Think Tanks ist es, unter professioneller Leitung künftige Chancen und Risiken im Umfeld von Tourismus und Touristik zu analysieren sowie Hand-lungsempfehlungen für Politik und Wirtschaft abzulei-ten

Sicherstellen der Passung zwischen dem Aktionsplan für eine nationale Tourismusstrategie und den Touris-musstrategien der Länder durch unmittelbare Umset-zung des Aktionsplans

Fortschreibung der Landestourismusstrategien unter Einbindung der Eckpunkte für eine nationale Touris-musstrategie im Zuge der nächsten Fortschreibungs-runde

9

Vorschlag 2.2.

„Handlungsplan be-ziehungsweise Themen- und Auf-gabenliste entwi-ckeln und fort-schreiben, die län-derübergreifend entweder in Ab-stimmung miteinan-der omiteinan-der durch den Bund bearbeitet werden kann“

Erarbeitung eines länderübergreifend bearbeitbaren Handlungsplans unter Berücksichtigung von Maßnah-men zu zentralen TheMaßnah-men der Tourismuspolitik (unter anderem Krisenprävention und -bewältigung, Erschlie-ßung von Landesgrenzen übergreifenden touristi-schen Angebotspotenzialen mit nationaler Relevanz, Regelung der Ferienkorridorzeiten)

9

Vorschlag 2.2

„Transparenz, Zu-gänglichkeit und Koordination der Förderinstrumente verbessern“

Entwicklung von Maßnahmen zur Vereinfachung der Beantragung, Abwicklung und Abrechnung von För-dermitteln

Schaffung zentraler Förderanlaufstellen für die zu För-dernden auf Landesebene, die mit den Wirtschaftsför-derungsstellen auf regionaler und oder lokaler Ebene vernetzt agieren

Querschnittsauf-gabe „Tourismus-förderung und -finanzierung

D 3. Empfehlung 2: Mittelfristige Veränderungen in Folge der Corona-Pandemie gestalten

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie verstärken Veränderungen im Tourismus, die schon länger andauern. Der Trend zum Naturtourismus, die Entwicklung nachhaltiger Tourismusfor-men oder die zunehTourismusfor-mende Digitalisierung sind entsprechende Beispiele, die den Blick auf die Veränderung von Märkten lenken. Der Geschäftsreisetourismus und speziell der MICE-Be-reich sind konkrete Beispiele für den Wandel. Sie machen die Vulnerabilität bestimmter Tou-rismusformen, vor allem des Städte- und Incoming-Tourismus, nochmals überdeutlich.

Diese mittel- und langfristigen Effekte der Corona-Pandemie gilt es zu gestalten. Hierzu bedarf es einer Weiterentwicklung der diesem Bericht zugrundeliegenden und durch die Bundesre-gierung beschlossenen tourismuspolitischen Ziele und Handlungsfelder.