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Professionalisierung von Lehrpersonen

3.2 Anliegen der Forschung

Parallel zu den Aktivitäten der Bildungsadministration richtete sich in den letzten Jahren auch der Fokus der Forschung in den Erziehungswissenschaften und Fachdidaktiken zunehmend auf die Professionalisierung von Lehrkräften.

Erkenntnisse der Bildungsforschung können aufgrund der institutionellen Ver-ortung unmittelbarer in die Lehramtsausbildung eingebunden werden. Eine Herausforderung besteht in der Implementierung von Erkenntnissen aus der Lehr-Lern-Forschung und der Schulentwicklungsforschung in das Bildungssys-tem (Abschnitt 3.2.1). Von besonderer Bedeutung sind Ansätze und Ergebnisse der Forschung, die die Facetten des Professionswissens (fachliches, fachidakti-sches, pädagogisches) untersuchen, deren gezielte Veränderung betrachten und einen Zusammenhang mit Lernzuwächsen von Schülerinnen und Schülern auf-zeigen (vgl. Ball, Hill & Bass, 2005; Kunter et al., 2013; Carpenter, Fennema, Franke, Levi & Empson, 2000). Für diese Arbeit interessieren insbesondere die Professionalisierungsprozesse (Abschnitt 3.2.2).

3.2.1 Erkenntnistransfer

In der Lehr-Lern-Forschung wird immer wieder auf die Kluft zwischen For-schung und Innovationen im Bildungsbereich hingewiesen (vgl. u a. Reimann, 2005; Gräsel, 2010). Die Problematik des Transfers von lerntheoretischen Er-kenntnissen in praxistaugliche Innovationen ist bekannt und wird als Theorie-Praxis-Problem beschrieben (vgl. Stark, 2004; Einsiedler, 2010). Mit Blick auf die Heterogenität der im Mathematikunterricht an Grundschulen Tätigen ist das ein noch komplexeres Feld (vgl. Abschnitt 3.3.3). Aus der Sicht der For-schung sollten Lehrpersonen auch nach Abschluss ihrer Ausbildung an neuen Erkenntnissen in der Lehr-Lern-Forschung interessiert sein. Sie sollten die Qua-lität ihres in der Ausbildung erworbenen professionellen Wissens, seine Verän-derung in der Berufspraxis hinterfragen und einschätzen können, inwieweit dadurch das professionelle Agieren im Unterricht bestimmt wird. Lehrkräfte sollten auch selbstreexiv schauen, inwieweit sich die eigenen auf Mathematik bezogenen bzw. selbstbezogenen Überzeugungen und Motivationen in der Be-rufstätigkeit verändert haben. Es ist davon auszugehen, dass die Belastungen und Herausforderungen des schulischen Alltages Lehrkräften kaum Zeit und

Raum lassen, darüber nachzudenken (vgl. Einsiedler, 2010).

Wenn es um den Transfer neuer Erkenntnisse geht, dann geht es auch im-mer darum, wie diese den Lehrkräften zugänglich gemacht werden können und inwieweit sie von der Lehrperson als relevant für das eigen Handeln wahrge-nommen und auch als Lernanlass angesehen werden. Damit ist zu klären, vor welchem forschungstheoretischen Hintergrund systemische Lerngelegenheiten zu konzipieren und anzubieten sind, damit ein Transfer neuer Erkenntnisse der Lehr-Lern-Forschung ermöglicht wird (vgl. Reimann & Vohle, 2012). Er-kenntnistransfer ist somit untrennbar mit Prozessen verbunden, die das Ziel Professionalisierung von Lehrkräften haben. Im Weiteren wird darauf einge-gangen.

3.2.2 Professionalisierungsprozesse

Für diese Arbeit interessieren Zugänge zu Professionalisierungsprozesse von Lehrpersonen. Dazu werden Modellierungen betrachtet, die die Komplexität dieser Prozesse strukturiert abbilden und der Blick auf Darstellungen gerich-tet, die die Kompetenz von Lehrkräften in einzelnen Facetten und in ihrer Bedingtheit zueinander zeigen.

Drei-Tetraeder-Modell

Für die Konzipierung und Untersuchung von berufsbegleitenden Maÿnahmen, die die Professionalisierung von Lehrkräften unterstützen sollen, ist das Drei-Tetraeder-Modell der gegenstandsspezischen Professionalisierungsforschung (vgl. Abbildung 3.1), das am Deutschen Zentrum für Lehrerbildung Mathema-tik (DZLM) entwickelt wurde, zu durchdenken. Es greift Diskussionen zur Nut-zung und Erweiterung des didaktischen Dreiecks für die Integration pädago-gisch-psychologischer und fachdidaktischer Lehr-Lern-Forschung (vgl. Reus-ser, 2009) auf und bindet Erkenntnisse zur Bedeutung von Lehr- und Lern-mitteln als Determinanten von Lernprozessen im Unterricht ein (vgl. Gräsel, 2010; Kahlert, 2010; Sandfuchs, 2010; Prediger et al., 2017). Durch die Einbin-dung der unterstützenden Materialien und Medien wird es zunächst zu einem Tetraeder-Modell erweitert, das einen umfassenden Blick auf Unterricht ermög-licht. Durch die Übertragung dieses Strukturmodells von der Unterrichtsebene

Abbildung 3.1: Drei-Tetraeder-Modell der gegenstandsspezischen Professio-nalisierungsforschung (Prediger et al., 2017, S. 160)

auf weitere systemische Professionalisierungsebenen werden diese mit gleichem Strukturansatz betrachtet, aber in ihrer Spezik ausgeschärft und können in ihrer Beziehung zueinander dargestellt werden. Für die Fortbildungsebene be-deutet dieses Modell (Prediger et al., 2017, S. 162):

• Gegenstandsspezische Lernunterstützung (rechte Seitenäche), damit sich die fortzubildenden Lehrkräfte dem Fortbildungsgegenstand nähern können.

• Strukturierung des Gegenstands sowie materiale und mediale Realisie-rung (linke Seitenäche): Kern des Fortbildungsgegenstand benennen,in Sinnzusammenhängen strukturieren und mit Materialien und Medien aufbereiten.

• Gegenstandsspezische Lernwege und kognitive Aktivitäten (untere Sei-tenäche) lassen sich durch geeignete Materialien und Medien sowie Lernunterstützung anstoÿen und fördern.

• Gegenstandsunabhängige Methoden (hintere Seitenäche) sind erwach-senenpädagogische und fortbildungsmethodische Möglichkeiten zur ge-genstandsunabhängigen Gestaltung der Fortbildung.

Mit dem Drei-Tetraeder-Modell werden über die gegenstandsspezische Pro-fessionalisierungforschung hinaus wesentliche Impulse für eine lernprozessfo-kussierende und designbezogene Perspektive in der Entwicklung von Fortbil-dungen gegeben, die die Unterrichtsebene im Blick behält.

Kompetenzentwicklungsmodell - COACTIV

In der COACTIV-Studie gibt es ein theoretisches Modell zur Entwicklung professioneller Kompetenz von Lehrkräften. Es kann als eine Erweiterung des Blömeke-Gustafsson-Modells (vgl. Abbildung 2.1, S. 8) interpretiert werden.

Es wird die professionelle Kompetenz der Lehrkräfte in das Bedingungsgefüge, das für die Entwicklung relevant ist, eingeordnet (vgl. Abbildung 3.2).

Kontext

Bildungssystem, Individuelle Schule

Lern- gelegenheiten

Persönliche Voraussetzungen Kognitive Fähigkeiten, Motivation, Persönlichkeit

Professionelle

Abbildung 3.2: COACTIV - Modell der Determinanten und Konsequenzen der professionellen Kompetenzen von Lehrkräften (Baumert et al., 2011, S. 59) -eigene Darstellung

Professionelle Kompetenz von Lehrpersonen zeigt sich in ihrem professionel-len Verhalten, das sich über Ergebnisse von Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften einschätzen lässt. Der Rahmen der Entfaltung und Entwicklung

der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen wird durch den Kontext (Bil-dungssystem, individuelle Schule) maÿgeblich mitbestimmt. In der beruichen Entwicklung von Lehrkräften werden in diesem Modell die Lerngelegenheiten betrachtet, die durch und im Bildungssystem und der Einsatzschule bestimmt und angeboten werden. Mit der Beachtung der persönlichen Voraussetzungen werden individuelle Ausprägungen der professionellen Kompetenz und des pro-fessionellen Verhaltens und auch deren möglicher Einuss auf die Nutzung von Lerngelegenheiten beachtet.