• Keine Ergebnisse gefunden

Aufbau der zweifach Chlorid-komplexierten dianionischen Sechsringe aus HSiCl 3

Kapitel 2 – Chlorid-induzierter Aufbau perchlorierter Silane

2.3 Aufbau der zweifach Chlorid-komplexierten dianionischen Sechsringe aus HSiCl 3

Das für die Chlorid-induzierte Synthese der Cyclohexasilane vom Typ [Si6Cl12Ÿ2Cl]2–

verwendete Edukt Hexachlordisilan ist verhältnismäßig teuer (6600 €/mol),5 folglich stellt sich die Frage, ob ein preisgünstigeres Edukt für den Aufbau der Sechsringe existiert. Das ist tatsächlich der Fall: Noch vor der Chlorid-induzierten Synthese des dianionischen inversen Sandwichkomplexes [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– aus Si2Cl6 nach Tillmann[129] zeigte Boudjouk, dass bei der Umsetzung von Trichlorsilan mit N,N,N',N',N''-Pentaethyldiethylentriamin (PEDETA), einer tridentaten Stickstoffbase,

5 Quelle https://www.sigmaaldrich.com/catalog, Stand 12.7.18

genau dieser dianionische inverse Sandwichkomplex [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– entsteht.[102] In früheren Arbeiten gelang es Boujouk bereits Vorstufen des Sechsrings röntgen-kristallographisch zu charakterisieren, nämlich Addukte aus HSiCl3 und H2SiCl2 mit PEDETA und N,N,N',N',N''-Pentamethyldiethylenetriamin (PMDETA), die sich aus einem mit PEDETA bzw. PMDETA koordinierten Silylkation und einem Chloridion zusammensetzen.[102, 127, 128] Folglich zeigte Boudjouk bereits implizit, dass eine Chlorid-induzierte Synthese der dianionischen Cyclohexasilane aus dem im Vergleich zu Si2Cl6 um Größenordnungen günstigeren Edukt HSiCl3 (35 €/mol)5 möglich ist.

Tatsächlich gelang Tillmann die Chlorid-induzierte Darstellung von [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– aus HSiCl3 und [nBu4N]Cl bei 120 °C.[114] Außerdem entstanden SiCl4, H2SiCl2 und [Si6HCl11Ÿ2Cl]2– in geringen Mengen als Nebenprodukte der Reaktion. Zusätzlich wurde das bereits von Kang für die Umsetzung von Phosphoniumchloriden mit HSiCl3 als Intermediat postulierte Silikat [HSiCl4] röntgenkristallographisch nach-gewiesen.[297-301] Es liegt also nahe, den Aufbau des dianionischen inversen Sandwich-komplexes [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– aus HSiCl3 als Chlorid-induziert zu betrachten. Wir haben den Aufbaumechanismus für das zweifach Chlorid-komplexierten dianionische Cyclohexasilan [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– aus HSiCl3 mittels DFT untersucht und zeigen im Folgenden die Ähnlichkeit zum Aufbau aus Si2Cl6 auf.

Das reaktive Intermediat für den Aufbau perchlorierter Silane mit Chloridionen ist, wie bereits in Kapitel 2.2 dargelegt, SiCl3, während SiCl2ŸNMe3 das Schlüsselintermediat für den Aufbau mit Aminen darstellt. Handelt es sich bei dem Grundkörper für den Aufbau nicht um ein Perchlorsilan wie Si2Cl6 sondern um HSiCl3

und erfolgt die Umsetzung mit [nBu4N]Cl, das bei 120 °C in Tributylamin und Methylchlorid gespalten werden kann,[168] stellt sich die Frage welche Lewis-Base, Amin oder Chlorid, für die Bildung des reaktiven Intermediates herangezogen werden soll. Benkeser postuliert die Existenz eines SiCl3 Anions bei der Umsetzung von HSiCl3 mit tertiären Aminen,[98-100, 302] in Übereinstimmung mit Brow, der von der Bildung von SiCl3 und HCl aus HSiCl3 und Chlorid berichtet.[303] Unsere Berechnungen zeigen, dass die Spaltung einer C–N Bindung des

Schema 47. Spaltung von [NMe4]Cl; SMD-RI-M06-L/6-31+G(d,p); Solvens = Dichlormethan, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungsbarrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum.

Tetrabutylammoniumions mit Chlorid über einen SN2-artigen Übergangszustand verläuft, der mit einer bei 120 °C durchaus überwindbaren Aktivierungsbarriere von 29 kcal mol–1 behaftet ist (Schema 47). Allerdings ist die Spaltung von [Me4N]Cl in Methylchlorid und Trimethylamin endergon. Sofern NMe3 in der Reaktionslösung vorliegt, ist eine Deprotonierung von HSiCl3 mit Trimethylamin denkbar, bei der ein Kontaktionenpaar aus [HNMe3]+ und SiCl3 entsteht (Schema 48a). Die Aktivierungsbarriere für die Deprotonierung ist moderat, die Endergonizität der Reaktion spricht allerdings gegen eine Deprotonierung mittel Amin-Base. Da Trimethylamin eine schwächere Lewis-Base ist als SiCl3, ist dieser Befund nicht überraschend und eine Bildung von SiCl3 auf diesem Reaktionspfad kann ausgeschlossen werden. Eine alternative Reaktionsmöglichkeit des Trichlorsilans ist die Bildung von Lewis-Basen stabilisierten Silylenen: Es entsteht entweder das Trimethylamin- oder das Chlorid-stabilisierte Dichlorsilylen, also SiCl3 (Schema 48b).

Die Bildung von SiCl2ŸNMe3 verläuft über pentakoordinierte Silikate (48a, 48b und 48c), die je nach Position ihrer Substituenten unterschiedlich stabil sind und leicht durch BPR ineinander überführt werden können. Am stabilsten ist 48c, das Silikat mit Trimethylamin und Chlor-Atom in axialer und dem H-Atom in äquatorialer Position.

Sowohl die Bildung der Silikate, als auch die Entstehung von SiCl2ŸNMe3 aus den Silikaten mittels HCl Abspaltung ist thermodynamisch sehr ungünstig. Außerdem gibt es keinen Hinweis im Experiment auf eine Bildung des Trimethylamin-stabilisierten Dichlorsilylens oder die Existenz eines Amin-substituierten Silikats, daher schließen wir an dieser Stelle SiCl2ŸNMe3 als reaktives Intermediat für den Aufbau höherer Silane aus HSiCl3 aus. Bei der Entstehung von SiCl3 überträgt sich zunächst ein

– MeCl

N Me

Me Me

[NMe4]Cl

(0.0) TS16

(29.0) NMe3

(8.8) N

Me

Me Me

Me

Cl H C

H H

N Cl

Me

Me Me

29.0

Schema 48. Reaktivität von Trichlorsilan gegenüber Lewis-Basen: (a) Deprotonierung mit NMe3, (b) Silylenextrusion unter Verlust von HCl; SMD-RI-M06-L/6-31+G(d,p); Solvens = Dichlormethan, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungsbarrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum, kristallographisch nachgewiesene Spezies sind mit einem Kasten hinterlegt.

Chloridion auf HSiCl3 und es entstehen in einem endergonen Schritt ebenfalls Silikate (49a und 49b). Trotz der von uns berechneten, eher ungünstigen Thermochemie für die Bildung von 49b wurde dieses Silikat bei tiefen Temperaturen röntgenkristallo-graphisch charakterisiert. Zusätzlich dazu wurden [Cl–H–Cl] Kristalle gefunden, ein deutlicher Hinweis auf eine Entstehung von HCl im Reaktionsverlauf. Der Verlust von HCl aus 49b zur Bildung von SiCl3 ist unseren DFT Ergebnissen zufolge ebenfalls thermodynamisch ungünstig. Es zeigt sich, dass eine Übereinstimmung von Theorie und Experiment wie im Fall der perchlorierten Silane hier nicht gegeben ist. Die Si–H Bindung und vor allem die dative Natur der Si–N Bindung wird mit dem GGA-Funktional M06-L nicht ausreichend gut beschrieben, ein Problem, das für den Amin-induzierten Aufbau von neo-Si5Cl12 gelöst wurde, indem das Hybridfunktional M06-2X zur Berechnung des Reaktionsmechanismus verwendet wurde.[6] Da es sich bei dem hier diskutierten Mechanismus um Ergebnisse aus der Zeit vor unserer näheren

Analyse der Si–N Bindung handelt wird, auch unter Berücksichtigung der experimentellen Befunde, im Folgenden SiCl3 als reaktives Schlüsselintermediat postuliert. Thermochemie und Aktivierungsbarrieren sind mit M06-L berechnet und daher nur grobe Anhaltspunkte.

Bevor wir die einzelnen Schritte für den Chlorid-induzierten Aufbau von [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– aus HSiCl3 diskutieren, soll kurz der Reaktionsmechanismus für die Entstehung der Nebenprodukte SiCl4 und H2SiCl2 beleuchtet werden. In einem eher ungewöhnlichen Schritt, analog zur Chloridabstraktion, die wir für die perchlorierten Silane bereits in Kapitel 2.2.2 diskutiert haben, abstrahiert HSiCl3 ein Hydrid aus einem Silikat, beispielsweise aus 49b (Schema 49). Die Hydridabstraktion ist in trans-Stellung zu einer Si–H Bindung mit einer kleineren Aktivierungsbarriere behaftet als in trans-Stellung zu einer Si–Cl Bindung. Im ersten Fall beträgt der Si–H–

Si Winkel im Übergangszustand nahezu 180°, im zweiten Fall ist der Si–H–Si Winkel deutlich kleiner. Die Aktivierungsbarrieren liegen zwischen 21 und 23 kcal mol–1 und sind damit bei 120 °C Reaktionstemperatur leicht überwindbar. In einem endergonen

Schema 49. Reaktionsmechanismus für die Dismutation von HSiCl3 in Anwesenheit von Cl zu H2SiCl2

und SiCl4; SMD-RI-M06-L/6-31+G(d,p); Solvens = Dichlormethan, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungs-barrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum.

49a

Prozess entsteht das erste Nebenprodukt, nämlich SiCl4, und Silikate mit der Summenformel [H2SiCl3]. Das stabilere der beiden Silikate 50b trägt zwei axiale Wasserstoffatome, das um etwa 5 kcal mol–1 instabilere Silikat 50a ein axiales und ein äquatoriales Wasserstoffatom. Beide Silikate können sich durch den Verlust eines Chloridions stabilisieren, es entsteht das zweite Nebenprodukt H2SiCl2. Folglich lässt sich anhand unserer Befunde die sogenannte Dismutation von HSiCl3 zu SiCl4 und H2SiCl2[114] mit dem Entstehen von Silikaten erklären, die eine Hydridübertragung auf HSiCl3 mitdarauffolgendem Chloridverlust ermöglichen.

Das experimentelle Hauptprodukt der Chlorid-induzierten Bildung höherer

Schema 50. (a) Schematische Orbitalwechselwirkung, (b) schematische Darstellung der Übergangszustände für die Addition von SiCl3 an HSiCl3 und (c) Reaktionsmechanismus; SMD-RI-M06-L/6-31+G(d,p); Solvens = Dichlormethan, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungsbarrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum, kristallographisch nachgewiesene Spezies sind mit einem Kasten hinterlegt.

Silane aus HSiCl3 ist [Si6Cl12Ÿ2Cl]2–. Im ersten Schritt erfolgt analog zum Chlorid-induzierten Aufbau höherer Silane aus Si2Cl6 zunächst eine Silanid-Addition von SiCl3 an HSiCl3. Diese Addition kann in trans-Stellung zu einem Si–Cl oder einem Si–H Bindungsvektor erfolgen. In beiden Fällen wechselwirkt das freie Elektronenpaar am Silanid mit dem trans-ständigen σ*-Orbital (Schema 50a). Durch die Elektronegativitätsdifferenz zwischen Silicium und Chlor ist das antibindende σ*-Orbital der Si–Cl Bindung am Siliciumatom besonders stark ausgeprägt. Die Überlappung von σ*(Si–Cl) mit dem freien Elektronenpaar des SiCl3 sollte folglich effizienter sein als die Überlappung des freien Elektronenpaars mit σ*(Si–H). Für beide Möglichkeiten existiert ein SN2-artiger Übergangszustand (Schema 50b).

Aktivierungsbarrieren für die Addition von SiCl3 an HSiCl3 sind generell moderat hoch und es zeigt sich, dass in Übereinstimmung mit den schematisch dargestellten Orbitalwechselwirkungen, die Addition in trans-Stellung zur Si–Cl Bindung (TS20) mit 10 kcal mol–1 kinetisch gegenüber der Addition in trans-Stellung zur Si–H Bindung (TS21, 14 kcal mol–1) bevorzugt ist (Schema 50c). Es entstehen in beiden Fällen in einem thermoneutralen Schritt Silikate (51a und 51b), die leicht durch Isomerisierungsreaktionen ineinander umgewandelt werden können. Aus den Silikaten entstehen im nächsten Schritt Silane, der Verlust eines Chloridions ist barrierefrei und führt zur Bildung von HSi2Cl5, während die Hydridabstraktion durch HSiCl3 mit einer Aktivierungsbarriere von 22 kcal mol–1 behaftet ist und in der Bildung von Si2Cl6 und 50b resultiert. An dieser Stelle mündet der Reaktionsmechanismus in den Chlorid-induzierte Aufbau von [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– aus Si2Cl6, der bereits in Kapitel 2.2. beschrieben wurde.

Für chlorierte Silane, in denen ein Wasserstoffatom vorkommt, gibt es einen weiteren Elementarschritt, die Deprotonierung durch SiCl3 (Schema 51a). Diese Deprotonierung führt zur Entstehung eines höheren Silanids und HSiCl3. Für HSi2Cl5 hat die Deprotonierung eine moderate Aktivierungsbarriere von 17 kcal mol–1 und führt in einem exergonen Schritt zur Bildung des Silanids 1 (Schema 51b).

Ausgehend von 1 mündet die Reaktionskaskade erneut in der Chlorid-induzierten Aufbaureaktion (Kapitel 2.2) und führt so zu [Si6Cl12Ÿ2Cl]2–. Als Alternative zur

Schema 51. (a) Schematische Darstellung eines Übergangszustandes für die Deprotonierung von HSi2Cl5

mittels SiCl3 und (b) Reaktionskaskade für die Deprotonierung von HSi2Cl5 mittels SiCl3 und (c) Reaktionsmechanismus für den Aufbau von [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– aus HSi2Cl5 und SiCl3; SMD-RI-M06-L/6-31+G(d,p); Solvens = Dichlormethan, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungsbarrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum, kristallographisch nachgewiesene Spezies sind mit einem Kasten hinterlegt.

Deprotonierung ist in Analogie zum Chlorid-induzierten Aufbau aus Si2Cl6 eine Silanid-Addition von SiCl3 trans zur Si–Si Bindung von HSi2Cl5 möglich (Schema 51c). Die Aktivierungsbarriere für die Addition an die SiHCl2-Gruppe ist mit 10 kcal mol–1 kleiner als die Barriere für die Addition auf der Seite mit der SiCl3-Gruppe mit13 kcal mol–1. Die Addition ist in beiden Fällen exergon und es entsteht ein Silikat, aus dem mit Aktivierungsbarrieren unter 20 kcal mol–1 HSiCl3 eliminiert werden kann.

Das Produkt 1 entsteht in einem exergonen Schritt, womit die Reaktionskaskade wieder in dem bereits diskutierten Aufbaumechanismus mündet. Alles in allem ist die Deprotonierung von HSi2Cl5 durch SiCl3 kinetisch etwas günstiger als die Addition von SiCl3 an selbiges Silan. Es ist allerdings denkbar, dass beide Elementarreaktionen

SiCl3

Schema 52. Alternative Reaktionspfade für die Reaktion von 52a und 52b mit [NMe4]+; SMD-RI-M06-L/6-31+G(d,p); Solvens = Dichlormethan, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungsbarrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum, kristallographisch nachgewiesene Spezies sind mit einem Kasten hinterlegt.

je nach Konformation der gebildeten Silikate nebeneinander auftreten. Zusätzlich ist es vorstellbar, dass aus den Silikaten 52a und 52b ein Chlorid eliminiert wird und die höheren Silane 53a und 53b entstehen (Schema 52). Durch Deprotonierung dieser Silane (53a und 53b) erfolgt die für den Aufbau der Cyclohexasilane [Si6Cl12Ÿ2Cl]2–

notwendige Bildung der Silanide 2 und 23, die nahezu thermoneutral gegenüber der Silikate verläuft. Weiterhin weist die Bildung der Silanide lediglich kleine Aktivierungsbarrieren von höchstens 16 kcal mol–1 auf. Neben der Deprotonierung ist auch eine Addition von SiCl3 an 53a oder 53b möglich (Schema 53a,b). Auch für die Addition sind die Aktivierungsbarrieren klein und es entstehen in einem exergonen Schritt die Silikate 54a, 54b und 54c, die das Wasserstoffatom in verschiedenen Positionen tragen. Alle drei Silikate können durch eine Reihe von Isomerisierungsreaktionen in das stabilste Konformer 54d überführt werden, in dem in Analogie zu dem für den Chlorid-induzierten Aufbau experimentell isolierten Minimum 21e drei Silylgruppen in äquatorialer Position gebunden sind und zwei Chloratome die axialen Positionen besetzen (Schema 53c). Ausgehend von 54d, dem stabilsten Silikat, ist die Eliminierung von SiCl4 oder HSiCl3 denkbar. Alle hier diskutierten Energien und Aktivierungbarrieren sind relativ zu 54d angegeben,

53a (–1.1)

Si Cl Cl

H

53b (–1.8) Cl Si

H

HSiCl3 SiCl3

16.0

23–

(–3.9) Si Cl Cl

HSiCl3 SiCl3

15.3

2–

(–8.9) Cl Si

352–

Cl

Cl Cl SiCl2H

52a (–5.5)

[NMe4]+

[NMe4]Cl

[NMe4]+

[NMe4]Cl H

Cl

Cl 52b (–7.8)

Chloridabstraktion Deprotonierung

BPR

Schema 53. Addition von SiCl3 trans zu einer Si–Si Bindung an (a) 53a und (b) 53b, sowie (c) Darstellung des aus Isomerisierungsreaktionen zugänglichen stabilsten HSi4Cl10 Silikats und dessen perchlorierten Analogons ; SMD-RI-M06-L/6-31+G(d,p); Solvens = Dichlormethan, ∆G298 in kcal mol–1, Aktivierungsbarrieren in blau relativ zum entsprechenden vorgelagerten Minimum; kristallographisch nachgewiesene Spezies sind mit einem Kasten hinterlegt.

obwohl natürlich die Eliminierung selbst oft aus einem weniger stabilen Konformer heraus stattfindet (Tabelle 12). In Übereinstimmung mit der Chlorid-induzierten Bildung der Silanide aus Si2Cl6 ist die Eliminierung von HSiCl3 oder SiCl4 aus 54d ein endergoner Prozess, der thermodynamisch von der Dimerisierung der entstehenden Silanide getrieben ist. Da der Chlorid-komplexierte Sechsring mit einem Wasserstoff-substituenten als Nebenprodukt entsteht, ist neben der oben beschriebenen Eliminierung von HSiCl3 auch die Eliminierung von SiCl4 interessant, da auf diese Weise H-substituierte Silanide entstehen, die mit einem perchlorierten Silanid dimerisieren und [Si6HCl11Ÿ2Cl]2– bilden können. Die Bildung der Silanide mit der Summenformel [HSi3Cl6] ist mit Ausnahme von Silanid 58 thermodynamisch weniger günstig als die Bildung der perchlorierten Silanide 23 und 2. Für die H-substituierten Silanide gilt, wie für die perchlorierten Silanide, dass sekundäre Silanide stabiler sind als primäre Silanide. Am stabilsten ist 58, ein Silanid mit einem Wasserstoffsubstituenten und zwei Silylgruppen am zentralen Siliciumatom. Die Höhe der Aktivierungsbarrieren für die Bildung der Silanide ist niedriger, je stabiler das resultierende Silanid ist. Folglich ist die Barriere für die Entstehung von 58 mit 23 kcal mol–1 die niedrigste Barriere für die SiCl4 Eliminierung. [Si6HCl11Ÿ2Cl]2–

53a (–1.1)

Si Cl Cl

H (a)

SiCl3

12.2

8.7 Cl

54a (–10.4)

H

54b (–12.4)

Cl H

(b)

53b (–1.8) Cl Si

H SiCl3

14.0 H

Cl

Cl 54c (–12.8)

(c)

Cl

Cl 54d (–14.4) 54a H

54b 54c

~Cl/~SiCl3/BPR

Cl

Cl 21e

Tabelle 12. Thermochemie und Barrieren für die Eliminierung verschiedener Silanide relativ zu 54d; SMD-RI-M06-L/6-31+G(d,p); Solvens = Dichlormethan, ∆G298 in kcal mol–1 und effektive Barrieren ∆G in kcal mol–1; der günstigste Reaktionspfad ist grau hinterlegt.

Eliminierung ∆G298 (kcal mol–1) ∆G (kcal mol–1)

trans Si–Cl

54d → SiCl4 + 19.3 31.2

54d → SiCl4 + 17.4 27.0

54d → SiCl4 + 15.1 26.7

54d → SiCl4 + 9.5 22.7

54d → SiCl4 + 12.0 24.1

trans Si–Cl

54d → HSiCl3 + 10.4 24.4

54d → HSiCl3 + 5.5 19.8

trans Si–H

54d → HSiCl3 + 10.4 20.3

54d → HSiCl3 + 5.5 14.8

entsteht aller Voraussicht nach durch die Dimerisierung von 58 mit einem der beiden perchlorierten Silanide. Explizit berechnet wurde diese Dimerisierung allerdings nicht.

Die Aktivierungsbarrieren für die Bildung der perchlorierten Silanide, also der Eliminierung von HSiCl3 aus 54d, sind für die Eliminierung trans zu einer Si–H Bindung niedriger als die Barrieren für die Eliminierung trans zu einer Si–Cl Bindung.

Kinetisch ist die Bildung von 2 gegenüber der Bildung von 23 bevorzugt, die Aktivierungsbarrieren sind aber in beiden Fällen moderat und bei 120 °C leicht überwindbar. Sowohl kinetisch als auch thermodynamisch ist die Entstehung von 2 bevorzugt. Auch die Bildung von 23 ist gegenüber der Bildung des H-substituierten Silanids 58– kinetisch bevorzugt. Dieser Befund erklärt, warum bei der

55 Si H Cl

56 Si Cl Cl

H

57 Si Cl

Cl H

H Si

58 Cl Si

59 H

23 Si Cl Cl

Cl Si 2

23 Si Cl Cl

Cl Si 2

experimentellen Umsetzung von HSiCl3 mit Chloridionen primär [Si6Cl12Ÿ2Cl]2–

beobachtet wird und [Si6HCl11Ÿ2Cl]2– lediglich ein Nebenprodukt bildet.

Der Aufbau des dianionischen inversen Sandwichkomplexes [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– aus HSiCl3 in Anwesenheit von Chloridionen verläuft wie der Aufbau aus Si2Cl6 über SiCl3 als Schlüsselintermediat. Allerdings entsteht SiCl3 in diesem Fall über eine Eliminierung von HCl aus einem Chloridaddukt von HSiCl3. Der Aufbau beinhaltet einen komplexen Reaktionspfad, auf dem Chloridabstraktionen, Hydridabstraktionen, Deprotonierungen, Silanid-Additionen, sowie Silanid-Eliminierungen nahezu gleichberechtigt nebeneinander vorkommen, und der immer wieder in die Reaktionspfade für den Aufbau der perchlorierten Silane mündet. Wie für den Aufbau der perchlorierten Silane entstehen mit moderaten Aktivierungsbarrieren Silanide, die durch Dimerisierung zu den röntgenkristallographisch charakterisierten Chlorid-komplexierten Cyclohexasilanen [Si6Cl12Ÿ2Cl]2– und [Si6HCl11Ÿ2Cl]2– führen.