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Kapitel 3 – Selektive Chlorierung von Monosilanen mit HCl/Ether

3.4 Chlorierung von Methylchlorsilanen

Wir haben den Reaktionsmechanismus für die HCl-induzierte Chlorierung von Me2SiH2 und Me2SiHCl (Modellsystem für das experimentell eingesetzte Et2SiH2) mittels einer DFT-Studie untersucht. Die konzertierte H2-Eliminierung durch Addition von HCl über die Si–H Bindung ist mit einer erheblichen Aktivierungs-barriere von 38 kcal mol–1 behaftet und damit kinetisch unterbunden (TS23, Schema 75a). In Anwesenheit von Dimethylether sinkt die Aktivierungsbarriere für die Chlorierung von Me2SiH2 auf 28 kcal mol–1, da die bei der Si–H Bindungsspaltung

Schema 75. (a) Chlorierung von Me2SiH2 mit HCl und Me2OŸHCl, (b) NPA Ladungen sind in rot und blau für Me2SiH2, TS23 und TS24 ergänzt; SMD-M06-2X-D3/6-31+G(d,p), Solvens = Diethylether,

∆G298 in kcal mol–1.

entstehende positive Ladung am zentralen Siliciumatom in TS24 durch Koordination der Lewis-Base stabilisiert werden kann (Schema 75). Es entsteht zunächst ein thermodynamisch instabiles Kontaktionenpaar 97, das in einem deutlich exergonen Schritt barrierefrei zu Me2SiHCl und Dimethylether zerfällt. Experimentell sind Ether-stabilisierte Silyliumkationen, wie etwa 97, durch die Umsetzung von Hydridosilanen mit Brookharts Säure [(Et2O)2H][BArF4] zugänglich. Maßgeblich für die Stabilität solcher Silyliumkationen ist dabei die Verwendung schwach koordinierender Gegenionen.[387-390] In Anwesenheit von Chloridionen hingegen ist das Silyliumkation thermodynamisch labil und stellt bestenfalls ein kurzlebiges Intermediat dar. Das gleiche gilt auch für Silyliumkationen, die mit anderen Ethern wie Diethylether und 1,4-Dioxan gebildet werden. Wir können zeigen, dass für den Chlorierungsmechanismus von Me2SiH2 mit HCl/Dimethylether, HCl/Diethylether oder HCl/1,4-Dioxan der Ether selbst keinen signifikanten Einfluss auf Aktivierungsbarrieren oder Thermochemie hat (Schema 76). Folglich ist das

+ Me2O HCl

Schema 76. Reaktionspfade für die Chlorierung von Me2SiH2 mit (a) Me2OŸHCl, (b) Et2OŸHCl und (c) HCl/1,4-Dioxan; SMD-M06-2X-D3/6-31+G(d,p), Solvens = Diethylether, ∆G298 in kcal mol–1.

Schema 77. Reaktionspfade für die Chlorierung von Me2SiH2 mit Me2OŸHCl; SMD-M06-2X-D3/6-31+G(d,p), Solvens = Diethylether, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungsbarrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum.

+ Me2O HCl

HClŸMe2O Addukt ein gutes Modell für die experimentell verwendeten Ether (Diethylether und 1,4-Dioxan). Der Vollständigkeit halber haben wir für unser Modellsystem mit Dimethylether die Koordination eines zweiten Ether Moleküls an 97 untersucht. Die Aktivierungsbarriere für die Bildung des zweifach Ether-koordinierten Silyliumkations 98 ist moderat, die thermodynamische Stabilisierung im Vergleich zur Bildung von Me2SiHCl allerdings klein. Außerdem haben wir in begleitenden NMR-spektroskopischen Untersuchungen keine Signale gefunden, die charakteristisch für zweifach Ether-koordinierte Silyliumkationen sind. Schlussendlich konnten wir die Beteiligung eines [(Me2O)2H]+ Kations quantenchemisch ausschließen; die berechnete Aktivierungsbarriere für die Chlorierung mit dieser Spezies beträgt 46 kcal mol–1 (TS28, Schema 78). Dieser Pfad ist damit kinetisch irrelevant.

Im Folgenden werden der Vollständigkeit halber andere denkbare Übergangszustände für die Chlorierung von Me2SiH2 diskutiert, die jedoch alle eine höhere Aktivierungsbarriere aufweisen als TS24 (Schema 79). Zunächst existieren für die konzertierte H2-Eliminierung durch Addition über die Si–H Bindungen neben TS23 mit einem HCl Molekül auch Übergangszustände, an denen zwei oder drei HCl Einheiten beteiligt sind. Weder die Koordination von HCl an das für die Bindungstransformation zentrale Chloratom TS29 und TS31, noch eine Stabilisierung des zentralen Siliciumatoms durch HCl in TS30 und TS32 – ein Strukturmotiv analog zur Koordination eines Ethers in TS24 – führen zu einer Absenkung der Aktivierungsbarriere. Wird der Ether in den Übergangszustand miteinbezogen, ist die konzertierte Addition der O–H Bindung aus HClŸMe2O über die Si–H Bindung des

Schema 78. Übergangszustand für die Reaktion von Me2SiH2 mit [(Me2O)2H]Cl; SMD-M06-2X-D3/6-31+G(d,p), Solvens = Diethylether, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungsbarrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum.

+ [(Me2O)2H]Cl

Me2SiH2 (0.0)

TS28 (46.0) i582 Si

H H

Si H

H H

O

O Cl

Schema 79. Übergangszustände für die Chlorierung von Me2SiH2 mit (a) HCl und (b) HCl/Me2O relativ zu n Me2OŸHCl; SMD-M06-2X-D3/6-31+G(d,p), Solvens = Diethylether, ∆G298 in kcal mol–1.

Silans zwar denkbar, aber mit einer hohen Aktivierungsbarriere verbunden (TS33).

Tauschen HCl und Dimethylether aus TS24 die Positionen (TS34), wird also H2 aus einem [Cl–H–Cl] stabilisierten Silan eliminiert, erhöht sich die Aktivierungsbarriere um mehr als 10 kcal mol–1. Auch die Koordination weiterer HCl Einheiten an das Chloratom aus TS24 führt nicht zu niedrigeren Barrieren (TS35, TS36). Folglich ist TS24, in dem Dimethylether als Lewis-Base das intermediär gebildete Silyliumkation stabilisiert, mit der niedrigsten Aktivierungsbarriere für die Chlorierung der Monosilane mit HCl/Ether verbunden. Dieser Befund ist im Einklang mit der Beobachtung, dass die Reaktion bei Zugabe von höheren Mengen an Lewis-Base schneller abläuft. Weiterhin ist – in Übereinstimmung mit den Experimenten, in denen die Bildung von zweifach chlorierten Silanen nicht oder nur mit geringen Ausbeuten beobachtet wurde – die effektive Aktivierungsbarriere für den zweiten Chlorierungsschritt deutlich höher (Schema 80). Der Übergangszustand für die Chlorierung von Me2SiHCl (TS37) führt nun ohne intermediäre Bildung eines Ether-

Si

Schema 80. Vollständige Chlorierung von Me2SiH2 mit Me2OŸHCl; SMD-M06-2X-D3/6-31+G(d,p), Solvens = Diethylether, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungsbarrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum.

stabilisierten Silyliumkations direkt zu Me2SiCl2, dessen Bildung deutlich exergon ist.

Zusätzlich konnte Sturm experimentell zeigen, dass die Chlorierung auch mit Phosphoniumchlorid in Diethylether oder Benzol, sowie Trialkylphosphanen in HCl/Ether effizient abläuft. Dies wurde dahingehend interpretiert, dass unter diesen Bedingungen Chloridionen freigesetzt werden, die als Lewis-Base fungieren.

Wir konnten explizit zeigen, dass die Chlorierung von Si–H Bindungen alleine durch HCl kinetisch nicht möglich ist, sondern erst die Assistenz der Lewis Base Me2O eine effiziente Absenkung der Aktivierungsbarriere ermöglicht. Die in diesem Abschnitt vorgestellten Ergebnisse stellen folglich eine Alternative zu der von Chulsky und Dobrovetsky berichteten Lewis-Säure-vermittelten Chlorierung von Monosilanen dar.[170]