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5 Aussagen zur tiergerechten Haltung der Mongolischen Wüsten- Wüsten-rennmaus und ihre Bewertung

5.4 Kontakt zum Menschen

5.5.4 Bewertung des Kontaktes zum Menschen

Der Kontakt zum Menschen beeinflusst sowohl die Befindlichkeit des Tierhalters als auch das Wohlbefinden des Tieres. Mongolische Wüstenrennmäuse werden wie die meisten kleinen Heimtiere bevorzugt von Familien mit Kindern oder von Jugendli-chen gehalten. Vor allem auf die Entwicklung von Kindern wirkt sich die Heimtierhal-tung positiv aus. Durch die Übernahme der VerantworHeimtierhal-tung für ein Tier lernen die Kinder, Rücksicht zu nehmen und erfahren eine Stärkung des Selbstvertrauens.

Mongolische Wüstenrennmäuse liefern ein Stück Natur und sind hervorragende Lehr- und Anschauungsobjekte. Als Streichel- oder Kuscheltiere eignen sie sich allerdings nicht. Gerade sehr kleinen Kindern ist dies nicht unbedingt verständlich zu machen, weshalb diese mit der Betreuung überfordert sind. Das von HOLLMANN (1997b) geforderte Mindestalter von 15 Jahren für die Haltung Mongolischer Wüsten-rennmäuse scheint insofern gerechtfertigt, es sei denn, die Eltern sind beim Umgang mit dem Tier ständig anwesend und übernehmen die Reinigungs- und Pflegearbei-ten.

Ein ruhiger sicherer Umgang mit dem Tier ist Voraussetzung für die Vermeidung von Verhaltensstörungen und Schäden. Stressbelastungen während pflegerischer Aktivi-täten oder beim direkten Umgang können zu epileptischen Krämpfen führen und sind unbedingt zu vermeiden. Die Tiere benötigen Sicherheit und Vertrauen zur Kontakt-person. Durch geduldiges tägliches Training mit positiver Verstärkung, d. h. Füttern eines Leckerbissens, gelingt eine Zähmung der Mongolischen Wüstenrennmaus.

Das ausgeprägte Explorationsverhalten unterstützt dabei diesen Prozess.

Auch für die Versuchstierhaltung ist eine Zähmung erforderlich, um einen stressfrei-en Umgang mit dstressfrei-en Tierstressfrei-en zu ermöglichstressfrei-en und um dstressfrei-en Zugriff auf die Tiere bei angebotener Rückzugsmöglichkeit sicherzustellen.

In der Versuchstierhaltung ist der Einfluss des Tierpflegers auf die Versuchsergeb-nisse zu berücksichtigen. Auch deshalb ist der schonende Umgang mit dem Tier

zwingend notwendig. Im Gegensatz zur Heimtierhaltung handelt es sich bei den Tierpflegern um ausgebildete Fachkräfte, die über die Besonderheiten der Mongoli-schen Wüstenrennmaus und über allgemeine Haltungsfragen informiert sind und entsprechend handeln können. Bei der Haltung im Tierheim und in der Zoohandlung wird gesetzlich nur eine verantwortliche Person mit der entsprechenden Sachkunde gefordert. Allen übrigen Mitarbeitern sowie den Heimtierhaltern bleibt es größtenteils selbst überlassen, sich entsprechendes Fachwissen anzueignen.

Die Unwissenheit über Physiologie und Ethologie der Mongolischen Wüstenrenn-maus hat negativen Einfluss auf die Unterbringung und Pflege der Tiere, so dass von einer tiergerechten Haltung nicht gesprochen werden kann.

Der Mensch hat sich bei der Betreuung dem Tier anzupassen und nicht umgekehrt.

Dass bedeutet für die Haltung Mongolischer Wüstenrennmäuse, dass der Kontakt mit dem Tier nur auf freiwilliger Basis von Seiten des Tieres geknüpft werden sollte.

Während der Ruhephasen sind Störungen zu vermeiden.

Auch pflegerische Aktivitäten wie z. B. die Käfigreinigung verlangen eine Anpassung an die tierspezifischen Bedürfnisse. So ist abhängig von der Besatzdichte sowie Art und Menge der Einstreu eine individuell erforderliche Reinigungsfrequenz zu ermit-teln. Dabei erscheint es sinnvoll, Teile der benutzten Einstreu im Käfig zu belassen, da sonst alle Duftmarken entfernt und die Tiere Stressbelastungen ausgesetzt sind.

Der regelmäßige Umgang sollte auch die adspektorische Gesundheitskontrolle einschließen. Viele Erkrankungen werden durch inadäquate Haltungsbedingungen hervorgerufen. Insbesondere ist zu achten auf die Beschaffenheit von Haut und Haarkleid, auf den Zustand der Zähne und die Umgebung des Afters.

Nur ein verantwortungsbewusster Umgang gekoppelt mit erforderlichem Fachwissen ermöglicht die tiergerechte Haltung Mongolischer Wüstenrennmäuse.

5.5.5 Schlussbetrachtung

Die Forderungen eines ethologisch ausgerichteten Tierschutzes als Grundlage für die Bewertung und Entwicklung von Haltungssystemen bereiten vor allem bei der Umsetzung in die Praxis Probleme.

Über die Mongolische Wüstenrennmaus exisitieren bis dato kaum ethologische Forschungsarbeiten, so dass zum Teil auf nahe verwandte Arten zurückgegriffen werden muss. Auch die Auswirkungen der einzelnen Haltungsbedingungen sind kaum erforscht, so dass zu diesem Zeitpunkt nur solche Haltungsempfehlungen abgeleitet werden können, die nach gegenwärtigem Wissensstand als tiergerecht zu bezeichnen sind. Statt der Berücksichtigung ethologischer Grundlagen wird bei der Haltung Mongolischer Wüstenrennmäuse vielfach auf Haltungssysteme, die für andere Tierarten entwickelt wurden, zurückgegriffen. Die in der Versuchstierhaltung verwendeten Standardkäfige zeichnen sich durch absolute Reizarmut aus und werden den ethologischen Bedürfnissen in keiner Weise gerecht. Werden diese Käfigtypen nicht durch einige der genannten Environmental Enrichment-Faktoren angereichert, kann den Tieren die geforderte Bedarfsdeckung und Schadensvermei-dung nicht gelingen, und die Haltungsform ist als nicht tiergerecht abzulehnen. Das von WAIBLINGER (2002) vorgeschlagene künstliche Bausystem erscheint am

ehesten geeignet, grundlegende tierliche Bedürfnisse zu befriedigen, ohne Praktika-bilität und Ökonomie wesentlich zu gefährden.

Eine Imitation der Natur ist bei keiner Haltungsform möglich. Dies ist aber auch gar nicht notwendig, denn die Fähigkeit zur Adaptation ermöglicht den Tieren in gewis-sem Rahmen eine Anpassung an gegebene Haltungsbedingungen. Nach van PUTTEN (1982) ist die Adaptation gelungen, wenn ein Reiz akzeptiert wird, der zwar nicht bevorzugt wird, der sich aber noch genügend eignet, das Bedürfnis des Tieres auf biologisch sinnvolle Weise zu befriedigen. Wenn die Adaptation nicht gelingt bzw.

der Reiz nicht spezifisch genug ist, kommt es zu Verhaltensstörungen. Aber auch ohne ein Mindestmaß an unspezifischen Reizen treten Verhaltensstörungen auf.

Ein Beispiel für eine gelungene Adaptation ist die Zugabe einer abgedunkelten Nestbox, die über einen Tunnel zu erreichen ist. Durch diese Maßnahme wird das gerade bei der Versuchstierhaltung häufig beobachtete stereotype Graben signifikant reduziert.

Der natürliche Lebensstil und die Komplexität des normalen Verhaltens müssen bei der Entwicklung von Haltungssystemen berücksichtigt werden (POOLE u. STAMP DAWKINS 1999). Den Tieren muss trotz limitiertem Raumangebot und restriktivem Reizangebot Selbsterhalt und Selbstaufbau sowie Schadensvermeidung gelingen.

Die aus dem Ethogramm abgeleiteten Ansprüche an die Haltung werden nur dann adäquat befriedigt, wenn die Mongolischen Wüstenrennmäuse in der jeweiligen Unterbringung ein arttypisches Verhalten zeigen bzw. keine Verhaltensstörungen auftreten.

Neben den ethologischen Merkmalen sind für die Beurteilung der Tiergerechtheit des Haltungssystems auch die genannten morphologischen und physiologischen Merk-male zu beachten.

Die komplexe Lebensweise der Mongolischen Wüstenrennmaus und die im Laufe der Evolution erfolgte Anpassung an die zum Teil extremen Klimabedingungen im Herkunftsgebiet machen diese Tierart keineswegs zu dem pflegeleichten anspruchs-losen Tier, als das es in der Literatur vielfach dargestellt wird. Ein Beispiel ist der niedrige obere Grenzwert der relativen Luftfeuchtigkeit, der vor allem in der Heimtier-haltung kaum einzuhalten ist.

Zum Teil ist eine adäquate Umgebungsgestaltung nur über Kompromisslösungen erreichbar. Kann die Luftfeuchtigkeit nicht auf Werte bis zu 50 % gehalten werden, sollte zumindest ein Sandbad zur Verfügung stehen, um den Tieren die Thermoregu-lation zu ermöglichen. Auch die Möglichkeit zum Anlegen eines Baus ist dann von besonderer Bedeutung. Alternativ ist zumindest ein künstlicher Bau oder Tunneler-satz anzubieten.

Die Unwissenheit des Tierhalters über die Bedürfnisse der kleinen Heimtiere wie der Mongolischen Wüstenrennmaus scheint der Hauptgrund für eine nicht tiergerechte Haltung im Heimtierbereich zu sein. Somit stellt sich den Verkäufern in der Zoohand-lung, den Mitarbeitern der Tierheime sowie den Tierärzten die Aufgabe, über die Haltungsansprüche entsprechend zu informieren. Die Erweiterung der Sachkunde-pflicht auf alle im Zoofachhandel tätigen Verkäufer erscheint sinnvoll, da der

Zoo-fachhandel eine Vorbildfunktion in Bezug auf tiergerechte Pflege und Unterbringung haben sollte. Im Hinblick auf das von der Industrie für die Heimtierhaltung angebote-ne Sortiment wäre eiangebote-ne Geangebote-nehmigung serienmäßig hergestellter Käfigsysteme sowie ein Verbot tierschutzwidrigen Zubehörs wünschenswert.

Ideal wäre die von ALTHAUS (1997) geforderte Ausstellung von Modellanlagen für jede im Zoofachhandel angebotene Tierart, die nach tiergerechten Kriterien entwor-fen und eingerichtet sind und den potenziellen Heimtierhaltern als Anschauungsob-jekte dienen. Beim Verkauf eines Tieres sollte den Käufern Informationsmaterial über die Biologie und Haltungsansprüche an die Hand gegeben werden.

Das Problem bei der Haltung Mongolischer Wüstenrennmäuse als Versuchstier liegt hauptsächlich in den fehlenden gesetzlichen Bestimmungen. Die meisten empfohle-nen Richtwerte beziehen sich auf Versuchstiere allgemein bzw. betreffen Grundsätz-liches zur Haltung. Um so wichtiger ist die Festlegung konkreter Haltungsanforde-rungen dieser Tierart im Europäischen Übereinkommen zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere vom 18.03.1986. Die Richtlinie der Arbeitsgruppe zu diesem Übereinkommen (2000) sieht die Festlegung von Richt- und Mindestwerten für den Flächenbedarf dieser Tierart vor. Weiterhin wird die Unterbringung in sozialen Gruppen, das Anbieten von Nist- und Nagemate-rial und eine zum Graben ausreichende Einstreuschicht oder alternativ das Anbieten eines künstlichen Baus bzw. eines Ersatztunnels gefordert. Die Aufnahme dieser Forderungen in das Europäische Übereinkommen wäre ein wichtiger Schritt zur Schaffung tiergerechter Haltungsbedingungen bei der Versuchstierhaltung.

6 Zusammenfassung

Ute Elisabeth Schulze Sievert:

Ein Beitrag zur tiergerechten Haltung der Mongolischen