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I. Fluktuation der EU-Binnenmigration

3. Bleibeabsicht von EU-Zugewanderten in Deutschland

3.5. Bleibeabsicht nach weiteren Faktoren

Aufgrund der niedrigen Fallzahlen lassen sich für die Bleibeabsicht nach weiteren

treffen. Da ansonsten die Fallzahlen zu gering wären, werden hier nur Ergebnisse für die Gesamtheit der Befragten dargestellt und auf eine gesonderte Auswer-tung nach Staatsangehörigkeit verzichtet.

Bisherige Studien zu qualifikationsinadäquaten Beschäftigten liefern plausible Anhaltspunkte für die Überlegung, dass sich eine nicht qualifikationsadäquate Beschäftigung auf die Bleibeabsicht von Zugewanderten auswirken könnte. So zeigt bspw. Quintini (2011) auf Grundlage von statistischen Analysen des Euro-pean Community Household Panel (1994-2001),18 dass überqualifizierte Be-schäftigte (bspw. Personen mit einem akademischen Bildungsabschluss, die ei-ner Beschäftigung nachgehen, die nur einen Abschluss der Sekundarstufe II er-fordert), im Vergleich zu ähnlich qualifizierten, aber qualifikationsadäquat Be-schäftigten, im Schnitt geringer entlohnt werden, zu einer geringeren Arbeitszu-friedenheit neigen und eher dazu bereit sind, die Arbeitsstelle zu wechseln (Quintini 2011: 32f). Die Berechnungen, auf die sich die Studie stützt, beziehen sich zwar auf Beschäftigte im Allgemeinen in ausgewählten EU-Ländern und nicht spezifisch auf EU-Zugewanderte. Allerdings erscheint plausibel, dass die oben genannten Faktoren in Kombination mit weiteren Ursachen, wie bspw. ei-ner erhöhten Arbeitsplatzunsicherheit (siehe hierzu Gericke et al. 2016: 137), in-direkt die Bleibeabsicht von qualifikationsinadäquat beschäftigten Zugewander-ten beeinflussen könnZugewander-ten.

Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht, dass eine fehlende Passung zwischen der erworbenen Qualifikation und der ausgeübten Tätigkeit durchaus im Zusammen-hang mit der angegebenen Bleibeabsicht stehen könnte. Während über die Hälfte der unterqualifizierten Zugewanderten angibt, nicht sicher zu sein bezüg-lich der weiteren zeitbezüg-lichen Dauer des Aufenthaltes, trifft dies in vergleichsweise geringerem Umfang auf überqualifizierte und qualifikationsadäquat beschäftigte Zugewanderte zu. Gleichzeitig sind es die überqualifizierten bzw. qualifikations-adäquat beschäftigten Bürger*innen, die häufiger als unterqualifizierte EU-Zugewanderte angeben, sich einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland vor-stellen zu können (Abbildung 15).

18 Die berechneten Modelle enthalten Beschäftigte aus den Ländern Österreich, Belgien, Dänemark, Griechenland, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, und dem Vereinigten König-reich. Es besteht kein spezifischer Bezug zu Zugewanderten.

Abbildung 15: Bleibeabsicht nach qualifikationsadäquater bzw. qualifikationsinadäquater Beschäftigung

n = 458/84/889 © Minor

Es liegt nahe, dass auch die momentane Lebens- und Arbeitssituation die Bleibe-absicht beeinflusst. In der Umfrage wurde daher nach der derzeitigen Hauptbe-schäftigung der Zugewanderten (in Deutschland) gefragt, bspw. Arbeit, Arbeits-suche, Studium oder Praktikum. Es zeigt sich, dass fast drei Viertel der Zugewan-derten Arbeit als Hauptbeschäftigung angibt (73,3 %).19 Insbesondere für Perso-nen, die eine Ausbildung oder einen Sprachkurs absolvieren, kommt eine lang-fristige Bleibeabsicht in Frage. Eine mittellang-fristige Perspektive hingegen nehmen am häufigsten die studierenden Unionsbürger*innen ein. Mit ca. einem Fünftel gibt die Gruppe der Studierenden am häufigsten an, sich einen Aufenthalt zwi-schen zwei und fünf Jahren vorstellen zu können. Einen kurzfristigen Aufenthalt streben besonders diejenigen Zugewanderten an, die ein Praktikum absolvieren.

Zugewanderte, die bei ihrer Hauptbeschäftigung „Sonstiges“ angeben, scheinen am wenigsten genau zu wissen, welchen zeitlichen Rahmen ihr Aufenthalt in Deutschland haben soll.

Ein gesonderter Blick auf diejenigen Zugewanderten, die als Hauptbeschäftigung

“Arbeit” angeben, lohnt sich, da diese Gruppe zahlenmäßig den weitaus größten Anteil ausmacht. Für diese Zugewanderten wird deutlich, was bereits an anderer Stelle beobachtet werden konnte: Es besteht eine starke Polarität zwischen Per-sonen, die sich entweder unschlüssig hinsichtlich der konkreten Dauer ihres Auf-enthaltes in Deutschland sind oder die eine langfristige Bleibeperspektive ein-nehmen. Zugewanderte, die angeben, nur relativ kurze Zeit oder aber einige Jahre bleiben zu wollen, spielen eine untergeordnete Rolle (Abbildung 16).

Abbildung 16: Bleibeabsicht nach Hauptbeschäftigung n = 78/73/27/1.572/143/110/114/129. © Minor

Die Anzahl der Kinder stellt einen weiteren Faktor dar, der die Bleibeabsicht von Zugewanderten maßgeblich beeinflussen könnte. Die potenziellen Gründe hier-für sind vielfältig: So könnten hier-für Zugewanderte mit Kindern Themen wie bspw.

die bestehende Versorgungs- und Bildungsinfrastruktur (Kitas, Schulen), die Ar-beitsmarktintegration oder die Wohnsituation einen noch stärkeren Einfluss auf eine langfristige Bleibeabsicht haben, da diese Faktoren eine mittel- oder unmit-telbare Auswirkung auf weitere Haushaltsmitglieder haben. Staatsangehörig-keitsübergreifend zeigt sich, dass Zugewanderte mit einem bzw. mehreren Kin-dern häufiger eine langfristige Bleibeabsicht angeben als Zugewanderte ohne Kinder. Diese Unterschiede fallen insbesondere unter den älteren EU-Mitglied-staaten deutlich aus (+ 13 Prozentpunkte), sind aber auch für die Zugewanderten

aus den osteuropäischen Ländern zu beobachten. Zugewanderte ohne Kinder hingegen äußern staatsangehörigkeitsübergreifend häufiger eine mittel- oder kurzfristige Bleibeabsicht. Dabei wird jedoch offenbar, dass kinderlose Zugewan-derte aus den älteren EU-Mitgliedstaaten sich eine solche kurze bzw. mittelfris-tige Dauer häufiger vorstellen können als kinderlose Zugewanderte aus Mitglied-staaten der EU-Osterweiterung (Abbildung 17 und Abbildung 18).

Abbildung 17: Bleibeabsicht nach Anzahl der Kinder (alte EU-Mitgliedstaaten) n = 876/418. Daten nach Geschlecht gewichtet © Minor

Abbildung 18: Bleibeabsicht nach Anzahl der Kinder (EU-Osterweiterung) n = 717/235. Daten nach Geschlecht gewichtet © Minor

Einen weiteren möglichen Einflussfaktor stellt das Ankunftsjahr dar. So könnte es sein, dass Personen, die bereits länger in Deutschland leben, stabilere soziale und/oder berufliche Netzwerke gebildet haben, die ihre Bleibeabsicht beeinflus-sen. Es zeigt sich jedoch zumindest im Groben, dass mit längerer Aufenthaltszeit die Unentschlossenheit bezüglich der zeitlichen Dauer der weiteren Bleibeper-spektive nicht geringer zu werden scheint. Dieser Befund ist, aufgrund der oben

Deutschland leben. Zugewanderte, die erst vor kurzem nach Deutschland mig-riert sind, scheinen eine klarere Vorstellung hinsichtlich ihrer Bleibeabsicht zu haben. Auffällig ist, dass aus dieser Gruppe wesentlich mehr Personen angeben, eine kurz- oder mittelfristige Bleibeabsicht zu haben (Abbildung 19).

Abbildung 19: Bleibeabsicht nach Ankunftsjahr (2008-2018)

n = 67/79/104/154/222/219/304/303/260/263/270. Daten nach Geschlecht gewichtet © Mi-nor

II. Auswirkungen von Abwanderung auf die