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qualikationsheterogenen Lehrpersonengruppen

7.3 Ergebnisse der Betrachtung von individuellen Lernprozessenindividuellen Lernprozessen

7.3.3 Carsten - fachfremd und doch Fachmann

Ausbildung

Carsten hat von 2003 bis 2009 Sonderpädagogik an der Humboldt Universität zu Berlin und parallel dazu Biologie an der Freien Universität Berlin studiert.

Im Biologiestudium belegte er einen Kurs Mathematik für Naturwissenschaft-ler. 2010 konnte er das Referendariat an einer Förderschule in Berlin beginnen.

Während dieser Zeit hat er entsprechend seiner Ausbildung nur Biologie und Musik unterrichtet.

Berufstätigkeit mit Bezug zu Mathematik

Nach dem Referendariat konnte Carsten an dieser Förderschule bleiben. Er übernahm eine Klasse im dritten Schulbesuchsjahr und unterrichtet seitdem Mathematik auf der Basis verschiedener Rahmenlehrpläne für Förderschulen.

Wege in eine Stochastik-Fortbildung

Carsten ist auf Wunsch eines Kollegen 2014 als Tandempartner in einen DZLM-Kurs zum Themenfeld Sachrechnen: Gröÿen und Messen eingestiegen. Zur Zeit des Interviews (2016) hatte er gerade den Stochastikkurs abgeschlossen, aller-dings ohne eine(n) Tandempartner(in) der Schule. Sein Tandemkollege aus den vorangegangenen Kursen nahm bereits 2013 an dieser Stochastik-Fortbildung teil und andere Lehrkräfte hatten kein Interesse. Im Kurs fand er sich mit einer Tischnachbarin zu einem Tandem zusammen.

Obwohl sein Studienabschluss noch gar nicht so lange zurücklag, schätzte er ein, dass ihm fachliche Grundlagen in Mathematik fehlen. Seine Mathematik-ausbildung im Studium war aus seiner Sicht nur speziell für seine Studienrich-tung Biologie und ist wenig hilfreich für den Mathematikunterricht. Er fühlte sich durch das Studium der Sonderpädagogik methodisch und didaktisch gut ausgebildet. Für Mathematik fehlten ihm fachdidaktisches und insbesondere fachliches Grundwissen. Aus diesem Grund nutzte er die Möglichkeiten, die die intensiven Fortbildungen des DZLM zu den einzelnen mathematischen Inhaltsbereichen bieten.

Erleben der Fortbildung Verschiedene Rollen

Carsten betonte, dass das Lernen in diesem Kursformat für ihn gewinnbrin-gend war.

Die Struktur an sich nde ich gut, weil wenn man nur aus der Fort-bildung rausgeht und sich nicht weiter im Alltag damit beschäftigt, dann vergisst man einfach auch vieles. Das praktische Ausprobie-ren hilft noch mal, selber darüber nachzudenken, was man in der Fortbildung gemacht hat. [...] der Bezug, dass ich immer was aus-probiere, was ich dann wirklich nutzen kann.

Er erwähnte, dass es in der Stochastik ganz viel Neues für ihn zu lernen gab, ohne dass er es konkreter illustrierte. In seinen weiteren Ausführungen unter-schied Carsten nicht mehr explizit sein Agieren in den Rollen Mathematik-Lernender und Mathematik-Lehrender. Er betrachtete die gegenseitige Be-dingtheit von fachlichem Wissen und fachdidaktischer Umsetzung und betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer kritischen Reexion des eige-nen unterrichtlichen Handelns in Bezug zu den Lernprozessen der Schülerineige-nen und Schüler.

Lernen in einer qualikationsheterogenen Lerngruppe

Carsten hat die Heterogenität der Lerngruppe von Anfang an wahrgenommen.

Für ihn unterschieden sich die Teilnehmenden in den Unterrichtserfahrungen, einmal ganz allgemein und einmal in Bezug auf den Mathematikunterricht.

Ihm el bereits am ersten Präsenztag auf, dass die Gruppe bezüglich des mathematischen Wissens der Teilnehmenden heterogen zusammengesetzt ist.

Carsten ordnete sich nach eigener Aussage in der Gruppe so irgendwo in der Mitte ein Nach seinem Eindruck lebte der Kurs von der Verschiedenheit der Teilnehmenden, da der Austausch gefordert und möglich war und die Teilneh-menden sich auch gern einbrachten.

Beschriebene Veränderungen Wissenszuwachs und Selbstsicherheit

Carsten schätzte ein, dass ihm das Lernen der fachlichen Inhalte der Stochas-tik nicht schwer gefallen ist. Er konnte eigentlich nicht verstehen, warum er so einen Respekt vor diesem Inhaltsbereich hatte. Besonders schätzte er die Möglichkeiten in der Fortbildung, sich dessen, was man eigentlich weiÿ bzw.

schon kann, bewusst zu werden. Diese Einsicht sieht er als seinen persönlichen Gewinnin dieser Fortbildung an.

Diese Aussagen werden durch Carstens Abschneiden in den Standortbestim-mungen gestützt. Er hat in beiden Durchführungen alle Aufgaben in der vor-gegeben Zeit von 30 min bearbeitet. Zu Beginn der Fortbildung konnten die Antworten zu drei der 24 Items nicht als richtig gewertet werden. Er hatte zu einigen Aufgaben Nebenrechnungen oder Lösungsansätze dokumentiert. In der Lernstandsermittlung zum Abschluss des Kurses wurden zwei Items nicht

richtig gelöst. Der Vergleich der Fehler zeigte, dass zum Abschluss eine Kom-binatorikaufgabe und eine Aufgabe aus der Statistik (Median) jetzt richtig bearbeitet wurden. Ein anderes Kombinatorikitem wurde dafür falsch gelöst.

Ein Item aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung wurde in beiden Durchläufen falsch bearbeitet. In der abschlieÿenden Standortbestimmung sind keine Noti-zen zu Lösungsansätze oder -wegen zu nden.

Fokus im Unterricht verändert

Carsten gab an, dass er seinen Unterricht im Grundsatz nicht verändert hat.

Er ordnet aber jetzt das Themenfeld Daten und Zufalldes Rahmenlehrplans in der Bedeutung und im Bezug zu den anderen Inhaltsbereichen der Grund-schulmathematik anders ein.

Es ist auch so, dass ich wirklich dieses Stochastische, dieses Sta-tistische sehr interessant nde, aber selber im Unterricht irgendwie immer hinten angestellt habe, weil ich dachte, wichtiger sind ja erst mal die Grundrechenarten zum Beispiel. Deshalb war es immer so:

Das mache ich dann vielleicht noch am Ende des Halbjahres, wenn noch Zeit ist. Aber dann war immer keine Zeit mehr. Diese eine Klasse, mit der habe ich das noch gar nicht gemacht. Bisher. Wenn ich die in der Sechsten abgebe, dann müssen die das aber auf jeden Fall schon mal gehört haben.

Im Weiteren ging Carsten darauf ein, dass er durch das Ausprobieren im Un-terricht seinen Blick für die individuellen Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler geschärft hat.

[...] weil ich da auch noch mal auf spezische Sachen mehr achte:

was können Schüler, wie arbeiten Schüler.[...] auch gerade dieses Gucken auf die Schüler, nicht nur Ach, die können das nicht?, son-dern auch Warum können die das nicht?. Und dann auch noch weiterführend: Was kann ich denn dann machen? Also, da hat mir der Kurs schon sehr, sehr viel gebracht.

Er sah für sich noch die Schwierigkeit darin, dieses Herangehen so in den Alltag rüber zu retten. Er beschrieb, dass er gemerkt hat, dass er viele Dinge,

die in der Fortbildung in Bezug auf die Unterrichtsgestaltung angesprochen wurden, schon unbewusst realisiert. Er sieht es für sich als Herausforderung an, das Neue, bisher noch bewusst geplante als Routine in den schulischen Alltag zu integrieren.

Erfahrungsberichte - Dokumentation der Unterrichtserprobungen Carsten hat zu allen Modulen Aufgaben im Unterricht seiner 6. Förderschul-klasse erprobt. Im Modul Zufall und Wahrscheinlichkeit nutzte er die Aufgabe aus der Fortbildung (Vierfacher Münzwurf). Sein Erfahrungsbericht enthält Aussagen zu den Vorkenntnissen der Lerngruppe, den Verweis auf die ein-gesetzte Aufgabe und die geplanten Arbeitsschritte. Dabei reduzierte er die Informationen auf wesentliche fachliche und fachdidaktische Angaben. Im Re-sümee beschrieb er die für ihn bedeutsamen Beobachtungen, die aus seiner Sicht die Lernzielerreichung gefährdeten. Im Gespräch dazu brachte er zum Ausdruck, dass er durch den von ihm geplanten Unterrichtsablauf seine Schü-lerinnen und Schüler in ihrer Konzentrationsfähigkeit überfordert hat. Dadurch konnte im weiteren Arbeitsprozess kein Lernzuwachs erreicht werden. Er würde diese Aufgabe wieder einsetzen und fachlich auch keine Abstriche machen. Vor der Durchführung würde er sich mit seinem (Tandem)Kollegen beraten, wie die Lernorganisation besser auf die speziellen Bedarfe der Kinder zugeschnitten werden kann.

Impulse für die Arbeit in der Fachkonferenz

Carsten tauschte sich während der Fortbildung schon mit seinem Fachkolle-gen (ehemaliger Tandempartner) zu den PraxisaufträFachkolle-gen und der Erprobung aus. Das Thema Stochastik direkt in die Fachkonferenz weiterzutragen, hielt er für schwierig. Der Austausch der Kolleginnen und Kollegen ist eher durch die täglichen Arbeitsanforderungen bestimmt, die sich aus dem Einsatz in ver-schiedenen Klassenstufen und dem Arbeiten nach unterschiedlichen Rahmen-lehrplänen, entsprechend der Förderbedarfe der Kinder, ergeben.